TE OGH 2021/3/17 21R47/21t

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Veröffentlicht am 17.03.2021
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Das Landesgericht Wels als Rekursgericht hat durch Dr. Hohensinner als Vorsitzende sowie die weiteren Richter Mag. W. Niedermayr und MMag. Dunzendorfer in der Erwachsenenschutzsache betreffend K***** infolge der Rekurse des gerichtlichen Erwachsenenvertreters Dr. T*****, sowie des Betroffenen, vertreten durch die mit Beschluss des Bezirksgerichts Wels bestellte Kollisionskuratorin Dr. G*****, gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Wels vom 12. November 2020, 39 P 83/19z - 70, folgenden

                                        

BESCHLUSS

gefasst:

Spruch

Aus Anlass der Rekurse wird der angefochtene Beschluss, soweit er nicht mangels Anfechtung in Rechtskraft erwachsen ist, samt des über den Entschädigungsantrag vom Rechtspfleger durchgeführten Verfahrens als nichtig aufgehoben und dem Erstgericht aufgetragen, über den Antrag des Erwachsenenvertreters, seine Entschädigung über den von der Kollisionskuratorin zugestandenen Betrag von 2.019,52 hinaus mit weiteren Euro 2.380,48 zu bestimmen, durch den zuständigen Richter zu entscheiden.

Der Betroffene hat die Kosten seines Rekurses sowie seiner Rekursbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Für K***** ist Dr. T***** zum gerichtlichen Erwachsenenvertreter bestellt, und zwar zur Vertretung in behördlichen Angelegenheiten, zur Verwaltung der Einkünfte und Verfügung über Girokonto und Sparguthaben sowie Verwaltung der Eigentumswohnung in der E***** und der Liegenschaft S***** (Erneuerungsentscheidung vom 18. Jänner 2021 – ON 78). Bereits zuvor bestand eine Sachwalterbestellung laut Beschluss vom 2. Jänner 2018. Dr. T***** als bestellter Sachwalter leitete zunächst die Übersiedlung des Betroffenen von der vermüllten Eigentumswohnung in der E***** in das Altenheim ein und diesbezüglich kam es zu einer dauerhaften Wohnortverlegung. Für seine Tätigkeit im ersten Bestellungsjahr begehrte der damalige Sachwalter eine pauschale Entschädigung von Euro 7.000,00, wobei er im entsprechenden Antrag ausführte, die beiden Liegenschaften seien insgesamt jedenfalls mit Euro 200.000,00 bis Euro 300.000,00 zu bewerten. Mit Beschluss vom 9. Juli 2018 bestimmte das Erstgericht durch den damals zuständigen Pflegschaftsrichter die Entschädigung für das erste Tätigkeitsjahr mit Euro 7.000,00 mit der Begründung, es sei insbesondere zu Beginn der Sachwalterschaft ein erheblicher Aufwand vom Sachwalter zu tätigen gewesen. Für den Zeitraum Juli 2018 bis Juni 2019 beanspruchte der Sachwalter eine pauschale Entschädigung im Betrag von Euro 4.400,00 mit der Begründung, er habe einen Antrag auf Pflegegelderhöhung gestellt und die Arbeitnehmerveranlagung durchgeführt. Die Eigentumswohnung befinde sich in einem geräumten Zustand und die Bewirtschaftungskosten würden monatlich Euro 125,93 betragen. Die Liegenschaft in der S***** sei versichert und es sei ein Zaun errichtet worden. Darüber hinaus habe der Maschinenring auf der Liegenschaft gearbeitet, wofür Euro 2.400,00 zu zahlen gewesen seien. Mit Beschluss vom 1. August 2019 bestimmte das Erstgericht wiederum durch den damals zuständigen Richter die dem Sachwalter für den genannten Zeitraum gebührende Entschädigung wie beantragt pauschal mit Euro 4.400,00.

Mit Rechnungslegung vom 27. Juli 2020, die in ihren Ausführungen zu den Liegenschaften fast wörtlich der Rechnungslegung des Vorjahres entspricht, begehrte der nunmehrige gerichtliche Erwachsenenvertreter wie zuletzt neuerlich eine pauschale Entschädigung von Euro 4.400,00. Zu seiner Tätigkeit verwies er auf einen Antrag auf Erhöhung des Pflegegeldes, dem entsprochen worden sei, sowie auf die Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung. Die Alterspension des Betroffenen betrage aktuell 1.037,10. In Bezug auf die Liegenschaften verwies er im Wesentlichen auf den letzten Bericht und meinte, der dort beschriebene Zustand werde aufrechterhalten. Veränderungen seien nicht erfolgt. Es seien in Bezug auf das Haus verschiedene Anfragen über Verkaufsmöglichkeiten eingelangt, den Interessenten sei jedoch mitgeteilt worden, dass diesbezüglich keine Veranlassungen getroffen werden könnten. Das Geldvermögen des Betroffenen betrage aktuell Euro 20.515,43, das jährliche Einkommen rund Euro 14.000,00. Der Wert der Liegenschaften sei jedenfalls mit Euro 200.000,00 bis Euro 300.000,00 anzusetzen. Unter Bedachtnahme auf die finanziellen Gegebenheiten sowie unter Rücksichtnahme auf den nunmehr doch verminderten Tätigkeitsumfang beantrage er eine Entschädigung für den Zeitraum Juli 2019 bis Juni 2020 von Euro 4.320,00 (inkl. 20 % USt) zuzüglich Euro 80,00 an Barauslagen, insgesamt somit Euro 4.400,00.

