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L6500 Jagd, WildNorm
B-VG Art10 Abs1 Z10Leitsatz
Kein Widerspruch einer Bestimmung des Tir JagdG 2004 betreffend die Wildschadensverhütung gegen die bundesstaatliche Kompetenzverteilung und die Rücksichtnahmepflicht des Landesgesetzgebers auf bundesgesetzliche VorschriftenSpruch
I. Soweit sich der Antrag gegen §52 Abs2 lita Tiroler Jagdgesetz 2004 – TJG 2004, LGBl für Tirol Nr 41/2004, idF LGBl für Tirol Nr 64/2015 richtet, wird er abgewiesen.
II. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Antrag
Mit dem vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 lita B-VG gestützten Antrag begehrt das Landesverwaltungsgericht Tirol, §52 Abs2 lita und c Tiroler Jagdgesetz 2004 – TJG 2004, LGBl 41/2004 idF LGBl 163/2019, in eventu §52 Abs2 lita TJG 2004, in eventu §52 Abs2 litc TJG 2004, in eventu in §52 Abs2 TJG 2004 die Wortfolge "dem Jagdausübungsberechtigten" als verfassungswidrig aufzuheben.
II. Rechtslage
1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Tiroler Jagdgesetzes 2004 – TJG 2004, LGBl 41/2004, idF LGBl 116/2020 lauten samt Überschriften – auszugsweise – wie folgt (die mit dem Hauptantrag angefochtenen Bestimmungen in §52 TJG 2004 – idF BGBl I 64/2015 – sind hervorgehoben):
"§1
Jagdrecht, Jagdausübungsrecht
(1) Das Jagdrecht ist die aus dem Grundeigentum erfließende ausschließliche Befugnis,
a) den jagdbaren Tieren nachzustellen, sie zu fangen und zu erlegen,
b) sich erlegtes Wild, Fallwild, Abwurfstangen und die Eier des jagdbaren Federwildes anzueignen.
(2) Die Ausübung des Jagdrechtes (im Folgenden auch 'Jagd' genannt) unterliegt den Bestimmungen dieses Gesetzes.
§1a
Zielbestimmung
(1) Dieses Gesetz hat zum Ziel, durch weidgerechte Jagd als Teil der Landeskultur einen artenreichen, gesunden, geschlechtlich ausgewogenen und den Lebensraumverhältnissen angemessenen Wildbestand in Tirol unter Bedachtnahme auf die sonstigen Interessen der Landeskultur zu erreichen, zu erhalten und zu fördern.
(2) Zu den sonstigen Interessen der Landeskultur im Sinn dieses Gesetzes zählen insbesondere:
a) die Erhaltung der frei lebenden Tierwelt und der natürlichen, standortgerechten Pflanzenwelt, jeweils in ihrer Vielfalt, als wesentliche Bestandteile der heimischen Natur und des natürlichen Wirkungsgefüges,
b) die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen des Wildes,
c) die Erhaltung stabiler und artgerechter Alters- und Sozialstrukturen des Wildes,
d) die Erhaltung der Wildgesundheit unbeschadet veterinärrechtlicher Vorschriften,
e) die Vermeidung von Beeinträchtigungen der Wirkungen des Waldes, insbesondere durch den Schutz vor waldgefährdenden Wildschäden, und
f) die Vermeidung von Beeinträchtigungen der ordnungsgemäßen land- und forstwirtschaftlichen Nutzung von Grundflächen.
(3) Den Interessen der Landeskultur kommt im Widerstreit mit örtlichen oder regionalen jagdlichen Interessen, insbesondere solchen einzelner Jagdausübungsberechtigter, der Vorrang zu.
§2
Begriffsbestimmungen
(1) Jagdbare Tiere sind die in der Anlage angeführten Tiere. Tiere, die im Rahmen eines landwirtschaftlichen Betriebes in Einfriedungen ausschließlich zur Gewinnung von Fleisch oder von Fellen gehalten werden, gelten nicht als jagdbare Tiere.
