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L8000 RaumordnungNorm
B-VG Art139 Abs1 Z6Leitsatz
Keine Gesetzwidrigkeit eines Teilbebauungsplans einer Vorarlberger Gemeinde; Durchführung einer angemessenen Grundlagenforschung sowie einer hinreichenden Interessenabwägung betreffend die Widmung als Baufläche-Wohngebiet; kein Widerspruch des – nunmehr zur verdichteten Bebauung berechtigenden – Teilbebauungsplans zum räumlichen Entwicklungskonzept der GemeindeRechtssatz
Abweisung eines Antrags des Landesvolksanwaltes von Vorarlberg auf Aufhebung "des Teilbebauungsplanes 'Tschengla Halda' der Gemeinde Bürserberg in der Fassung der Kundmachung der Gemeinde Bürserberg vom 07.01.2019 auf Grund des Beschlusses der Gemeindevertretung Bürserberg vom 18.07.2018 und der Genehmigung der Vorarlberger Landesregierung vom 19.12.2018, ZI. VIIa-50.030.16-6, betreffend die Grundstücke Nr 2700/10, 2700/9, 2700/8, 2700/7 und 2700/6, alle GB Bürserberg, GZ: 15118/2012, wegen Gesetzwidrigkeit".
Angemessene Grundlagenforschung im Hinblick auf den Teilbebauungsplan "Tschengla Halda":
Maßgeblich für die Beurteilung der Gesetzmäßigkeit des angefochtenen Bebauungsplanes ist §28 Abs1 Vorarlberger RaumplanungsG (Vbg RPG) idF LGBl 78/2017, demzufolge die Gemeindevertretung einen Bebauungsplan unter Abwägung der Interessen nach §3 Vbg RPG durch Verordnung zu erlassen hat, wenn es aus Gründen einer zweckmäßigen Bebauung erforderlich ist, insbesondere wenn ein neues Gebiet bebaut werden soll oder es aus Gründen des Landschafts- und Ortsbildes notwendig ist. Gemäß §28 Abs2 Vbg RPG hat der Bebauungsplan unter anderem die in §2 Vbg RPG genannten Ziele, die örtlichen Verhältnisse sowie das Landschafts- und Ortsbild zu berücksichtigen. Ein Bebauungsplan entspricht diesen Kriterien nur dann, wenn ihm eine entsprechende Grundlagenforschung vorangegangen ist. Denn wenn - wie hier - das Gesetz die vom Verordnungsgeber zu erlassende Planungsnorm nur final, dh im Hinblick auf bestimmte zu erreichende Planungsziele determiniert, müssen Entscheidungsgrundlagen des Verordnungsgebers in ausreichendem Maße erkennbar sein. Die Grundlagenforschung hat im Allgemeinen aus Überlegungen zu bestehen, die die Grundlage für die jeweilige Planungsentscheidung bilden und als solche auch erkennbar und nachvollziehbar sind.
Aus den vorgelegten Akten der verordnungserlassenden Behörde und der Vorarlberger Landesregierung (LReg) ergibt sich, dass die verordnungserlassende Behörde eine hinreichende Prüfung und Grundlagenforschung durchgeführt hat. Der Entwurf des Teilbebauungsplanes "Tschengla Halda" wurde in einem ausführlichen Schriftverkehr sowie einer eigens durchgeführten Besprechung zwischen Vertretern der verordnungserlassenden Behörde, Mitarbeitern des planenden Ziviltechnikerunternehmens und Amtssachverständigen der Abteilung Raumplanung und Baurecht des Amtes der LReg weiterentwickelt und angepasst. Aus den vorgelegten Akten geht ferner hervor, dass in der Sitzung der Gemeindevertretung vor Beschlussfassung hinsichtlich des angefochtenen Teilbebauungsplanes über die hiefür relevanten Aspekte ausführlich beraten wurde. Von der verordnungserlassenden Behörde wurde somit eine hinreichende Grundlagenforschung vor der Beschlussfassung hinsichtlich des Teilbebauungsplanes "Tschengla Halda" durchgeführt. Die Entscheidungsgrundlagen, die zur Erlassung des angefochtenen Teilbebauungsplanes geführt haben, sind daher in ausreichendem Maß erkennbar.