Nach Aufforderung an den Erwachsenenvertreter durch den Diplomrechtspfleger, dem die Sache zur Entscheidung über den Entschädigungsantrag durch die damals zuständige Richterin zugewiesen worden war (ON 64), die Einheitswertbescheide hinsichtlich der Liegenschaften vorzulegen, genehmigte der Diplomrechtspfleger mit dem angefochtenen Beschluss die gelegte Rechnung für den Zeitraum 1. Juli 2019 bis 30. Juni 2020, stellte den Einkommens- und Vermögensstand des Betroffenen per 30. Juni 2020 dahin fest, dass dieser ein jährliches Einkommen von Euro 13.779,00 beziehe und sein Geldvermögen Euro 20.515,43 betrage. Die Liegenschaften würden mit Euro 24.854,10 (S*****) und Euro 15.996,57 (E*****) bewertet (jeweils dreifacher Einheitswert), es sei sohin ein Gesamtvermögen von Euro 60.796,70 (rechnerisch richtig Euro 61.366,10) gegeben. Für die Tätigkeit im besagten Zeitraum bestimmte das Erstgericht dem Erwachsenenvertreter eine Entschädigung in Höhe von Euro 1.705,00 zzgl. 20 % USt im Betrag von Euro 341,00 sowie einen Barauslagenersatz in Höhe von Euro 80,00, insgesamt daher einen Betrag von Euro 2.126,00. Zur Begründung führte das Erstgericht aus, der Zuspruch dieser Entschädigung sowie des Barauslagenersatz entspreche den Bestimmungen des § 276 ABGB. Dem Erwachsenenvertreter gebühre eine Entschädigung im Ausmaß von 5 % der Einkünfte (5 % von Euro 13.779,00 = Euro 688,95) sowie 2 % des Euro 10.000,00 (?) übersteigenden Vermögens (laut Beschluss Euro 60.796,70 - Euro 10.000,00 = Euro 50.796,70, davon 2 % = 1.015,93). Das Mehrbegehren wies der Diplomrechtspfleger ab.

Gegen diesen Beschluss, soweit damit das Mehrbegehren von Euro 2.274,00 abgewiesen wurde, richtet sich der Rekurs des Erwachsenenvertreters mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass ihm insgesamt ein Betrag von Euro 4.400,00 an Entschädigung und Barauslagenersatz zugesprochen werde.

Die vom Erstgericht für den Betroffenen bestellte Kollisionskuratorin erhob ebenfalls einen Rekurs, mit dem sie beantragt, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass dem Erwachsenenvertreter nur eine Entschädigung in Höhe von Euro 1.616,27 zuzüglich Euro 324,25 an USt und Euro 80,00 an Barauslagen, insgesamt daher ein Betrag von Euro 2.019,52 bestimmt werde.

Die Kollisionskuratorin erstattete auch eine Rekursbeantwortung mit dem Antrag, dem Rechtsmittel des Erwachsenenvertreters nicht Folge zu geben.