(2)–(6) […]
(7) Wildschaden ist jener Schaden, den jagdbare Tiere, die nicht der ganzjährigen Schonung unterliegen, innerhalb des Jagdgebietes an Grund und Boden und an den noch nicht eingebrachten Früchten sowie an den Haus- und Nutztieren verursachen. Der Wildschaden ist waldgefährdend, wenn durch Verbiss, Verfegen, Verschlagen oder Schälen die Neubewaldung oder die fristgerechte Wiederbewaldung (§§4 und 13 des Forstgesetzes 1975) mit standortgerechten Baumarten auf größeren Flächen verhindert oder gefährdet oder in Waldbeständen das Entstehen von Blößen verursacht oder auf größeren Flächen die Bestandsentwicklung unmöglich gemacht oder wesentlich verschlechtert wird.
(8)–(16) […]
§11b
Weidgerechtigkeit
(1) Die Jagd darf nur in weidgerechter Weise ausgeübt werden. Dazu gehören auch das Recht und die Pflicht zur Hege des Wildes unter Bedachtnahme auf die Interessen der Landeskultur.
(2) Zur weidgerechten Jagdausübung (Weidgerechtigkeit) gehört die Einhaltung der jagdrechtlichen Vorschriften auf der Grundlage ethischer Grundsätze unter Beachtung insbesondere der Gebote,
a) dem Wild unnötige Qualen zu ersparen,
b) im Wild ein Geschöpf der Natur zu achten,
c) sich angemessen gegenüber dem Jagdnachbarn und den Mitjagenden zu verhalten und
d) die Jagd im Sinn einer durch die jagdrechtlichen Vorschriften, die sonstigen einschlägigen Rechtsvorschriften und die Pflichten zur Wahrung des Ansehens der Jägerschaft bedingten Disziplin auszuüben.
[…]
§52
Maßnahmen zur Hintanhaltung von Wildschäden
(1) Soweit sich beim Auftreten von Wildschäden die Verminderung oder die Regulierung des Wildbestandes zur Verhütung ernster Schäden an Kulturen, in der Tierhaltung, an Wäldern oder Fischwässern als notwendig erweist und eine andere zufriedenstellende Lösung nicht möglich ist, hat die Bezirksverwaltungsbehörde von Amts wegen oder auf Antrag des Grundeigentümers, von Teilwaldberechtigten, Einforstungsberechtigten, sonstigen Nutzungsberechtigten oder des Obmannes der Bezirkslandwirtschaftskammer unter Bedachtnahme auf die im §37a Abs1 und 3 angeführten Ziele den Jagdausübungsberechtigten jener Jagdgebiete, die zum Lebensraum des den Wildschaden verursachenden Wildes gehören,
a) einen zeitlich und allenfalls auch örtlich bzw ziffernmäßig, erforderlichenfalls auch in Form von Mindest- oder Höchstabschüssen, zu begrenzenden Abschuss von Wild vorzuschreiben, wobei ein solcher Abschuss auch während der Schonzeit, zur Nachtzeit, unter Vorlage von Futtermitteln außerhalb von Fütterungsanlagen zur Ankirrung, auf Wildruheflächen und ohne Bedachtnahme auf den Abschussplan vorgeschrieben werden kann, sowie
b) die Grünvorlage von aufgrund eines Auftrags nach lita erlegten Wildstücken, die Führung des Nachweises über den Ort der Erlegung dieser Wildstücke oder sonstige geeignete Maßnahmen vorzuschreiben, soweit dies zur Sicherung der Vorschreibungen nach lita erforderlich ist.
