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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AVG §10Beachte
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner und die Hofrätinnen Mag. Liebhart-Mutzl und Dr.in Sembacher als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, in der Revisionssache 1. der H W, 2. der Mag. M W und 3. der Mag. Dr. S W, alle in W und alle vertreten durch Dr. Karl Schön, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Wickenburggasse 3, gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichtes Wien vom 11. November 2022, 1. VGW-111/067/11501/2022-1, 2. VGW-111/067/11786/2022, 3. VGW-111/067/11503/2022 und 4. VGW-111/067/11787/2022, betreffend eine Angelegenheit nach der Bauordnung für Wien (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien; mitbeteiligte Parteien: 1. S GmbH in L, 2. I GmbH in W; weitere Partei: Wiener Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichtes Wien (Verwaltungsgericht) wurde eine von der Erstrevisionswerberin in ihrem Namen sowie im Namen ihrer beiden Töchter am 22. August 2022 eingebrachte Beschwerde gegen eine der erstmitbeteiligten Partei für ein näher bezeichnetes Grundstück in Wien erteilte Baubewilligung vom 2. August 2022 (insoweit) zurückgewiesen, als die Beschwerde von der Erstrevisionswerberin im Namen ihrer Töchter erhoben wurde.
2 Begründend führte das Verwaltungsgericht dazu zusammengefasst aus, die Vertretungsbefugnis der Erstrevisionswerberin zur Beschwerdeerhebung für ihre Töchter sei der Aktenlage nach durch keine Vollmacht ausgewiesen gewesen; mit Schreiben des Verwaltungsgerichtes vom 10. Oktober 2022 sei die Erstrevisionswerberin daher gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgefordert worden, diesen Mangel zu beheben und binnen einer Frist von zwei Wochen eine Vollmacht der beiden Töchter vorzulegen, aus welcher sich ergeben müsse, dass alle bislang getätigten Vertretungshandlungen von der aufrechten Vollmacht gedeckt zu sein hätten. Gleichzeitig sei darauf hingewiesen worden, dass das Anbringen bei fruchtlosem Ablauf der Frist zurückgewiesen würde.
3 Mit E-Mail vom 14. Oktober 2022 habe die Erstrevisionswerberin dem Verwaltungsgericht zwei handschriftlich unterfertigte, in ihrem Wortlaut im angefochtenen Beschluss wiedergegebene Vollmachten übermittelt. Aus diesen erschließe sich nicht, dass die Erstrevisionswerberin zum Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung am 22. August 2022 (bzw. zum Zeitpunkt der Einbringung einer weiteren Eingabe vom 6. Oktober 2022) dazu bevollmächtigt gewesen sei. Die Erstrevisionswerberin habe daher innerhalb der gesetzten Frist und auch bis zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Beschlusses ihre Vertretungsbefugnis nicht nachgewiesen. Ein Hinweis dafür, dass sie zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugt sei, liege nicht vor; die Beschwerde sei daher nicht den beiden Töchtern, sondern ausschließlich der Erstrevisionswerberin zuzurechnen.
4 In der Zulässigkeitsbegründung der gegen diesen Beschluss erhobenen außerordentlichen Revision wird zusammengefasst vorgebracht, sowohl die Frage, ob ein konkreter Verbesserungsauftrag nach § 13 Abs. 3 AVG dem Gesetz entspreche, als auch die Frage des Umfanges und Inhaltes einer schriftlichen Vollmacht unterlägen „wohl grundsätzlich“ der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichtes und begründeten nur Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung, wenn die Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre. Eine derartige Fehlbeurteilung liege gegenständlich vor; der Beschluss weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, „zur sehr konkreten Fragestellung“ fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Gemäß § 1016 ABGB wirke nach Lehre und Rechtsprechung die Genehmigung vollmachtslosen Handelns „auf den Zeitpunkt des seinerzeitigen Vertragsabschlusses“ zurück. Auch Rechtsmitteln sei nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Zweifel eine Deutung zu geben, die dem darin zum Ausdruck kommenden Rechtsschutzbedürfnis soweit wie möglich entgegenkomme. In den beiden in Rede stehenden Vollmachten sei jeweils ausgeführt worden, dass die Erstrevisionswerberin bevollmächtigt werde, die Unterzeichnenden in Bezug auf die Beschwerdeführung zu vertreten; damit hätten die Unterzeichnenden eine Genehmigung der zuvor erbrachten Vertretungshandlungen zum Ausdruck gebracht. Auch Verfahrensfragen könnten eine grundsätzliche Rechtsfrage darstellen; es fehle an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, „ob die Genehmigung der vom Vertreter gesetzten Rechtshandlungen nur ausdrücklich mit dem Wort ‚genehmigt‘ erfolgen kann oder inwieweit dies auch durch dem Sinne nach gleiche Erklärungen in einer Vollmacht erfüllt wird“.
