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L6500 Jagd, WildNorm
B-VG Art7 Abs1 / VerordnungLeitsatz
Aufhebung jener Teile einer Verordnung zur Überwachung des Abschussplans und Grünvorlage von bestimmtem Rot- und Rehwild der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck, die – entgegen einer Vorschrift des Tir JagdG 2004 – ohne Anhörung und Beschluss des Bezirksjagdbeirates zustande gekommen sind; Sachlichkeit der Bestimmungen der Verordnung soweit zusätzlich zur Lichtbilddokumentation der – mit geringem Aufwand zu erbringende – Nachweis des Erlegungsortes des erlegten Wildes, um festgelegte Schwerpunktbejagungsflächen und die Abschussplanung zu überwachenRechtssatz
Gesetzwidrigkeit des §1 Abs2 sowie der Wortfolge "und weibliche Stücke sowie Kitze des Rehwildes" in §2 der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Innsbruck (BH) zur Überwachung des Abschussplanes, Grünvorlage weiblicher Stücke sowie Kälber des Rotwildes, Grünvorlage weiblicher Stücke sowie Kitze des Rehwildes (Grünvorlageverordnung), IL-JA-23/63-2020, kundgemacht im Bote für Tirol vom 08.07.2020, Nr 341. Abweisung des Antrags auf Aufhebung der Wortfolge "am Erlegungsort" in §2 lita, §2 litc sowie der Wortfolge "mit Koordinatenangaben bzw die Karte mit eingezeichnetem Erlegungsort gem litc" in §2 lite leg cit. Im Übrigen: Zurückweisung des Antrags; Unzulässigkeit des Hauptantrags auf Aufhebung der gesamten Verordnung mangels Darlegung inwieweit sämtliche Bestimmungen der angefochtenen Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers eingreifen; dies betrifft insbesondere die §§3 bis 5 sowie auch die nur das Eigenjagdgebiet Klauswald betreffenden Bestimmungen in §6 der angefochtenen Verordnung. Zulässigkeit des Eventualantrags auf Aufhebung des §1 Abs2, der Wortfolge "und weibliche Stücke sowie Kitze des Rehwildes" in §2, der Wortfolge "am Erlegungsort" in §2 lita, §2 litc, sowie der Wortfolge "mit Koordinatenangaben bzw die Karte mit eingezeichnetem Erlegungsort gem litc" in §2 lite Grünvorlageverordnung. Der Antragsteller ist Pächter und Jagdausübungsberechtigter der Jagdgenossenschaft Axams. Die angefochtene Verordnung ist daher geeignet, in die Rechtssphäre des Antragstellers einzugreifen. Dem Antragsteller steht auch kein anderer zumutbarer Weg zur Verfügung. Soweit sich der Eventualantrag aber gegen die Wortfolge "und weiblicher Stücke sowie Kitze des Rehwildes" in §6 Abs1 und die Wortfolge "bzw weiblichen Stücke sowie Kitze des Rehwildes" in §6 Abs2 richtet, erweist er sich als unzulässig: Die Bestimmungen betreffen ausschließlich die im Bezirk Innsbruck-Land liegenden Grundflächen des Eigenjagdgebietes Klauswald. Der Antragsteller ist Pächter und Jagdausübungsberechtigter der Jagdgenossenschaft Axams, die den Ausführungen der BH zufolge etwa 14 km entfernt ist. Der Antragsteller hat in seinem Antrag hiezu nicht dargelegt, inwiefern er von den angeführten Bestimmungen unmittelbar und aktuell betroffen ist.
Der VfGH hat mehrfach ausgesprochen, dass ein Kollegialorgan seinen Willen nur durch Beschluss bilden kann, der durch Abgabe der Stimmen der Mitglieder zustande kommt. §67 Abs8 TJG 2004 enthält Bestimmungen über die Einberufung des Bezirksjagdbeirates und dessen Beschlussfassung. Die Beschlussfähigkeit liegt vor, wenn alle Mitglieder ordnungsgemäß eingeladen wurden und der Vorsitzende oder sein Stellvertreter und mindestens zwei weitere Mitglieder anwesend sind. Der Bezirksjagdbeirat fasst seine Beschlüsse mit einfacher Mehrheit der Stimmen der anwesenden Mitglieder. In dringenden Fällen können Beschlüsse auch im Weg eines schriftlichen Umlaufbeschlusses gefasst werden.
Für das gesetzmäßige Zustandekommen der Verordnung gemäß §38 Abs4 TJG 2004 ist es erforderlich, dass die Äußerung des Bezirksjagdbeirates entsprechend den hiefür maßgebenden Rechtsvorschriften vorliegt. Dazu gehört insbesondere, dass der Äußerung des Beirates ein Beschluss zugrunde liegt, der den Vorschriften des §67 Abs8 TJG 2004 entspricht. Eine auf §38 Abs4 TJG 2004 gestützte Verordnung der BH ist mithin gesetzwidrig, wenn der Äußerung des Bezirksjagdbeirates nicht ein Beschluss dieses Kollegiums zugrunde liegt, der den gemäß TJG 2004 und in der Geschäftsordnung des Bezirksjagdbeirates festgelegten Beschlusserfordernissen entspricht.
