Index
L8000 RaumordnungNorm
B-VG Art139 Abs1 Z6Leitsatz
Gesetzwidrigkeit der Änderungen von Flächenwidmungsplänen der Stadt Dornbirn mangels ausreichender Grundlagenforschung; keine ausreichende Auseinandersetzung mit der Umwidmung einer – direkt an ein Wohngebiet angrenzenden – Fläche in Baufläche-Betriebsgebiet hinsichtlich der das ortsübliche Ausmaß übersteigenden BelästigungSpruch
I. Die Änderung des Flächenwidmungsplanes der Stadt Dornbirn, beschlossen von der Stadtvertretung Dornbirn am 5. Februar 2015, aufsichtsbehördlich genehmigt mit Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 12. März 2015, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 19. März bis 13. April 2015, soweit sie sich auf die Grundstücke Nr 21239, 21240, 21242 und 21243, alle KG 92001 Dornbirn, bezieht, und
die 174. Änderung des Flächenwidmungsplanes der Stadt Dornbirn, beschlossen von der Stadtvertretung der Stadt Dornbirn am 13. Oktober 2016, aufsichtsbehördlich genehmigt mit Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 30. November 2016, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 19. Dezember 2016 bis 3. Jänner 2017, soweit sie sich auf die Grundstücke Nr 21240 und 21243, beide KG 92001 Dornbirn, bezieht,
werden als gesetzwidrig aufgehoben.
II. Die Vorarlberger Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aufhebungen im Vorarlberger Landesgesetzblatt verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe
I.
Antrag
Mit dem vorliegenden, auf Art139 Abs1 Z6 B-VG gestützten Antrag begehrt der Landesvolksanwalt von Vorarlberg,
? den "Flächenwidmungsplan der Stadt Dornbirn in der Fassung der Kundmachung der Stadt Dornbirn vom 19.03.2015 auf Grund des Beschlusses der Stadtvertretung der Stadt Dornbirn vom 05.02.2015 und der Genehmigung der Vorarlberger Landesregierung vom 12.03.2015, ZI Vlla-602.20, soweit er sich auf die Grundstücke Nr 21239, 21240, 21242 und 21243, alle KG 92001 Dornbirn, bezieht", und
? den "Flächenwidmungsplan der Stadt Dornbirn in der Fassung der Kundmachung der Stadt Dornbirn vom 19.12.2016 auf Grund des Beschlusses der Stadtvertretung der Stadt Dornbirn vom 13.10.2016 und der Genehmigung der Vorarlberger Landesregierung vom 30.11.2016, ZI Vlla-50.030.20, soweit er sich auf die Grundstücke Nr 21240 und 21243, beide KG 92001 Dornbirn, bezieht",
als gesetzwidrig aufzuheben.
II. Rechtslage
1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Vorarlberger Raumplanungsgesetzes (Vbg RPG), LGBl 39/1996, idF LGBl 28/2011, wie sie zum Zeitpunkt der Änderung des Flächenwidmungsplanes der Stadt Dornbirn mit Beschluss der Stadtvertretung der Stadt Dornbirn vom 5. Februar 2015 in Kraft waren, lauteten:
"[…]
§2
Raumplanungsziele
(1) Die Raumplanung hat eine dem allgemeinen Besten dienende Gesamtgestaltung des Landesgebiets anzustreben.
(2) Ziele der Raumplanung sind
a) die nachhaltige Sicherung der räumlichen Existenzgrundlagen der Menschen, besonders für Wohnen und Arbeiten,
b) die Erhaltung der Vielfalt von Natur und Landschaft,
c) der bestmögliche Ausgleich der sonstigen Anforderungen an das Gebiet.
(3) Bei der Planung sind insbesondere folgende weitere Ziele zu beachten:
a) Mit Grund und Boden ist haushälterisch umzugehen, insbesondere sind Bauflächen bodensparend zu nutzen.
b) Die verschiedenen Möglichkeiten der Raumnutzung sind möglichst lange offen zu halten.
c) Die natürlichen und naturnahen Landschaftsteile sowie die Trinkwasserreserven sollen erhalten bleiben.
d) Die zum Schutz vor Naturgefahren notwendigen Freiräume sollen erhalten bleiben.
e) Flächen mit wichtigen Rohstoffvorkommen sind von Nutzungen, die ihre Gewinnung verhindern oder erheblich erschweren, freizuhalten.
f) Die für die Land- und Forstwirtschaft besonders geeigneten Flächen dürfen für andere Zwecke nur verwendet werden, wenn dafür ein überwiegendes öffentliches Interesse besteht.
g) Die äußeren Siedlungsränder sollen nicht weiter ausgedehnt werden.
h) Gebiete und Flächen für Wohnen, Arbeiten, Freizeit, Einkauf und sonstige Nutzungen sind einander so zuzuordnen, dass Belästigungen möglichst vermieden werden.
i) Räumlichen Strukturen, die zu unnötigem motorisierten Individualverkehr führen, ist entgegenzuwirken.
j) Für Einrichtungen des Gemeinbedarfs sind geeignete Standorte festzulegen.
§3
Interessenabwägung
Bei der Raumplanung sind alle berührten Interessen unter Berücksichtigung der im §2 angeführten Ziele so gegeneinander abzuwägen, dass sie dem Gesamtwohl der Bevölkerung am besten entspricht. Die Planung ist unter möglichster Schonung des Privateigentums durchzuführen.
[…]
§14
Einteilung der Bauflächen
(1) Als Bauflächen sind nach Erfordernis und Zweckmäßigkeit gesondert festzulegen: Kerngebiete, Wohngebiete, Mischgebiete und Betriebsgebiete.
[…]
(5) Betriebsgebiete Kategorie I sind Gebiete, die für Betriebsanlagen bestimmt sind, die keine wesentlichen Störungen für die Umgebung des Betriebsgebiets verursachen. Im Betriebsgebiet Kategorie I ist die Errichtung von Wohnungen für die in Betrieben des betreffenden Gebiets Beschäftigten sowie von Gebäuden und Anlagen zulässig, die der Versorgung und den sozialen Bedürfnissen der in solchen Gebieten arbeitenden Bevölkerung dienen. Wenn dies nach den für die Raumplanung maßgeblichen Verhältnissen erforderlich ist, können im Betriebsgebiet Kategorie I zum Zwecke der Sicherung geeigneter Flächen für Produktionsbetriebe Zonen festgelegt werden, in denen Gebäude und Anlagen nach Abs6 zweiter Satz lita, b oder c nicht zulässig sind.
