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L9200 Sozialhilfe, Grundsicherung, MindestsicherungNorm
B-VG Art17Leitsatz
Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte zur Entscheidung über die Kostenübernahme für die Unterbringung in einer Einrichtung nach dem Krnt MindestsicherungsG; kein öffentlich-rechtlicher Anspruch auf eine - im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung des Landes gewährte - Unterbringung; Zuständigkeit des Landes als Träger von Privatrechten und nicht der Bezirksverwaltungsbehörde zur Entscheidung über eine Unterbringung als nichtbehördliche AufgabeRechtssatz
Aufhebung der Beschlüsse des Bezirksgerichts Klagenfurt v 06.03.2019, Z23 C 36/19p, und des Landesgerichts Klagenfurt v 03.04.2019, Z4 R 82/19d. Es ist offenkundig, dass im vorliegenden Fall in derselben Sache - die Unterbringung in einer stationären Einrichtung nach §11 K-MSG - ein Gericht und eine Verwaltungsbehörde (die Kärntner Landesregierung, mit Bescheid vom 05.12.2019, 05-P-AHPH-27079/36-2019) die Zuständigkeit abgelehnt haben, diese Ablehnung aber in einem Fall zu Unrecht erfolgt ist.
Sowohl das Landesgericht Klagenfurt als auch die Kärntner Landesregierung verneinten ihre Zuständigkeit zur Entscheidung über die von der antragstellenden Partei geltend gemachten Ansprüche auf Unterbringung in einer stationären Einrichtung nach §11 Abs1 K-MSG: Das Landesgericht Klagenfurt geht davon aus, dass die Entscheidung über den Anspruch im Verwaltungsweg zu ergehen habe, da nach §49 K-MSG lediglich Ersatzansprüche nach §§47 und 48 K-MSG im Zivilrechtsweg geltend zu machen seien. Die Kärntner Landesregierung nimmt demgegenüber auf Grund der ausdrücklichen gesetzlichen Vorschrift des §61 K-MSG an, dass hinsichtlich dieses Anspruches für die Erlassung eines Bescheides kein Raum bleibe. Das Landesgericht Klagenfurt hat seine Zuständigkeit zu Unrecht verneint:
Das Land Kärnten gewährt Leistungen der sozialen Mindestsicherung unter bestimmten Voraussetzungen auch durch Unterbringung, Verpflegung sowie Betreuung und Hilfe in stationären Einrichtungen (§11 K-MSG). In der taxativen Aufzählung der Leistungen, auf die ein Rechtsanspruch besteht (§8 Abs2 K-MSG), ist hinsichtlich §11 K-MSG nur Abs2 leg cit genannt, also der Anspruch auf ein Taschengeld für Hilfe Suchende, die soziale Mindestsicherung in einer stationären Einrichtung erhalten. Die Unterbringung, Verpflegung und Betreuung sowie Hilfe in stationären Einrichtungen nach §11 Abs1 K-MSG selbst ist jedoch nicht aufgezählt; dies steht auch im Einklang mit dem Wortlaut - "Soziale Mindestsicherung kann [...] durch Unterbringung, Verpflegung sowie Betreuung und Hilfe in stationären oder teilstationären Einrichtungen [...] geleistet werden" - des §11 Abs1 K-MSG.
Bei der Unterscheidung zwischen behördlichen und nichtbehördlichen Aufgaben nach §§60 und 61 K-MSG idF LGBl 16/2012 zählt die Unterbringung von Hilfe Suchenden in Einrichtungen gemäß §11 K-MSG ausdrücklich zu den nichtbehördlichen Aufgaben, die dem Land als Träger von Privatrechten obliegen (§61 Abs1 lity K-MSG). Diese ausdrückliche Zuständigkeit wurde mit LGBl 97/2010 eingefügt. Hingegen ist die Landesregierung im Fall einer Unterbringung nach §11 K-MSG für sonstige erforderliche Maßnahmen des 3. Abschnitts, auf die ein Rechtsanspruch besteht, und die Bezirksverwaltungsbehörde für alle (sonstigen) behördlichen Maßnahmen - soweit durch das K-MSG nicht anderes bestimmt ist - zuständig.
