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L6800 Ausländergrunderwerb, GrundverkehrNorm
B-VG Art7 Abs1Leitsatz
Verletzung im Gleichheitsrecht durch Versagung einer grundverkehrsrechtlichen Genehmigung des Eigentumserwerbs an einer Landwirtschaft durch eine Abtei; Erforderlichkeit einer gleichheitskonformen – die Besonderheiten von juristischen Personen des kanonischen Rechts berücksichtigenden – Auslegung der Landwirteigenschaft bzw des landwirtschaftlichen Betriebes nach dem Tir GrundverkehrsG 1996; mangelhafte Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen im Hinblick auf die Ausübung einer landwirtschaftlichen Tätigkeit durch ein Ordensmitglied mit landwirtschaftlichen FachkenntnissenRechtssatz
Der VfGH hat ausgesprochen, dass die Landwirteigenschaft auch juristischen Personen zukommen kann, aber eine juristische Person voraussetzungsgemäß niemals unter persönlichem Arbeitseinsatz ein Grundstück bewirtschaften kann. Es komme in einem solchen Fall nur darauf an, ob jene Menschen, die die Gesellschaft wirtschaftlich dominieren, zur Selbstbewirtschaftung der Liegenschaft willens und fähig sind. Zur Frage, wann dies der Fall ist, führt der VwGH in einem Erkenntnis zum Vorarlberger Grundverkehrsgesetz aus, dass einer juristischen Person die Landwirteigenschaft nur zukomme, wenn sie von einem Landwirt wirtschaftlich dominiert wird. Den Erkenntnissen lagen jeweils juristische Personen des Zivilrechts, konkret eine GmbH bzw eine Offene Gesellschaft (VwSlg 19438 A/2016) zugrunde.
Eine juristische Person kanonischen Rechts hat keine Gesellschafter, welchen Gesellschaftsanteilen zuzuordnen sind. Darüber hinaus gibt es keine vergleichbaren Bestimmungen zur Frage der Rechtsnachfolge für den Fall des Untergangs der juristischen Person. Dabei stellt die Struktur der juristischen Person kanonischen Rechts nicht nur im Hinblick auf die Entscheidungsbefugnisse, sondern auch auf die Struktur zur Förderung der verfolgten kirchlichen Zwecke einen besonderen, mit der Tätigkeit juristischer Personen des Zivilrechts, insbesondere Kapitalgesellschaften, nicht vergleichbaren Fall dar.
Zur Frage der wirtschaftlichen Dominierung kommt dem Abt als Oberen zwar die Stellung eines mit Entscheidungs- und Vertretungsbefugnissen ausgestatteten Führungsorganes zu, doch ist dieser nicht mit einem Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft mit maßgeblichem wirtschaftlichen Einfluss vergleichbar. Hinzu kommt, dass juristische Personen kanonischen Rechts im Gegensatz zu Kapitalgesellschaften grundsätzlich nicht frei über ihr Vermögen verfügen können.
Vor diesem Hintergrund ist eine gleichheitskonforme Auslegung der Bestimmung des §2 Abs5 TGVG 1996 geboten: Gemäß VfSlg 8069/1977 und 8768/1980 kann als (geeigneter) Erwerber eines landwirtschaftlichen Grundstückes auch eine juristische Person auftreten. Dabei kann diese voraussetzungsgemäß nicht mit persönlichem Arbeitseinsatz ein Grundstück bewirtschaften. Für die Beurteilung des Vorliegens der Landwirteigenschaft kommt es unter Berücksichtigung der allgemeinen Genehmigungskriterien in §6 Abs1 TGVG 1996 maßgeblich auf das Bestehen einer Nahebeziehung des Erwerbers zur Liegenschaft an. Im Gegensatz zu den angeführten E des VfGH, die für juristische Personen des Zivilrechts hinsichtlich der Landwirteigenschaft auf jene Menschen abstellen, die die Gesellschaft wirtschaftlich dominieren, ist bei juristischen Personen kanonischen Rechts auf deren strukturelle Besonderheiten Rücksicht zu nehmen. Diese ergeben sich insbesondere aus den Bestimmungen des Codex Iuris Canonici und den auf diesen fußenden ordensrechtlichen Bestimmungen. Aus diesen wird deutlich, dass Ordensgemeinschaften wie die Beschwerdeführerin als juristische Personen kanonischen Rechts auf allgemeine kirchliche Zwecke ("ora et labora [et lege]") ausgerichtet sind und dass sie nicht nur - wie juristische Personen des Zivilrechts - als bloße Wirtschaftsgemeinschaft agieren. Vielmehr lassen die kanonischen Rechtsvorschriften darauf schließen, dass die Mitglieder der Beschwerdeführerin eine Mitgliedschaft auf Lebenszeit eingehen und dass die Mitglieder unter anderem auch eine Versorgungs- und Fürsorgegemeinschaft bilden. Die Entscheidung grundsätzlicher Fragen ist dem Konventkapitel als Kollegialorgan übertragen. Die Funktion des Oberen (Abt), dem neben administrativen und seelsorgerischen Tätigkeiten auch die Leitung des gesamten wirtschaftlichen Bereichs eines Instituts obliegt, fügt sich in diese Kompetenzverteilung in der Abtei ein und ist nicht mit den Zuständigkeiten der Organe juristischer Personen des Zivilrechts vergleichbar.