(6) Betriebsgebiete Kategorie II sind Gebiete, die vornehmlich für Betriebsanlagen, die im Betriebsgebiet Kategorie I nicht errichtet werden dürfen, bestimmt sind. In Betriebsgebieten Kategorie II dürfen nicht errichtet werden
a) Wohnungen, ausgenommen betriebsnotwendige Wohnungen für das Aufsichts- und Wartungspersonal, wenn diese in den Betrieb integriert sind,
b) Gebäude und Anlagen für Sport- und Freizeitzwecke und
c) Gebäude und Anlagen für Zwecke des Handels, sofern der Handel nicht ausschließlich zum Weiterverkauf oder untergeordnet in Produktionsbetrieben zum Verkauf von Waren überwiegend eigener Produktion erfolgt. […]
[…]
§21
Verfahren, Allgemeines
(1) Der von der Gemeindevertretung beschlossene Entwurf des Flächenwidmungsplanes ist einen Monat im Gemeindeamt zur allgemeinen Einsicht aufzulegen. Die Auflage ist durch Anschlag an der Amtstafel kundzumachen. Sie ist, wenn ein Amtsblatt der Gemeinde (Gemeindeblatt) besteht, auch in diesem und, wenn eine Gemeinde eine Homepage im Internet besitzt, überdies auf der Homepage sowie weiters in mindestens einer Tageszeitung, deren Erscheinungsort in Vorarlberg liegt, kundzumachen. Die Unterlassung der Kundmachung der Auflage – ausgenommen durch Anschlag an der Amtstafel – hat auf die Wirksamkeit der Verordnung keinen Einfluss. Während der Auflagefrist ist im Gemeindeamt ein allgemein verständlicher Erläuterungsbericht über den Entwurf des Flächenwidmungsplanes in der erforderlichen Anzahl aufzulegen. Der Entwurf eines Flächenwidmungsplanes ist Menschen mit schwerer Sehbehinderung während der Auflagefrist auf Verlangen zu erläutern.
(2) Von der Auflage nach Abs1 sind das Amt der Landesregierung, das Militärkommando für Vorarlberg, die Agrarbezirksbehörde, die zuständige Bergbehörde, die Sektion Vorarlberg des Forsttechnischen Dienstes für Wildbach- und Lawinenverbauung, alle angrenzenden Gemeinden und sonstigen öffentlichen Dienststellen, deren Belange durch den Flächenwidmungsplan wesentlich berührt werden, zu verständigen.
(3) Während der Auflagefrist kann jeder Gemeindebürger oder Eigentümer von Grundstücken, auf die sich der Flächenwidmungsplan bezieht, zum Entwurf schriftlich oder mündlich Änderungsvorschläge erstatten. Darauf ist in der Kundmachung nach Abs1 hinzuweisen. Eingelangte Änderungsvorschläge und Äußerungen der im Abs2 genannten Stellen sind der Gemeindevertretung vor der Beschlussfassung über den Flächenwidmungsplan zur Kenntnis zu bringen.
(4) Wenn beabsichtigt ist, Flächen als Vorbehaltsflächen oder nicht mehr als Bauflächen, Bauerwartungsflächen oder Sondergebiete zu widmen, sind die Eigentümer von Grundstücken, auf die sich diese Widmungen beziehen, vor der Beschlussfassung nachweislich darüber in Kenntnis zu setzen und ist ihnen eine angemessene Frist zur Stellungnahme einzuräumen. Der §8 Abs2 dritter Satz gilt sinngemäß.
(5) Der von der Gemeindevertretung beschlossene Flächenwidmungsplan ist der Landesregierung in dreifacher Ausfertigung samt dem Erläuterungsbericht, den Äußerungen der im Abs2 genannten Stellen, den Änderungsvorschlägen und Stellungnahmen vorzulegen.
(6) Der Flächenwidmungsplan bedarf zu seiner Wirksamkeit der Genehmigung der Landesregierung. Die Landesregierung hat nach Prüfung der nach Abs5 vorgelegten Äußerungen, Änderungsvorschläge und Stellungnahmen die Genehmigung durch Bescheid zu versagen, wenn der Flächenwidmungsplan
a) den im §2 genannten Zielen oder einem Landesraumplan widerspricht oder sonst rechtswidrig ist,
b) überörtliche Interessen, insbesondere solche des Umweltschutzes und des Schutzes des Landschafts- und Ortsbildes, verletzt,
c) einen finanziellen Aufwand zur Folge hätte, durch den die Erfüllung der gesetzlichen oder vertraglichen Verpflichtungen der Gemeinde gefährdet würde oder
d) auf Planungen des Bundes, des Landes oder anderer Gemeinden nicht Bedacht nimmt.
(7) Wenn keine Versagungsgründe nach Abs6 vorliegen, ist der Flächenwidmungsplan durch Bescheid zu genehmigen. Von der Landesregierung genehmigte Flächenwidmungspläne unterliegen nicht der Verordnungsprüfung gemäß §84 des Gemeindegesetzes.
(8) Jedermann hat das Recht, im Gemeindeamt während der hiefür bestimmten Amtsstunden in den rechtswirksamen Flächenwidmungsplan Einsicht zu nehmen.
[…]
§23
Änderung
(1) Der Flächenwidmungsplan darf nur aus wichtigen Gründen geändert werden. Er ist zu ändern
a) bei Änderung der maßgebenden Rechtslage oder
b) bei wesentlicher Änderung der für die Raumplanung bedeutsamen Verhältnisse.
[…]"
2. §2 Abs3 des Vorarlberger Raumplanungsgesetzes (Vbg RPG), LGBl 39/1996, idF LGBl 22/2015, wie er zum Zeitpunkt der 174. Änderung des Flächenwidmungsplanes der Stadt Dornbirn mit Beschluss der Stadtvertretung der Stadt Dornbirn vom 13. Oktober 2016 in Kraft war, lautete:
"§2
Raumplanungsziele
[…]
(3) Bei der Planung sind insbesondere folgende weitere Ziele zu beachten:
a) Mit Grund und Boden ist haushälterisch umzugehen, insbesondere sind Bauflächen bodensparend zu nutzen.
b) Die verschiedenen Möglichkeiten der Raumnutzung sind möglichst lange offen zu halten.
c) Die natürlichen und naturnahen Landschaftsteile sowie die Trinkwasserreserven sollen erhalten bleiben.
d) Die zum Schutz vor Naturgefahren notwendigen Freiräume sollen erhalten bleiben.
e) Flächen mit wichtigen Rohstoffvorkommen sind von Nutzungen, die ihre Gewinnung verhindern oder erheblich erschweren, freizuhalten.
f) Die für die Land- und Forstwirtschaft besonders geeigneten Flächen dürfen für andere Zwecke nur verwendet werden, wenn dafür ein überwiegendes öffentliches Interesse besteht.
g) Die zur Deckung eines ganzjährig gegebenen Wohnbedarfs benötigten Flächen sollen nicht für Ferienwohnungen verwendet werden.
h) Die äußeren Siedlungsränder sollen nicht weiter ausgedehnt werden.
i) Gebiete und Flächen für Wohnen, Arbeiten, Freizeit, Einkauf und sonstige Nutzungen sind einander so zuzuordnen, dass Belästigungen möglichst vermieden werden.
j) Räumlichen Strukturen, die zu unnötigem motorisierten Individualverkehr führen, ist entgegenzuwirken.
k) Für Einrichtungen des Gemeinbedarfs sind geeignete Standorte festzulegen."