Den vorliegenden Unterlagen ist kein Beschluss des Bezirksjagdbeirates über eine Stellungnahme zur vorliegenden Verordnung zu entnehmen. Die Sitzung vom 29.05.2020 hatte die zu diesem Zeitpunkt geltende Verordnung zum Gegenstand, einzelne Inhalte der geplanten Neuregelungen wurden dabei erörtert, jedoch nicht formell vorgelegt. Hinzu kommt, dass der Inhalt der vorliegenden Verordnung zwar dem Vorsitzenden des Bezirksjagdbeirates vorab mit dem Ersuchen um Umlaufbeschluss übermittelt wurde, ein Beschluss darüber jedoch nicht dokumentiert ist. Zudem wurde ein Entwurf der Verordnung dem Bezirksjagdbeirat soweit ersichtlich erst zu einem späteren Zeitpunkt übermittelt, ohne eine neuerliche Frist zur Stellungnahme zu setzen. Schon allein deshalb hat keine ordnungsgemäße Anhörung stattgefunden. Die Behörde wertete die Stellungnahme des Obmanns der Bezirkslandwirtschaftskammer Innsbruck als Stellungnahme des Bezirksjagdbeirates. Diese Deutung ist unzulässig, weil kein Beschluss des Kollegialorgans Bezirksjagdbeirat gefasst bzw dokumentiert wurde. Hinzu kommt, dass das Gesetz ausdrücklich zwischen Anhörungsrechten des Bezirksjagdbeirates als Kollegialorgan und des Obmanns der Bezirkslandwirtschaftskammer Innsbruck als monokratischem Organ differenziert (siehe etwa §31 Abs2, §43 Abs2 TJG 2004). Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb die Stellungnahme des Obmanns der Bezirkslandwirtschaftskammer, die dieser offenkundig durch die Mitteilung des Bezirksstellenleiters der Bezirkslandwirtschaftskammer für diese abgegeben hat, auch für den Bezirksjagdbeirat gelten sollte, nur weil der Obmann der Bezirkslandwirtschaftskammer auch die Vorsitzendenfunktion im Bezirksjagdbeirat ausübt. Auch deshalb kann nicht von einer Anhörung des Bezirksjagdbeirates gemäß §38 Abs4 TJG 2004 ausgegangen werden.
Keine Bedenken gegen die Bestimmungen betreffend die Anfertigung von Lichtbildern und den Nachweis über den Erlegungsort:
Die Ermächtigung des §38 Abs3 TJG 2004 umfasst unter anderem die Festlegung näherer Bestimmungen über "die Art der Vorlage, die Vorlagefrist und die Kennzeichnung der Wildstücke sowie die Führung der fortlaufenden Aufzeichnung der Vorlage (Vorlageliste) und deren Übermittlung an den Hegemeister". Gleiches bestimmt §38 Abs4 TJG hinsichtlich der Grünvorlage für Rehwild. Es ist der verordnungserlassenden Behörde nicht entgegenzutreten, wenn sie Regelungen zur Anfertigung von Lichtbildern bzw den Nachweis des Erlegungsortes im Rahmen der Verordnungsermächtigung erlässt.
Der VfGH vermag auch keine Unsachlichkeit darin zu erblicken, dass die verordnungserlassende Behörde im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung zusätzlich zur Lichtbilddokumentation Bestimmungen über den Nachweis über den Erlegungsort erlässt. Diese orientieren sich, wie die Bezirkshauptmannschaft Innsbruck in ihrer Äußerung darlegt, an den Zielbestimmungen des §1a TJG 2004 und dienen in weiterer Folge der Abschussplanung, in dessen Rahmen dadurch gezielte Maßnahmen im Rahmen der Abschussgenehmigung getroffen werden können.
Letztlich stellen sowohl die Anfertigung eines Lichtbildes als auch die Dokumentation der Koordinaten Regelungen hinsichtlich der Art der Vorlage gemäß §38 Abs3 und 4 TJG 2004 dar und begegnen somit keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Die BH legt dazu auch überzeugend dar, dass die Verortung von erlegtem Wild zur Überwachung festgelegter Schwerpunktbejagungsflächen und im Hinblick auf die Abschussplanung unter Berücksichtigung der Zielbestimmungen des §1a TJG 2004 erforderlich und in der gegenwärtigen Ausgestaltung mit vergleichsweise geringem Aufwand durchführbar ist.
Das Vorbringen des Antragstellers im Hinblick auf Art8 EMRK geht schon deshalb ins Leere, weil die angefochtene Verordnung die Dokumentation des Erlegungsortes nicht verpflichtend mit den GPS-Koordinaten des Mobiltelefons, sondern diese Möglichkeit lediglich als Alternative vorsieht. Damit liegt der vorgebrachte Eingriff in den Schutzbereich des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Privat- und Familienleben gemäß Art8 EMRK nicht vor.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §61a VfGG. Da der Antragsteller nur zu einem Teil mit seinem Antrag erfolgreich war, ist ihm die Hälfte des Pauschalsatzes zuzusprechen. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 218,- sowie der Ersatz der Eingabengebühr in Höhe von € 240,- enthalten.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Jagdrecht, Verordnungserlassung, Verordnung, Anhörungsrecht, Geltungsbereich (örtlicher) einer Verordnung, VfGH / Bedenken, VfGH / Prüfungsumfang, VfGH / Individualantrag, VfGH / Kosten, VfGH / Weg zumutbarerEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2021:V522.2020Zuletzt aktualisiert am
28.03.2023