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10/11 Vereins- und VersammlungsrechtNorm
EMRK Art11Leitsatz
Verletzung im Recht auf Versammlungsfreiheit durch Untersagung mehrerer Versammlungen zum Thema "autofreier Hauptplatz" in Linz mangels Abwägung des Interesses an der Abhaltung der Versammlung gegenüber den Interessen DritterRechtssatz
Wenn das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (LVwG) im Rahmen der Prognoseentscheidung zum Ergebnis kommt, dass eine "mehrtägige und mehrstündige Blockade der Zufahrt bzw Durchfahrt zum und über den Linzer Hauptplatz die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs stark spürbar beeinträchtigt haben würde", ist vorerst festzuhalten, dass diese Behauptung gerade nicht mit dem vom LVwG selbst festgestellten Sachverhalt vereinbar ist:
Ausweislich der Feststellungen des Untersagungsbescheides, von denen das LVwG ausdrücklich ausgeht, ist es im Linzer Stadtgebiet durch die zuvor durchgeführten Versammlungen gerade zu keinen wesentlichen Verkehrsbeeinträchtigungen gekommen. Auch wurde mit den Veranstaltern der Versammlungen die Vereinbarung getroffen, die Durchfahrt und Zufahrt bestimmter Fahrzeuge zu ermöglichen.
Dass im Ergebnis für den Zeitraum der Versammlungen (16 Uhr bis 19 Uhr bzw 15 Uhr bis 16.30 Uhr) der Durchzugsverkehr eine andere Route wählen würde müssen, rechtfertigt für sich alleine betrachtet eben gerade nicht automatisch die Untersagung einer Versammlung, gilt es doch stets, das Interesse an der Abhaltung der Versammlung gegenüber Interessen Dritter abzuwägen.
Eine Untersagung ist dann geboten, wenn durch die Abhaltung der Versammlung eine "zu befürchtende unvermeidbare, weiträumige, lange währende, extreme Störung des Straßenverkehrs gravierende Belästigungen und auch sicherheitsgefährdende Beeinträchtigungen zahlreicher unbeteiligter Personen erwarten ließe." Dass das LVwG diesen Maßstab auch nur annähernd seiner Prüfung zugrunde gelegt und zusätzlich geprüft hat, ob die Versammlungsbehörde in der Lage gewesen wäre, etwaige entstehende Verkehrsbehinderungen im Vorfeld durch geeignete Maßnahmen im noch erträglichen Maß einzudämmen und ob die Reduzierung der Dauer der Versammlungen nicht ohnehin schon hinreichend war, ist der Entscheidung nicht zu entnehmen.
Die Behauptung, dass Verkehrsteilnehmer zur zeitintensiven Benützung von Ausweichrouten gezwungen gewesen wären und dies unverhältnismäßige Umweltbelastungen bedeutet hätte, bleibt mit Blick auf das zugrunde liegende Aktenmaterial spekulativ und würde es - selbst wenn sie zuträfe - nicht erlauben, von einer Abwägung der Interessen abzusehen.
Indem das LVwG auf die Möglichkeit der Abhaltung der Versammlungen auf nahe gelegenen, weniger verkehrsintensiven öffentlichen Flächen verweist, verkennt es zudem die symbolische Bedeutung des Versammlungsortes im vorliegenden Fall.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Versammlungsrecht, VerkehrserschwernisseEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2021:E3728.2020Zuletzt aktualisiert am
28.03.2023