TE Lvwg Erkenntnis 2023/2/9 VGW-123/046/13103/2022

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Veröffentlicht am 09.02.2023
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Entscheidungsdatum

09.02.2023

Index

97 Öffentliches Auftragswesen
L72009 Beschaffung Vergabe Wien

Text

I.) IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richter Dr. Zirm als Vorsitzende, Mag. Schmied als Berichter und Mag. Schreiner als Beisitzerin über den Antrag der ARGE A. bestehend aus 1. B. und 2. C., vertreten durch Rechtsanwälte KG, auf Nichtigerklärung der Ausschluss- und Ausscheidensentscheidung vom 12.10.2022 (Los 1), betreffend das von der Stadt Wien als Auftraggeberin geführte Vergabeverfahren "Rahmenvereinbarung Auswertung und Herstellung von PCR-Lutschertests", nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch Verkündung am 6.12.2022

zu Recht e r k a n n t:

I. Gemäß § 23 Abs. 1 des Wiener Vergaberechtsschutzgesetzes 2020 in Verbindung mit § 141 Abs. 1 Z 7 BVergG 2018 wird der Antrag auf Nichtigerklärung der der Antragstellerin am 12.10.2022 mitgeteilten Ausschluss- und Ausscheidensentscheidung abgewiesen.

II. Die Antragstellerin hat gemäß den §§ 14 und 15 WVRG 2020 iVm den §§ 1 und 2 WVPVO die von ihr für den Nachprüfungsantrag entrichteten Pauschalgebühren in der Höhe von € 5.184,-- selbst zu tragen.

III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

II.) Beschluss

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richter Dr. Zirm als Vorsitzende, Mag. Schmied als Berichter und Mag. Schreiner als Beisitzerin über den Antrag der ARGE A. bestehend aus 1. B. und 2. C., vertreten durch Rechtsanwälte KG, auf Nichtigerklärung der Auswahlentscheidung vom 14.10.2022 (Los 1), betreffend das von der Stadt Wien als Auftraggeberin geführte Vergabeverfahren "Rahmenvereinbarung Auswertung und Herstellung von PCR-Lutschertests", nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch Verkündung am 6.12.2022

den Beschluss gefasst:

I. Gemäß § 23 Abs. 1 des Wiener Vergaberechtsschutzgesetzes 2020 wird der Antrag auf Nichtigerklärung der der Antragstellerin am 14.10.2022 mitgeteilten Auswahlentscheidung als unzulässig zurückgewiesen.

II. Die Antragstellerin hat gemäß den §§ 14 und 15 WVRG 2020 iVm den §§ 1 und 2 WVPVO die von ihr für den Nachprüfungsantrag entrichteten Pauschalgebühren in der Höhe von € 5.184,-- sowie die von ihr für den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung entrichteten Pauschalgebühren von 3.240,-- Euro selbst zu tragen.

III. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Gang des Verfahrens:

Die Stadt Wien führt als öffentliche Auftraggeberin ein Vergabeverfahren zum Abschluss einer Rahmenvereinbarung „Auswertung und Herstellung von PCR-Lutschertests". Es handelt sich um ein einstufiges Verfahren sui generis zur Vergabe einer besonderen Dienstleistung. Gegenständlich ist nur das Los 1 dieser Rahmenvereinbarung. Der geschätzte Auftragswert dieses Loses übersteigt den mit 750.000,-- Euro festgelegten Schwellenwert für besondere Dienstleistungen um mehr als das Zehnfache.

Mit Schreiben der Auftraggeberin vom 12.10.2022 wurde die ARGE A., bestehend aus der B. und der C. (Antragstellerin), gemäß § 78 Abs. 1 Z 11 lit. b BVergG 2018 vom Vergabeverfahren ausgeschlossen. Begründend führt die Auftraggeberin aus, die Antragstellerin habe in einem vorangegangenen Feststellungsverfahren vertrauliche Unterlagen eines Mitbewerbers vorgelegt, denen Preise des Mitbewerbers für einen identen Leistungsgegenstand wie jenem im gegenständlichen Nachprüfungsverfahren zu entnehmen sind. Daraus resultiere die fehlende berufliche Zuverlässigkeit und damit die fehlende Eignung der Antragstellerin im gegenständlichen Nachprüfungsverfahren, sodass das Angebot der Antragstellerin überdies nach § 141 Abs. 1 Z 2 BVergG 2018 auszuscheiden gewesen sei.

Dazu komme, dass das Angebot der Antragstellerin auch unbehebbare Mängel aufweise. Dies insofern als aufgrund der der Antragstellerin zugegangenen Informationen über die Preiskalkulation eines Mitbewerbers ein fairer Wettbewerb zwischen den Bietern verhindert worden sei. Zudem sei der Angebotspreis der Antragstellerin wegen deren Kenntnis von Preisen einer Mitbewerberin nicht plausibel berechnet worden, sodass diesbezüglich ein nicht verbesserbarer Mangel vorliege.

Schließlich weise das Angebot der Antragstellerin auch insofern einen unbehebbaren Mangel auf, als entgegen den Vorgaben in den Ausschreibungsunterlagen ein Gesamtpreis für Testungen über den Zeitraum von einer Woche angeboten worden sei, obwohl aufgrund der bestandsfesten Ausschreibung ein Gesamtpreis für den Zeitraum von 24 Wochen anzubieten gewesen wäre. Das Angebot der Antragstellerin sei daher auch gemäß § 141 Abs. 1 Z 7 BVergG 2018 auszuscheiden gewesen.

Mit Schreiben vom 14.10.2022 gab die Auftraggeberin gegenüber der Antragstellerin bekannt, dass nach Prüfung der Letztangebote nur die mitbietende D. die erforderliche Eignung aufweise und daher dieses Unternehmen für den Abschluss der Rahmenvereinbarung ausgewählt worden sei.

