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32/05 VerbrauchsteuernNorm
B-VG Art18 Abs1Leitsatz
Keine Bedenken gegen den – im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum liegenden – Ausschluss von Dienstleistungsbetrieben von der Energieabgabenvergütung; keine Anmeldepflicht für die Allgemeine GruppenfreistellungsV bei der Europäischen Kommission; Kurzbeschreibung der Beihilfenmaßnahme und Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union ausreichend; keine Verletzung des Rechtsstaatsprinzips durch die ausreichend bestimmte Regelung, nur Betrieben, die vorwiegend körperliche Wirtschaftsgüter herstellen, eine Energieabgabenvergütung zu gewährenRechtssatz
Mit dem Budgetbegleitgesetz 2011, BGBl I 111/2010, hat der Gesetzgeber Dienstleistungsbetriebe von der Energieabgabenvergütung ausgeschlossen, indem er in §2 Abs1 EnergieabgabenvergütungsG (EAVG) bestimmte, dass ein Anspruch auf Vergütung nur für Betriebe besteht, deren Schwerpunkt nachweislich in der Herstellung körperlicher Wirtschaftsgüter besteht und soweit sie nicht die in §1 Abs3 EAVG genannten Energieträger oder Wärme, die aus den in §1 Abs3 EAVG genannten Energieträgern erzeugt wurde, liefern. Nach §4 Abs7 EAVG ist diese Vorschrift vorbehaltlich der Genehmigung durch die Europäische Kommission auf Vergütungsanträge anzuwenden, die sich auf einen Zeitraum nach dem 31.12.2010 beziehen. Das Budgetbegleitgesetz 2011 wurde am 30.12.2010 kundgemacht.
Der Gesetzgeber hat in §4 Abs7 EAVG die Genehmigung durch die Europäische Kommission als Bedingung für die Anwendung des §2 Abs1 EAVG festgelegt. Nach den Materialien sollte für die Anwendung der geänderten Bestimmung "die Zustimmung der Europäischen Kommission" Voraussetzung sein. Entgegen der Auffassung der beschwerdeführenden Partei ist damit aber dem Gesetz keinesfalls zu entnehmen, dass eine Anmeldung nach der Vorschrift des Art108 Abs3 AEUV zu erfolgen hätte. Dies ergibt sich aus dem Umstand, dass nach der im Jahr 2011 geltenden Rechtslage gemäß Art3 Abs1 Allgemeine GruppenfreistellungsV 2008 (AGVO 2008) Beihilferegelungen unter bestimmten Voraussetzungen von der Anmeldepflicht gemäß Art88 Abs3 EG-Vertrag (nunmehr Art108 Abs3 AEUV) freigestellt werden konnten und das spezifische Verfahren für die betreffenden Fälle an die Stelle eines Anmeldeverfahrens nach Art108 Abs3 AEUV getreten ist.
In VfSlg 19678/2012 wurde festgehalten, dass die unionsrechtliche Voraussetzung des §4 Abs7 EAVG auch dadurch erfüllt werden kann, dass der Mitgliedstaat nach den Bestimmungen der AGVO 2008 eine Kurzbeschreibung der Beihilfemaßnahme der Europäischen Kommission binnen 20 Arbeitstagen ab Inkrafttreten der Regelung übermittelt und diese von der Europäischen Kommission im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht wird. Nach diesem Erkenntnis findet diese Auslegung ihre Begründung darin, dass es sich bei der AGVO 2008 um eine Verordnung der Europäischen Kommission handelt, mit der diese bestimmte Beihilfen von vornherein für mit dem Gemeinsamen Markt vereinbar erklärt und von der Anmeldepflicht freistellt, wobei die gemeldeten Beihilfemaßnahmen regelmäßig zu überprüfen sind.
Im Erkenntnis VfSlg 19678/2012 ist der VfGH daher vom nicht denkunmöglichen Vorliegen dieser Voraussetzungen ausgegangen, zumal in der Veröffentlichung durch die Europäische Kommission vom 30.09.2011 betreffend die Angaben der Mitgliedstaaten über staatliche Beihilfen, die auf der Grundlage der Allgemeinen GruppenfreistellungsV gewährt werden, auch die Angaben Österreichs zur Energieabgabenvergütung auf Grund der Gesetzesnovelle BGBl I 111/2010 angeführt wurden. Dieser Information zufolge war die Beihilfe auf den Zeitraum 01.02.2011 bis 31.12.2013 befristet. Der VfGH ist in diesem Zusammenhang daher in VfSlg 19678/2012 davon ausgegangen, dass die Beihilfe die Voraussetzungen der AGVO 2008 erfüllte. Ob der Ausschluss von der Vergütung bereits mit 01.01.2011 oder erst mit 01.02.2011 wirksam wurde, konnte aus Anlass dieses Verfahrens dahinstehen.
