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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §2 Abs2 Z3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des T in G, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid
des Bundesministers für Inneres vom 1. April 1994, Zl. 4.329.589/2-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 1. April 1994 wurde die Berufung des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen des Irak, der am 11. Jänner 1992 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 13. Jänner 1992 den Antrag auf Asylgewährung gestellt hat, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 26. Februar 1992, mit welchem festgestellt worden war, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling sei, abgewiesen.
Der nach seinem "Fluchtweg" befragte Beschwerdeführer hat bei seiner niederschriftlichen Vernehmung am 16. Jänner 1992 angegeben, er habe sich nach seiner Flucht aus dem Irak u.a. in Slowenien aufgehalten. Er habe Österreich illegal am 11. Jänner 1992 betreten.
Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien hat ihren negativen Feststellungsbescheid damit begründet, daß dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft (im Sinne des § 1 AsylG (1968) in Verbindung mit Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) nicht zukomme.
Die belangte Behörde hat die Abweisung der Berufung des Beschwerdeführers - ohne sich mit seiner Flüchtlingseigenschaft auseinanderzusetzen - ausschließlich darauf gestützt, daß der Beschwerdeführer auf Grund seines Aufenthaltes in Slowenien bereits in einem anderen Staat vor Verfolgung sicher gewesen sei, weshalb ausgehend von § 2 Abs. 2 Z. 3 des im Beschwerdefall gemäß seinem § 25 Abs. 2 anzuwendenden Asylgesetzes 1991 die Gewährung von Asyl gemäß § 3 leg. cit. nicht in Betracht komme.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Annahme der belangten Behörde, daß er in dem genannten Staat vor Verfolgung sicher gewesen sei. Er bringt dazu (neben Ausführungen zu seinem subjektiven Eindruck und seinem "Transit", zu denen anzumerken ist, daß sie im Gegensatz zur ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur "Verfolgungssicherheit" iSd. § 2 Abs. 2 Z. 3 AsylG 1991 stehen) auch vor, daß im Jänner 1992 aufgrund latenter Kriegsgefahr in Slowenien die rechtliche Situation noch nicht so beschaffen gewesen sei, daß für einen Ausländer ein einklagbarer Abschiebungsschutz bestanden habe. Die "Spekulation" der belangten Behörde, daß aufgrund einer "im großen und ganzen" effektiven Rechtsordnung auch das Non-Refoulementrecht ebenfalls effektiv in Geltung stehe, sei gänzlich unbelegt.
Damit macht der Beschwerdeführer zutreffend geltend, daß keine ausreichenden Ermittlungen gepflogen wurden, die die Annahme der belangten Behörde rechtfertigen könnten, Slowenien hätte von seiner effektiv geltenden Rechtsordnung her einen dem Standard der Genfer Flüchtlingskonvention entsprechenden Schutz geboten.
Diese Ausführungen sind nach Maßgabe der dem Beschwerdeführer im Verfahren treffenden Mitwirkungspflicht ausreichend konkretisiert, um die Wesentlichkeit der der belangten Behörde unterlaufenen Verletzung von Verfahrensvorschriften (Parteiengehör, Ermittlungs- und Begründungspflicht) zu erkennen. Die Mitwirkungspflicht der Partei geht nicht so weit, daß sich die Behörde ein ordnungsgemäßes Verfahren ersparen könnte, zu dessen Durchführung sie (hier: gemäß §§ 11, 16 AsylG 1991 i.V.m. §§ 39, 45, 60 AVG) verpflichtet ist (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. August 1995, Zl. 94/19/1319). Der Mitwirkungspflicht kommt dort Bedeutung zu, wo es der Behörde nicht möglich ist, von sich aus und ohne Mitwirkung der Partei tätig zu werden. Dies trifft auf die im allgemeinen in Slowenien beobachtete Vorgangsweise betreffend den Schutz von Flüchtlingen vor Rückschiebung in ihren Heimatstaat nicht zu. Die Pflicht eines Beschwerdeführers zur Darlegung der Wesentlichkeit von Verfahrensmängel vor dem Verwaltungsgerichtshof geht nicht weiter als seine Mitwirkungspflicht im Verwaltungsverfahren gegangen wäre, hätte die belangte Behörde die Verfahrensvorschriften beachtet.
Der Beschwerdeführer hat diese Behauptungen wohl erstmals in der Beschwerde aufgestellt, doch wurde ihm - zumal die Erstbehörde zufolge der von ihr anzuwendenden Rechtslage des Asylgesetzes (1968) ihren abweislichen Bescheid zutreffend nicht darauf gestützt hat, daß der Beschwerdeführer in Slowenien vor Verfolgung sicher gewesen sei - im Berufungsverfahren nicht Gelegenheit geboten, zu der ihm noch nicht bekanntgegebenen Annahme der belangten Behörde, daß er in dem genannten Land "Verfolgungssicherheit" erlangt habe, Stellung zu nehmen, weshalb sein in der Beschwerde erstattetes Vorbringen auch nicht gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG verstößt.
Da sohin Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht im Rahmen des gestellten Begehrens auf den §§ 47 ff, insbesondere § 59 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994200647.X00Im RIS seit
20.11.2000