3. §2 Abs3 des Vorarlberger Raumplanungsgesetzes (Vbg RPG), LGBl 39/1996, idF LGBl 4/2019 lautet:
"§2
Raumplanungsziele
[…]
(3) Bei der Planung sind insbesondere folgende weitere Ziele zu beachten:
a) Mit Grund und Boden ist haushälterisch umzugehen, insbesondere sind Bauflächen bodensparend zu nutzen.
b) Die verschiedenen Möglichkeiten der Raumnutzung sind möglichst lange offen zu halten.
c) Die natürlichen und naturnahen Landschaftsteile, die Freiräume für die Landwirtschaft und die Naherholung sowie die Trinkwasserreserven sollen erhalten bleiben.
d) Die Siedlungsgebiete sind bestmöglich vor Naturgefahren zu schützen; die zum Schutz vor Naturgefahren notwendigen Freiräume sollen erhalten bleiben.
e) Flächen mit wichtigen Rohstoffvorkommen sind von Nutzungen, die ihre Gewinnung verhindern oder erheblich erschweren, freizuhalten.
f) Die für die Land- und Forstwirtschaft besonders geeigneten Flächen dürfen für andere Zwecke nur verwendet werden, wenn dafür ein überwiegendes öffentliches Interesse besteht.
g) Die zur Deckung eines ganzjährig gegebenen Wohnbedarfs benötigten Flächen sollen nicht für Ferienwohnungen verwendet werden.
h) Die Siedlungsentwicklung hat nach innen zu erfolgen; die äußeren Siedlungsränder sollen nicht weiter ausgedehnt werden.
i) Die Ortskerne sind zu erhalten und in ihrer Funktion zu stärken.
j) Gebiete und Flächen für Wohnen, Wirtschaft, Arbeit, Freizeit, Einkauf und sonstige Nutzungen sind einander so zuzuordnen, dass Belästigungen möglichst vermieden werden.
k) Räumliche Strukturen, die eine umweltverträgliche Mobilität begünstigen, besonders für öffentlichen Verkehr, Fußgänger und Radfahrer, sind zu bevorzugen; Strukturen, die zu unnötigem motorisierten Individualverkehr führen, ist entgegenzuwirken.
l) Für Einrichtungen des Gemeinbedarfs sind geeignete Standorte festzulegen; die erforderlichen Flächen für notwendige Infrastruktureinrichtungen sind freizuhalten."
4. §8 des Vorarlberger Baugesetzes (Vbg BauG 2001), LGBl 52/2001, idF LGBl 54/2015 lautet:
"§8
Immissionsschutz
(1) Bauwerke, ortsfeste Maschinen und sonstige ortsfeste technische Einrichtungen dürfen keinen Verwendungszweck haben, der eine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung oder eine Gefährdung des Nachbarn erwarten lässt. Ob eine Belästigung das ortsübliche Ausmaß übersteigt, ist unter Berücksichtigung der Flächenwidmung am Standort des Bauvorhabens zu beurteilen.
(2) Zulässig nach Abs1 sind jedenfalls:
a) die Verwendung für den Betrieb eines Gastgartens, der keiner Genehmigung nach der Gewerbeordnung 1994 bedarf,
b) zwei Stellplätze je Wohnung,
c) Kinderspielplätze, Kinderbetreuungseinrichtungen, Schulen u.dgl.[…]"
III. Sachverhalt, Antragsvorbringen und Vorverfahren
Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
1. Ausgehend von der Regionalplanungsstudie "Rheintal-Mitte" bemühte sich die Stadt Dornbirn ab dem Jahr 2012, zusammen mit verschiedenen Grundeigentümern größere Flächen im Gebiet Dornbirn Wallenmahd im Bezirk Hatlerdorf einer betrieblichen Nutzung zuzuführen.
2. Diese zusammenhängenden Flächen mit einem Ausmaß von ca elf Hektar waren zu diesem Zeitpunkt zum Großteil als Freifläche-Freihaltegebiete und zu einem geringen Teil als Baufläche-Mischgebiete gewidmet. Die als Freifläche-Freihaltegebiete gewidmeten Flächen waren ihrer Widmung entsprechend unbebaut.
3. Die angesprochenen Flächen grenzten im Norden und Osten an (unbebaute) Bauerwartungsflächen und (bebaute) Bauflächen-Wohngebiete bzw Bauflächen-Mischgebiete. Südlich der Freiflächen befand sich das großflächige Betriebsgebiet Wallenmahd mit zahlreichen großen Betriebsformen. Im Nordwesten wird das Gebiet durch die Bahnlinie der ÖBB begrenzt. Im Südosten verläuft die Landesstraße L 190.
4. Wie dem Umweltbericht der Stadt Dornbirn vom 23. März 2011 entnommen werden kann, sah die Stadt Dornbirn auf Grund der großen Nachfrage an Betriebsgebieten Handlungsbedarf gegeben. Dabei sollte jedoch ein bestmöglicher Ausgleich der sonstigen Anforderungen an das Gebiet berücksichtigt werden und unterschiedliche Nutzungen einander so zugeordnet werden, dass Belästigungen möglichst vermieden würden.
5. Der von der Stadt Dornbirn verfolgte Ansatz sah vor, eine Nutzungsverträglichkeit der unterschiedlichen Widmungen Betriebsgebiet und Wohngebiet durch Berücksichtigung eines Grünzuges bzw einer Grünzäsur im Sinne eines sanften Überganges zu den Wohngebieten zu gewährleisten. Von den ca elf Hektar "Betriebsgebiet" sollte ca ein Hektar als Freifläche-Freihaltegebiet gewidmet bleiben, die sich im Nordwesten, Norden und Nordosten um das Betriebsgebiet verteilen würden; dies unter anderem mit dem Ziel, Puffer-, Grün- und Erholungsflächen bereitzustellen.
