Entscheidungsdatum
16.02.2023Index
40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
VStG §9 Abs1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien erkennt durch seinen Richter MMag. Dr. Gratzl
über die Beschwerde des A. B., C.-straße, Wien, vertreten durch Rechtsanwälte GmbH, vom 15.12.2022 gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den ... Bezirk, vom 21.11.2022, Zl. ..., betreffend eine Übertretung des § 3 Abs. 1 Z 1 Wiener Baumschutzgesetz, LGBl. Nr. 27/1974, idF LGBl. Nr. 71/2018 (mitbeteiligte Partei: D. GmbH, E.-gasse, Wien, vertreten durch Rechtsanwälte GmbH)
zu Recht:
I. Gemäß § 50 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben, wird das angefochtene Straferkenntnis behoben und wird das gegen den Beschwerdeführer eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG eingestellt.
II. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat der Beschwerdeführer keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Mit o.a. Straferkenntnis wurde dem Beschwerdeführer als nach § 9 „Abs. 1“ (richtig: Abs. 2) VStG verantwortlichem Beauftragten der mitbeteiligten Partei eine näher konkretisierte und am 25.8.2022 erfolgte Übertretung des Wiener Baumschutzgesetzes zur Last gelegt und wurde hiefür über ihn eine Geldstrafe in Höhe von EUR 1.400,-- bzw. für den Fall ihrer Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe im Ausmaß von einem Tag und acht Stunden verhängt. Zugleich wurde ausgesprochen, dass die mitbeteiligte Partei gemäß § 9 Abs. 7 VStG für die verhängte Geldstrafe, die Verfahrenskosten und sonstige in Geld bemessene Unrechtsfolgen zur ungeteilten Hand hafte.
Hiegegen richtet sich die form- und fristgerecht erhobene Beschwerde, in welcher – mit näherer Begründung – die Aufhebung des angefochtenen Straferkenntnisses und die Einstellung des gegenständlichen Verfahrens, in eventu die Erteilung einer Ermahnung, in eventu eine Strafherabsetzung sowie die Durchführung einer mündlichen Verhandlung begehrt werden.
Die belangte Behörde nahm von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung Abstand und legte den bezughabenden Verwaltungsakt dem erkennenden Gericht vor.
Das Verwaltungsgericht Wien stellt den folgenden – entscheidungserheblichen – Sachverhalt fest:
Mit Anzeige des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 42, Dezernat 6, vom 26.8.2022 wurde der belangten Behörde eine am Vortag durch einen Mitarbeiter der mitbeteiligten Partei begangene, näher bezeichnete Übertretung des Wiener Baumschutzgesetzes zur Kenntnis gebracht.
Mit Verfahrensanordnung der belangten Behörde vom 1.9.2022, zugestellt an die mitbeteiligte Partei am 6.9.2022, wurde selbige aufgefordert jene natürliche Person namhaft zu machen, welche innerhalb des Unternehmens für die zur Anzeige gebrachte Verwaltungsübertretung verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich ist. Im Fall der Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten nach § 9 Abs. 2 VStG sei dessen nachweisliche Zustimmung für den entsprechenden Verantwortungsbereich vorzulegen.
Mit Schreiben vom 15.9.2022 gab die – anwaltlich vertretene – mitbeteiligte Partei sodann den nunmehrigen Beschwerdeführer als verantwortlichen Beauftragten bekannt. Eine Zustimmungserklärung wurde nicht vorgelegt.
Daraufhin erging eine namentlich an den Beschwerdeführer adressierte Aufforderung zur Rechtfertigung vom 16.9.2022 und wurde das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren in weiterer Folge gegen ihn als Beschuldigten geführt.
Schließlich wurde das Straferkenntnis vom 21.11.2022 erlassen, mit welchem die belangte Behörde den Beschuldigten als verantwortlichem Beauftragten der beteiligten Partei einer Übertretung des Wiener Baumschutzgesetzes für schuldig erkannte und eine Geld- bzw. Ersatzfreiheitsstrafe über ihn verhängte.
Nach Vorlage der hiegegen form- und fristgerecht erhobenen Beschwerde forderte das Verwaltungsgericht Wien die anwaltliche Vertretung des Beschwerdeführers sowie der mitbeteiligten Partei mit E-Mail vom 25.1.2023 dazu auf, einen Nachweis vorzulegen, aus welchem hervorgeht, dass der Beschwerdeführer wirksam zum verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs. 2 VStG bestellt wurde.
In Beantwortung dieser Aufforderung übermittelte die anwaltliche Vertretung mit E-Mail vom 7.2.2023 eine Bestellungsurkunde, deren vollständiger Wortlaut sich wie folgt darstellt:
„Bestellung zum Verantwortlichen Beauftragten (§ 9VStG; § 23 ArblG)
1. Unternehmen
D. GmbH
E.-gasse
Wien
2. Verantwortlicher Beauftragter
B. A.
geb. 1962
Fuhrparkleiter
Wohnort: Wien, C.-straße
Dienstverhältnis: ab 01.04.2019 unbefristet
3. Dienstort des Verantwortlichen Beauftragten im Unternehmen
Wien, E.-gasse, sowie
F., G.-straße
4. Stellung des Verantwortlichen Beauftragten im Unternehmen
Fuhrparkleiter mit Fuhrparkverantwortlichkeit seit 01.04.2019
o Anordnungsbefugnis: Dem verantwortlichen Beauftragten wurden durch den handelsrechtlichen Geschäftsführer alle Befugnisse eingeräumt, die zur Sicherstellung der Einhaltung der Verwaltungsvorschriften erforderlich sind. Sämtliche Dienstnehmer wurden über diese Anordnungsbefugnis belehrt.