(2) Bei Auftreten waldgefährdender Wildschäden kann die Bezirksverwaltungsbehörde dem Jagdausübungsberechtigten anstelle der Erteilung eines Auftrages nach Abs1 oder zusätzlich zu einem solchen Auftrag
a) die Durchführung geeigneter Maßnahmen zum Einzelschutz gefährdeter Forstpflanzen, wie die Anwendung geeigneter mechanischer oder chemischer Schutzmittel,
b) die Errichtung, Änderung, Verlegung oder Auflassung von Fütterungsanlagen,
c) die Errichtung und Erhaltung von Wildzäunen zum Schutz von Waldbeständen gegen Verbiss- oder Schälschäden
vorschreiben, soweit dies zur Vermeidung von Wildschäden erforderlich ist. In Schutzwaldsanierungsgebieten können Maßnahmen nach lita, b oder c auch dann vorgeschrieben werden, wenn durch vermehrtes Auftreten von Wildschäden das festgelegte Sanierungsziel gefährdet wird.
(3) Vor der Erlassung eines Auftrages nach Abs1 oder 2 ist der Bezirksjagdbeirat zu hören.
(4) Maßnahmen nach Abs2 sind unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit der anzuwendenden Mittel und unter Bedachtnahme darauf vorzuschreiben, dass die widmungsgemäße Bewirtschaftung und Benützung der Grundstücke nicht unzumutbar erschwert oder unmöglich gemacht wird. Maßnahmen nach Abs2 litb sind in jenen Fällen vorzuschreiben, in denen die aufgetretenen Wildschäden auf die ungünstige Lage einer Fütterungsanlage oder auf das Fehlen einer Fütterung zurückzuführen sind. Maßnahmen nach Abs2 litc dürfen nur vorgeschrieben werden, wenn sich die nach Abs1 oder Abs2 lita oder b vorgeschriebenen Maßnahmen innerhalb eines Zeitraumes von vier Jahren als unzureichend erwiesen haben.
(5) Die Entfernung von Fütterungsanlagen im Sinn des Abs2 litb ist vom Grundeigentümer zu dulden. In den übrigen Fällen des Abs2 litb und in jenen des Abs2 litc ist §43 Abs2 sinngemäß anzuwenden.
(6) Die Bezirksverwaltungsbehörde hat den Obmann der Bezirkslandwirtschaftskammer von den ihr nach §16 Abs5 des Forstgesetzes 1975 mitgeteilten, durch jagdbare Tiere verursachten flächenhaften Gefährdungen des Bewuchses in Kenntnis zu setzen.
(7) Dem Obmann der Bezirkslandwirtschaftskammer ist auch ein Bescheid nach Abs2 zuzustellen; dieser kann gegen einen solchen Bescheid Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht erheben."
2. §16 des Forstgesetzes 1975, BGBl 440/1975 idF BGBl I 56/2016, lautet wie folgt:
"Waldverwüstung
§16. (1) Jede Waldverwüstung ist verboten. Dieses Verbot richtet sich gegen jedermann.
(2) Eine Waldverwüstung liegt vor, wenn durch Handlungen oder Unterlassungen
a) die Produktionskraft des Waldbodens wesentlich geschwächt oder gänzlich vernichtet,
b) der Waldboden einer offenbaren Rutsch- oder Abtragungsgefahr ausgesetzt,
c) die rechtzeitige Wiederbewaldung unmöglich gemacht oder
d) der Bewuchs offenbar einer flächenhaften Gefährdung, insbesondere durch Wind, Schnee, wildlebende Tiere mit Ausnahme der jagdbaren, unsachgemäße Düngung, Immissionen aller Art, ausgenommen solche gemäß §47, ausgesetzt wird oder Abfall (wie Müll, Gerümpel, Klärschlamm) abgelagert wird.
