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41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, AsylrechtNorm
BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1Leitsatz
Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Aberkennung bzw Nichtzuerkennung des Status subsidiär Schutzberechtigter betreffend eine Familie irakischer Staatsangehöriger mangels zeitnaher schriftlicher Ausfertigung der mehr als 17 Monate vorher mündlich verkündeten und nicht ausreichend begründeten EntscheidungRechtssatz
Nach der Rsp der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ist bezüglich der Erlassung einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung der Zustellung einer Entscheidung ihre mündliche Verkündung gleichzuhalten. Mit der mündlichen Verkündung wird die Entscheidung unabhängig von der Zustellung einer schriftlichen Ausfertigung rechtlich existent, wenn sowohl der Inhalt einer Entscheidung als auch die Tatsache ihrer Verkündung in der Niederschrift festgehalten werden. Bereits an die Verkündung einer Entscheidung knüpfen sich daher deren Rechtswirkungen. Daher kann die Entscheidung bereits nach der mündlichen Verkündung mit Beschwerde gemäß Art144 B-VG angefochten werden, sofern mindestens ein hiezu Berechtigter einen Antrag auf schriftliche Ausfertigung der Entscheidung gemäß §29 Abs4 VwGVG gestellt hat.
Unabhängig von der Möglichkeit, die Entscheidung bereits nach der mündlichen Verkündung anzufechten, ist der Rechtsschutzsuchende in der Regel auf die - nähere und ausführliche - Begründung der Entscheidung in der schriftlichen Ausfertigung gemäß §29 Abs4 VwGVG angewiesen, um die Entscheidung auf Grund der maßgebenden Erwägungen gegebenenfalls mit einer Beschwerde gemäß Art144 B-VG bekämpfen zu können. Aus der rechtsstaatlich gebotenen Pflicht zur Begründung verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen folgt im Zusammenhang mit der Regelungssystematik des §29 VwGVG auch die Pflicht zu einer möglichst zeitnahen schriftlichen Ausfertigung der Entscheidung, weil andernfalls dem Rechtsschutzsuchenden effektiver Rechtsschutz verwehrt sein könnte, was rechtsstaatlichen Anforderungen an die Erlassung gerichtlicher Entscheidungen widerspricht.
Die schriftliche Ausfertigung der am 02.10.2018 mündlich verkündeten Entscheidungen erfolgte vorliegend am 04.03.2020 und somit mehr als 17 Monate nach der mündlichen Verkündung. Eine derart lange Zeitspanne zwischen mündlicher Verkündung und schriftlicher Ausfertigung der Entscheidungen, für die im Beschwerdeverfahren auch keine besonderen Umstände hervorgekommen sind, welche diese Verzögerung rechtfertigen könnten, widerspricht jedenfalls der Pflicht zu einer möglichst zeitnahen schriftlichen Ausfertigung der Entscheidungen und somit den rechtsstaatlichen Anforderungen an die Begründung gerichtlicher Entscheidungen.
Zudem hat es das BVwG sowohl in der mündlichen Verkündung als auch in der schriftlichen Ausfertigung der Entscheidungen unterlassen, die spezifische Situation der Beschwerdeführer als Familie mit drei Kindern ausreichend zu berücksichtigen. Angaben zur Lage von Minderjährigen im Irak fehlen in den vom Bundesverwaltungsgericht getroffenen Länderfeststellungen gänzlich. Im fortgesetzten Verfahren wird das BVwG insbesondere die durch ihre Minderjährigkeit indizierte Vulnerabilität der Dritt-, Viert- und Fünftbeschwerdeführer und allgemein die (Rückkehr-)Situation der Beschwerdeführer als Familie mit drei minderjährigen Kindern zu berücksichtigen haben.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Asylrecht, Verhandlung mündliche, Entscheidungsverkündung, Rechtsschutz, Rechtsstaatsprinzip, Entscheidungsbegründung, Rückkehrentscheidung, Verwaltungsgerichtsverfahren, Asylrecht / VulnerabilitätEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2021:E2059.2020Zuletzt aktualisiert am
28.03.2023