6. Die geplante Umwidmung überstieg ein Ausmaß von zwei Hektar und sah eine Widmung als Betriebsgebiet Kategorie I und II vor, weswegen im Einklang mit den Kriterien der Richtlinie 2001/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme (SUP-RL) eine Strategische Umweltprüfung (SUP) für die beabsichtigte Umwidmung durchgeführt werden musste.
7. Mit Eingabe vom 30. März 2012 ersuchte die Stadt Dornbirn um Durchführung einer Strategischen Umweltprüfung zu der geplanten Umwidmung nach dem Vbg RPG. Der dafür erforderliche Umweltbericht der Stadt Dornbirn vom 23. März 2011 wurde Sachverständigen der Fachgebiete Raumplanung, Wasserwirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft, Lufthygiene, Limnologie sowie Natur- und Landschaftsschutz zur Prüfung im Hinblick auf erhebliche Umweltauswirkungen vorgelegt. Nach Stellungnahmen der Sachverständigen kam die Vorarlberger Landesregierung in ihrer abschließenden Stellungnahme vom 21. Juni 2012 zu dem Schluss, dass die beantragte Umwidmung im Hinblick auf die besondere Standorteignung aus Sicht der Umweltbehörde zur Kenntnis genommen werde.
8. Am 5. Februar 2015 beschloss die Stadtvertretung der Stadt Dornbirn die erste Änderung des Flächenwidmungsplanes. Diese wurde mit Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 12. März 2015 gemäß §21 Abs6 iVm §23 Abs2 Vbg RPG aufsichtsbehördlich genehmigt und vom 19. März 2015 bis 13. April 2015 kundgemacht. Die Grundstücke Nr 21239 und 21242, jeweils KG 92001 Dornbirn, wurden von Freifläche-Freihaltegebiet in Baufläche-Betriebsgebiet – Kategorie II umgewidmet, während die Grundstücke Nr 21240 und 21243, ebenfalls KG 92001 Dornbirn, von Freifläche-Freihaltegebiet in Bauerwartungsfläche-Betriebsgebiet – Kategorie II umgewidmet wurden.
9. Mit Beschluss der Stadtvertretung Dornbirn vom 13. Oktober 2016, aufsichtsbehördlich genehmigt mit Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 30. November 2016 gemäß §21 Abs6 iVm §23 Abs2 Vbg RPG, kundgemacht vom 19. Dezember 2016 bis 3. Jänner 2017, wurde die zweite Änderung, die 174. Änderung des Flächenwidmungsplanes der Stadt Dornbirn, beschlossen. Die Grundstücke Nr 21240 und 21243, beide KG 92001 Dornbirn, wurden von Bauerwartungsfläche-Betriebsgebiet – Kategorie II in Baufläche-Betriebsgebiet – Kategorie II umgewidmet.
10. Zudem wurde in der Zwischenzeit das Grundstück Nr 21244, KG 92001 Dornbirn, das an einem Punkt einen Abstand von ca 29 Metern zu den in Prüfung gezogenen Flächen aufweist, entsprechend seiner Widmungskategorie Baufläche-Wohngebiet mit einem Mehrfamilienhaus bebaut.
11. Hinsichtlich der Grundstücke Nr 21240 und 21243, beide KG 92001 Dornbirn, ist bei der Stadt Dornbirn ein Antrag der Grundeigentümerin auf Neubau eines Betriebsgebäudes mit Kühl- und Lagerhaus samt Büro nach dem Vbg BauG anhängig. Die Grundeigentümerin, die ein fleischverarbeitendes Transportunternehmen betreibt, will hier im Rahmen der Widmungskategorie Baufläche-Betriebsgebiet – Kategorie II ein Trocken- und Kühllager, eine Werkstätte samt Waschbox, eine Betriebstankstelle und einen Verarbeitungsraum samt Büro errichten. Aus dem Verfahren nach der Gewerbeordnung bei der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn geht hervor, dass an dem Standort wochentags und an Feiertagen Betriebszeiten von 00.00 bis 24.00 Uhr vorgesehen sind. An Samstagen und Sonntagen sollen die Betriebszeiten etwas eingeschränkt sein, erstrecken sich aber dennoch stets bis in den Zeitraum um Mitternacht. Wochentags wird mit 450 Lkw-Fahrten täglich gerechnet, eine ähnliche Größenordnung wird an Samstagen erwartet. Am Sonntag geht man von über 200 Lkw-Fahrten aus. Dazu kommen noch täglich über 270 Pkw-Fahrten von Beschäftigten und Kunden.
12. Der Landesvolksanwalt von Vorarlberg legt die Bedenken, die ihn zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof veranlasst haben, wie folgt dar (ohne die Hervorhebungen im Original):
"4.1. Ungenügende Grundlagenforschung
Gemäß §14 Abs6 RPG sind Betriebsgebiete Kategorie II Gebiete, die vornehmlich für Betriebsanlagen bestimmt sind, die im Betriebsgebiet Kategorie I nicht errichtet werden dürfen. Gemäß §14 Abs5 RPG sind Betriebsgebiete Kategorie I Gebiete, die für Betriebsanlagen bestimmt sind, die keine wesentlichen Störungen für die Umgebung des Betriebsgebietes verursachen.
Im Motiven-Bericht zur Regierungsvorlage der Novelle des Raumplanungsgesetzes 1996 (8. Beilage im Jahre 1996 zu den Sitzungsberichten des XXVI. Vorarlberger Landtages) ist zu §14 Abs5 und 6 (Betriebsgebiet Kategorie I und Betriebsgebiet Kategorie II) auszugsweise Folgendes angeführt:
'Die Widmung Betriebsgebiet wird – abweichend von der derzeit geltenden Bestimmung – in zwei verschiedene Kategorien geteilt. Beiden Widmungskategorien gemeinsam ist die ausschließliche Nutzung für Betriebsanlagen. Der Begriff 'Betriebsanlage' ist jedoch nicht im engen Sinne der Gewerbeordnung zu verstehen. Während Betriebsgebiete Kategorie I nicht wesentlich störenden Anlagen vorbehalten sind – und sich in diesem Sinne auch als angrenzendes Gebiet zum Mischgebiet eignen – sollten im Betriebsgebiet Kategorie II vorwiegend Betriebe situiert werden, die wesentliche Störungen für die Umgebung verursachen können. Der sich aus gewerberechtlichen Bestimmungen ergebende Nachbarschutz wird dadurch nicht berührt.'