Hinreichende Interessenabwägung gemäß §3 iVm §38 Abs1 Vbg RPG im Hinblick auf den Teilbebauungsplan "Tschengla Halda":
Im Hinblick auf die aus dem angefochtenen Teilbebauungsplan "Tschengla Halda" resultierende Verdichtung der Bebauung auf den davon erfassten Grundstücken wurden von der verordnungserlassenden Behörde im Rahmen einer Interessenabwägung im Vorfeld die spezielle Topographie (steile Hanglage), die Sichtverhältnisse, die Anforderungen für eine wirtschaftliche Bebauungsmöglichkeit der betroffenen Grundstücke, die vorhandene Erschließungssituation sowie die Auswirkungen auf das Ortsbild berücksichtigt. In die entsprechenden Erwägungen wurde ferner auch miteinbezogen, dass die vom Teilbebauungsplan "Tschengla Halda" erfassten Grundstücke Teil eines Grundtausches zulasten der betroffenen Grundstückseigentümer mit dem Zweck einer Rückwidmung anderer, landschaftlich wertvoller Grundstücksflächen sind und eine Verdichtung im öffentlichen Interesse eines bodensparenden Umganges mit Bauflächen gelegen ist. Im Übrigen macht auch der Umstand, dass die Änderung bzw Erlassung eines Bebauungsplanes im Hinblick auf ein konkretes Vorhaben erfolgt, diesen nicht per se gesetzwidrig.
Kein Widerspruch des Teilbebauungsplans "Tschengla Halda" zum geltenden räumlichen Entwicklungskonzept der Gemeinde Bürserberg:
Das von der Gemeindevertretung Bürserberg am 11.06.2008 beschlossene räumliche Entwicklungskonzept wurde von der Gemeinde durch Anschlag an der Amtstafel am 07.01.2019 als Verordnung kundgemacht und gilt auf Grund der Übergangsbestimmung des §61 Abs6 Vbg RPG idF LGBl 4/2019 als räumlicher Entwicklungsplan iSd §11 Abs1 Vbg RPG idF LGBl 4/2019. Gemäß der nunmehr geltenden Rechtslage darf ein Bebauungsplan einem Landesraumplan, dem räumlichen Entwicklungsplan und dem Flächenwidmungsplan nicht widersprechen.
Das räumliche Entwicklungskonzept 2008 der Gemeinde Bürserberg weist zwar auf "zukünftige Problemfelder" im Zusammenhang mit (de facto als Zweitwohnsitz genutzten) Ferienwohnungen hin. Das räumliche Entwicklungskonzept 2008 schließt grundsätzlich jedoch weder neue Ferienwohnungswidmungen noch die Bewilligung neuer Ferienwohnungen gänzlich aus. Darüber hinaus finden sich im räumlichen Entwicklungskonzept 2008 keine Vorgaben hinsichtlich der konkreten Art und des konkreten Ausmaßes der Bebauung von Flächen mit bereits bestehender Ferienwohnungswidmung.
Für die vom Teilbebauungsplan "Tschengla Halda" erfassten Grundstücksflächen besteht seit dem Jahr 2011 die Widmung "Baufläche-Wohngebiet", auf der auch Ferienwohnungen errichtet werden dürfen. Durch den angefochtenen Teilbebauungsplan "Tschengla Halda" erfolgt keine Erweiterung einer bestehenden Ferienwohnungswidmung. Im Unterschied zum bisher geltenden Teilbebauungsplan "Ferienwohngebiet Tschengla" wird lediglich eine dichtere Bebauung ermöglicht. Der Teilbebauungsplan "Tschengla Halda" widerspricht daher auch nicht dem räumlichen Entwicklungskonzept 2008.
Soweit sich das Bedenken des Landesvolksanwaltes auf das Verfahren zur Erteilung von Ausnahmebewilligungen gemäß §35 Abs3 Vbg RPG bezieht, sind diese Ausführungen im Hinblick auf die konkrete Frage der Gesetzmäßigkeit des Teilbebauungsplanes "Tschengla Halda" unbeachtlich.
Schlagworte
Raumordnung, Bebauungsplan, Widmung, Verordnungserlassung, Flächenwidmungsplan, Volksanwaltschaft, BaurechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2021:V47.2019Zuletzt aktualisiert am
28.03.2023