TE Vwgh Erkenntnis 1995/11/7 95/20/0093

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Veröffentlicht am 07.11.1995
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Händschke, Dr. Baur und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des O in S, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 19. Jänner 1995, Zl. 4.345.582/1-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Türkei, ist am 2. Dezember 1994 in das Bundesgebiet eingereist und hat am 7. Dezember 1994 einen Asylantrag gestellt. Bei seiner niederschriftlichen Befragung durch das Bundesasylamt gab er zu seinen Fluchtgründen - im wesentlichen - an, daß er als Kurde in seiner Heimatstadt Kusca in der Türkei bis vor ca. einem halben Jahr problemlos habe leben können. Dann sei in Stadtnähe von "PKK-Leuten" ein kurdisches Fest veranstaltet worden, wobei er über die Organisatoren nicht Bescheid gewußt habe. Bis gegen 23 Uhr sei das Fest auch sehr schön verlaufen, als dann plötzlich von einigen Leuten eine türkische Fahne ausgerollt und verbrannt worden sei. Er selbst habe sich daran nicht beteiligt. Schließlich seien aufgrund einer Anzeige von Nachbarn Soldaten gekommen, die das Fest aufgelöst und ihn mitgenommen hätten. Er sei dann für ca. 2 Monate im Gefängnis gewesen, wo er immer wieder nach den Namen der Organisatoren des Festes gefragt worden sei. Während dieser Haftzeit sei er immer wieder mit einem Knüppel geschlagen worden und habe 15 Tage lang kein Essen erhalten. Über einen von seinen Eltern eingeschalteten Rechtsanwalt sei es ihm gelungen, aus dem Gefängnis entlassen zu werden. Als er schließlich nach ca. weiteren zwei Monaten eine Vorladung zu Gericht erhalten habe, habe er Angst bekommen, daß er wegen der stattgefundenen Verbrennung der türkischen Fahne verurteilt werden würde.

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG erlassenen angefochtenen Bescheid wurde die gegen den abweislichen Bescheid des Bundesasylamtes vom 21. Dezember 1994 erhobene Berufung des Beschwerdeführers abgewiesen und damit die Asylgewährung versagt.

Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung sowohl mit dem Nichtvorliegen der Flüchtlingseigenschaft als auch mit dem Eintritt der Verfolgungssicherheit in Bulgarien, Rumänien und Ungarn. Im einzelnen führte sie im Rahmen ihrer rechtlichen Überlegungen aus, daß dem Vorbringen des Beschwerdeführers die asylrechtliche Relevanz fehle. Danach seien die Inhaftierung und Mißhandlungen des Beschwerdeführers lediglich deshalb erfolgt, um von ihm Informationen über die Veranstalter des angeführten Festes zu erlangen; die behaupteten Handlungen der türkischen Behörden dienten somit nur der Erzielung eines beim Beschwerdeführer vermuteten "Sonderwissens" über Angehörige der PKK, das lediglich im sozialen Umgang mit diesen erworben worden sei. Nach der zu unterstellenden vernünftigen behördlichen Auffassung dürfte dieses Sonderwissen nicht auf die Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zur kurdischen Volksgruppe zurückgeführt werden, sondern auf einen vorangegangenen sozialen Kontakt mit Angehörigen der PKK. Zwischen den behaupteten Mißhandlungen und der nach seiner Haft erfolgten Flucht bestünde nicht der erforderliche zeitliche Zusammenhang, weil der Beschwerdeführer zunächst keine Anstalten gemacht habe, sich außer Landes zu begeben, sondern erst aufgrund der zugestellten Gerichtsladung geflüchtet sei. Da jedoch bloße Vorladungen zu Gericht keine asylrechtlich bedeutsame Relevanz aufwiesen, könne daraus keine Verfolgung im Sinne des Asylgesetzes abgeleitet werden.