Obwohl sohin in Betriebsgebieten der Kategorie II vorwiegend Betriebe situiert werden sollen, die wesentliche Störungen für die Umgebung verursachen können, ist dem Umweltbericht der Stadt Dornbirn nur die pauschale Aussage (Seite 7) zu entnehmen, dass die (von der Umwidmung betroffenen) Liegenschaften die Wohnbevölkerung keinem zusätzlichen Lärm oder anderen negativen Auswirkungen aussetzen werden. Als Begründung wird lediglich angeführt, dass diese Liegenschaften durch Verkehrsträger weitestgehend isoliert sind, abseits der Wohnnutzungen liegen und zu diesen ausreichende und große Grünzäsuren bestehen bzw auch geplant sind.
Wie dem Flächenwidmungsplan Neu nach erfolgter Umwidmung (Anlage 4) entnommen werden kann, beträgt der lineare Abstand zwischen den bereits bestehenden Widmungskategorien Baufläche-Wohngebiet sowie Bauerwartungsfläche-Wohngebiet und der neu hinzugekommenen Widmung als Betriebsgebiet-Kategorie II an gewissen Stellen ca 23 (hinsichtlich GST 4333/7) bzw ca 29 (hinsichtlich GSTs 21244, 21257 und 21258) Meter. Daran vermag auch der wiederholte Verweis auf Puffer-, Grün- und Erholungsflächen im Gesamtausmaß von ca 1 ha nichts zu ändern.
Es ist nicht ersichtlich, wie und ob eine Auseinandersetzung mit der Frage stattgefunden hat,
? welche Beeinträchtigungen aus der BB-II-Widmung und den dergestalt zulässigen Betriebsanlagen generell zu erwarten sind und
? wie Beeinträchtigungen, welche aus der BB-II-Widmung und den dergestalt zulässigen Betriebsanlagen zwangsläufig resultieren, im Speziellen vermieden werden können bzw ob die geplanten Maßnahmen im Hinblick auf die angrenzende bestehende oder geplante Wohnbebauung tatsächlich als ausreichend betrachtet werden können.
Darüber hinaus ist den Unterlagen nicht zu entnehmen, dass die Schaffung einer Grünzäsur im Gesamtausmaß von ca 1ha das Ergebnis eines Ermittlungsverfahrens in bspw. lufthygienischer und lärmtechnischer Hinsicht wäre. Das Ausmaß der Grünzäsur scheint willkürlich gewählt und entbehrt einer nachvollziehbaren und ausreichenden Grundlage bzw Berechnung.
Eine Alternativenprüfung dahingehend, ob in Hinblick auf die bereits vorhandene und geplante Wohnbebauung (im Nordwesten bis Nordosten) eine Abstufung bzw ein Ansteigen der Widmungskategorien von Baufläche-Wohngebiet zu Baufläche-Mischgebiet zu Baufläche-Betriebsgebiet der Kategorien I und II zweckmäßig wäre, hat nach den vorliegenden Unterlagen keinen Eingang in die Überlegungen gefunden. Aus völlig unerklärlichen Gründen wurde eine solche gestaffelte Widmung aber in Richtung einer der verkehrsträchtigsten Landesstraßen in Vorarlberg, der L190, vorgenommen. Hier sieht der Flächenwidmungsplan entlang der L190 Bauflächen-Betriebsgebiete der Kategorien I vor.
Der Landesvolksanwalt geht daher davon aus, dass die Stadtvertretung der Stadt Dornbirn die gegenständlichen Grundstücke als Baufläche Betriebsgebiet-Kategorie II bzw Bauerwartungsfläche Betriebsgebiet-Kategorie II (und in der Folge ebenfalls als Baufläche Betriebsgebiet-Kategorie II) gewidmet hat, ohne mit der entsprechenden Sorgfalt und Erforschung der Grundlagen auf die bereits vorhandene Wohnbevölkerung sowie die bestehenden Bauerwartungsflächen-Wohngebiet Rücksicht zu nehmen, deren Wohnqualität durch Lärm bzw wesentliche Störungen beeinträchtigt werden könnte.
4.2. Verstoß gegen das raumordnungsrechtliche Gebot einer Vermeidung von gegenseitigen Beeinträchtigung von Bauflächen-Betriebsgebiet und Bauflächen-Wohngebiet
Gemäß §2 Abs3 liti) RPG [idF LGBl 22/2015] sind Gebiete und Flächen für Wohnen, Arbeiten, Freizeit, Einkauf und sonstige Nutzungen einander so zuzuordnen, dass Belästigungen möglichst vermieden werden. Gemäß §3 RPG sind bei der Raumplanung alle berührten Interessen unter Berücksichtigung der im §2 angeführten Ziele so gegeneinander abzuwägen, dass sie dem Gesamtwohl der Bevölkerung am besten entspricht. Die Planung ist unter möglichster Schonung des Privateigentums durchzuführen.
Ausgangspunkt der Überlegungen hinsichtlich einer Änderung des Flächenwidmungsplanes war es, zusammenhängende Flächen mit einem Ausmaß von ca 11 ha, welche zu diesem Zeitpunkt gemäß rechtskräftigem Flächenwidmungsplan zum Großteil als Freifläche-Freihaltegebiete und zu einem geringen Teil als Baufläche-Mischgebiete gewidmet waren, einer betrieblichen Nutzung zuzuführen. Die als Freifläche-Freihaltegebiete gewidmeten Flächen waren ihrer Widmung entsprechend unbebaut. Die angesprochenen Flächen grenzten im Norden und Osten an (unbebaute) Bauerwartungsflächen und (bebauten) Bauflächenwohngebiete bzw Bauflächen-Mischgebiete.
Es ist durchaus nachvollziehbar, dass dem raumordnungsrechtlichen Gebot, die verschiedenen Baulandwidmungen so aufeinander abzustimmen, dass eine gegenseitige Beeinträchtigung möglichst vermieden wird, in vielen Fällen nicht voll Rechnung getragen werden kann. Gleichwohl ist der Schutz des bereits vorhandenen und rechtmäßigen Bestandes ein wichtiges Kriterium, welches der Verordnungsgeber im Rahmen seines Planungsermessens bei Beachtung der Ziele der Raumordnung zu berücksichtigen hat (vgl VfSlg 12231/1989, 499).