Mit Nachprüfungsanträgen vom 24.10.2022 stellte die ARGE A. den Antrag, das Verwaltungsgericht Wien möge sowohl die Ausscheidensentscheidung vom 12.10.2022 als auch die am 14.10.2022 ergangene Auswahlentscheidung, mit welchem Unternehmen die Rahmenvereinbarung in Los 1 abgeschlossen werden soll, für nichtig erklären. Außerdem wurden die Rückerstattung der von der Antragstellerin entrichteten Pauschalgebühren durch die Auftraggeberin, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung, die Einsicht in den Vergabeakt und die vertrauliche Behandlung geschwärzter Passagen im Nachprüfungsantrag und in den Beilagen beantragt.

Begründend führte die Antragstellerin im Wesentlichen aus, die Antragstellerin habe nicht versucht, vertrauliche Informationen zu erlangen. Soweit die Auftraggeberin sich auf die erläuternden Bemerkungen zum BVergG stützt und mittels Größenschluss an den Erhalt vertraulicher Informationen eines Mitbieters dieselben Konsequenzen knüpft wie an den Versuch, solche Informationen zu erlangen, verkenne die Auftraggeberin, dass den erläuternden Bemerkungen keine normative Qualität zukomme. Die Auftraggeberin habe zudem nicht entsprechend genau konkretisiert, welche vertraulichen Informationen sie meine. Sollte der im Feststellungsverfahren zu GZ VGW-123/046/9198/2022 vorgelegte Vertragsentwurf zwischen der Auftraggeberin und der Mitbewerberin gemeint sein, sei festzuhalten, dass die Antragstellerin niemals aktiv geworden sei, um an vertrauliche Informationen der (damaligen) Mitbewerberin zu kommen, sondern sei ihr ein Vertragsentwurf der Mitbewerberin aus einem vorangegangenen Vergabeverfahren ohne aktives Zutun zugekommen. Schließlich seien die Preise der Mitbewerberin aus diesem Vertragsentwurf für einen wesentlich kürzeren Leistungszeitraum kalkuliert worden und daher im gegenständlichen Vergabeverfahren ohne Wert. Die im Vertragsentwurf enthaltenen Daten seien überdies gar nicht als vertraulich zu werten, da die Preisgestaltung der Auftraggeberin aufgrund der im Vergabeverfahren der Bundesbeschaffungs-agentur zu den Schultestungen die Gesamtpreise aller Bieter, darunter auch jene der Mitbewerberin im gegenständlichen Vergabeverfahren aufgrund des dortigen Angebotseröffnungsprotokolls bekannt waren und daraus unschwer Rückschlüsse auf die Preisgestaltung der Mitbewerberin im gegenständlichen Verfahren gewonnen werden könnten. Schließlich sei der Antragstellerin der betreffende Vertragsentwurf erst nach Ablauf der Angebotsfrist vorgelegt worden, sodass sie daraus keinen wettbewerbsrechtlichen Vorteil lukrieren hätte können.

Die Ausschreibung sei so zu verstehen, dass das Anbieten eines Gesamtpreises für den Zeitraum von einer Woche ausschreibungskonform sei. Selbst wenn man dies verneinen sollte, läge ein behebbarer Mangel vor und habe es die Auftraggeberin unterlassen, das Angebot der Antragstellerin vertieft zu prüfen und in diesem Zusammenhang Aufklärung hinsichtlich des Gesamtpreises zu verlangen. Schließlich hätte die Auftraggeberin – sollte sie von einem mangelhaften Angebot ausgehen – den Preis für eine Woche auf 24 Wochen hochrechnen und dadurch einen allfälligen Rechenfehler beheben können.

Die Auswahlentscheidung der Auftraggeberin vom 14.10.2022 wird mit der Begründung angefochten, dass selbige anders hätte ausfallen müssen, wäre das Angebot der Antragstellerin nicht rechtswidriger Weise ausgeschieden worden. Außerdem sei die Auswahlentscheidung unzureichend begründet.

Für die gegenständlichen Nachprüfungsanträge entrichtete die Antragstellerin Pauschalgebühren in der Höhe von zwei mal 5.184,-- sowie zusätzlich 3.240,-- Euro für den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung. Die Gebühr für die Nachprüfungsanträge betrage jeweils 80% der dreifachen Pauschalgebühr für Dienstleistungsaufträge im Oberschwellenbereich gemäß § 1 WVPVO, da der erhöhte Gebührensatz gemäß § 2 Abs. 1 WVPVO zur Anwendung komme und die Antragstellerin bereits die Ausschreibung angefochten habe, sodass gemäß § 14 Abs. 5 WVRG für die gegenständlichen Folgeanträge nur 80% der regulären Pauschalgebühren zu entrichten gewesen wären. Die Gebühr für den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung betrage die Hälfte der gemäß § 2 Abs. 1 WVPVO erhöhten Gebühr für Dienstleistungsaufträge im Oberschwellenbereich.

Dem von der Antragstellerin gemeinsam mit den beiden Nachprüfungsanträgen gestellten Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung hat das Verwaltungsgericht Wien stattgegeben und mit Beschluss vom 2.11.2022 der Auftraggeberin für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens den Abschluss der Rahmenvereinbarung in Los 1 untersagt.

Sowohl die Auftraggeberin als auch die mitbeteiligte Partei gaben Stellungnahmen zu den Nachprüfungsanträgen ab und beantragten deren Abweisung bzw. Zurückweisung.

Am 1.12.2022 führte das Verwaltungsgericht Wien eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. In der Verhandlung erstatteten die Verfahrensparteien ergänzende Vorbringen und wurden der Geschäftsführer der B., Prof. Dr. E. F., sowie die Geschäftsführerin der C., Dr. G., zum Beweisthema, wie die Antragstellerin in den Besitz des Vertragsentwurfs zwischen der Auftraggeberin und der mitbeteiligten Partei vom 10.3.2022 gelangt ist, als Zeugen befragt. Danach wurde das Ermittlungsverfahren geschlossen.

