Index
001 Verwaltungsrecht allgemeinNorm
AVG §68 Abs1Beachte
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Dr. Bachler und Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Gnilsen, über die Revision 1. der F GmbH und 2. des Dipl. Ing. F L, beide in A und beide vertreten durch Dr. Gunther Huber und Mag. Nikolaus Huber, Rechtsanwälte in 4050 Traun, Heinrich-Gruber-Straße 1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 5. September 2022, Zl. LVwG-552348/4/StB/AHo-552349/2, betreffend Zurückweisung eines Antrags nach dem WRG 1959 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Oberösterreich), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Der Bund hat den revisionswerbenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Schreiben vom 22. Juni 1995 stellte die G.F. L GesmbH & Co KG (in weiterer Folge: G F L GesmbH & Co KG) einen Antrag auf Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes beim K.-Wehr gemäß § 138 WRG 1959.
2 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 29. November 1996 wurde dieser Antrag auf Abgabe einer Zusatzwassermenge von 3,32 m³/s in den sogenannten A.-Bach beim K.-Wehr an der T. gemäß §§ 12, 13, 99 und 102 WRG 1959 als unbegründet abgewiesen.
3 In der Begründung des Bescheides ging die belangte Behörde davon aus, dass die antragstellende Partei, die G F L GesmbH & Co KG, in „ihrer Eigenschaft als Betreiber[in] der Wasserkraftanlage A.“ auftrete. In dieser Stellung als Wasserberechtigte mache sie unter Berufung auf die in der Ziffer 4 des Bescheides vom 21. Februar 1947 des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft dem Betreiber der Wehranlage erteilten Auflage das (vermeintliche) Recht auf Zuleitung einer Zusatzwassermenge von 3,32 m³/s zu ihrer Wasserkraftanlage geltend. Ein Anspruch auf Dotierung aufgrund dieser Auflage stehe der G F L GesmbH & Co KG jedoch nicht zu, denn aufgrund der Lage ihrer Wasserkraftanlage habe das Wasserrecht der G F L GesmbH & Co KG durch das mit Bescheid vom 21. Februar 1947 bewilligte Projekt nicht beeinträchtigt werden können.
4 Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.
5 Im Rahmen einer mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde wurde am 30. November 2021 von den revisionswerbenden Parteien der gegenständliche Antrag auf unverzügliche Dotierung des A.-F. Mühlbaches mit 3,32 m³/s aufgrund der Bescheide des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 21. Februar 1947 sowie vom 1. März 1961 gestellt.
6 Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 4. April 2022 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.
7 Soweit wesentlich begründete die Behörde den Bescheid damit, dass ein „derartiger Antrag der seinerzeitigen G F L GesmbH & Co KG“ vom 22. Juni 1995 bereits mit Bescheid vom 29. November 1996 als unbegründet abgewiesen worden und in Rechtskraft erwachsen sei, weshalb eine entschiedene Sache vorliege.
8 Mit Schriftsatz vom 2. Mai 2022 erhoben die revisionswerbenden Parteien gegen diesen Bescheid Beschwerde und machten insbesondere geltend, dass nicht von einer entschiedenen Sache auszugehen sei, da der im Jahr 1996 ergangene Bescheid gegen die G F L GesmbH & Co KG als Wasserberechtigte der Wasserkraftanlage A. erlassen worden sei, die revisionswerbenden Parteien im vorliegenden Verfahren hingegen aber als „Fischereiberechtigte am A.-F. Mühlbach“ die Maßnahme der Dotierung des A.-Baches beantragt hätten und keine Parteien des seinerzeitigen Verfahrens gewesen seien.
9 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 5. September 2022 wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde als unbegründet ab und erklärte eine Revision für unzulässig.
10 In seinen Feststellungen hielt das Verwaltungsgericht fest, dass die revisionswerbenden Parteien Fischereiberechtigte am A.-F. Mühlbach seien.
11 Begründend führte das Verwaltungsgericht, soweit maßgeblich, aus, dass der vorliegende Antrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sei, denn auch dieser ziele, wie auch der dem Bescheid vom 29. November 1996 zugrundeliegende Antrag, hinsichtlich des Begehrens auf die Dotierung des A.-F. Mühlbaches mit derselben Wassermenge von 3,32 m³ ab und stütze sich als Rechtsgrundlage ebenfalls auf den Bescheid vom 21. Februar 1947 und dessen Auflagepunkt 4. Dem gegenständlichen Antrag lägen sohin derselbe Sachverhalt, die gleichen Rechtsgrundlagen und dasselbe Begehren wie auch schon dem Bescheid vom 29. November 1996 zugrunde. Der Umstand, dass die damalige Antragstellerin Betreiberin der Wasserkraftanlage gewesen sei und die nunmehrigen revisionswerbenden Parteien als Fischereiberechtigte aufträten, sei nicht ausschlaggebend und ändere nichts an der Identität des Sachbegehrens und des Rechtsgrundes.