(3) Wurde eine Waldverwüstung festgestellt, so hat die Behörde die erforderlichen Maßnahmen zur Abstellung der Waldverwüstung und zur Beseitigung der Folgen derselben vorzukehren. Insbesondere kann sie hiebei in den Fällen des Abs2 eine bestimmte Nutzungsart vorschreiben, innerhalb einer zu bestimmenden angemessenen Frist jede Fällung an eine behördliche Bewilligung binden oder anordnen, daß der Verursacher die Gefährdung und deren Folgewirkungen in der Natur abzustellen oder zu beseitigen hat. Privatrechtliche Ansprüche des Waldeigentümers bleiben unberührt.
(4) Wurde Abfall im Wald abgelagert (Abs2 litd) oder weggeworfen (§174 Abs3 litc), so hat die Behörde die Person, die die Ablagerung des Abfalls vorgenommen hat oder die hiefür verantwortlich ist, festzustellen und ihr die Entfernung des Abfalls aus dem Wald aufzutragen. Läßt sich eine solche Person nicht feststellen, so hat die Behörde der Gemeinde, in deren örtlichem Bereich die Ablagerung des Abfalls im Wald erfolgt ist, die Entfernung des Abfalls auf deren Kosten aufzutragen. Wird die Person nachträglich festgestellt, so hat ihr die Behörde den Ersatz dieser Kosten vorzuschreiben. Die von der Gemeinde zu besorgende Aufgabe ist eine solche des eigenen Wirkungsbereiches.
(5) (Verfassungsbestimmung) Wurde eine durch jagdbare Tiere verursachte flächenhafte Gefährdung des Bewuchses festgestellt, so sind durch das zuständige Organ des Forstaufsichtsdienstes ein Gutachten über Ursachen, Art und Ausmaß der Gefährdung und Vorschläge zur Abstellung der Gefährdung an die Jagdbehörde und an den Leiter des Forstaufsichtsdienstes beim Amt der Landesregierung zu erstatten. Diesem kommt in den landesgesetzlich vorgesehenen Verfahren zum Schutz des Waldes gegen waldgefährdende Wildschäden Antragsrecht und Parteistellung zu.
(6) Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft hat jährlich einen Bericht über Art und Ausmaß der Waldverwüstungen und insbesondere der flächenhaften Gefährdungen des Bewuchses durch Wild, die Gutachtertätigkeit der Forstbehörden und die Maßnahmen der Jagdbehörden sowie deren Erfolg, gegliedert nach Bundesländern, im Internet zu veröffentlichen.
(7) Dieser Bericht ist bis zum 1. September jedes Folgejahres dem Nationalrat zur Behandlung vorzulegen."
III. Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Landeck vom 10. Dezember 2019 wurde den Jagdausübungsberechtigten einer näher bezeichneten Genossenschaftsjagd zur Hintanhaltung von Wildschäden unter anderem gemäß §52 Abs2 lita TJG 2004 vorgeschrieben, bestimmte noch ungeschädigte Forstpflanzen mit chemischen und mechanischen Schutzmitteln zu schützen. In der Begründung des Bescheids stützt sich die belangte Behörde auf ein forstfachliches Gutachten im Sinne des §16 Abs5 Forstgesetz 1975 vom 11. April 2012 und auf verschiedene Stellungnahmen der Bezirksforstinspektion Landeck sowie Stellungnahmen des Bezirksjagdbeirates.
Gegen diesen Bescheid erhob der Jagdleiter der näher bezeichneten Genossenschaftsjagd am 7. Jänner 2020 Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Tirol und führte im Wesentlichen aus, dass das Anbringen von mechanischen Schutzmitteln an ungeschädigten Lärchen unverhältnismäßig, nicht zweckmäßig und hinsichtlich Größe, Steilheit und Exponiertheit (zB Schneelast oder Sturm) der betroffenen Gebiete nicht durchführbar sei.