Die Verhandlung wurde am 6.12.2022 fortgesetzt. Das Ermittlungsverfahren wurde entgegen einem darauf gerichteten Antrag der Auftraggeberin nicht wieder geöffnet. Die Auftraggeberin hatte ihren Antrag auf Wiedereröffnung des Beweisverfahrens darauf gestützt, dass im bisherigen Ermittlungsverfahren dem Umstand, dass ab dem 26.9.2022 (also nach Mitte September) noch Verhandlungsrunden mit den im Verfahren verbliebenen Bietern vorgesehen waren, nicht ausreichend Rechnung getragen worden sei. Zumal jedoch dieses Faktum ohnedies dem vorliegenden Vergabeakt entnommen werden kann, wurde dem Antrag der Auftraggeberin keine Folge gegeben und das bereits am 1.12.2022 geschlossene Ermittlungsverfahren nicht wiedereröffnet. Am 6.12.2022 erfolgte nach Abstimmung und Beratung im Senat die Verkündung der Entscheidung.

Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:

I.) Zur Ausschluss- und Ausscheidensentscheidung:

Aufgrund der insoweit unstrittigen Aktenlage und dem durchgeführten Beweisverfahren wird folgender Sachverhalt als erwiesen festgestellt:

a) Allgemeine Feststellungen

Der gegenständlichen Ausschreibung liegen unstrittig besondere Dienstleistungen im Sinne des Anhang XVI zum BVergG 2018 zu Grunde.

Die Auftraggeberin hat für die Vergabe ein einstufiges Verfahren sui generis vorgesehen und in den Ausschreibungsunterlagen näher festgelegt. Auftragsgegenstand ist eine Rahmenvereinbarung zur Auswertung und Herstellung von PCR-Lutschertests. Das Verfahren ist in zwei Lose untergliedert. Das gegenständliche Los 1 umfasst die Auswertung von PCR-Lutschertests, Los 2 die Herstellung von PCR-Lutscher-Kits.

Die Bekanntmachung erfolgte im ANKÖ am 4.8.2022, europaweit am 9.8.2022 im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union unter der Geschäftszahl 2022/S 152-434979. Die Frist für Abgabe der Angebote endete am 7.9.2022. Fragen zu den Ausschreibungsunterlagen konnten von den Bietern bis 15.8.2022 gestellt werden.

Laut Punkt 3.18 des Informationsteils 1A in den Ausschreibungsunterlagen behält sich der Auftraggeber vor, Angebote bei Vorliegen eines gesetzlichen Ausscheidensgrundes, wie insbesondere der Ausscheidensgründe des § 141 BVergG 2018 auszuscheiden.

Nach Prüfung der Angebote wird, sofern dies der Auftraggeber für erforderlich hält, mit jedem Bieter, der ein mängelfreies Angebot gelegt hat, ein Termin für Verhandlungen vereinbart (Punkt 9.1. des Informationsteils 1A in den Ausschreibungsunterlagen). Laut Punkt 9.2. des Informationsteils 1A in den Ausschreibungsunterlagen kann über den Vertragsinhalt (also auch über den Preis) grundsätzlich verhandelt werden.

b) Feststellungen zum Ausscheiden gemäß § 141 Abs. 1 Z 7 BVergG 2018:

Als Zuschlagskriterien sind die Qualität des Angebots mit 40% und der Preis mit 60% gewichtet. Die Bewertung des Kriteriums Preis ist in Punkt 9.5.1. des Informationsteils 1A in den Ausschreibungsunterlagen wie folgt geregelt:

„Das zweite Zuschlagskriterium „Preis" bildet in Los 1 der angebotene vorläufige Gesamtpreis (netto) für folgende beispielhafte Abrufe:

        Abrufzeitraum: 24 Wochen

        Abrufmenge pro Woche: 25.000 Stück auszuwertende PCR-Lutschertests, die sich im Detail - je Woche - wie folgt zusammensetzen:

o Vortexen der PCR-Lutscheroroben: 25.000 Stück o Zentrifuqation der PCR - Lutscheroroben: 25 .000 Stück o SARS-CoV-2 PCR-Analyse in 5er Pools: 25.000 Stück

o        SARS-CoV -2 PCR-Analyse in Folge

positiver Pool-Testung: 5.000 Stück

o        Mutationsanalysen: 2 .000 Stück

o        Sequenzierungen: 1.000 Stück

Klarstellend wird festgehalten, dass diese Schätzung der Abrufmenge vollkommen freibleibend ist und der Auftraggeber keine bestimmte Abrufmenge zusagt.

Der Preis ist in Euro inklusive aller Gebühren und Abgaben anzugeben. Die gesetzliche Umsatzsteuer ist getrennt auszuweisen. Nachlässe oder Preisminderungen sind in den Preis einzurechnen. Die Zahlenangaben sind in Euro, kaufmännisch gerundet auf zwei Nachkommastellen, anzugeben.

Allfällige Rechen- und Übertragungsfehler werden von der Auftraggeberin unabhängig von einer allfälligen Umreihung der Bieter als auch unabhängig vom absoluten Betrag des Rechen- und Übertragungsfehlers berichtigt.

Punkt 9.6.4. des Informationsteils 1A in den Ausschreibungsunterlagen stellt klar, dass im Kriterium Preis ausschließlich der Gesamtpreis (netto) bewertet wird.

Das Preisblatt (Formblatt 11) sieht acht verschiedene Preispositionen sowie am Schluss die Position „Vorläufiger Gesamtpreis gemäß Punkt 9.5.1. Informationsteil 1a“.

Zur Angabe des vorläufigen Gesamtpreises liegt zudem folgende Bieteranfrage vor:

„Ermittlung vorläufiger Gesamtpreis gemäß Punkt 9.5.1. Informationsteil 1a:

Ist die Annahme korrekt, dass hier folgende Formel anzuwenden ist: 24 Wochen • 25 000 • Preis Vortexen je PCR-Lutscherprobe (€) + 24 Wochen •25 000 • Preis Zentrifugation je PCR-Lutscherprobe (€) + 24 Woche n • 25 000 • Preis SARS-CoV-2 PCR-Analyse für 5er Pools j e PCR-Lutscherprobe (€)+ 24 Wochen • 5 000 • Preis SARS­ CoV-2 PCR-Analyse in Folge positiver Pool-Testung je PCR­

Lutscherprobe+24 Wochen • 2 000 • Preis Mutationsanalyse pro Einzelspike+24 Wochen • 1000 • Preis Sequenzierung je PCR-Lutscherprobe.“

Die Auftraggeberin beantwortete diese Bieteranfrage wie folgt:

„Ja, das ist korrekt (siehe hierzu die Klarstellungen im PCR-Lutscherprobe im Informationsteil 1a).“

Diese Feststellungen gründen sich auf die bestandsfesten Ausschreibungsunterlagen.

