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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AsylG 1991 §18 Abs1;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 95/20/0583Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Händschke als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, 1. über den Antrag E in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einbringung der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 10. Juli 1995, Zl. 4.341.809/8-III/13/95, betreffend Asylgewährung, und
2. über die gleichzeitig erhobene Beschwerde den Beschluß gefaßt:
Spruch
1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.
2. Die Beschwerde wird als verspätet zurückgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 10. Juli 1995, der dem Beschwerdeführer, einem Staatsangehörigen der Türkei, am 14. Juli 1995 zugestellt worden war, war sein Asylantrag abgewiesen worden.
Der Beschwerdeführer führte zur Begründung seines am 22. September 1995 zur Post gegebenen, mit der Beschwerde gegen diesen Bescheid verbundenen Wiedereinsetzungsantrages gegen die Versäumung der Beschwerdefrist aus, er sei der deutschen Sprache nicht mächtig und habe daher die in deutscher Sprache verfaßten Seiten 1 bis 5 des angefochtenen Bescheides nicht verstehen können. Der dem Bescheid beigefügten türkischsprachigen Übersetzung des Spruches und der Rechtsmittelbelehrung habe er nur entnehmen können, daß seine Berufung abgewiesen worden und daß kein Rechtsmittel zulässig sei. Da sich in der Übersetzung kein Hinweis auf eine Beschwerdemöglichkeit gefunden habe, habe er - auf die Richtigkeit der Übersetzung vertrauend - es unterlassen, sich eine Übersetzung des gesamten Bescheides zu besorgen. Erst am 9. September 1995 habe ihn ein Bekannter, der sich nach dem Ausgang des Asylverfahrens erkundigt habe, auf die bestandene Möglichkeit eines Rechtszuges an den Verfassungs- oder Verwaltungsgerichtshof aufmerksam gemacht. Der Irrtum des Beschwerdeführers über die fehlende Anfechtungsmöglichkeit bzw. das Vertrauen auf den türkischen Text ohne weitergehende Nachforschungen beruhe infolge des Vorliegens eines deutschsprachigen Volltextes auf einem Versehen, welches aber als solches minderen Grades zu werten sei, weil dieser Irrtum auf den durch die Übersetzung erweckten Anschein der vollständigen Wiedergabe von Spruch und Rechtsmittelbelehrung zurückzuführen sei.
Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei, die durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, daß sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Gemäß § 18 Abs. 1 Asylgesetz 1991 ist Bescheiden, die einem der deutschen Sprache nicht hinreichend kundigen Asylwerber zuzustellen sind, eine Übersetzung des Spruches und der Rechtsmittelbelehrung in einer ihm ausreichend verständlichen Sprache anzuschließen.
Gemäß § 61 a AVG haben Bescheide, die in letzter Instanz erlassen werden, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen oder wenn über Einwendungen oder Anträge von Beteiligten abgesprochen wird, auf die Möglichkeit einer Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof oder Verfassungsgerichtshof, auf die bei der Einbringung einer solchen Beschwerde einzuhaltende Frist sowie auf das Formerfordernis der Unterschrift eines Rechtsanwaltes hinzuweisen. Ein solcher Hinweis ist nicht als Bestandteil der Rechtsmittelbelehrung zu werten. Das Fehlen eines solchen Hinweises hat der Verwaltungsgerichtshof nicht als einen Grund für die Bewilligung der Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Beschwerdefrist angesehen (vgl. die in Hauer - Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens 4, Eisenstadt 1990, S. 463, zitierte Judikatur). Auch begründet § 39 a AVG, der nur den mündlichen Verkehr zwischen der Behörde und den Parteien regelt, keinen Anspruch auf Verwendung einer fremden Sprache im schriftlichen Verkehr mit der Behörde (vgl. die in Hauer - Leukauf, aaO, S. 269, zitierte Judikatur).
Der Umstand, daß der Beschwerdeführer mangels entsprechender Kenntnis der deutschen Sprache nicht rechtzeitig von der Möglichkeit der Beschwerdeerhebung an die Gerichtshöfe öffentlichen Rechtes Kenntnis erlangt hat, ist somit - ebenso wie der Mangel dieser Sprachkenntnisse selbst (vgl. die in Hauer - Leukauf, aaO, S. 633, zitierte Judikatur) - weder geeignet, das Vorliegen eines die rechtzeitige Beschwerdeerhebung behindernden unvorhergesehenen oder unabwendbaren Ereignisses darzutun, noch kann ein durch die mangelnden Sprachkenntnisse bedingter Irrtum über die Möglichkeit der Erhebung einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde als minderer Grad des Versehens angesehen werden.
Dem Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand konnte somit gemäß § 46 VwGG nicht stattgegeben werden.
Dies hat weiters zur Folge, daß die Beschwerde gemäß § 34 Abs. 1 VwGG wegen Versäumung der Einbringungsfrist ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen war.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1995200582.X00Im RIS seit
03.04.2001