Das Vorliegen der Landwirteigenschaft bzw eines landwirtschaftlichen Betriebes gemäß §2 Abs5 bzw §2 Abs2 TGVG 1996 wäre daher bei juristischen Personen kanonischen Rechts wie der Beschwerdeführerin im Rahmen einer Gesamtbetrachtung der Eigenheiten der Institution und ihrer Tätigkeit bei der Anwendung des §6 Abs1 TGVG 1996 zu berücksichtigen gewesen. Wenn das LVwG auf Grund seiner Judikatur davon ausgeht, dass schon wegen der Qualifikation der Beschwerdeführerin als juristische Person ein Beitrag zum Lebensunterhalt des Bewirtschafters und seiner Familie als wesentliches Kriterium nicht vorläge und daher die Landwirteigenschaft schon gemäß §2 Abs2 TGVG 1996 ausscheide, haben maßgebliche Strukturmerkmale des Lebens in einer Klostergemeinschaft, die diese als solche konstituieren, keine Berücksichtigung gefunden.
Dabei hätte das LVwG zu prüfen gehabt, ob nicht angesichts der spezifischen inneren Struktur der Beschwerdeführerin eine Qualifikation als juristische Person, die einen "Beitrag zum Lebensunterhalt des Bewirtschafters und seiner Familie leistet" vergleichbar wie bei entsprechenden juristischen Personen des Zivilrechts vorliegt und daher die Landwirteigenschaft schon gemäß §2 Abs2 TGVG 1996 bejaht werden müsste.
Zudem hätte das LVwG im angefochtenen Erkenntnis in Anbetracht der in §6 Abs1 TGVG 1996 angeführten Genehmigungsvoraussetzungen zu berücksichtigen gehabt, dass die Beschwerdeführerin seit langem einen landwirtschaftlichen Betrieb an ihrem Standort führt. Dabei wäre zu prüfen, inwieweit die Besorgung der landwirtschaftlichen Tätigkeit durch ein bestelltes Ordensmitglied mit landwirtschaftlichen Fachkenntnissen erfolgt und ob dies den Genehmigungsvoraussetzungen des §6 Abs1 TGVG 1996 gerecht wird und der landwirtschaftlichen Tätigkeit juristischer Personen gleichgehalten werden kann. Das LVwG hat sich auch nicht mit der Frage der auf dem Grundstück befindlichen Wirtschaftsgebäude auseinandergesetzt, die Teil der Legaldefinition der Landwirteigenschaft sind.
Das LVwG wird im fortgesetzten Verfahren zu prüfen haben, ob der Benediktinerabtei Ettal hinsichtlich ihrer Organisation und ihres Zwecks die Landwirteigenschaft iSd §2 Abs5 TGVG 1996 zukommt. Vor dem Hintergrund der Besonderheiten juristischer Personen kanonischen Rechts ist davon auszugehen, dass das Rechtsgeschäft genehmigungsfähig ist. Dem LVwG obliegt es in der Folge zu prüfen, ob allenfalls besondere Umstände vorliegen, die die Landwirteigenschaft der Beschwerdeführerin ausschließen.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Grundverkehrsrecht, Person juristische, Staatskirchenrecht, Auslegung verfassungskonforme, Grundstück land- oder forstwirtschaftliches, Organ OrganwalterEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2021:E3351.2020Zuletzt aktualisiert am
28.03.2023