2. Das Landesverwaltungsgericht Tirol legt die Bedenken, die es zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof bestimmt haben, zusammengefasst wie folgt dar:
2.1. Mit angefochtenem Bescheid vom 10. Dezember 2019 seien gemäß §52 Abs2 lita und c TJG 2004 Maßnahmen zur Hintanhaltung von Wildschäden vorgeschrieben worden. Die angefochtenen Bestimmungen seien daher im Beschwerdeverfahren präjudiziell. Gegen die angefochtenen Bestimmungen bestünden sowohl aus kompetenzrechtlicher als auch aus grundrechtlicher Sicht Bedenken.
2.2. Aus kompetenzrechtlicher Sicht sei festzuhalten, dass sowohl das Forstgesetz 1975 als auch das TJG 2004 Bestimmungen zum Schutz des Waldes vorsehen und sich diese Regelungen zumindest partiell überschneiden würden (vgl §§40 ff. und §88 Abs4 Forstgesetz 1975 einerseits sowie §52 Abs2 TJG 2004 andererseits). Das Forstwesen sei gemäß Art10 Abs1 Z10 B-VG Bundessache in Gesetzgebung und Vollziehung, während das Jagdwesen nach Art15 B-VG in Gesetzgebung und Vollziehung Landessache sei.
2.2.1. Der Verfassungsgerichtshof habe ausgesprochen, dass die Regelung der Abwehr der dem Wald aus dem Wildstand drohenden Gefahren zum Jagdrecht gehöre, welches nach Art15 Abs1 B-VG in Gesetzgebung und Vollziehung in die Kompetenz der Länder falle (VfSlg 4348/1963). Die Materie der Wildhege und alle damit in Zusammenhang stehenden Maßnahmen, insbesondere die Verringerung des Wildstandes, seien nicht dem Forstwesen iSd Art10 Abs1 Z10 B-VG zuzuzählen (vgl VfSlg 10.292/1984).
Nach der vom Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung entwickelten Gesichtspunktetheorie könne ein bestimmter Regelungsgegenstand unter verschiedenen Gesichtspunkten, welche unterschiedlichen Kompetenztatbeständen zuzuordnen seien, geregelt werden. Im Anlassfall gehe es um den Forstpflanzenschutz, der sowohl unter dem Gesichtspunkt des Forstwesens durch den Bundesgesetzgeber im Rahmen des Forstgesetzes 1975 als auch unter dem Gesichtspunkt des Jagdwesens durch den Landesgesetzgeber im Rahmen des TJG 2004 geregelt werde.
Bundes- und Landesgesetzgeber dürften in ihren Regelungen alle öffentlichen Zwecke und daher auch Verwaltungszwecke der jeweils anderen Gebietskörperschaft berücksichtigen (VfSlg 13.326/1993). Die Befugnis, die Interessen und Zwecke der gegenbeteiligten Gebietskörperschaft zu berücksichtigen, dürfe aber nicht so weit gehen, eine der anderen Gebietskörperschaft obliegende Regelung selbst vorzunehmen (VfSlg 9543/1982).
2.2.2. Das Landesverwaltungsgericht Tirol hegt Zweifel, ob die Regelungen des §52 Abs2 lita und c TJG 2004 in die Kompetenz der Länder fallen oder nicht vielmehr vom Bund zu treffen wären.
Bei näherer Betrachtung des §52 TJG 2004 falle auf, dass abgesehen von Abs2 lita und c leg cit sämtliche vorgesehenen Maßnahmen zur Wildschadensverhütung einen direkten Bezug zur Jagd aufweisen bzw im Rahmen der jagdlichen Bewirtschaftung mit dem Jagdwesen in Verbindung stehen würden. So stünden jene Maßnahmen, die dem Jagdausübungsberechtigten nach §52 Abs1 sowie Abs2 litb TJG 2004 vorgeschrieben werden könnten, in Zusammenhang mit dem (zu hohen) Wildbestand bzw mit dem (ungünstigen) Standort einer Fütterungsanlage. Daraus gehe hervor, dass die Gefahrenquelle für den Wald hier direkt durch das Wild geschaffen werde und der Wildbestand bzw der Standort einer Fütterungsanlage allein kausal für aufgetretene Waldschäden sei.