So hielt der Verfassungsgerichtshof in der VfSlg 12582/1990 fest, daß selbst die Wohngebietswidmung einzelner nichtbebauter Grundstücke, welche 'lediglich Enklaven einer beinahe abgeschlossenen Wohngebietsbebauung darstellten', rechtswidrig sein können, wenn sie an ein Betriebsbaugebiet grenzen, das einem bereits bestehenden Betrieb als Standort dient, der seinerseits im Zuge der heranrückenden Wohnbebauung mit Beeinträchtigungen in Gestalt nachträglicher Auflagen (gemäß §79 Abs2 GewO 1973) zu rechnen hätte. Dieser Schutz von zu Recht bestehenden Betrieben muss aber im Sinne des Gleichheitsgebotes auch umgekehrt für Wohnbebauungen gelten, welche zu Recht bestehen und nunmehr mit Einschränkungen und Beeinträchtigungen durch eine 'heranrückende Betriebsbebauung' zu rechnen haben.
Im prüfungsgegenständlichen Fall ist nicht ersichtlich, wie eine 'Grünzäsur' zwischen zwei diametral unterschiedlichen Widmungskategorien eine ausreichende – raumplanungsrechtliche – Maßnahme zur Vermeidung gegenseitiger Beeinträchtigungen durch die störenden Wirkungen der neu hinzukommenden Betriebsanlagen darstellen kann.
Der wiederholte Verweis auf Puffer-, Grün- und Erholungsflächen im Gesamtausmaß von ca 1 ha vermag nicht über die Tatsache hinwegzutäuschen, dass an gewissen Stellen der lineare Abstand zwischen der bereits bestehenden Widmungskategorie Baufläche-Wohngebiet und der neu hinzugekommenen Widmung als Betriebsgebiet-Kategorie II weniger als 23 Meter beträgt (vgl VfGH V71/00 ua).
Bereits in der Debatte zur Regierungsvorlage der Novelle des Raumplanungsgesetzes 1996 (8. Beilage im Jahre 1996 zu den Sitzungsberichten des XXVI. Vorarlberger Landtages) wurde thematisiert, dass die nunmehr unterteilte Widmung Betriebsgebiet-Kategorie I im Wesentlichen dem Baufläche-Mischgebiet entsprechen und sich auch sehr gut dafür eignen würde, die eigentlichen Betriebsgebiete-Kategorie II von den Wohngebieten abzugrenzen. Die neue Widmungskategorie 'Betriebsgebiet I' ermögliche einen sanften Übergang in jene Betriebsgebietszone, wo Störungen unvermeidlich seien und bleiben würden.
Bei entsprechender Berücksichtigung dieses Diskurses in Verbindung mit dem in §2 Abs3 liti) RPG [idF LGBl 22/2015] normierten Rücksichtnahmegebots wäre daher (unter Umständen zusätzlich zur Grünzäsur) jedenfalls eine Abstufung bzw ein Ansteigen der Widmungskategorien von Baufläche-Wohngebiet zu Baufläche-Mischgebiet zu Baufläche-Betriebsgebiet der Kategorien I und II angezeigt gewesen, um wechselseitige Beeinträchtigungen möglichst zu vermeiden.
Vor diesem Hintergrund scheint eine raumplanungsrechtlich geforderte Interessensabwägung aller berührten Interessen und Ziele nicht stattgefunden zu haben. Viel mehr erweckt das Planungsvorgehen den Eindruck, das – an und für sich durchaus nachvollziehbare – Interesse der Stadt Dornbirn an einem großflächigen und zusammenhängenden Gebiet für Betriebsansiedlungen jeder Emissionsintensität sei das Maß aller Dinge gewesen. Zur Erreichung dieses Zweckes wurde auch eine – eigentlich raumplanungsrechtlich zu vermeidende – räumliche Verflechtung von Wohnnutzung und betrieblicher Nutzung in Kauf genommen.
Angesichts der vorgetragenen Rechtslage verstößt nach Ansicht des Landesvolksanwaltes von Vorarlberg eine Widmung der angesprochenen Flächen als Baufläche-Betriebsgebiet-Kategorie II gegen das raumordnungsrechtliche Gebot einer Vermeidung von gegenseitigen Beeinträchtigungen von Bauflächen-Betriebsgebiet und Bauflächen-Wohngebiet."
13. Die Vorarlberger Landesregierung erstattete eine Äußerung, in der sie den im Antrag erhobenen Bedenken wie folgt entgegentritt (ohne die Hervorhebungen im Original):
"I. Zum Sachverhalt
Die angefochtenen Änderungen des Flächenwidmungsplanes der Stadt Dornbirn im Bereich Wallenmahd sind zeitlich und räumlich in einem größeren Zusammenhang zu sehen. Es wird daher nachstehend – auch im Hinblick auf die vom Landesvolksanwalt in seinem Antrag angesprochene Grundlagenforschung – kurz die Chronologie aller damit zusammenhängenden Planungen und Verfahren aufgezeigt:
a) Regionalplanungsprojekt 'Rheintal Mitte'
Die angefochtenen Umwidmungen im Flächenwidmungsplan der Stadt Dornbirn stehen in engem Zusammenhang mit den im Rahmen des Regionalplanungs-Projektes 'Rheintal Mitte' erstellten Planungsgrundlagen. Dieses regionale Projekt, das den betreffenden Umwidmungen vorangegangen ist, umfasst eine raumplanerische Gesamtschau zur Entwicklung und Erschließung von Betriebsgebieten in der Region Rheintal Mitte (unter besonderer Berücksichtigung von Freiraum, Landschaft und Erholung). Es baut auf dem räumlichen Leitbild 'Vision Rheintal' für das Vorarlberger Rheintal auf. 'Rheintal Mitte' war eine gemeinsame Planung des Landes Vorarlberg und der betreffenden Region mit den Städten Dornbirn und Hohenems sowie der Marktgemeinde Lustenau. Nach fünf Jahren intensiver gemeindeübergreifender Planung wurde im Jahre 2010 der umfassende Rahmenplan 'Rheintal Mitte' beschlossen (Beschluss des Lenkungsteams vom 9.7.2010), der die wesentlichen Parameter für die weitere verkehrliche und betriebliche Entwicklung in dieser Region festlegte. Der Rahmenplan 'Rheintal Mitte' ist – auch wenn er keine rechtliche Verbindlichkeit hat – eine wesentliche Planungsgrundlage für die nachfolgenden örtlichen Planungen der betroffenen Gemeinden (ua Stadt Dornbirn).