5. Sachlicher Zuständigkeitsbereich des Verantwortlichen Beauftragten
o Überwachung des gesamten Fuhrparks hinsichtlich der Ausstattung, Ausrüstung, Betriebs- und Verkehrssicherheit der Fahrzeuge
o Überwachung und Sicherstellung der Ordnungsgemäßheit der Beladung einschließlich Einhaltung der höchstzulässigen Gesamtgewichte und der Ladungssicherheit
o Überwachung der Einhaltung der Arbeitnehmervorschriften insbesondere der Einhaltung der Lenk- und Ruhezeiten nach dem AZG oder dem KFG
o Überwachung der Mitführungspflichten von Dokumenten nach dem GütbefG oder dem KFG
6. örtlicher Zuständigkeitsbereich des Verantwortlichen Beauftragten
Gesamter Wirkungsbereich des Unternehmens, sowohl im In- als auch im Ausland.
7. Dauer der Bestellung
ab 01.04.2019
Datum der Beendigung
Bis auf Widerruf!
8. Zustimmungserklärung
Der verantwortliche Beauftragte stimmt seiner Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten für den angegebenen sachlichen und örtlichen Zuständigkeitsbereich ausdrücklich zu und nimmt zur Kenntnis, dass er bei Verstößen gegen in seinen Zuständigkeitsbereich fallenden Angelegenheiten alleine verwaltungsstrafrechtlich zur Verantwortung gezogen wird.
9. Widerruf der bisherigen Bestellung:
Unter anderem wird bekannt gegeben, dass die Bestellung von Herrn H. I. zum verantwortlichen Beauftragten (Bestellungsurkunde vom 01. November 2015) ab sofort widerrufen wird.
[Unterschrift]
Verantwortlicher Beauftragter
A. B.
[Unterschrift]
Arbeitgeber
D. GmbH.
E.-gasse
Wien
Wien, 01.04.2019“
(Unkorrigiertes Originalzitat ohne die darin enthaltenen Hervorhebungen)
Der Beschwerdeführer war und ist kein zur Außenvertretung berufenes Organ der mitbeteiligten Partei.
Diese Feststellungen gründen sich auf nachfolgender Beweiswürdigung:
Die verfahrenseinleitende Anzeige liegt dem vorgelegten Verwaltungsakt ebenso ein (AS 4 ff.) wie die Verfahrensanordnung vom 1.9.2022 samt Zustellnachweis (AS 14 f. und 19), das Schreiben vom 15.9.2022 (AS 24 f.), die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 16.9.2022 (AS 28 ff.) sowie das angefochten Straferkanntnis (AS 204 ff.). An der Vollständigkeit des Akteninhaltes wird hg. kein Zweifel gehegt.
Das o.a. E-Mail vom 25.1.2023 und jenes vom 7.2.2023 samt beigeschlossener Bestellungsurkunde liegen dem gegenständlichen Gerichtsakt ein (ON 3 und 8).
Dass der Beschwerdeführer zu keiner Zeit außenvertretungsbefugtes Organ der mitbeteiligten Partei war, ist einem hg. eingeholten Auszug aus dem Firmenbuch (FN ...) zu entnehmen.
Der entscheidungserhebliche Sachverhalt steht damit fest.
Das Verwaltungsgericht Wien hat hiezu in rechtlicher Hinsicht erwogen:
Gemäß § 9 Abs. 1 VStG ist für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften durch juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften, sofern – wie hier – die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen und soweit nicht verantwortliche Beauftragte bestellt sind, strafrechtlich verantwortlich, wer zur Vertretung nach außen berufen ist.
Gemäß Abs. 2 par. cit. sind die zur Vertretung nach außen Berufenen berechtigt und, soweit es sich zur Sicherstellung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit als erforderlich erweist, auf Verlangen der Behörde verpflichtet, aus ihrem Kreis eine oder mehrere Personen als verantwortliche Beauftragte zu bestellen, denen für das ganze Unternehmen oder für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens die Verantwortung für die Einhaltung der Verwaltungsvorschriften obliegt. Für bestimmte räumlich oder sachlich abgegrenzte Bereiche des Unternehmens können aber auch andere Personen zu verantwortlichen Beauftragten bestellt werden.
Im konkreten Fall wurde der Beschwerdeführer von der mitbeteiligten Partei bereits im erstinstanzlichen Verfahren als verantwortlicher Beauftragter gemäß § 9 Abs. 2 VStG namhaft gemacht und wurde zum Nachweis dessen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren die o.a. Bestellungsurkunde vom 1.4.2019 vorgelegt.
