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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1968 §1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Händschke, Dr. Baur und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des S in B, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 28. Dezember 1994, Zl. 4.339.788/1-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Dre Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger des Irak, der am 4. Jänner 1992 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 5. Jänner 1992 einen Asylantrag gestellt hat, hat als maßgeblichen Grund für die Ausreise aus seinem Heimatland angegeben, er hätte als Soldat der irakischen Armee in den Unruhen nach dem Golfkrieg auch gegen Regimegegner im Inneren des Landes eingesetzt werden sollen. Da er nicht gegen seine eigenen Landsleute habe vorgehen wollen, sei er von der irakischen Armee desertiert.
Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark hat mit Bescheid vom 28. Mai 1992 festgestellt, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling sei.
In der gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung vom 22. Juni 1992 bzw. in der Berufungsergänzung vom 17. Mai 1993 brachte der Beschwerdeführer ergänzend vor, daß er als Angehöriger des syrisch-katholischen Glaubens im Irak ständigen Diskriminierungen ausgesetzt gewesen sei. Die Unduldsamkeit des irakischen Regimes gegenüber der christlichen Minderheit habe er insbesondere erfahren, als man ihn habe nötigen wollen, der arabischen Baath-Partei beizutreten, was er jedoch abgelehnt habe. Man habe ihn aber immer wieder bedrängt und deshalb im Jahre 1978 10 Tage lang inhaftiert und verhört. Dabei sei er auch geschlagen worden und habe nichts zu essen erhalten. Als er 1980 auf die Universität gegangen sei, habe sich dies fortgesetzt. Im Jahre 1983 sei er wieder verhaftet, verhört, gefoltert und für drei Monate inhaftiert worden. Nach Beendigung seines Universitätsstudiums im Jahr 1986 sei er zur irakischen Armee eingezogen worden. Er sei im Irak-Iran Krieg an vorderster Front eingesetzt worden. Als während des Golfkrieges im Norden und Süden des Iraks sich eine Opposition gegen das Regime Saddan Husseins zu formieren begonnen habe, hätte er auch gegen die eigenen Landsleute eingesetzt werden sollen. Dies habe er abgelehnt und sei desertiert. Da er gewußt habe, daß im Irak auf die Entziehung vom Wehrdienst die Todesstrafe stehe, sei er in den Iran geflüchtet.
Mit Bescheid vom 28. Dezember 1994 wies die belangte Behörde die gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobene Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Gemäß § 25 Abs. 1 Asylgesetz 1991 sind am 1. Juni 1992 in erster Instanz anhängige Verfahren nach der bis zum Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes geltenden Rechtslage zu Ende zu führen. Gemäß Abs. 2 leg. cit. sind am 1. Juni 1992 beim Bundesministerium für Inneres anhängige Verfahren nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zu Ende zu führen. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde, sie habe bereits das Asylgesetz 1991 anzuwenden gehabt, ergibt sich aus dem Umstand, daß das Verfahren infolge Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides am 15. Juni 1992 (Zustelldatum laut dem im Akt erliegenden Rückschein) am 1. Juni 1992 noch nicht bei ihr anhängig war, die Rechtsfolge, daß sie verpflichtet gewesen wäre, das Asylgesetz (1968) anzuwenden (vgl. hg. Erkenntnis vom 31. März 1993, Zl. 92/01/0831). Daraus, daß die belangte Behörde diese Rechtslage verkannt hat, ist dem Beschwerdeführer jedoch kein Rechtsnachteil erwachsen. Die belangte Behörde ist zu ihrer abweislichen Entscheidung deshalb gelangt, weil sie seine Flüchtlingseigenschaft gemäß § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 verneint hat. Diese Bestimmung hat aber keine inhaltliche Änderung gegenüber dem nach § 1 Asylgesetz (1968) iVm Art. I Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention geltenden Flüchtlingsbegriff gebracht.
Die belangte Behörde hat zunächst die Auffassung vertreten, die vom Beschwerdeführer dargestellten Mißhandlungen in den Jahren 1978 bis 1983 lägen zeitlich soweit zurück, daß aus ihnen begründete Furcht vor Verfolgung nicht mehr abgeleitet werden könne. Die vom Beschwerdeführer geschilderten Unterdrückungen, Diskriminierungen, Demütigungen sowie sonstigen Nachteile aus seiner Zugehörigkeit zur syrisch-katholischen Minderheit im Irak beträfen alle Angehörigen dieser Minderheit in gleichem Maße und reichten für sich allein noch nicht aus, daraus begründete Furcht vor Verfolgung abzuleiten.
