TE Vwgh Erkenntnis 2023/3/2 Ra 2021/21/0198

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Veröffentlicht am 02.03.2023
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Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulzbacher sowie die Hofrätin Dr. Wiesinger und den Hofrat Dr. Chvosta als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, über die Revision des R, vertreten durch Mag. Wolfgang Auner, Rechtsanwalt in 8700 Leoben, Parkstraße 1/I, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26. April 2021, betreffend Überprüfung der Fortsetzung einer Schubhaft gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG, und gegen den unter einem ergangenen Beschluss vom 26. April 2021, betreffend Abweisung des Antrages auf Gewährung von Verfahrenshilfe, jeweils G308 2236623-4/7E (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl),

I. zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

II. den Beschluss gefasst:

Die Revision gegen den angefochtenen Beschluss wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte nach seiner Einreise in das Bundesgebiet im Jahr 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, der erfolglos blieb, wobei gegen ihn auch eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung erlassen wurde.

2        Nachdem der Revisionswerber beim Versuch, illegal nach Deutschland einzureisen, am 1. November 2020 betreten worden war, wurde er festgenommen und über ihn mit dem sofort in Vollzug gesetzten Mandatsbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 2. November 2020 gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG die Schubhaft (auch) zur Sicherung seiner Abschiebung verhängt. Mit der (eine Übersetzung enthaltenden) schriftlichen „Verfahrensanordnung“ vom selben Tag wurde dem Revisionswerber „für ein etwaiges Beschwerdeverfahren“ eine näher genannte Organisation als Rechtsberater „amtswegig zur Seite gestellt“. Zudem wurde der Revisionswerber in diesem Schriftstück über die Möglichkeit belehrt, sich durch den Rechtsberater im Beschwerdeverfahren einschließlich einer mündlichen Verhandlung vertreten zu lassen. Des Weiteren wurde der Revisionswerber aufgefordert, sich für eine allfällige Beschwerdeerhebung „aufgrund der laufenden Rechtsmittelfrist unverzüglich“ mit seinem Rechtsberater in Verbindung zu setzen. Ein „Ersuchen auf Vertretung“ sei ebenfalls an den Rechtsberater zu richten. Abschließend wurde noch darauf hingewiesen, dass ein Antrag auf Verfahrenshilfe nicht zulässig sei.

3        Der daraufhin vom Revisionswerber, vertreten durch den beigegebenen Rechtsberater, gegen den Schubhaftbescheid erhobenen Beschwerde gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem in der mündlichen Verhandlung am 10. November 2020 verkündeten und sodann mit 30. November 2020 gekürzt ausgefertigten Erkenntnis statt, hob den Bescheid auf und erklärte die Anhaltung des Revisionswerbers in Schubhaft bis zum Zeitpunkt der Erlassung der Entscheidung am 10. November 2021 für rechtswidrig. Weiters stellte das BVwG fest, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlägen.

4        Im Rahmen der Überprüfungen gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG stellte das BVwG zunächst mit Erkenntnis vom 1. März 2021 und dann mit Erkenntnis vom 29. März 2021 jeweils das Vorliegen der für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen und die Verhältnismäßigkeit der Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung fest.

5        Die mit der nächsten Aktenvorlage am 19. April 2021 gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG erstattete Stellungnahme des BFA vom selben Tag wurde unter Einräumung einer Frist von zwei Tagen zur Erstattung einer Äußerung (lediglich) dem Revisionswerber übermittelt, der daraufhin einen am 23. April 2021 beim BVwG eingelangten Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe stellte. Dem ausgefüllten Antragsformular war zu entnehmen, dass die Verfahrenshilfe „zur Vertretung bei der Verhandlung“ begehrt wurde.

6        Schließlich stellte das BVwG mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 26. April 2021 - ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung - neuerlich gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG fest, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft gegen den Revisionswerber maßgeblichen Voraussetzungen vorlägen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig sei. Unter einem wies das BVwG den Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe mit Beschluss ab. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das BVwG jeweils aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

7        Die gegen dieses Erkenntnis erhobene außerordentliche Revision erweist sich - entgegen dem gemäß § 34 Abs. 1a erster Satz VwGG den Verwaltungsgerichtshof nicht bindenden Ausspruch des BVwG - unter dem Gesichtspunkt des Art. 133 Abs. 4 B-VG als zulässig; sie ist auch berechtigt.

8        Im vorliegenden Fall unterblieb - wie auch in der Revision zutreffend geltend gemacht wird - die im Verfahren nach § 22a Abs. 4 BFA-VG gebotene Beiziehung eines Rechtsberaters, wobei nicht ausgeschlossen werden kann, dass das BVwG bei Vermeidung dieses Verfahrensmangels zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre. Insofern gleicht der vorliegende Fall jener Konstellation, die auch dem Erkenntnis VwGH 24.2.2022, Ra 2020/21/0492, zugrunde lag. Gemäß § 43 Abs. 2 VwGG kann auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses (siehe dazu die Rn. 10 ff., insbesondere Rn. 25/26) verwiesen werden (vgl. zum Ganzen auch VwGH 2.3.2023, Ra 2021/21/0137, Rn. 13/14).

9        Das angefochtene Erkenntnis war daher - schon deshalb - nach Aktenvorlage und Durchführung eines Vorverfahrens, in dessen Rahmen keine Revisionsbeantwortung erstattet wurde, gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Dreiersenat aufzuheben.

10       Hingegen erweist sich die außerordentliche Revision im Hinblick auf den ebenfalls angefochtenen Beschluss des BVwG, mit dem der Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe abgewiesen wurde, unter dem Gesichtspunkt des Art. 133 Abs. 4 B-VG als unzulässig:

11       Das BVwG begründete die Abweisung des Antrages tragend auch damit, dass der Revisionswerber Verfahrenshilfe nur zur Vertretung in der mündlichen Verhandlung begehrt habe, im vorliegenden Fall aber keine mündliche Verhandlung durchgeführt worden sei, weshalb der Antrag „ins Leere“ laufe.

12       Dem hält die Revision nichts entgegen und es ist auch nicht zu sehen, dass der Revisionswerber angesichts des Ergebnisses in der Hauptsache durch die Abweisung des Verfahrenshilfeantrages noch in Rechten verletzt sein könnte.

13       In der Revision werden daher in Bezug auf den angefochtenen Beschluss keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Sie war daher insoweit gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG mit Beschluss in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 1 lit. a VwGG gebildeten Dreiersenat zurückzuweisen.

14       Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG, insbesondere auch auf § 50 VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft die Eingabegebühr, die im Hinblick auf die Gewährung der Verfahrenshilfe nicht zu entrichten war.

Wien, am 2. März 2023

Schlagworte

Auswertung in Arbeit!

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2023:RA2021210198.L00

Im RIS seit

31.03.2023

Zuletzt aktualisiert am

31.03.2023
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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