Zur Frage der Verfolgungssicherheit verwies die belangte Behörde auf die Mitgliedschaft Rumäniens und Bulgariens bei der Genfer Flüchtlingskonvention sowie Ungarns bei der Europäischen Menschenrechtskonvention. Nichts spreche dafür, daß Ungarn dieser seiner völkerrechtlichen Verpflichtung, die auf ein spezielles Refoulementverbot hinauslaufe, zuwider gehandelt hätte. In dieser Feststellung werde die belangte Behörde durch die Stellungnahme des UNHCR vom 28. Jänner 1994 gegenüber dem deutschen Bundesverfassungsgericht bestärkt. Danach würden aufgrund einer informellen Vereinbarung zwischen dem UNHCR und der ungarischen Regierung auch außereuropäische Asylwerber an diesen verwiesen. Wenn in weiterer Folge beim UNHCR ein Feststellungsverfahren über die Flüchtlingseigenschaft anhängig sei, dürften die Betroffenen solange in Ungarn verbleiben, bis darüber eine endgültige Entscheidung getroffen werde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Entgegen den Beschwerdeausführungen hat der Beschwerdeführer weder bei seiner niederschriftlichen Befragung durch das Bundesasylamt noch in seiner Berufung ausdrücklich behauptet, daß ihm über die bloße Teilnahme an dem kurdischen Volksfest, bei dem es sich um eine verbotene Versammlung gehandelt habe, hinaus auch die unmittelbare Beteiligung an der von ihm geschilderten Eskalation in Form der Verbrennung einer türkischen Staatsfahne, somit eine aktive regimefeindliche politische Aktivität vorgeworfen worden wäre. Nach der Aussage des Beschwerdeführers vor dem Bundesasylamt sei es den vernehmenden Staatsorganen darum gegangen, die Namen der Organisatoren sowie der unmittelbaren Aktivisten (im Zusammenhang mit der Verbrennung der Fahne) zu erfahren. Dafür spricht auch der Umstand, daß der Beschwerdeführer über Intervention eines Rechtsanwaltes freigelassen wurde und in weiterer Folge zunächst nach seiner eigenen Darstellung ungeachtet der behaupteten Mißhandlungen während seiner Inhaftierung keine Befürchtung hatte, von den staatlichen Behörden weiter verfolgt zu werden. Es kann also im Ergebnis der Standpunkt der belangten Behörde, daß der bislang politisch völlig unauffällige Beschwerdeführer lediglich wegen seiner Teilnahme an dem kurdischen Fest verhaftet und in diesem Zusammenhang verhört wurde, nicht aber deshalb, weil diesem selbst eine gegen die türkische Regierung gerichtete politische Gesinnung in Verbindung mit aktiver oppositioneller Tätigkeit unterstellt worden wäre, von der Warte der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden allgemeinen Schlüssigkeitsprüfung aus nicht beanstandet werden. Es befindet sich auch die Rechtsansicht der belangten Behörde insoweit in Einklang mit der ständigen hg. Judikatur, als aus der Teilnahme an einer verbotenen Demonstration oder sonstigen den Beschränkungen des Versammlungsrechtes unterliegenden Veranstaltungen sowie der im Anschluß daran folgenden Festnahme und Anhaltung für sich allein Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention nicht abgeleitet werden kann. Es wurde bereits ausgeführt, daß der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren nicht behauptet hat, daß seine Anhaltung deswegen erfolgt wäre, weil er persönlich bzw. seine politische Gesinnung den einschreitenden Sicherheitskräften bereits vorher bekannt gewesen wäre, oder daß er ungeachtet der stattgefundenen Mißhandlungen während seiner Verhöre mit weiteren staatlichen Verfolgungsmaßnahmen gerechnet hätte; er habe sich vielmehr nach seiner Freilassung wieder völlig sicher gefühlt. Nach seinen Angaben vor dem Bundesasylamt wie auch nach seinen Berufungsausführungen im Verwaltungsverfahren habe der Beschwerdeführer erst aufgrund der ihm zugestellten Ladung zur Einvernahme vor Gericht die Flucht ergriffen, somit sei erst damit der Grund für seine Befürchtung vor weiteren Verfolgungsmaßnahmen verwirklicht worden und sei ihm deshalb ein weiterer Verbleib in seinem Heimatland unerträglich gewesen. Dazu hat aber die belangte Behörde zutreffend darauf hingewiesen, daß staatlichen Verhören und Ladungen zur Einvernahme im allgemeinen nicht der Charakter einer staatlichen Verfolgungsmaßnahme zukommt, zumal in der Aussage des Beschwerdeführers offen bleibt, ob er überhaupt als Beschuldigter oder allenfalls nur als Zeuge im Zusammenhang mit den Vorgängen anläßlich seiner Teilnahme an dem kurdischen Fest geladen worden war. Warum die von den staatlichen Gerichten in Form der Vorladung des Beschwerdeführers eingeleitete Ermittlungstätigkeit bereits eine Situation geschaffen haben soll, daß die Furcht des Beschwerdeführers wohlbegründet und dadurch aus objektiver Sicht ein weiterer Verbleib in seinem Heimatland für ihn unerträglich gewesen sei, wird auch in der Beschwerde nicht schlüssig dargelegt. Die weitwendigen Ausführungen in der Beschwerde zur allgemeinen Lage der Kurden in der Türkei sind nicht geeignet, eine gegen den Beschwerdeführer selbst gerichtete, individuelle Verfolgungsgefahr zu begründen, sodaß darauf nicht weiter eingegangen werden muß.

Bei dem dargestellten Ergebnis erübrigt sich auch die Frage, ob die belangte Behörde mit Recht den Asylausschlußgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 angenommen hat.

Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995200093.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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