Hingegen fehle bei §52 Abs2 lita und c TJG 2004 ein derartiger direkter Zusammenhang. Die Gefahrenquelle für Wildschäden werde nämlich durch die auf eine Fällung folgende Aufforstung durch den Waldeigentümer allein geschaffen. Jungpflanzen würden für Wild eine Delikatesse darstellen. Zudem sei ein solcher Jungwald ganz unabhängig vom Wildbestand stets der Gefahr des Verbisses ausgesetzt.
2.3. Aus grundrechtlicher Sicht seien die Bestimmungen des §52 Abs2 lita und c TJG 2004 als verfassungswidriger Eingriff in das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums (Art5 StGG; Art1 1. ZPEMRK) zu qualifizieren.
Durch die angefochtenen Bestimmungen werde in das Eigentumsrecht des Jagdausübungsberechtigten eingegriffen, weil dieser neben der Arbeitsleistung auch die finanzielle Last für die zu treffenden Maßnahmen zu tragen habe. Die Vermeidung von waldgefährdenden Wildschäden liege zwar im öffentlichen Interesse (VfSlg 20.103/2016), jedoch erscheine es unverhältnismäßig, dass dem Jagdausübungsberechtigten als Adressat der Regelung mehr oder weniger der alleinige Schutz des Vermögens Dritter, nämlich jenes des Grundeigentümers, zufalle.
3. Die Tiroler Landesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der sie den im Antrag erhobenen Bedenken zusammengefasst wie folgt entgegentritt:
3.1. Hinsichtlich der Zulässigkeit des Antrages des Landesverwaltungsgerichtes Tirol führt die Tiroler Landesregierung aus, dass §52 Abs2 litc TJG 2004 nicht präjudiziell sei. Die belangte Behörde habe bei Erlassung des angefochtenen Bescheides diese Bestimmung nicht angewandt. Deren Anwendbarkeit ergebe sich auch nicht aus den sonstigen Verfahrensereignissen oder der Beschwerde. Entgegen den Ausführungen des Landesverwaltungsgerichtes Tirol seien mit dem angefochtenen Bescheid lediglich Maßnahmen nach §52 Abs2 lita TJG 2004 vorgeschrieben worden. Die Vorschreibung von Maßnahmen nach §52 Abs2 litc TJG 2004 wäre im Anlassverfahren gemäß Abs4 leg cit auch nicht zulässig gewesen. Nach Ansicht der Tiroler Landesregierung seien daher der Hauptantrag, soweit er sich auf §52 Abs2 litc TJG 2004 bezieht, und der zweite Eventualantrag unzulässig. Zudem sei auch der dritte Eventualantrag unzulässig, weil bei Aufhebung im beantragten Umfang die behauptete Verfassungswidrigkeit nicht beseitigt würde und ein ergänzungsbedürftiger Regelungstorso verbliebe.
3.2. Den kompetenzrechtlichen Bedenken entgegnet die Tiroler Landesregierung, dass der Verfassungsgerichtshof sich in zwei Entscheidungen ausführlich zum Umfang und zur Abgrenzung der Kompetenzen Forstwesen und Jagdrecht geäußert habe (VfSlg 2192/1951, 4348/1963). Die bestehende einfachgesetzliche Rechtslage entspreche den mit diesen Entscheidungen getroffenen Kompetenzfeststellungen.
