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L0350 GemeindewahlNorm
B-VG Art8 Abs1Leitsatz
Keine Stattgabe der Wahlanfechtungen der "Unbestechlichen Partei Österreichs" betreffend die Nichtveröffentlichung der Wahlvorschläge für die Bezirksvertretungswahl sowie die Gemeinderatswahl von Simmering mangels Beibringung der erforderlichen Unterstützungsunterschriften; keine unzulässige Zutrittsbeschränkung oder sonstige unrechtmäßige Behinderung an der Abgabe von Unterstützungserklärungen auf Grund der COVID-19 Pandemie; keine Bedenken hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Kundmachung der Wahlausschreibung; keine Verletzung im Gleichheitsrecht durch den Ausschluss von Unionsbürgern von der Gemeinderatswahl; keine Bedenken gegen Informationen zur Gemeinderats- und Bezirksvertretungswahl auf der Website der Stadt Wien in deutscher und kroatischer Sprache; "Unbestechlichen Partei Österreichs" keine Nachfolgepartei der "Freiheitlichen Partei Österreichs" mangels personeller Identität; keine Bedenken gegen die rechtmäßige Zusammensetzung der BezirksverwaltungsbehördeRechtssatz
Keine Stattgabe der - zulässigen und rechtzeitig eingebrachten - Anfechtungen, soweit sie sich gegen die Nichtveröffentlichung der Wahlvorschläge der Anfechtungswerberin für die Bezirksvertretungswahl für den 11. Wiener Gemeindebezirk sowie für die Wiener Gemeinderatswahl für den Wahlkreis Simmering und für das zweite Ermittlungsverfahren richten. Zurückweisung der Anfechtungen, soweit diese sich auf die anderen Wahlkreise beziehen, da die Anfechtungswerberin lediglich einen Kreiswahlvorschlag für den Wahlkreis Simmering und einen Stadtwahlvorschlag für die Ermöglichung der Zuweisung von Mandaten im zweiten Ermittlungsverfahren eingebracht hat. Die Anfechtungswerberin ist zur Anfechtung der Wiener Gemeinderatswahl nicht zur Gänze legitimiert, also nicht auch betreffend jene Wahlkreise, in denen sie nicht kandidiert hat.
Keine hinreichend substantiierte Darlegung der Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens:
Das Vorbringen der Anfechtungswerberin, dass Angehörige von Wahlberechtigten, die sich in Heimquarantäne befunden hätten, Fragen an die Wahlbehörden stellen hätten wollen und diesen der Zutritt zu dem Amtshaus Wien Simmering-Enkplatz verwehrt worden sei bzw unterstützungswillige Personen ohne Zutrittsgenehmigung das Magistratische Bezirksamt nicht betreten hätten dürfen, ist zu allgemein und pauschal gehalten. Ein substantiiertes und durch Zeugenaussagen oder Beweise belegtes Vorbringen etwa dahingehend, dass eine namentlich bezeichnete unterstützungswillige Person an der Abgabe einer Unterstützungserklärung gehindert worden sei, erstattet die Anfechtungswerberin damit nicht. Ungeachtet dessen kann der VfGH in dem Umstand allein, dass das Sicherheitspersonal in den Amtshäusern der Stadt Wien die Einhaltung der Regelungen iZm der COVID-19 Pandemie kontrolliert hat, keine unzulässige Zutrittsbeschränkung oder sonstige unrechtmäßige Behinderung an der Abgabe von Unterstützungserklärungen erblicken.
Keine Bedenken hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Kundmachung der Wahlausschreibung:
Die Anfechtungswerberin erblickt die behauptete mangelhafte Kundmachung lediglich darin, dass ein einziger Anschlag nicht leserlich und zu kurz ausgehängt gewesen sei. Dabei spezifiziert die Anfechtungswerberin in ihren Anfechtungsschriften nicht, auf welchen konkreten Anschlag sich ihre Ausführungen beziehen. Ungeachtet dessen, dass das Vorbringen damit nicht hinreichend substantiiert wurde, wurde auch den Ausführungen in den Gegenschriften der Stadt- und Bezirkswahlbehörde, wonach es sich bei dem von der Anfechtungswerberin beanstandeten Anschlag bloß um einen zusätzlichen Anschlag an der Außenseite des Amtshauses handelte, nicht widersprochen. Selbst der von der Anfechtungswerberin beanstandete (und durch ein den Anfechtungsschriften beigelegtes Foto dokumentierte) Anschlag lässt jedoch keine Zweifel daran, dass der maßgebliche Inhalt dieses Anschlages eingesehen werden konnte. Keine Bedenken hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Kundmachung der Wahlausschreibung, dass die Wahl durch Verlautbarung im Amtsblatt der Stadt Wien ausgeschrieben wurde, ein öffentlicher Anschlag der Wahlausschreibung im Rathaus der Stadt Wien sowie in sämtlichen Magistratischen Bezirksämtern erfolgte, die Wahlausschreibung im Internet kundgemacht wurde und selbst der von der Anfechtungswerberin (nicht spezifizierte) Anschlag leserlich war.
Kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz durch die Wahlberechtigung von Unionsbürgern bei den Wiener Bezirksvertretungswahlen, nicht aber bei der Wiener Gemeinderatswahl:
Art117 Abs2 vierter Satz B-VG normiert keinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Anspruch von Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union betreffend das aktive und passive Wahlrecht bei der Wahl des Gemeinderates. Dies entspricht den Anforderungen des demokratischen Grundprinzips, zumal - von unionsrechtlich bedingten Ausnahmen abgesehen - der Begriff des Volkes in Art1 B-VG an die österreichische Staatsbürgerschaft anknüpft.
Für den Umfang des aktiven und passiven Wahlrechts von Unionsbürgern bei Kommunalwahlen in jenem Mitgliedstaat, in dem sie ihren Wohnsitz haben, ist Art40 GRC, Art20 und Art22 AEUV sowie Art1 der Kommunalwahlrichtlinie maßgeblich. Nach Art2 Abs1 litb der Kommunalwahlrichtlinie sind unter "Kommunalwahlen" jene allgemeinen, unmittelbaren Wahlen zu verstehen, die darauf abzielen, die Mitglieder der Vertretungskörperschaft und gegebenenfalls gemäß den Rechtsvorschriften jedes Mitgliedstaates den Leiter und die Mitglieder des Exekutivorgans einer lokalen Gebietskörperschaft der Grundstufe zu bestimmen; gemäß dem Anhang zu dieser Richtlinie gelten in Österreich als lokale Gebietskörperschaften der Grundstufe die "Gemeinden" und die "Bezirke in der Stadt Wien". Es bestehen daher keine Zweifel daran, dass Unionsbürgern das aktive und passive Wahlrecht in Wien nur bei den Bezirksvertretungswahlen zukommt.
Keine Bedenken gegen Informationen auf der Website der Stadt Wien in kroatischer und deutscher Sprache:
Gemäß Art8 Abs1 B-VG ist, unbeschadet der den sprachlichen Minderheiten bundesgesetzlich eingeräumten Rechte, die deutsche Sprache die Staatssprache der Republik. Dies bedeutet, dass sie die offizielle Sprache ist, in der die Anordnungen der Staatsorgane ergehen müssen, und in der alle Staatsorgane mit den Parteien und untereinander zu verkehren haben. Weder eine innerstaatliche noch eine unionsrechtliche Rechtsvorschrift ordnen an, dass die Informationen zu der Wiener Gemeinderats- und Bezirksvertretungswahl in einer anderen Unionssprache bzw in allen Unionssprachen zur Verfügung gestellt werden müssen. Die Angaben auf der allgemeinen Webseite der Stadt Wien auch in den Sprachen Englisch, Bosnisch, Kroatisch, Serbisch und Türkisch erfolgen nicht in Erfüllung einer gesetzlichen Verpflichtung und stellen eine Serviceleistung der Stadt Wien dar.
Keine Bedenken gegen die Nichtzulassung mangels Beibringung von Unterstützungserklärungen:
Bei der Wiener Gemeinderatswahl 2020 hat die "Freiheitliche Partei Österreichs" mit der Kurzbezeichnung "FPÖ" und bei der Bezirksvertretungswahl 2020 im 11. Wiener Gemeindebezirk keine "Liste Bezirksvorsteher Paul Stadler", sondern die "Liste Bezirksvorsteher Paul Stadler - Freiheitliche Partei Österreichs" mit der Kurzbezeichnung "FPÖ" kandidiert.
Die Frage, ob es sich bei einer wahlwerbenden Partei um die Nachfolgerin einer im zuletzt gewählten allgemeinen Vertretungskörper vertretenen Partei handelt, ist anhand einer wertenden Gesamtschau aller einschlägigen Aspekte zu beantworten. Dabei sind die Partei- und Kurzbezeichnung sowie die Grundelemente der Wahlprogramme, personelle Aspekte (Zustellungsbevollmächtigte, Vertrauensleute, Kandidaten, Abgeordnete als Unterstützer etc.), aber auch die hinter einer Kandidatur stehende politische Partei oder die zuletzt im nunmehr neu zu wählenden allgemeinen Vertretungskörper vertretenen Personen in die Beurteilung miteinzubeziehen.
Sowohl auf Gemeinderats- als auch auf Bezirksvertretungsebene verbietet sich die Annahme einer Nachfolge der (auf die der Wiener Gemeinderats- und Bezirksvertretungswahl 2015 folgende Funktionsperiode im Wiener Gemeinderat und in der Bezirksvertretung des 11. Wiener Gemeindebezirkes vertretenen) Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) durch die Anfechtungswerberin bereits auf Grund der Partei- bzw Kurzbezeichnungen; diese ("Freiheitliche Partei Österreichs" bzw "FPÖ" und "Unbestechliche Partei Österreichs" bzw "UPÖ") stimmen in den entscheidenden Teilen nicht überein. Der Umstand, dass beide Partei- bzw Kurzbezeichnungen die Begriffsfolge "Partei Österreichs" bzw das Buchstabenkürzel "PÖ" enthalten, ist nicht von Belang, weil es sich dabei bloß um typischerweise von österreichischen Wählergruppen genutzte Begriffsfolgen bzw Buchstabenkürzel handelt, die allein keine Differenzierungsmöglichkeit aufweisen. Im Übrigen sind die Partei- bzw Kurzbezeichnungen "Freiheitliche Partei Österreichs" bzw "FPÖ" und "Liste Bezirksvorsteher Paul Stadler - Freiheitliche Partei Österreichs" bzw "FPÖ" in den entscheidenden Teilen ident.