Diese Würdigung des Vorbringens des Beschwerdeführers steht in Übereinstimmung mit der ständigen hg. Judikatur, derzufolge Umstände, die sich schon längere Zeit vor der Ausreise ereignet haben, nicht mehr beachtlich sind; die wohlbegründete Furcht muß vielmehr bis zur Ausreise andauern (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom 16. September 1992, Zl. 92/01/0716). Die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Benachteiligungen aus seiner Religionszugehörigkeit (allgemeine Geringschätzung durch die Bevölkerung, nicht näher konkretisierte Benachteiligungen allgemeiner Art, Behinderungen beim Gebrauch der Muttersprache in der Öffentlichkeit) erreichen nicht eine derartige Intensität, daß deshalb ein weiterer Aufenthalt des Beschwerdeführers in seinem Heimatland als unerträglich anzusehen wäre. Auch der vom Beschwerdeführer in seiner Berufungsergänzung behauptete Umstand, daß er während seines Einsatzes im Krieg Iran-Irak aufgrund seiner Zugehörigkeit zu einer Minderheit an vorderster Front habe kämpfen müssen, steht weder in einem zeitlichen noch einem sachlichen Zusammenhang mit seiner Flucht, weil er ausdrücklich als Grund dafür angegeben hatte, im Hinblick auf seine Desertion vom irakischen Heer und der dafür allgemein (somit nicht nur für Angehörige einer bestimmten Minderheit) vorgesehenen Todesstrafe geflüchtet zu sein. Desertiert sei er deshalb, weil er bei Operationen des irakischen Heeres gegen die eigenen Landsleute nicht habe mitwirken wollen.
Die belangte Behörde hat die bei Entziehung vom Wehrdienst drohende Bestrafung nicht als asylrelevante Verfolgung gewertet. Desertion und Wehrdienstverweigerung seien auch in klassisch demokratischen und rechtsstaalichen Ländern mit Strafe bedroht. Eine deswegen drohende, auch strenge Strafe stelle keinen Asylgrund dar. Dieser Argumentation der belangten Behörde ist grundsätzlich beizupflichten. So hat der Verwaltungsgerichtshof bereits zu wiederholten Malen - wie in der Beschwerde selbst aufgezeigt wird - ausgesprochen, daß die Furcht wegen Desertion bestraft zu werden, regelmäßig nicht als für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft geeigneter Umstand angesehen werden kann. Die Furcht wegen einer damit im Zusammenhang stehenden drohenden Bestrafung könnte nur dann asylrechtlich relevant sein, wenn die Einberufung zum Militärdienst aus einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Gründe erfolgt wäre oder aus solchen Gründen eine drohende allfällige Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung schwerer als gegenüber anderen Staatsangehörigen wäre (vgl. hiezu insbesondere das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 29. Juni 1994, Zl. 93/01/0377). Daß dem Beschwerdeführer aus in der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Gründen eine härtere Bestrafung als anderen Staatsangehörigen gedroht hätte, hatte er aber im Verwaltungsverfahren auch nicht andeutungsweise vorgebracht. Er hat vielmehr in seiner Berufungsergänzung ausdrücklich hervorgehoben, daß allgemein auf Desertion von der irakischen Armee die Todesstrafe stehe. Soweit nunmehr in der Beschwerde geltend gemacht wird, es sei die Desertion im Zusammenhang mit seiner Zugehörigkeit zu einer Minderheit sowie mit einer gegen das irakische Regime gerichteten politischen Gesinnung des Beschwerdeführers zu sehen, es sei ferner in der Stellung eines Asylantrages an sich bereits ein asylrechtlich relevanter (Noch-)fluchtgrund zu sehen, unterliegt er mit diesem Vorbringen - abgesehen davon, daß der Beschwerdeführer nicht dargelegt hat, ob und wie seine politische Gesinnung überhaupt in der Öffentlichkeit erkennbar war - dem gemäß § 41 Abs. 1 VwGG im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbot. Auch dafür, daß die im Zeitpunkt seiner Flucht im Irak herrschende Situation für ihn mit der in seiner Beschwerde ins Treffen geführten Situation von Wehrpflichtigen im Kosovo im Zusammenhang mit der Jugoslawienkrise vergleichbar wäre, haben sich weder aus seiner niederschriftlichen Befragung noch aus seiner Berufungsschrift im Verwaltungsverfahren Anhaltspunkte ergeben, sodaß für die von der Beschwerde in diese Richtung begehrten Überlegungen keine Veranlassung besteht.
Die sich sohin als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1995200080.X00Im RIS seit
20.11.2000