12 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
13 Die belangte Behörde brachte eine Revisionsbeantwortung ein, in der sie beantragte, die Revision kostenpflichtig zurück-, in eventu abzuweisen.
14 Der Verwaltungsgerichtshof hat - in einem nach § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:
15 Zur Zulässigkeit wird vorgebracht, das Verwaltungsgericht sei in Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fälschlicher Weise vom Vorliegen einer entschiedenen Sache ausgegangen. Dies insbesondere, weil die dingliche Wirkung des Bescheides vom 29. November 1996 nur den jeweiligen Anlageninhaber und Betreiber der Wasserkraftanlage erfasse. Die revisionswerbenden Parteien aber wären nie Parteien des dem Bescheid vom 29. November 1996 zugrundeliegenden Verfahrens gewesen und hätten die in ihren Anträgen erhobenen Ansprüche darüber hinaus aus ihrer Rechtsstellung als Fischereiberechtigte zum Schutz ihrer Fischereirechte geltend gemacht.
16 Die Revision ist im Ergebnis zulässig und berechtigt.
17 Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.
18 Der tragende Grundsatz der Beachtung rechtskräftiger Entscheidungen soll in erster Linie die wiederholte Aufrollung einer bereits entschiedenen Sache (ohne nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage) verhindern; die objektive (sachliche) Grenze dieser Wirkung der Rechtskraft wird durch die entschiedene Sache, also durch die Identität der Rechtssache, über die bereits mit einer formell rechtskräftigen Entscheidung abgesprochen wurde, mit der nunmehr vorliegenden (etwa der in einem neuen Antrag intendierten) bestimmt. „Sache“ einer rechtskräftigen Entscheidung ist dabei stets der im Bescheid enthaltene Ausspruch über die verwaltungsrechtliche Angelegenheit, die durch den Bescheid ihre Erledigung gefunden hat, und zwar aufgrund der Sachlage, wie sie in dem von der Behörde angenommenen maßgebenden Sachverhalt zum Ausdruck kommt, und der Rechtslage, auf die sich die Behörde bei ihrem Bescheid gestützt hat (vgl. VwGH 17.11.2020, Ra 2018/07/0487, mwN). Dabei spielt die Begründung lediglich insoweit eine Rolle, als sie zur Auslegung des Spruches heranzuziehen ist (vgl. VwGH 29.6.2017, Ro 2015/04/0021, mwN).
19 Entscheidend für die Beurteilung, ob im vorliegenden Fall eine entschiedene Sache vorliegt, ist die Klärung der Frage, was Inhalt des abweisenden Bescheides vom 29. November 1996 gegenüber der G F L GesmbH & Co KG war. Seinem Spruch nach wurde gemäß §§ 12, 13, 99 und 102 WRG 1959 der Antrag der G F L GesmbH & Co KG auf Abgabe einer Zusatzwassermenge von 3,32 m³ in den A.-Bach beim K.-Wehr an der T. als unbegründet abgewiesen. Der Bescheid bezog sich auf den Antrag der G F L GesmbH & Co KG auf Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes beim K.-Wehr gemäß § 138 WRG 1959 in ihrer Eigenschaft als damalige Betreiberin einer Wasserkraftanlage, sohin als Berechtigte eines Wasserrechts im Sinne des § 12 Abs. 2 WRG 1959.
20 Die Rechtskraftwirkung setzt auch voraus, dass Sachbegehren und Rechtsgrund des neuen Abspruches identisch sind mit dem Sachbegehren und dem Rechtsgrund des rechtskräftig entschiedenen Abspruches oder - anders ausgedrückt - dass Inhalt und Entstehungsgrund des rechtskräftig festgelegten Rechtsverhältnisses mit dem Inhalt und dem Entstehungsgrund des Rechtsverhältnisses, das der Behörde zur neuerlichen Festlegung vorgetragen wird, übereinstimmen (vgl. VwGH 31.3.2016, 2013/07/0156, mwN).