Aus EuGH 21.07.2016, Rs C-493/14, Dilly's Wellnesshotel, ist zu folgern, dass das Gruppenfreistellungsverfahren nach dem Zweck der Regelung des §4 Abs7 EAVG einer Genehmigung durch die Europäische Kommission gleichzuhalten ist, weshalb mit der Durchführung dieses Verfahrens die Bedingung für die Anwendbarkeit der Beihilferegelung eingetreten ist. Dass die Anwendung dieses Verfahrens im Zeitpunkt seiner Durchführung nicht den Vorgaben des Unionsrechts entsprach, ändert nichts an der Tatsache, dass mit der Veröffentlichung der Mitteilung die "Genehmigung" durch die Europäische Kommission vorlag und damit die in §4 Abs7 EAVG geregelte Bedingung für die Anwendung des §2 Abs1 EAVG eingetreten war.
Keine Verletzung im Gleichheitsrecht durch §4 Abs7 EAVG:
Mit §4 Abs7 EAVG wurde eine Regelung geschaffen, die gewährleisten sollte, dass die Einschränkung der Beihilfe auf Produktionsbetriebe nur im Fall deren Genehmigung durch die Europäische Kommission in Kraft tritt. Der zeitliche Anwendungsbereich der Vorschrift bezieht sich in diesem Fall "auf einen Zeitraum nach dem 31.12.2010". Wenngleich §4 Abs7 EAVG den zeitlichen Anwendungsbereich des §2 EAVG nicht exakt festlegt, ist dieser doch insofern bestimmbar, als die Vorschrift dahingehend ausgelegt werden kann, dass der Beginn des zeitlichen Anwendungsbereiches der Vorschrift durch den von der Europäischen Kommission bestimmten Genehmigungszeitraum festgelegt wird.
Zwar ist die Mitteilung an die Europäische Kommission im Amtsblatt der Europäischen Union erst am 30.09.2011 veröffentlicht worden und insofern ein für die Zeit bis zur Mitteilung angewachsener Vergütungsanspruch gleichsam rückwirkend für die Zeit ab 01.02.2011 ausgeschlossen worden. Es ist aber vor dem Hintergrund der Rsp des VfGH zur rückwirkenden Inkraftsetzung von Abgabenbelastungen nicht zu erkennen, dass diese mit der Veröffentlichung der Mitteilung durch die Europäische Kommission allenfalls eingetretene Verschlechterung der Rechtsposition der beschwerdeführenden Partei gegen den Gleichheitssatz verstoßen hätte.
Selbst wenn von einem Eingriff von erheblichem Gewicht auszugehen wäre, ist im gegebenen Zusammenhang zu berücksichtigen, dass für den Rechtsunterworfenen schon aus §4 Abs7 EAVG, der mit BGBl I 111/2010 am 30.12.2010 kundgemacht wurde, die unter dem Vorbehalt der Genehmigung durch die Europäische Kommission stehende Einschränkung der Beihilfe für Zeiträume ab dem 01.01.2011 zu gewärtigen war. Ungeachtet der Frage, ob eine rückwirkende Regelung vorliegt, musste auf Grund des in der Regelung enthaltenen Hinweises auf den Genehmigungsvorbehalt jedenfalls ab Inkrafttreten des Gesetzes von einem solchen - den Anspruch ausschließenden - Regelungsinhalt ausgegangen werden. Eine berechtigte Erwartung, der Vergütungsanspruch würde für steuerpflichtige Dienstleistungsbetriebe bis auf weiteres auch 2011 unbeeinträchtigt fortbestehen, liegt somit aber nicht vor.
Der VfGH sieht sich aus Anlass der Beschwerden auch nicht dazu veranlasst, von seiner Rechtsprechung abzugehen, dass die Beschränkung der Energieabgabenvergütung auf Produktionsbetriebe (und damit der Ausschluss von Dienstleistungsbetrieben) im Hinblick auf die Unterschiede zwischen diesen Arten von Betrieben in der Wettbewerbssituation im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des einfachen Bundesgesetzgebers liegt.
Keine Verletzung des Rechtsstaatsprinzips:
Der Wortlaut "Betriebe, deren Schwerpunkt nachweislich in der Herstellung körperlicher Wirtschaftsgüter besteht" in §2 Abs1 EAVG ist einer Auslegung zugänglich und daher im Hinblick auf Art18 B-VG hinreichend bestimmt. Auch §4 Abs7 EAVG ist entgegen der Auffassung der beschwerdeführenden Partei einer Auslegung zugänglich.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Energieabgaben, Abgaben, Rechtspolitik, Auslegung eines Gesetzes, Geltungsbereich (zeitlicher) eines Gesetzes, Rechtsstaatsprinzip, Determinierungsgebot, EU-Recht Richtlinie, Rückwirkung, KrankenanstaltenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2021:E1743.2020Zuletzt aktualisiert am
28.03.2023