Zum Ersten besteht damit auf die Unterbringung in einer Einrichtung nach §11 Abs1 K-MSG als eine Leistung der sozialen Mindestsicherung kein Rechtsanspruch (vgl "kann" in §11 Abs1 K-MSG und §8 Abs2 iVm §11 Abs2 K-MSG). In diesem Zusammenhang ist aber zu berücksichtigen, dass die vom Gesetzgeber vorgesehenen Leistungen zwar (teilweise) im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung erbracht werden. Aus der Fiskalgeltung der Grundrechte folgt aber, dass Betroffene einen gerichtlich durchsetzbaren Anspruch darauf haben, dass ihnen solche Förderungen in gleichheitskonformer Weise und nach sachlichen Kriterien ebenso wie anderen Förderungswerbern gewährt werden.
Zum Zweiten zählt §61 Abs1 lity K-MSG idF LGBl 16/2012 ausdrücklich die Unterbringung in Einrichtungen nach §11 K-MSG als eine nichtbehördliche, vom Land als Träger von Privatrechten zu vollziehende Aufgabe auf. Dies steht auch im Einklang mit den behördlichen Aufgaben nach §60 K-MSG idF LGBl 16/2012: Nach Abs1 litc leg cit sind behördliche, der Landesregierung obliegende Aufgaben nur jene Maßnahmen, auf die ein Rechtsanspruch besteht. Das ist im Falle einer Unterbringung in einer Einrichtung nach §11 K-MSG der Anspruch auf Taschengeld (§8 Abs2 iVm §11 Abs2 K-MSG). Die "Auffangklausel" in §60 Abs2 litb K-MSG idF LGBl 16/2012 - wonach die Bezirksverwaltungsbehörde für alle behördlichen Maßnahmen nur dann zuständig ist, wenn das Gesetz nicht anderes bestimmt - berücksichtigt, dass die Unterbringung in Einrichtungen nach §11 K-MSG gemäß §61 Abs1 lity K-MSG idF LGBl 16/2012 als eine nichtbehördliche und somit nicht in die Zuständigkeit der Bezirksverwaltungsbehörde fallende Aufgabe ausdrücklich festgelegt ist.
Zum Dritten ist gemäß §57 Abs4 K-MSG ein Bescheid nur hinsichtlich Leistungen zu erlassen, auf die ein Rechtsanspruch besteht (sowie über die dafür einzusetzenden eigenen Mittel, Rückerstattungspflichten und die Einstellung der Leistungen). Ein Rechtsanspruch besteht nach der ausdrücklichen Regelung in §8 Abs2 K-MSG hinsichtlich der sozialen Mindestsicherung in stationären Einrichtungen nach §11 K-MSG aber lediglich hinsichtlich des Taschengeldes.
Dem steht auch nicht die Auffassung des Landesgerichtes Klagenfurt entgegen, dass grundsätzlich auf das auf Antrag oder von Amts wegen eingeleitete Verfahren über Leistungen sozialer Mindestsicherung die Vorschriften des AVG anzuwenden sind und nach §49 K-MSG bloß Ersatzansprüche des Landes gegenüber ehemaligen Empfängern und Dritten im Zivilrechtsweg geltend zu machen sind. Denn §1 JN weist die Gerichtsbarkeit in bürgerlichen Rechtssachen, soweit sie nicht durch besondere Gesetze vor andere Behörden oder Organe verwiesen sind, den ordentlichen Gerichten zu. Der Landesgesetzgeber hat durch die ausdrückliche Regelung, dass kein Rechtsanspruch besteht, unzweifelhaft festgelegt, dass diese Art der Förderung im Wege der nicht hoheitlichen Verwaltung erfolgen soll. Bei staatlichen Förderungen, die nach ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung geleistet werden, ist die Rechtsbeziehung zwischen dem Rechtsträger des zur Gewährung solcher Förderungen (hier: gemäß §61 K-MSG) ermächtigten Organs und dem Bewerber/Antragsteller um eine solche Förderung als bürgerliche Rechtssache iSd §1 JN anzusehen.
Es trifft demgemäß nicht zu, dass die Ansprüche auf Unterbringung in einer Einrichtung gemäß §11 K-MSG öffentlich-rechtlich geregelt und Streitigkeiten im Verwaltungsweg auszutragen sind. Nach dem Gesagten sind diese Ansprüche vielmehr als bürgerliche Rechtssachen in der Bedeutung des §1 JN anzusehen und daher vor den ordentlichen Gerichten zu verfolgen.
Schlagworte
VfGH / Klagen, Sozialhilfe, Privatwirtschaftsverwaltung, Gericht Zuständigkeit, Behördenzuständigkeit, VfGH / Kompetenzkonflikt, MindestsicherungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2021:KI14.2020Zuletzt aktualisiert am
28.03.2023