3.2.1. So sei kein Widerspruch ersichtlich, der im Sinn des verfassungsrechtlichen Berücksichtigungsgebots problematisch sein könnte. Das Forstgesetz 1975 sehe notwendige Vorschreibungen zur Wiederbewaldung, Aufforstung oder auch Forstschutzmaßnahmen bei der forstlichen Bewirtschaftung allgemein vor. Das TJG 2004 sehe hingegen ausschließlich Regelungen zum Schutz forstlicher Kulturen (erst) nach Vorliegen von Wildschäden, im Fall des §52 Abs2 leg cit sogar erst bei Auftreten waldgefährdender Wildschäden vor. Die nach dem TJG 2004 vorzuschreibenden Maßnahmen würden daher gezielt die Hintanhaltung von Wildschäden durch jagdbare Tiere bezwecken und würden deren Vorliegen überhaupt erst voraussetzen. Sobald jagdrechtliche Maßnahmen gegen Wildschäden zu setzen seien, verbiete sich schon im Hinblick auf eine verfassungskonforme Auslegung der jeweiligen Kompetenzbereiche ein Vorgehen nach den allgemeinen forstrechtlichen Bestimmungen. Die Vollziehungsbereiche nach dem Forstgesetz 1975 und dem TJG 2004 seien daher auf gesetzlicher Ebene in kompetenzkonformer Weise eindeutig getrennt. Mögen die forst- und jagdrechtlichen Maßnahmen in einigen Fällen auch in ihrem Erscheinungsbild ähnlich sein, so sei dies jedenfalls im Lichte der Gesichtspunktetheorie verfassungskonform. Zudem seien auch in der Vollziehung der betreffenden forst- und jagdrechtlichen Regelungen bislang nie Abgrenzungsprobleme aufgetreten.
3.2.2. Die umfassende Landeskompetenz in Gesetzgebung und Vollziehung wurde auch stets vom Bundesgesetzgeber anerkannt. Als Beispiel hiefür könne etwa die Entschließung des Nationalrats anlässlich der Beschlussfassung über das Forstgesetz 1975, 1677 BlgNR 13. GP, 68, gewertet werden, wonach die Bundesregierung ersucht worden sei, mit den Landesregierungen in Verbindung zu treten, um möglichst bundeseinheitlich geeignete Maßnahmen zur wirkungsvollen Bekämpfung von Wildschäden zu treffen. Als Ausdruck der angestrebten Koordination könne auch die Verfassungsbestimmung des §16 Abs5 Forstgesetz 1975 angesehen werden, welcher für den Fall, dass eine durch jagdbare Tiere verursachte flächenhafte Gefährdung des Bewuchses festgestellt wurde, vorsehe, dass das zuständige Organ des Forstaufsichtsdienstes ein Gutachten über Ursachen, Art und Ausmaß der Gefährdung und Vorschläge zur Abstellung der Gefährdung an die Jagdbehörde und an den Leiter des Forstaufsichtsdienstes beim Amt der Landesregierung zu erstatten habe.
3.2.3. Das Verhältnis der angefochtenen Regelungen des TJG 2004 zum Forstgesetz 1975 werfe keine Frage in Zusammenhang mit dem verfassungsrechtlichen Berücksichtigungsgebot auf. Die angefochtenen Regelungen würden ausschließlich innerhalb der bestehenden Landeskompetenz liegen. Zudem bedeute eine gewisse Systemkohärenz zum forstrechtlichen Schutz der Forstpflanzen noch keine Berücksichtigung kompetenzfremder Regelungsinteressen. Schließlich hätten die in Rede stehenden jagd- und forstrechtlichen Bestimmungen den auf den Schutz des Waldes gerichteten Normzweck gemein, sodass ein Interessenkonflikt, welcher eine Berücksichtigung der von der gegenbeteiligten Gebietskörperschaft wahrzunehmenden Interessen gebieten würde, kaum denkbar erscheine. Es würden keine konfligierenden, sondern vielmehr gleichgerichtete Interessen der jeweils tätig werdenden Gesetzgeber vorliegen.
3.3. Zu den grundrechtlichen Bedenken führt die Tiroler Landesregierung aus, dass es sich beim Jagdausübungsrecht um ein aus dem Grundeigentum fließendes Recht handle und somit grundsätzlich die Eigenschaft des Eigentümers des Grundes (und somit auch des Waldes) und des Jagdausübungsberechtigten in derselben Person konzentriert sei (VfSlg 1712/1948).
