Index
L8000 RaumordnungNorm
B-VG Art139 Abs1 Z6Leitsatz
Gesetzwidrigkeit der Änderungen von Flächenwidmungsplänen der Stadt Dornbirn mangels ausreichender Grundlagenforschung; keine ausreichende Auseinandersetzung mit der Umwidmung einer – direkt an ein Wohngebiet angrenzenden – Fläche in Baufläche-Betriebsgebiet hinsichtlich der das ortsübliche Ausmaß übersteigenden BelästigungRechtssatz
Die Änderung des Flächenwidmungsplanes der Stadt Dornbirn, beschlossen von der Stadtvertretung Dornbirn am 05.02.2015, aufsichtsbehördlich genehmigt mit Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 12.03.2015, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 19.03. bis 13.04.2015, soweit sie sich auf die Grundstücke Nr 21239, 21240, 21242 und 21243, alle KG 92001 Dornbirn, bezieht, und die 174. Änderung des Flächenwidmungsplanes der Stadt Dornbirn, beschlossen von der Stadtvertretung der Stadt Dornbirn am 13.10.2016, aufsichtsbehördlich genehmigt mit Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 30.11.2016, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 19.12.2016 bis 03.01.2017, soweit sie sich auf die Grundstücke Nr 21240 und 21243, beide KG 92001 Dornbirn, bezieht, werden als gesetzwidrig aufgehoben.
Nach stRsp des VfGH zum Raumplanungsrecht kommt den gesetzlichen Planungszielen besondere Bedeutung zu. Auf den Raumordnungsgesetzen beruhende Vollzugsakte haben sich daher an diesen Planungszielen auszurichten. Eines dieser Planungsziele ist in §2 Abs3 Vbg RaumplanungsG 1996 (Vbg RPG) geregelt, wonach (siehe heute litj) Gebiete und Flächen für Wohnen, Arbeiten, Freizeit, Einkauf und sonstige Nutzungen einander so zuzuordnen sind, dass Belästigungen möglichst vermieden werden. Gemäß §3 Vbg RPG sind bei der Raumplanung alle berührten Interessen unter Berücksichtigung der in §2 legcit angeführten Ziele so gegeneinander abzuwägen, dass sie dem Gesamtwohl der Bevölkerung am besten entspricht. Die Planung ist zudem unter möglichster Schonung des Privateigentums durchzuführen.
Im Hinblick auf das Planungsziel nach §2 Abs3 lith (nunmehr litj) Vbg RPG, wonach Nutzungen einander so zuzuordnen sind, dass Belästigungen möglichst vermieden werden, ist die Umwidmung einer Fläche in Baufläche-Betriebsgebiet (Kategorie I oder II), die direkt an eine Fläche angrenzt, die als Baufläche-Wohngebiet gewidmet ist, in der Regel nicht zulässig (heranrückende Wohnbebauung). Ob ein Trennstreifen (etwa ein Grünpuffer und/oder eine Verkehrsfläche) geeignet ist, dem besagten Planungsziel zu entsprechen, ist eine Frage des Einzelfalles und bedarf einer gründlichen Erforschung und einer nachvollziehbaren aktenmäßigen Darstellung (vgl etwa VfSlg 16032/2000 zu einem ca 30 Meter breiten Grünlandgebiet zwischen einem Betriebs- und einem Wohngebiet).
Insbesondere unter Bedachtnahme auf die geschilderten gesetzlichen Planungsziele und die zitierte Rechtsprechung bestünde somit ein erhöhter Bedarf des Verordnungsgebers, sich damit auseinanderzusetzen, warum mit den angefochtenen Änderungen des Flächenwidmungsplanes bestimmte Grundstücke sukzessive in Baufläche-Betriebsgebiet - Kategorie II umgewidmet wurden, obwohl sie - abgesehen vom geschilderten Grünpuffer samt Verkehrsfläche - direkt neben einem größeren Wohngebiet liegen. Es hätte also eine vertiefende Auseinandersetzung des Verordnungsgebers betreffend mögliche Nutzungskonflikte und wechselseitige Beeinträchtigungen der konkurrierenden Widmungen erfolgen müssen, zumal im Betriebsgebiet - Kategorie II vorwiegend Betriebe zu situieren sind, die wesentliche Störungen für die Umgebung verursachen können. Eine solche Auseinandersetzung ist aber nicht in ausreichendem Ausmaß geschehen.
Zwar mag es sein, dass in Projektgenehmigungsverfahren noch zusätzlich Belästigungen der Nachbarn zu berücksichtigen sind; dies ändert jedoch nichts daran, dass derartige Widmungskategorien iSv §2 Abs3 Vbg RPG aufeinander abzustimmen sind, zumal die Frage, ob eine Belästigung das ortsübliche Ausmaß übersteigt, gerade unter Berücksichtigung der Flächenwidmung am Standort des Bauvorhabens zu beurteilen ist (§8 Abs1 Vbg BauG).
Entscheidungstexte
Schlagworte
Baurecht, Raumordnung, Flächenwidmungsplan, Widmung, Nachbarrechte, VolksanwaltschaftEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2021:V18.2019Zuletzt aktualisiert am
28.03.2023