Aufgrund des im Vergabeakt einliegenden Angebots der Antragstellerin wird zudem als erwiesen festgestellt, dass die Antragstellerin in dem von ihr ausgefüllten Preisblatt den Gesamtpreis nicht für 24 Wochen, sondern nur für eine Woche angegeben hat. Dies wurde von der Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung bestätigt und ist somit unstrittig.

c) Feststellungen zum Ausschluss gemäß § 78 Abs. 1 Z 11 lit. b BVergG 2018:

Aufgrund des Verhandlungsprotokolls vom 22.9.2022 betreffend das am Verwaltungsgericht Wien anhängig gewesene Feststellungsverfahren zu GZ 123/046/9198/2022, wird unstrittig als erwiesen festgestellt, dass die anwaltliche Vertreterin der Antragstellerin in diesem Feststellungsverfahren, welches die Direktvergabe der Auswertung von PCR-Lutschertests in einem dem gegenständlichen Vergabeverfahren vorangegangenen Vergabeverfahren im Zeitraum März bis Oktober 2022 zum Gegenstand hatte, in Vertretung der Antragstellerin u.a. einen Vertragsentwurf vom 10.3.2022 zwischen der Stadt Wien als Auftraggeberin und der mitbeteiligten Partei als Auftragnehmerin vorgelegt hat. Dem vorgelegten Vertragsentwurf sind auch die damals von der mitbeteiligten Partei vor Eintritt in die Verhandlungen mit der Auftraggeberin angebotenen Preise für PCR-Lutschertests zu entnehmen. Die Antragstellerin wurde in der Verhandlung vom 22.9.2022 danach gefragt, wie sie an den vertraulichen Vertragsentwurf vom 10.3.2022 gekommen sei, hat die Beantwortung dieser Frage aber abgelehnt. Abgesehen vom Vertragsentwurf vom 10.3.2022 wurden dem Gericht von der anwaltlichen Vertreterin der Antragstellerin damals auch ein Vertrag, unterfertigt am 24.03.2022 von der H. sowie ein Schreiben des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 15, an den Gemeinderatsausschuss Soziales, Gesundheit und Sport vom 30.3.2022 vorgelegt.

Im Verhandlungsprotokoll vom 22.9.2022 wurde dazu festgehalten:

„Weiters werden vorgelegt ein von der Anwaltskanzlei der AG erstellter Vertragsentwurf vom 10.03.2022 und ein Vertrag, unterfertigt am 24.03.2022 von der H.. Die Schriftstücke werden zum Akt genommen. Die Vertragsentwürfe sind dem AGV bekannt. Das Ersuchen der MA 15 wird verlesen. Mit Vorlage der Vertragsentwürfe gibt die ASTV auch die Preise für die Testung einer Einzeleinheit von Lutschertests an, die dem Vertragsentwurf vom 10.03.2022 entnommen ist. Die Verträge werden nicht verlesen, zumal sie Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse beinhalten können, außerdem wurde einer der Verträge mit einem nicht in der Verhandlung anwesendem Vertragspartner geschlossen. …

Die Vorsitzende ermahnt die anwesenden Parteien, insbesondere die AST, bei ihrem Vorbringen darauf zu achten, dass im öffentlichen Teil der Verhandlung keine Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Preis gegeben werden, etwa durch Zitierung von Vertragsinhalten.

Auf die Frage, wie sie zu dem Vertrag vom 24.03.2022 und dem Vertragsentwurf vom 10.03.2022 gekommen ist, die laut AG vertraulich waren, gibt die ASTV keine Auskunft.“

Diese Feststellungen gründen sich auf die Aktenlage und sind unstrittig.

Wie die Antragstellerin an diesen Vertragsentwurf gekommen ist, konnte sie im gegenständlichen Vergabeverfahren nicht plausibel darlegen.

Die diesbezüglich erstattete Zeugenaussage des Geschäftsführers der B., wonach er Mitte September auf seinem Schreibtisch in der von ihm selbst geöffneten Post ein unbeschriftetes, nicht verschlossenes Kuvert vorgefunden habe, welches zwei Dokumente, darunter den Vertragsentwurf vom 10.3.2022 enthalten habe, und er nach einer Besprechung mit den Geschäftsführern der C. die dem unbeschrifteten Kuvert entnommenen Dokumente in elektronischer Form per E-Mail an die Rechtsanwältin der Antragstellerin gesendet habe, erweist sich nicht als glaubwürdig. In diesem Zusammenhang ist vor allem darauf hinzuweisen, dass der Zeuge zuerst nur von zwei Dokumenten gesprochen hat, die in dem anonymen Kuvert enthalten gewesen sein sollen und auch auf mehrfaches Nachfragen dabeigeblieben ist, kein drittes Dokument, vor allem keinen weiteren Vertrag oder Vertragsentwurf dem anonymen Kuvert entnommen zu haben. Erst nachdem die Antragstellervertreterin dem Zeugen alle drei Dokumente vorgelegt hatte, änderte dieser seine Aussage und gab nunmehr an, nicht nur einen, sondern zwei Verträge bzw. Vertragsentwürfe neben einem Gemeinderatsdokument im anonymen Kuvert vorgefunden zu haben. Dazu kommt, dass der Zeuge angab, das Kuvert, in welchem sich die vertraulichen Vertragsunterlagen befanden, nicht aufgehoben zu haben, wodurch eine Überprüfbarkeit des Wahrheitsgehalts seiner Angaben über Art und Zeitpunkt des Erhalts der Dokumente nur noch schwer möglich ist. Dass der Geschäftsführer eines der Marktführer im Bereich der Auswertung von COVID-Testungen seine gesamte Post selbst öffnet und liest, ohne für eine Vorsortierung in seinem Sekretariat zu sorgen, kann zwar nicht ausgeschlossen werden, steht aber nicht gerade im Einklang mit der Lebenserfahrung. Auch ist es schlicht nicht nachvollziehbar, dass der Zeuge die gesamte Vernehmung über (bis zu deren Vorhalt) von zwei Dokumenten gesprochen hat, da angesichts der Wichtigkeit dieser Dokumente bereits im gesamten Verfahren nur schwerlich von einem „Vergessen“ des dritten Dokuments auszugehen ist, sondern daraus vielmehr geschlossen werden muss, dass der Zeuge die Dokumente vielleicht doch auf eine andere Art und Weise erhalten hat. Vor diesem Hintergrund kommt der Aussage des Zeugen Prof. Dr. F. kein solcher Glaubwürdigkeitsgehalt zu, der dem Gericht erlaubt hätte, festzustellen, dass ihm die in Rede stehenden Dokumente tatsächlich mittels eines unbeschrifteten und unverschlossenen, jetzt nicht mehr verfügbaren Kuverts zugekommen sind.