Das verfahrensgegenständliche Gebiet im Dornbirner Ortsteil 'Wallenmahd' ist im Rahmenplan Rheintal Mitte als 'Standort mit optimalen Betriebsbedingungen' ausgewiesen (siehe beiliegende Aktenauszüge: Vl. Bund, S. 1ff). Das in diesem Rahmenplan vorgesehene Betriebsgebiet Wallenmahd wurde im Jahre 2015 auch im Leitbild der Stadt Dornbirn zur Siedlungsentwicklung im Talraum, das unter Beteiligung der Bürger erarbeitet wurde, entsprechend berücksichtigt (siehe insbesondere die Aussagen im Leitbild in Mappe II zu Stadteingang Süd / Betriebsgebiet Wallenmahd, Seite 66 f und zur Bürgerbeteiligung Stadtteil Süd Seite 94 – https://www.dornbirn.at/leben-in-dornbirn/raumordnung-stadt-und-verkehrsplanung/stadtplanung/konzepte/siedlungsplanung/leitbild-zur-siedlungsentwicklung/):
Das städtebauliche Zielbild sieht für diesen Bereich dem hochwertigen Betriebsstandort entsprechende Nutzungsformen und Betriebstypen sowie großvolumige Baukörper vor. Die Flächen sollen schwerpunktmäßig für Produktion und Gewerbe genutzt werden (siehe Seite 66 und Seite 67, Karte K28). Im Norden wird das Betriebsgebiet Wallenmahd entsprechend den im Leitbild angeführten Karten durch den Grünpuffer Walchsmahd vom Stadtteil 'Wohnbauviertel um die Bahnhaltestelle Hatlerdorf' getrennt (siehe Seite 73, Karte K31 'Wohnbauviertel um die Bahnhaltestelle Hatlerdorf' und Seite 81, Karte K35 'Sport- und Freizeitareale').
Die Entwicklung des gegenständlichen Gebiets in Dornbirn als Betriebsgebiet samt den beim Verfassungsgerichtshof vom Landesvolksanwalt angefochtenen Änderungen des Flächenwidmungsplanes der Stadt Dornbirn bauen auf dem Rahmenplan 'Rheintal Mitte' als wesentliche Planungsgrundlage auf.
Weitere Maßnahmen auf Basis des Rahmenplans 'Rheintal Mitte' sind ua:
? Projekt Autobahnanschluss A 14 Rheintal Mitte/Schweizerstraße L 45
Der geplante Autobahnanschluss A 14/L 45 dient ua der Entlastung der Bevölkerung in den Stadtgebieten Dornbirn und Hohenems vom Schwerverkehr. Einige der größten Betriebsgebiete Vorarlbergs – Bobletten, Wallenmahd (beide Dornbirn) und Klien (Hohenems) – werden damit direkt an das höherrangige Straßennetz angebunden. Zum aktuellen Projektstand wird angemerkt, dass das UVP-Verfahren betreffend die Anschlussstelle bereits abgeschlossen ist; der betreffende UVP-Bescheid vom 30.8.2017 wurde nicht bekämpft und ist daher rechtskräftig. Auch die erforderliche naturschutzrechtliche Genehmigung wurde mit Bescheid vom 12.7.2019 bereits erteilt. Derzeit führt die ASFINAG die Grundablöseverhandlungen durch. Hinsichtlich eines der betroffenen Grundstücke muss ein Enteignungsverfahren durchgeführt werden; dieses ist anhängig.
Betreffend den Zubringer zur Anschlussstelle A 14 Rheintal Mitte wurde im Jahre 2016 mit Verordnung der Landesregierung, LGBl Nr 96/2016, die L 45a - Bleichestraße als Landesstraße erklärt und der Verlauf ihrer Straßenachse planlich dargestellt (Bleichestraße als Fortsetzung der Schweizerstraße L 45). Die benötigten Grundstücke für die L45a - Bleichestraße sind bereits abgelöst.
Der Verkehr von und zu den Betrieben im gegenständlichen Betriebsgebiet Wallenmahd wird direkt (umweglos) auf die Hauptachse und Landesstraße L 45a (Bleichestraße) angebunden.
? Betriebsgebiet Hohenems Anschlussstelle A 14
Dieses Betriebsgebiet in der Stadt Hohenems liegt direkt an der Anschlussstelle A 14 Hohenems. Die Flächen werden in Etappen als Betriebsgebiet gewidmet und bebaut. Die Umwidmungen der ersten Etappe sind bereits erfolgt (vgl VfGH vom 24.9.2018, E239/2018-27 und V36-37/2018-9). Als erstes Unternehmen errichtet aktuell die Firma […] an diesem Standort einen weiteren Firmenstandort mit Hochregallager.
? Betriebsgebiet Heitere Lustenau
Für die Erschließung und Entwicklung des Betriebsgebiets Heitere in Lustenau ist zunächst eine Umlegung vorgesehen. Der Umlegungsbescheid der Landesregierung ist bereits ergangen (Bescheid vom 20.12.2018). Gegen den Bescheid wurde beim Landesverwaltungsgericht Vorarlberg Beschwerde erhoben. Das Verfahren ist anhängig.
b) Umlegungsverfahren Dornbirn 'Wallenmahd IV'
Für die entsprechend dem regional abgestimmten Projekt 'Rheintal Mitte' geplante Entwicklung des vorgesehenen Betriebsgebietes im Wallenmahd in Dornbirn war als weitere Maßnahme zunächst eine Umlegung erforderlich. Mit Bescheid der Landesregierung vom 20.11.2013, Zl. Vlla-62.20.44, wurde die Umlegung 'Wallenmahd IV' gemäß §48 des Raumplanungsgesetzes (RPG) genehmigt. Das Umlegungsgebiet erfasste ua die Grundstücke GST-NRN 21239, 21240, 21242 und 21243, deren Widmung nunmehr vom Landesvolksanwalt im vorliegenden Verfahren beim Verfassungsgerichtshof bekämpft wurde, weiters das Grundstück GST-NR 21272 (Pufferzone) sowie die in östlicher Richtung liegenden Grundstücke (unter anderem GST-NRN 21244, 21257, 21258).
c) Änderung des Flächenwidmungsplanes der Stadt Dornbirn im Jahr 2015
Mit der nunmehr angefochtenen Änderung des Flächenwidmungsplanes der Stadt Dornbirn, beschlossen von der Stadtvertretung am 5.2.2015, aufsichtsbehördlich genehmigt mit Bescheid der Landesregierung vom 12.3.2015, Zl VIla-602.20 (siehe beiliegende Aktenauszüge: VIII. Bund, S. 1ff), erfolgte – aufbauend ua auf der vorangegangenen Umlegung – im betreffenden Gebiet eine Umwidmung der verfahrensgegenständlichen Grundstücke GST-NRN 21239 und 21242 in Baufläche-Betriebsgebiet II sowie der Grundstücke GST-NRN 21240 und 21243 in Bauerwartungsfläche-Betriebsgebiet II.