5 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).
7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Wie die revisionswerbenden Parteien in den Zulässigkeitsgründen der Revision selbst ausführen, unterliegt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Frage der Auslegung einer konkreten Vollmacht (ebenso wie die Frage, ob ein konkreter Verbesserungsauftrag gemäß § 13 Abs. 3 AVG dem Gesetz entspricht oder nicht), grundsätzlich der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichtes. Es läge eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG in einem solchen Zusammenhang nur vor, wenn diese Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre (vgl. etwa VwGH 21.12.2022, Ra 2022/05/0145, mwN), was in den Revisionszulässigkeitsgründen konkret aufzuzeigen wäre.
10 Der Verwaltungsgerichtshof hat weiters zu der Bestimmung des gemäß § 17 VwGVG auch im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG anzuwendenden § 10 Abs. 2 letzter Satz AVG (wonach die Behörde die Behebung etwaiger Mängel der „Vollmacht“ unter sinngemäßer Anwendung des § 13 Abs. 3 AVG von Amts wegen zu veranlassen hat), bereits ausgesprochen, dass in Entsprechung eines solchen Verbesserungsauftrages eine (fehlerfreie) Vollmachtsurkunde nicht nur nachgereicht, sondern auch (bei mündlicher Bevollmächtigung im Innenverhältnis) erst im Nachhinein errichtet werden kann. Entscheidend ist nicht die - möglicherweise nach der Setzung der Verfahrenshandlung liegende - Datierung der Bevollmächtigungsurkunde, sondern, dass das Vollmachtsverhältnis tatsächlich im Zeitpunkt der Setzung der Verfahrenshandlung durch den Vertreter bereits bestanden hat (vgl. VwGH 21.5.2012, 2008/10/0085, oder auch 9.9.2009, 2004/10/0116). Nur der Mangel des Nachweises, nicht aber der Mangel der Bevollmächtigung selbst ist behebbar (vgl. etwa VwGH 19.2.2014, 2011/10/0014, mwN; vgl. zu einem sachverhaltsmäßig ähnlich gelagerten Fall wie vorliegend auch VwGH 31.1.2019, Ra 2018/07/0479).
11 Angesichts des konkreten Wortlautes der beiden in Rede stehenden, im angefochtenen Beschluss wörtlich wiedergegebenen Vollmachtserklärungen ist fallbezogen nicht erkennbar, dass dem Verwaltungsgericht bei der Auslegung dieser Vollmachten eine im Sinne der obigen Rechtsprechung unvertretbare, krasse Fehlbeurteilung vorzuwerfen wäre, wenn es im angefochtenen Beschluss davon ausging, dass die Vollmachten zur Beschwerdeerhebung im maßgeblichen Zeitpunkt der Einbringung des Rechtsmittels nicht bestanden. Darauf, dass die Vollmachtserklärungen im angefochtenen Beschluss unrichtig wiedergegeben worden wären, besteht kein Hinweis, und dies wird in der Zulässigkeitsbegründung der Revision auch nicht vorgebracht. Ebensowenig beruft sich die Revision zur Zulässigkeit darauf, dass der Erstrevisionswerberin im Zeitpunkt der Einbringung der Beschwerde (vgl. die oben in Rn. 10 genannte Rechtsprechung) von ihren Töchtern bereits mündlich die Vollmacht zur Einbringung des Rechtsmittels erteilt worden wäre und dies dem Verwaltungsgericht zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Beschlusses bekannt sein hätte müssen. Auf die Frage, ob die Genehmigung der von der Vertreterin gesetzten Rechtshandlungen nur ausdrücklich mit dem Wort „genehmigt“ erfolgen könne bzw. inwieweit dies auch durch dem Sinne nach gleiche Erklärungen in einer Vollmacht erfüllt werde, kommt es nach dem Gesagten (vgl. dazu, dass das Vollmachtsverhältnis im Zeitpunkt der Setzung der Verfahrenshandlung durch den Vertreter bereits bestanden haben muss, nochmals oben Rn. 10) nicht an.
12 In der Revision werden damit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
13 Bei diesem Ergebnis kann eine nähere Prüfung der Revisionslegitimation dahingestellt bleiben.
Wien, am 22. Februar 2023
Schlagworte
Verbesserungsauftrag Bejahung Einschreiter Vertretungsbefugnis Inhalt UmfangEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2023:RA2023050010.L00Im RIS seit
30.03.2023Zuletzt aktualisiert am
30.03.2023