Daran ändert auch die dem Verwaltungsgericht vorgelegte E-Mail vom 21.9.2022 des Prof. F. an die Antragstellervertreterin nichts, da selbst bei vollem Richtigkeitsgehalt der E-Mail samt Anhängen damit nur feststehen würde, dass eine Übermittlung der Dokumente von Prof. F. an die Antragstellervertreterin am 21.9.2021 erfolgt ist. Darüber wann und wie diese Dokumente Prof. F. (erstmals) zugegangen sind, wäre auch damit nichts ausgesagt.

Aus der Zeugenaussage von Frau Dr. G. war nichts zu gewinnen, zumal diese keine unmittelbaren Wahrnehmungen darüber hatte, wie die betreffenden Dokumente in den Ingerenzbereich des Zeugen Prof. Dr. F. gelangten. Die Zeugin konnte diesbezüglich nur das wiedergegeben, was ihr Prof. Dr. F. berichtet hatte.

Wann und auf welche Weise der Vertragsentwurf vom 10.3.2022 in die Sphäre der Antragstellerin gelangt ist, kann somit vom Verwaltungsgericht nicht festgestellt werden.

Aufgrund der diesbezüglich unstrittigen Aktenlage wird weiters als erwiesen festgestellt, dass die Auftraggeberin der Antragstellerin am 12.10.2022 die gegenständliche Ausscheidensentscheidung und am 14.10.2022 die Zuschlagsentscheidung zu Gunsten der D. übermittelt hat. Die Auswahlentscheidung wurde damit begründet, dass die D. als einziger Bieter in Los 1 ein ausschreibungskonformes Angebot abgegeben hat.

Rechtliche Beurteilung:

a) zum Ausscheiden gemäß § 141 Abs. 1 Z 7 BVergG 2018:

Gemäß § 141 Abs. 1 Z 7 BVergG 2018 hat der öffentliche Auftraggeber vor der Wahl des Angebotes für die Zuschlagsentscheidung aufgrund des Ergebnisses der Prüfung folgende Angebote auszuscheiden:

7. den Ausschreibungsbestimmungen widersprechende Angebote, Teil-, Alternativ-, Varianten- und Abänderungsangebote, wenn sie nicht zugelassen wurden, nicht gleichwertige Alternativ- oder Abänderungsangebote und Alternativangebote, die die Mindestanforderungen nicht erfüllen, sowie fehlerhafte oder unvollständige Angebote, wenn deren Mängel nicht behoben wurden oder nicht behebbar sind.

Der Verwaltungsgerichtshof hatte bei der Fällung des Erkenntnisses vom 25.3.2010, 2005/04/0144 einen ähnlich gelagerten Sachverhalt wie er gegenständlich vorliegt zu beurteilen. Die (damalige) Beschwerdeführerin stellte nicht in Abrede, die Position Gesamtbaustellengemeinkosten mit einer Gesamtpauschale für einen Monat und nicht – wie in den bestandsfesten Ausschreibungsunterlagen vorgesehen - für den Leistungszeitraum von 17 Monaten angeboten zu haben. Eine Berichtigung des Angebotes der Beschwerdeführerin durch "Hochrechnen" der monatlichen Pauschale auf die geforderten 17 Monate war – so das Höchstgericht - nicht zulässig. Das Vorliegen eines bloßen Rechenfehlers verneinte der Verwaltungsgerichtshof und führte aus, dass solche Mängel als unbehebbar zu qualifizieren seien, deren Behebung nach Angebotseröffnung zu einer Änderung der Wettbewerbsstellung des Bieters führen kann. Bei der Abgrenzung zwischen behebbaren und unbehebbaren Mängeln sei darauf abzustellen, ob durch eine Mängelbehebung die Wettbewerbsstellung des Bieters gegenüber seinen Mitbietern materiell verbessert würde. Die (damalige) Beschwerdeführerin habe die Gesamtbaustellengemeinkosten mit einer Pauschale für einen und nicht für die geforderten 17 Monate angeboten. Die Behebung dieses Mangels würde eine inhaltliche Änderung des Angebotes hinsichtlich eines Bereiches, der für die Bewertung der Angebote relevant sei, bedeuten, weshalb von einem unbehebbaren Mangel auszugehen sei.