Aus Anlass der Rekurse war die Nichtigkeit der angefochtenen Entscheidung einschließlich des vom Diplomrechtspfleger durchgeführten Verfahrens wahrzunehmen, soweit nicht bereits mangels Anfechtung Rechtskraft eingetreten ist.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 58 Abs. 4 Z. 2 AußStrG hat das Gericht den Beschluss jedenfalls aufzuheben und die Sache zur neuerlichen Entscheidung an das Gericht erster Instanz zurück zu verweisen, wenn anstelle eines Richters ein Rechtspfleger entschieden hat. Ein derartiger Mangel ist gemäß § 55 Abs. 3 AußStrG auch dann, wenn er von keiner der Parteien geltend gemacht wurde, wahrzunehmen. Gemäß § 19 Abs. 2 Z. 4 RPflG bleibt die Überwachung der Anlegung, der Verwaltung und der Veränderungen am Stand des Vermögens eines Minderjährigen oder einer sonstigen schutzberechtigten Person dem Richter vorbehalten, wenn der in sinngemäßer Anwendung des § 18 Abs. 3 ermittelte Wert des Vermögens Euro 150.000,00 übersteigt. § 18 Abs. 3 RPflG bestimmt, dass die Ermittlung des Wertes nach Abs. 2 Z. 1 lit. a dieses Gesetzes (Richtervorbehalt, wenn die Aktiven des Nachlasses voraussichtlich den Wert von Euro 200.000,00 übersteigen) nach § 167 AußStrG zu erfolgen hat. Wird eine Bewertung zum Verkehrswert (§ 167 Abs. 1 AußStrG) oder nach dem Liegenschaftsbewertungsgesetzes (§ 167 Abs. 2 AußStrG) vorgenommen, ist der so ermittelte Wert zugrundezulegen. Gemäß § 167 Abs. 2 AußStrG sind unbewegliche Sachen grundsätzlich mit ihrem dreifachen Einheitswert, beantragt dies aber eine Partei oder ist es im Interesse einer schutzberechtigten Person erforderlich, nach dem Liegenschaftsbewertungsgesetzes zu bewerten. Der dreifache Einheitswert war seinerzeit in Anlehnung an die für das GrEStG maßgebliche Bemessungsgrundlage eingeführt worden. Offenbar sollte ein Gleichklang zwischen der Bewertung im Inventar und der steuerlichen Bemessungsgrundlage bestehen. Eine Anpassung des § 167 an das neue Bewertungssystem im Rahmen der Novellierung des GrEStG wurde – aus welchem Grund immer – unterlassen (Verweijen in Schneider/Verweijen, AußStrG, Rz 13 ff zu § 167). Gemäß § 4 Abs. 1 GrEStG in der Fassung BGBl. I Nr. 163/2015 ist der Grundstückswert entweder als Summe des hochgerechneten (anteiligen) dreifachen Bodenwerts gemäß § 53 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes 1955 in der jeweils geltenden Fassung, und des (anteiligen) Werts des Gebäudes oder in Höhe eines von einem geeigneten Immobilienpreisspiegel abgeleiteten Werts zu berechnen. Die Festlegung einer Wertgrenze fußt auf der Überlegung, dass ab einem bestimmten Wert des Vermögens die Vermögensverwaltung voraussichtlich mit besonderen Schwierigkeiten verbunden ist, die der Gesetzgeber zum Anlass nahm, für diese Angelegenheit einen Richtervorbehalt festzulegen (Schauer/Parapatits in iFamZ 2019/26). Es ist also davon auszugehen, dass für die Frage, ob eine Zuständigkeit des Diplom Rechtspflegers oder des Richters besteht, es von wesentlicher Bedeutung ist, welchen möglichst reellen Wert man für das zu verwaltende Vermögen ansetzt. Dass der dreifache Einheitswert dem tatsächlichen Wert einer Immobilie meist nicht entspricht, führte letztlich auch zur neuen Bewertungsbestimmung des § 4 Abs. 1 GrEStG, wonach der Grundstückswert auch in Höhe eines von einem geeigneten Immobilienpreisspiegel abgeleiteten Werts zu berechnen ist. Die geänderte Rechtslage führt dazu, dass für die Ermittlung der Steuerlast Immobilienpreisspiegel zur Grundstücksbewertung herangezogen werden können. Nachdem nach Ansicht des Rekurssenats wohl ein möglichst der Realität nahekommender Wert für die Frage der Zuständigkeit nach den Bestimmungen des RPflG entscheidend sein soll und der Erwachsenenvertreter durch den Hinweis auf den seiner Meinung nach gegebenen Wert der Liegenschaften eindeutig zu erkennen gegeben hat, dass insgesamt jedenfalls ein Euro 150.000,00 übersteigendes Vermögen zu verwalten ist bzw. er von solchen Liegenschaftswerten ausgeht, ist in verfassungskonformer Auslegung der zitierten Bestimmungen des RPflG trotz der unveränderten Bestimmung des § 167 Abs. 2 AußStrG für die Zuständigkeitsabgrenzung eher der Immobilienpreisspiegel (wie vom Erwachsenenvertreter mit dem Rekurs vorgelegt) heranzuziehen als der dreifache Einheitswert. Es ergibt sich somit ein tatsächlicher Vermögenswert inklusive Geldvermögen von jedenfalls mehr als Euro 150.000,00, weshalb die Zuständigkeit des Richters gegeben ist.

Es wird also in weiterer Folge, soweit der Beschluss nicht zum Teil in Rechtskraft erwachsen ist, neuerlich über den restlichen Entschädigungsantrag im Umfang von Euro 2.380,48 durch den zuständigen Richter zu entscheiden sein, wobei die Rechtsprechung zu einer allfälligen Minderung der Entschädigung gemäß § 276 Abs. 2 ABGB bei geringem Aufwand an Zeit und Mühe zu beachten sein wird (hg. 21 R 120/19z).

Nachdem in einem Verfahren im Zusammenhang mit der Genehmigung der Pflegschaftsrechnung und der zugleich zu treffenden Entscheidung über die Gewährung von Entgelt, Entschädigung für persönliche Bemühungen und Aufwandersatz des Vertreters gemäß § 139 Abs. 2 AußStrG ein Kostenersatz nicht statt findet, hat der Betroffene die Kosten des von der Kollisionskuratorin eingebrachten Rekurses sowie der Rekursbeantwortung selbst zu tragen.

Schlagworte

Richterzuständigkeit Rechtspfleger Liegenschaftsbewertung,

Textnummer

EWE0000094

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LG00519:2021:02100R00047.21T.0317.000

Im RIS seit

30.03.2023

Zuletzt aktualisiert am

30.03.2023
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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