Der Umfang des gemäß § 9 Abs. 2 VStG übertragenen Verantwortlichkeitsbereiches ist ausschließlich aus dem Inhalt der Bestellungsurkunde ohne weitere Ermittlungstätigkeit und Zuhilfenahme weiterer Beweise zu ermitteln. Bei der Auslegung der Bestellungsurkunde ist ein objektiver Maßstab anzulegen. Diese Grundsätze gelten sowohl für den Umfang des Verantwortlichkeitsbereiches als auch für die Zustimmungserklärung (vgl. zB VwGH 13.7.2020, Ra 2020/02/0115; 17.10.2022, Ra 2022/02/0191). Dabei kommt es im Sinne der allgemeinen Auslegungsregeln nicht auf die Absicht des Erklärenden, sondern alleine auf den objektiven Erklärungswert des Empfängers an (vgl. hiezu zB VwGH 24.2.2016, Ra 2016/05/0004; 20.2.2019, Ra 2018/03/0121). Vom Inhalt der Bestellungsurkunde abweichende, nachträgliche mündliche Erklärungen können keine Berücksichtigung finden (vgl. VwGH 17.10.2022, Ra 2022/02/0191). Ein verantwortlicher Beauftragter kann nur durch die ausdrückliche Übertragung der Verantwortung für die Einhaltung bestimmter Rechtsvorschriften rechtswirksam bestellt werden (vgl. hiezu zB VwGH 23.4.2018, Ra 2017/11/0221, mwN).
Im Lichte dieser ständigen Judikatur ist festzustellen, dass im konkreten Fall der Beschwerdeführer als verantwortlicher Beauftragter für den unter Pkt. 5. der Bestellungsurkunde vom 1.4.2019 näher ausgeführten sachlichen Zuständigkeitsbereich bestellt und ihm gemäß Pkt. 8. der Urkunde die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit explizit (nur) für diesen Bereich übertragen wurde.
Die Einhaltung von Bestimmungen des – hier interessierenden – Wiener Baumschutzgesetzes wird in Pkt. 5. jener Urkunde, die insbesondere keine demonstrative, sondern vielmehr eine taxative Aufzählung einzuhaltender Vorschriften enthält, allerdings nicht genannt. Zudem lässt sich aus der dortigen Textierung unter Anlegung eines objektiven Maßstabes nicht entnehmen, dass die Vorschriften jenes Gesetzes miterfasst sein sollen.
Folglich besteht für die Einhaltung der Bestimmungen des Wiener Baumschutzgesetzes durch die mitbeteiligte Partei keine verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers im Sinne des § 9 Abs. 2 VStG und ist dessen Bestrafung – schon alleine deshalb – zu Unrecht erfolgt, weswegen spruchgemäß zu entscheiden war.
Verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich für die vorliegende Verwaltungsübertretung ist aus hg. Sicht gemäß § 9 Abs. 1 VStG der – laut Firmenbuchauszug – seit 31.7.2003 zur alleinigen Vertretung der mitbeteiligten Partei nach Außen berufene Geschäftsführer des Unternehmens, J. D., geb. am ...1964. Die Frist des § 31 Abs. 1 VStG zur Vornahme einer Verfolgungshandlung gegen jenen ist noch offen.
Da das angefochtene Straferkenntnis aus den dargelegten Gründen zur Gänze zu beheben war, hat der Beschwerdeführer nach § 52 Abs. 8 VwGVG keinen Beitrag zu den Kosten des hg. Verfahren zu leisten.
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen (obzitierten) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche, über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung der hier zu lösenden Rechtsfrage vor, zumal auch die Gesetzeslage eindeutig ist (vgl. etwa VwGH 28.5.2014, Ro 2014/07/0053; 3.7.2015, Ra 2015/03/0041). Zur Überprüfung der Beweiswürdigung ist der Verwaltungsgerichtshof im Allgemeinen nicht berufen (vgl. VwGH 24.3.2014, Ro 2014/01/0011; 28.4.2015, Ra 2014/19/0177).
Beim Inhalt einer Bestellungsurkunde im Sinne des § 9 Abs. 2 VStG handelt es sich um eine Erklärung im Einzelfall, die auszulegen ist. Wie eine solche Erklärung aufzufassen ist, ist jeweils nur nach den besonderen Umständen des Einzelfalles zu beurteilen und stellt im Allgemeinen keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dar. Auch die Frage, ob irgendwelche Besonderheiten – etwa auf Grund des Unternehmensgegenstandes oder der Unternehmensorganisation – eine andere Deutung der Willenserklärung zuließen, hat keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung (vgl. zuletzt zB VwGH 13.7.2020, Ra 2020/02/0115; 17.10.2022, Ra 2022/02/0191).
Gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG konnte eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht entfallen, da bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass das mit Beschwerde angefochtene Straferkenntnis aufzuheben war.
Schlagworte
Verantwortlich Beauftragter; Bestellungsurkunde; Verantwortlichkeitsbereich; Zustimmungserklärung; verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit; objektiver MaßstabEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2023:VGW.001.016.624.2023Zuletzt aktualisiert am
29.03.2023