Nichts anderes kann für den gegenständlichen Fall gelten. Auch hier ist unstrittig, dass die Antragstellerin entgegen den - schon nach ihrem objektiven Erklärungswert eindeutigen - Vorgaben der Ausschreibungsunterlagen, die noch dazu durch die Beantwortung einer Bieteranfrage zusätzlich klargestellt wurden, der Gesamtpreis für eine Woche und nicht für 24 Wochen im Preisblatt angegeben hat. Nach den bestandsfesten Vorgaben der Ausschreibung ist nur der Gesamtpreis bewertungsrelevant. Es trifft zwar zu, dass bei Abwicklung des Auftrags im Fall eines Abrufs die in den einzelnen Preispositionen des Preisblattes angegebenen Preise für die Abrechnung heranzuziehen sind, doch ändert dies nichts daran, dass nicht diese Preise, sondern eben nur der Gesamtpreis bewertungsrelevant sind bzw. ist. Dazu kommt, dass – wie die Auftraggeberin zutreffend betont hat - die zu den einzelnen Preispositionen angebotenen Preise nicht zwangsläufig gleich sein müssen, wenn sie für einen Zeitraum von einer Woche oder für 24 Wochen angeboten werden. Eine Änderung des Gesamtpreises nach Ende der Angebotsfrist hätte somit durchaus die Wettbewerbsstellung der Antragstellerin gegenüber Mitbietern verbessern können.

Vor diesem Hintergrund war weder von einem bloßen Rechenfehler auszugehen noch erweist sich das Angebot der Antragstellerin als verbesserungsfähig. Zumal ein unbehebbarer Mangel vorliegt, war die Auftraggeberin auch nicht verpflichtet im Rahmen der Angebotsprüfung die Antragstellerin zur Aufklärung bzw. zur Verbesserung aufzufordern. Die Ansicht der Auftraggeberin, die Antragstellerin habe ein nicht den Ausschreibungsbedingungen entsprechendes Angebot gelegt, ist demnach nicht als rechtswidrig zu erkennen.

Die auf § 141 Abs. 1 Z 7 BVergG 2018 gestützte Ausscheidensentscheidung ist somit zu Recht ergangen, sodass der gegen die Ausscheidensentscheidung vom 12.10.2022 gerichtete Nachprüfungsantrag schon allein aus diesem Grund spruchgemäß abzuweisen war.

b) zum Ausschluss gemäß § 78 Abs. 1 Z 11 lit. b BVergG 2018:

Gemäß § 78 Abs. 1 Z 11 lit. b BVergG 2018 hat der öffentliche Auftraggeber – unbeschadet der (gegenständlich nicht maßgeblichen) Abs. 3 bis 5 – einen Unternehmer jederzeit von der Teilnahme am Vergabeverfahren auszuschließen, wenn der Unternehmer versucht hat, vertrauliche Informationen zu erhalten, durch die er unzulässige Vorteile beim Vergabeverfahren erlangen könnte.

Dieser Ausschlusstatbestand weist neben einer wettbewerbsrechtlichen Komponente auch eine starke Vertrauenskomponente auf. Dies ergibt sich daraus, dass zum einen bereits der Versuch, vertrauliche Informationen zu erhalten, einen Ausschluss vom Vergabeverfahren rechtfertigt und es zum anderen nicht erforderlich ist, tatsächlich Vorteile im Vergabeverfahren gegenüber der Konkurrenz zu erlangen, sondern schon die bloße Möglichkeit, durch vertrauliche Informationen Vorteile zu erlangen, ausreicht.

Soweit die Antragstellerin ausgeführt hat, lediglich der Versuch und nicht der tatsächliche Erhalt vertraulicher Informationen würde den Ausschlusstatbestand des § 78 Abs. 1 Z 11 lit. b BVergG 2018 erfüllen, verkennt sie, dass zur Auslegung dieser Rechtsvorschrift ein Größenschluss zu ziehen und damit auch der tatsächliche Erhalt vertraulicher Informationen in den Tatbestand zu inkludieren ist.

Der gegenständliche Vertragsentwurf vom 10.3.2022 ist jedenfalls als vertrauliche Information zu qualifizieren, enthält er doch Preisvorstellungen eines Konkurrenten, die unter das Betriebs- und Geschäftsgeheimnis fallen. Außerdem wurde der Vertragsentwurf vom 10.3.2022 nach Abschluss einer vorangehenden schriftlichen Vertraulichkeitsvereinbarung vom 17.2.2022 zwischen den Vertragsparteien erstellt. Entgegen den Ausführungen der Antragstellerin waren die im Vertragsentwurf ersichtlichen Preisvorstellungen anderen Personen als den Vertragsparteien nicht bekannt und konnten auch nicht aus anderen Vergabeverfahren, etwa betreffend Schultestungen erschlossen werden, zumal PCR-Lutschertests nicht Gegenstand dieser anderen Vergabeverfahren waren.

Die Möglichkeit, durch Kenntnis des Vertragsentwurfs vom 10.3.2022 Vorteile gegenüber der Konkurrenz erhalten zu können, ist zu bejahen. In diesem Zusammenhang muss darauf hingewiesen werden, dass der Vertragsentwurf den gleichen Leistungsgegenstand, nämlich die Auswertung von PCR-Lutschertests aufweist und sich lediglich hinsichtlich der zeitlichen Komponente und dem Mengengerüst vom gegenständlichen Vergabeverfahren unterscheidet. Diesbezüglich spielt es keine Rolle, ob die Preisvorstellungen im Vertragsentwurf vom 10.3.2022 überhöht gewesen sein mögen, ist es doch auch von wettbewerbsrechtlicher Relevanz, wenn ein Bieter Kenntnis davon erlangt, dass die Konkurrenz preislich höher liegt.

Soweit die Antragstellerin vorbringt, ihr sei der Vertragsentwurf erst nach Ende der Angebotsfrist zur Kenntnis gelangt, sodass sie schon aus diesem Grund aus der Kenntnis von Preisvorstellungen eines Mitbewerbers keine Vorteile habe ziehen können, ist dem entgegenzuhalten, dass nach den bestandsfesten Ausschreibungsunterlagen (siehe insbesondere die Punkte 9.1. und 9.2. des Informationsteils 1A in den Ausschreibungsunterlagen) die Bieter auch nach der Öffnung der Angebote mit Verhandlungen (auch) über den Preis rechnen mussten und in derartigen Verhandlungen die Kenntnis von Preisvorstellungen eines Mitbewerbers im wirtschaftlichen Wettbewerb von Vorteil sein konnte.