3.3.1. Bei der Grundkonstellation von Grundeigentum und Jagdrecht sei es von vornherein unbeachtlich, wem der Forstpflanzenschutz (gleichgültig ob nach Forstgesetz 1975 oder nach TJG 2004) obliege. Erst bei gezielter Übertragung und freiwilliger (durch zivilrechtlichen Pachtvertrag begründeter) Übernahme des Jagdausübungsrechtes und der damit einhergehenden Pflichten würden Jagdausübungsrecht und Grundeigentum auseinander fallen bzw unterschiedlichen Personen zukommen. Die tatsächliche bzw finanzielle Lastenverteilung zur Vorkehrung von forstlichen Schutzmaßnahmen zwischen dem Waldeigentümer und dem Jagdausübungsberechtigten könne privatautonom durch Vertrag geregelt werden.
3.3.2. Sofern die angefochtenen Regelungen als Eigentumsbeschränkungen qualifiziert würden, bestehe kein Zweifel, dass diese im öffentlichen Interesse liegen. Der Verfassungsgerichtshof habe das öffentliche Interesse am Schutz des Waldes vor Wildschäden bereits mehrfach anerkannt (zB VfSlg 20.103/2016, 20.205/2017, 20.226/2017). Darüber hinaus bestehe in Tirol ein spezifisches öffentliches Interesse an der Erhaltung der Wälder auf Grund ihrer Schutzfunktion. Über 70 % der Waldfläche in Tirol sei schutzfunktional. Die aus dem Wildeinflussmonitoring hervorgehenden Zahlen würden auch einen starken Einfluss des Wildes auf die Waldverjüngung zeigen.
3.3.3. Das TJG 2004 sehe zur Hintanhaltung von Wildschäden ein abgestuftes Regelungssystem vor und sei somit verhältnismäßig ausgestaltet. Gravierendere Maßnahmen würden erst angewandt, wenn gelindere Instrumente nicht zum ausreichenden Erfolg führten.
Zunächst treffe den Jagdausübungsberechtigten im Rahmen der "klassischen" Wildbewirtschaftung (Abschussplanung gemäß §§37 ff. TJG 2004) die Verpflichtung zur Erfüllung der im Abschussplan in Aussicht genommenen Abschüsse. Damit werde in der Praxis meist das Auslangen gefunden.
Wenn die "klassische" Wildbewirtschaftung nicht für die Vermeidung von Wildschäden ausreiche, könne auf Maßnahmen nach §52 Abs1 TJG 2004 zurückgegriffen werden. Das Auftreten von Wildschäden ist hiefür zwingende Voraussetzung.
Erst beim Auftreten "waldgefährdender Wildschäden" könne die Bezirksverwaltungsbehörde dem Jagdausübungsberechtigten gemäß §52 Abs2 TJG 2004 – anstelle der Erteilung eines Auftrages nach Abs1 leg cit oder zusätzlich zu einem solchen – Maßnahmen nach den durch das Landesverwaltungsgericht Tirol angefochtenen Regelungen auftragen.
3.3.4. Über diese – sich regelmäßig erst aus Gutachten nach §16 Forstgesetz 1975 ergebende – ohnehin sehr hohe Schwelle eines Auftretens "waldgefährdender Wildschäden" hinaus ergebe sich die Verhältnismäßigkeit der bekämpften Bestimmungen auch aus §52 Abs4 TJG 2004, wonach Maßnahmen gemäß §52 Abs2 TJG 2004 grundsätzlich unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit der anzuwendenden Mittel vorzuschreiben seien.
IV. Erwägungen
1. Zur Zulässigkeit des Antrages
1.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art139 Abs1 Z1 B-VG bzw des Art140 Abs1 Z1 lita B-VG nur dann wegen Fehlens der Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und