Auf Ebene des Gemeinderates kann darüber hinaus keine Nachfolge der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) durch die Anfechtungswerberin eingetreten sein, weil personelle Identität zwischen der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) und der Anfechtungswerberin lediglich in Bezug auf eine einzige Person, dem im vorliegenden Fall Zustellungsbevollmächtigten Ing. Mag. Andreas Radl, besteht und dieser zum Zeitpunkt der behaupteten Spaltung bloß Mitglied der Bezirksvertretung für den 11. Wiener Gemeindebezirk, nicht jedoch des Wiener Gemeinderates war.
Auch auf Ebene der Bezirksvertretung stehen personelle Aspekte einer Einordnung der Anfechtungswerberin als Nachfolgepartei der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) entgegen. So besteht, wie bereits dargelegt, personelle Identität zwischen der Anfechtungswerberin und der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) lediglich in Bezug auf eine einzige Person, Ing. Mag. Andreas Radl. Hingegen ist nach den eigenen Angaben der Anfechtungswerberin die überwiegende Anzahl der Bezirksräte der ehemaligen Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) des 11. Wiener Gemeindebezirkes nunmehr der "Liste Bezirksvorsteher Paul Stadler - Freiheitliche Partei Österreichs" bzw "FPÖ" zugehörig.
Von einer Nachfolge der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) durch die Anfechtungswerberin auf Ebene der Bezirksvertretung kann auch deshalb nicht ausgegangen werden, weil Ing. Mag. Andreas Radl - wie die Anfechtungswerberin selbst ausführt - im Jahr 2017, also noch vor der behaupteten Spaltung am 06.08.2020, aus dem Klub der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) ausgetreten ist. Daran ändert auch das den Anfechtungsschriften beigelegte Protokoll der Sitzung vom 06.08.2020 über die behauptete Abspaltung, an der bloß ein Teilnehmer - Herr Ing. Mag. Andreas Radl - teilgenommen hat, nichts.
Keine Bedenken hinsichtlich der rechtmäßigen Zusammensetzung der Bezirkswahlbehörde:
Gemäß §12 Abs2 GWO 1996 werden die Beisitzer (Ersatzbeisitzer) der Bezirkswahlbehörden auf Grund der Vorschläge der Parteien verhältnismäßig nach den bei der letzten Wahl des Gemeinderates auf die einzelnen Parteien im ganzen Gemeindegebiet entfallenen Stimmen unter Anwendung des d'Hondtschen Höchstzahlenverfahrens aufgeteilt. Ausschlaggebend für die Zusammensetzung der Bezirkswahlbehörde sind demnach die Ergebnisse der jeweils vorangehenden Gemeinderatswahl. Die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) war nach den Ergebnissen der Wiener Gemeinderatswahl 2015 unzweifelhaft im Wiener Gemeinderat vertreten; sie war daher berechtigt, Beisitzer (Ersatzbeisitzer) vorzuschlagen und hat dies mit der Nominierung von Paul Stadler und *** (die bei der Bezirksvertretungswahl 2020 für den 11. Wiener Gemeindebezirk auf der "Liste Bezirksvorsteher Paul Stadler - Freiheitliche Partei Österreichs" kandidiert haben) auch getan.
Keine irreführende Parteibezeichnung:
Wenn die Anfechtungswerberin vermeint, dass in Bezug auf die Bezirksvertretungswahl die Parteibezeichnung "Liste Bezirksvorsteher Paul Stadler" (richtig: "Liste Bezirksvorsteher Paul Stadler - Freiheitliche Partei Österreichs") irreführend sei, weil sie suggeriere, dass Paul Stadler direkt als Bezirksvorsteher gewählt hätte werden können, ist dem zu entgegnen, dass dieser Eindruck schon allein deshalb nicht entstehen konnte, weil die Wahl als Bezirksvertretungswahl (unter Angabe der Zahl der in jedem Gemeindebezirk zu wählenden Mitglieder der Bezirksvertretungen) kundgemacht wurde. Im Übrigen ergibt sich - wie die Bezirkswahlbehörde zutreffend ausführt - bereits aus dem in der Parteibezeichnung "Liste Bezirksvorsteher Paul Stadler - Freiheitliche Partei Österreichs" verwendeten Begriff "Liste", dass kein monokratisches Organ gewählt wurde.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Wahlen, VfGH / Wahlanfechtung, Gemeinderat, Bezirksvertretungen, Wahlvorschlag, EU-Recht Richtlinie, Ausländerwahlrecht, COVID (Corona), VfGH / LegitimationEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2021:WI13.2020Zuletzt aktualisiert am
28.03.2023