Soweit die Antragstellerin vorbringt, sie habe den Vertragsentwurf vom 10.3.2022 nicht durch aktives Zutun erhalten, sondern sei ihr selbiger zugespielt worden, ist auf die Vertrauenskomponente des Ausschlusstatbestandes nach § 78 Abs. 1 Z 11 lit. b BVergG 2018 hinzuweisen. Es trifft zwar zu, dass nicht jede Kenntnis vertraulicher Unterlagen eines Mitbewerbers automatisch in einen Ausschluss des Bieters, der über die betreffenden Informationen verfügt, zu münden hat, doch ist von demjenigen Bieter, der ohne aktives Zutun an wettbewerbsrelevante vertrauliche Informationen über einen Mitbewerber gelangt, zu erwarten, dass er nicht versucht, die vertraulichen Informationen zu seinem Vorteil zu verwenden, sondern vielmehr gegenüber dem Auftraggeber offenlegt, dass, wann, wie und von wem er die betreffenden Informationen erhalten hat.

Das gegenständlich an den Tag gelegte Verhalten der Antragstellerin, die den ihr zugespielten Vertragsentwurf verwertet hat, indem sie ihn in einem gegen die Auftraggeberin angestrengten Feststellungsverfahren vorgelegt, gleichzeitig aber jegliche Auskünfte darüber, wie sie in den Besitz dieses Dokuments gelangt ist, verweigert hat, ist vor diesem Hintergrund jedenfalls geeignet, das in einem Vergabeverfahren erforderliche Grundvertrauen zwischen Vertragspartnern nachhaltig zu erschüttern. Dazu kommt, dass die Antragstellerin auch im gegenständlichen Nachprüfungsverfahren nicht plausibel darlegen konnte, wie, wann und durch wen sie den Vertragsentwurf vom 10.3.2022 erhalten hat.

Das Verhalten der Antragstellerin ist auch nicht von § 26d Abs. 3 UWG gedeckt. Gemäß dieser Rechtsvorschrift ist der Erwerb, die Nutzung oder die Offenlegung eines Geschäftsgeheimnisses rechtmäßig, wenn dies zur Aufdeckung einer rechtswidrigen Handlung in Verbindung mit einem beruflichen Fehlverhalten oder einer illegalen Tätigkeit im Zusammenhang mit dem Geschäftsgeheimnis, sofern die Person, welche das Geschäftsgeheimnis erwirbt, nutzt oder offenlegt, in der Absicht gehandelt hat, das allgemeine öffentliche Interesse zu schützen. Wie die Auftraggeberin in ihrer Stellungnahme vom 14.11.2022 zutreffend ausgeführt hat, stellt die allfällig rechtswidrige Vergabe eines öffentlichen Auftrags an einen Mitbewerber kein berufliches Fehlverhalten und auch keine illegale Tätigkeit dieses Mitbewerbers dar, sodass schon aus diesem Grund § 26d Abs. 3 UWG gegenständlich nicht zur Anwendung kommen kann. Dazu kommt, dass die Antragstellerin die ihr zugespielten vertraulichen Unterlagen nicht etwa an die Presse oder an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet, sondern in einem vergaberechtlichen Feststellungsverfahren verwendet hat. Ein solches Verfahren dient jedoch keineswegs der Wahrung des objektiven Rechts, sondern dazu, berechtigte Interessen von Bietern, die ein Interesse an der Auftragserteilung nachweisen können, zu schützen. Popularanträge zur Wahrung des öffentlichen Interesses oder zur Aufdeckung von beruflichem Fehlverhalten bzw. von illegalen Praktiken sind dem Vergaberecht fremd.

Vor diesem Hintergrund kann der Auftraggeberin nicht entgegengetreten werden, wenn sie gegenständlich (zusätzlich zum Ausscheidensgrund nach § 141 Abs. 1 Z 7 BVergG 2018) auch den Ausschlussgrund des § 78 Abs. 1 Z 11 lit. b BVergG 2018 herangezogen hat.

II.) Zur Auswahlentscheidung

Die Antragslegitimation der Antragstellerin zur Bekämpfung der Auswahl-entscheidung trotz rechtskräftig gewordener Ausscheidensentscheidung war im Hinblick auf das Urteil des EuGH vom 11. Mai 2017 in der Rechtssache Archus Gama, C - 131/16, zu verneinen. Diesem Urteil lässt sich entnehmen, dass in Fällen wo – wie hier vorliegend - die Mitteilung der Ausscheidensentscheidung und Zuschlagsentscheidung durch die Auftraggeberin zeitgleich erfolgt, unbeschadet einer zuvor durch die mündliche Verkündung rechtskräftig gewordenen Entscheidung des Gerichts über die Ausscheidensentscheidung die Zuschlagsentscheidung durch das Gericht nicht formalrechtlich zurückzuweisen, sondern in der Sache in Behandlung zu nehmen ist.

Gegenständlich ist jedoch die Auswahlentscheidung nicht gleichzeitig mit der Ausscheidensentscheidung erfolgt, sondern erst zwei Tage später. In diesem Fall kommt die Entscheidung des EuGH vom 21.12.2016 in der Rechtssache Caverion, C-355/15, zum Tragen, wonach es sich als rechtmäßig erweist, wenn einem Bieter, der durch eine rechtskräftig gewordene Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers von einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrags ausgeschlossen wurde, selbst in einem Fall, in dem nur er und der Zuschlagsempfänger Angebote abgegeben haben und der ausgeschlossene Bieter vorbringt, dass auch das Angebot des Zuschlagsempfängers hätte ausgeschlossen werden müssen, der Zugang zu einer Nachprüfung der Zuschlagsentscheidung für den betreffenden öffentlichen Auftrag und des Vertragsschlusses verwehrt wird.

In Ansehung des Umstands, dass gegenständlich die zeitlich vor der Auswahlentscheidung ergangene Ausschluss- und Ausscheidensentscheidung der Auftraggeberin mit der Verkündung des Erkenntnisses zu Punkt I.) bereits in Rechtskraft erwachsen ist, war somit der gegen die Auswahlentscheidung gerichtete Nachprüfungsantrag mangels Antragslegitimation als unzulässig zurückzuweisen.