Dem Umwidmungsverfahren (ua Widmung einer Fläche größer als 2 ha als Baufläche-Betriebsgebiet) lag eine Strategische Umweltverträglichkeitsprüfung (SUP) zugrunde (siehe Umweltbericht der Stadt Dornbirn vom 23.3.2011, Zl 5100-04/120323-UVP, sowie abschließende Stellungnahme der Umweltbehörde (Abteilung IVe) vom 21.6.2012, Zl. IVe-410.0616, in den beiliegenden Aktenauszügen: Vl. Bund, S. 9ff).
Angemerkt wird, dass in demselben Umwidmungsverfahren auch das GST-NR-4328 (im Norden) von Freifläche-Freihaltegebiet zu Baufläche-Wohngebiet gewidmet wurde.
Zum Zeitpunkt des Umwidmungsverfahrens war das GST-NR 4333/7 (im Norden) bereits als Baufläche-Wohngebiet gewidmet.
Die GST-NRN 21244, 21257 und 21258 (im Nordosten) waren im Zeitpunkt des Umwidmungsverfahrens als Bauerwartungsfläche-Wohngebiet gewidmet. Sie wurden (erst) durch eine Änderung des Flächenwidmungsplanes der Stadt Dornbirn, beschlossen von der Stadtvertretung am 15.11.2016, aufsichtsbehördlich genehmigt mit Bescheid der Landesregierung vom 25.1.2017, Zl. VIla-50.030-5//-442, kundgemacht am 13.2.2017 (siehe beiliegende Aktenauszüge: I. Bund, S. 1ff) in Baufläche-Wohngebiet umgewidmet.
d) Änderung des Flächenwidmungsplanes der Stadt Dornbirn im Jahr 2016
Mit der weiters angefochtenen Änderung des Flächenwidmungsplanes der Stadt Dornbirn, beschlossen von der Stadtvertretung am 13.10.2016, aufsichtsbehördlich genehmigt mit Bescheid der Landesregierung vom 30.11.2016, Zl VIla-50.030.20-5//-431, kundgemacht am 19.12.2016 (siehe übermittelte Aktenauszüge: I. Bund, S. 175ff), erfolgte schließlich – aufbauend ua auf der vorangegangenen Umlegung – im betreffenden Gebiet eine Umwidmung der verfahrensgegenständlichen Grundstücke GST-NRN 21240 und 21243 von Bauerwartungsfläche-Betriebsgebiet in Baufläche-Betriebsgebiet II.
II. Zu den vom Landesvolksanwalt vorgebrachten Bedenken
1. Zur Behauptung der unzureichenden Grundlagenforschung
Der Landesvolksanwalt geht in seinem Schriftsatz davon aus, dass die Stadtvertretung der Stadt Dornbirn die gegenständlichen Grundstücke als Baufläche Betriebsgebiet-Kategorie II bzw Bauerwartungsfläche Betriebsgebiet-Kategorie II (und in weiterer Folge ebenfalls als Baufläche Betriebsgebiet-Kategorie II) gewidmet hat, ohne mit der entsprechenden Sorgfalt und Erforschung der Grundlagen auf die bereits vorhandene Wohnbevölkerung sowie die bestehenden Bauerwartungsflächen-Wohngebiet Rücksicht zu nehmen, deren Wohnqualität durch Lärm bzw wesentliche Störungen beeinträchtigt werden könnte. Es sei nicht ersichtlich, wie und ob eine Auseinandersetzung mit der Frage stattgefunden habe, welche Beeinträchtigungen aus der BB-II-Widmung und den dergestalt zulässigen Betriebsanlagen generell zu erwarten seien und wie diese Beeinträchtigungen im Speziellen vermieden werden können bzw ob die geplanten Maßnahmen im Hinblick auf die angrenzende bestehende oder geplante Wohnbebauung tatsächlich als ausreichend betrachtet werden können. Den Unterlagen sei darüber hinaus nicht zu entnehmen, dass die Schaffung einer Grünzäsur im Gesamtausmaß von ca 1 ha das Ergebnis eines Ermittlungsverfahrens in bspw. lufthygienischer und lärmtechnischer Hinsicht wäre. Eine Alternativenprüfung dahingehend, ob im Hinblick auf die bereits vorhandene und geplante Wohnbebauung (im Nordwesten bis Nordosten) eine Abstufung bzw ein Ansteigen der Widmungskategorien von Baufläche-Wohngebiet zu Baufläche-Mischgebiet zu Baufläche-Betriebsgebiet Kate[go]rien I und II zweckmäßig wäre, habe keinen Eingang in die Überlegungen gefunden.
Zu diesem Vorbringen ist Folgendes anzumerken:
a) Zur Grundlagenforschung allgemein
Der Flächenwidmungsplan darf gemäß §23 Abs1 des Raumplanungsgesetzes (RPG) nur aus wichtigen Gründen geändert werden. Er ist zu ändern
? bei Änderung der maßgebenden Rechtslage oder
? bei wesentlicher Änderung der für die Raumplanung bedeutsamen Verhältnisse.
Beispielsweise müssen sich neue Zielsetzungen auf geänderte Planungsgrundlagen stützen lassen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs kann von einer (wesentlichen) Änderung der Grundlagen nicht schon dann gesprochen werden, wenn neue Tatsachen bloß punktuell neue Zielsetzungen rechtfertigen, sondern erst dann, wenn sie erlauben, neue Ziele allgemeiner Art anzustreben (vgl zB VfSlg 14.537/1996).
Darüber hinaus sind bei einer Änderung des Flächenwidmungsplanes – wie generell bei der Raumplanung – gemäß §3 RPG alle berührten Interessen unter Berücksichtigung der im §2 RPG angeführten Ziele so gegeneinander abzuwägen, dass sie dem Gesamtwohl der Bevölkerung am besten entspricht. Die Planung ist unter möglichster Schonung des Privateigentums durchzuführen.
Der Interessenabwägung hat eine Grundlagenforschung (Erforschung der Planungsgrundlagen) samt Bestandanalyse voranzugehen, um die gegebenen für die Raumplanung bedeutsamen Verhältnisse richtig einschätzen zu können. Der Verordnungsgeber hat bei seiner Planung den bisherigen Bestand zu berücksichtigen (vgl zB VfSlg 13.180/1992), doch liegt es grundsätzlich innerhalb des Planungsermessens, die Planung in einem gewissen Widerspruch zu bestehenden Gegebenheiten vorzunehmen (vgl zB VfSlg 13.502/1993). Denn Raumplanung richtet sich naturgemäß auf künftige Nutzungen.