Im Übrigen wird festgehalten, dass der gegen die Auswahlentscheidung gerichtete Nachprüfungsantrag auch inhaltlich abzuweisen ist, zumal die Mitteilung der Auswahlentscheidung in Ansehung des Umstands, dass nur noch ein Bieter im Verfahren verblieben ist, gemäß § 151 Abs. 7 Z 1 BVergG 2018 sogar zur Gänze hätte entfallen dürfen. Vor diesem Hintergrund, kann in der laut Vorbringen der Antragstellerin unzureichenden Begründung der Auswahlentscheidung, die der Antragstellerin mitgeteilt wurde, ohne dass die Auftraggeberin dazu verpflichtet gewesen wäre, kein vergaberechtswidriges Verhalten der Auftraggeberin erkannt werden. Da unter Punkt I.) bereits ausführlich dargelegt wurde, dass die Antragstellerin zu Recht im gegenständlichen Vergabeverfahren ausgeschieden wurde, erweist sich die Auswahlentscheidung – entgegen dem diesbezüglichen Vorbringen der Antragstellerin – auch nicht dadurch als vergaberechtswidrig, dass für den Abschluss der Rahmenvereinbarung nicht die präsumtive Zuschlagsempfängerin, sondern die Antragstellerin vorzusehen gewesen wäre.

6.) Zu den Pauschalgebühren:

Gemäß § 15 WVRG 2020 hat die oder der vor dem Verwaltungsgericht Wien, wenn auch nur teilweise, obsiegende Antragstellerin oder Antragsteller Anspruch auf Ersatz ihrer oder seiner gemäß § 14 entrichteten Gebühren durch die Auftraggeberin oder den Auftraggeber. Die Antragstellerin oder der Antragsteller hat ferner Anspruch auf Ersatz ihrer oder seiner gemäß § 14 entrichteten Gebühren durch die Auftraggeberin oder den Auftraggeber, wenn sie oder er während des anhängigen Verfahrens klaglos gestellt wird.

Ein Anspruch auf Ersatz der Gebühren für einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung besteht nur dann, wenn

1.   dem Nichtigerklärungsantrag (Hauptantrag) stattgegeben wird oder wenn die Antragstellerin oder der Antragsteller während des anhängigen Verfahrens klaglos gestellt wird und

2.   dem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung stattgegeben wurde bzw. im Falle der Klaglosstellung stattzugeben gewesen wäre oder der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung nur wegen einer Interessenabwägung abgewiesen wurde oder im Falle der Klaglosstellung abzuweisen gewesen wäre.

Die gegenständlichen Nachprüfungsanträge zielen auf die Nichtigerklärung einer Ausscheidensentscheidung sowie der Auswahlentscheidung in einem Verfahren zum Abschluss einer Rahmenvereinbarung hinsichtlich einer besonderen Dienstleistung. Betroffen ist nur das Los 1. Der geschätzte Auftragswert dieses Loses übersteigt den mit 750.000,-- Euro festgelegten Schwellenwert für besondere Dienstleistungen um mehr als das Zehnfache. Die Antragstellerin hatte bereits einen Nachprüfungsantrag gestellt, mit welchem die Nichtigerklärung von Bestimmungen in den Ausschreibungsunterlagen beantragt worden war. Die Gebühr für die Nachprüfungsanträge beträgt jeweils 80% der dreifachen Pauschalgebühr für Dienstleistungsaufträge im Oberschwellenbereich gemäß § 1 WVPVO, da der erhöhte Gebührensatz gemäß § 2 Abs. 1 WVPVO zur Anwendung kommt und die Antragstellerin bereits die Ausschreibung angefochten hat, sodass gemäß § 14 Abs. 5 WVRG für die gegenständlichen Folgeanträge nur 80% der regulären Pauschalgebühren zu entrichten gewesen waren. Die Gebühr für den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung beträgt die Hälfte der gemäß § 2 Abs. 1 WVPVO erhöhten Gebühr für Dienstleistungsaufträge im Oberschwellenbereich. Dementsprechend hat die Antragstellerin für die gegenständlichen Nachprüfungsanträge rechtsrichtig Pauschalgebühren in der Höhe von zwei mal 5.184,-- sowie zusätzlich 3.240,-- Euro für den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung entrichtet.

Diese Pauschalgebühr hat die Antragstellerin selbst zu tragen, da ihren Nichtigerklärungsanträgen kein Erfolg beschieden war.

7.) Zur Nichtzulassung der Revision:

Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die (ordentliche) Revision zulässig, wenn eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, insbesondere weil das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts von der Rechtsprechung des Verwaltungs-gerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht einheitlich beantwortet wird.

Zum Ausscheidensgrund des § 141 Abs. 1 Z 7 BVergG stützt sich die gegenständliche Entscheidung auf die keineswegs uneinheitliche Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs, die in den Entscheidungsgründen zitiert wird. Außerdem hat der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass die in vertretbarer Weise vorgenommene einzelfallbezogene Auslegung von Parteierklärungen oder Ausschreibungsunterlagen nicht revisibel ist, bzw. dass einer vertretbaren Auslegung keine über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. etwa VwGH 26.06.2018, Ra 2016/04/0049). Zum Ausschlussgrund gemäß § 78 Abs. 1 Z 11 lit. b BVergG 2018 ließen sich die in diesem Zusammenhang aufgeworfenen Rechtsfragen aufgrund der klaren gesetzlichen Bestimmungen lösen, ohne Auslegungs-probleme aufzuwerfen, die das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher, über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung indizieren und war die Entscheidung darüber hinaus nicht von der Beantwortung dieser Frage abhängig.

Somit liegt nach den von Judikatur und Literatur herausgearbeiteten Grundsätzen im gegenständlichen Fall eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht vor. Die (ordentliche) Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Nachprüfungsantrag; Mangel: unbehebbar; Änderung der Wettbewerbsstellung; Gesamtbaustellengemeinkosten; Ausscheidensgrund; vertrauliche Informationen; Vorteil; Ausschlusstatbestand

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2023:VGW.123.046.13103.2022

Zuletzt aktualisiert am

30.03.2023
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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