21 Einen Antrag auf ein Vorgehen nach § 138 WRG 1959 können Betroffene stellen. Als solche sind nach § 138 Abs. 6 WRG 1959 die Inhaber bestehender Rechte im Sinne des § 12 Abs. 2 WRG 1959, die Fischereiberechtigten sowie die Einforstungsberechtigten anzusehen (vgl. VwGH 22.3.2001, 2001/07/0041). Zweck dieses Antragsrechtes ist es, unbefugte Eingriffe in die in § 138 Abs. 6 WRG 1959 genannten Rechte abzuwehren (vgl. VwGH 25.6.2020, Ra 2018/07/0457, mwN).
22 Wie bereits oben hervorgehoben, beruhte die Stellung der G F L GesmbH & Co KG als Betroffene im Verfahren betreffend den Vorbescheid vom 29. November 1996 auf der (behaupteten) Verletzung eines Wasserrechts nach § 12 Abs. 2 WRG 1959.
23 Fallgegenständlich beriefen sich die revisionswerbenden Parteien bei ihrem Antrag auf „Durchführung“ der Auflage der Dotierung aber auf ihre Betroffenheit als Fischereiberechtigte.
24 Gemäß dem Revisionsvorbringen seien die (Koppel-)Fischereirechte der revisionswerbenden Parteien mit Urteil des Landesgericht Linz vom 10. März 2009 festgestellt worden. Dass diese Fischereirechte im Bescheid vom 29. November 1996 schon Berücksichtigung gefunden hätten, ist nicht erkennbar.
25 So ist festzuhalten, dass der Themenkreis des Vorbescheides durch die Betroffenenstellung der G F L GesmbH & Co KG, die gemäß der Bescheidbegründung auf einer Beeinträchtigung von Rechten nach § 12 Abs. 2 WRG 1959 gründete, bestimmt war. Der Themenkreis einer Beeinträchtigung der gegenständlichen Fischereirechte der revisionswerbenden Parteien war nicht vom seinerzeitigen Verfahrensgegenstand umfasst.
26 Die Verschiedenheit dieser geltend gemachten Rechtsbeeinträchtigungen manifestiert sich bereits in der Unterscheidung der Betroffenen in Abs. 6 des § 138 WRG 1959. Dort wird ua. ausdrücklich zwischen den Inhabern bestehender Rechte (§ 12 Abs. 2) und den Fischereiberechtigten unterschieden.
27 Sie ergibt sich aber auch aus der ständigen Rechtsprechung, wonach die Fischereiberechtigung kein wasserrechtlich geschütztes Recht im Sinne des § 12 Abs. 2 WRG 1959 ist (vgl. VwGH 24.5.2012, 2009/07/0199, mwN, oder auch OGH 18.7.2013, 1 Ob 119/13a, mwN, wonach das Fischereirecht als Privatrecht nicht zu den vom WRG 1959 erfassten „bestehenden Rechten“ im Sinne des § 12 Abs. 2 leg. cit. zählt).
28 Die revisionswerbenden Parteien treten demgemäß im gegenständlichen Verfahren - entgegen der durch den Verweis auf VwGH 19.10.2004, 2001/03/0329, zutage tretenden Auffassung des Verwaltungsgerichts - nicht als (allfällige) Rechtsnachfolger der G F L GesmbH & Co KG in ihrer Rechtsstellung als Wasserberechtigte auf (vgl. allgemein zur Dinglichkeit des Wasserrechts etwa VwGH 30.6.2022, Ro 2021/07/0010, mwN).
29 Dass die revisionswerbenden Parteien auch sonst nicht Parteistellung als Betroffene im Verfahren betreffend den Vorbescheid hatten, ergibt sich aus jener Rechtsprechung, die hinsichtlich der Rechtsstellung einer Person als Betroffener im Sinn des § 138 Abs. 6 WRG 1959 und ihre Parteistellung im Verfahren über die Erlassung eines wasserpolizeilichen Auftrages die Antragstellung voraussetzt (vgl. dazu VwGH 22.4.2004, 2004/07/0017, mwN), und aus jener, die die Notwendigkeit einer Parteistellung Dritter im Verfahren zur Erlassung eines gewässerpolizeilichen Auftrages verneint, sofern im Auftrag nicht auch schon eine konkrete Duldungspflicht des betroffenen Dritten unmissverständlich ausgesprochen wird, was vorliegend nicht der Fall ist (vgl. VwGH 22.12.2016, Ra 2016/07/0105, mwN).
30 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass aufgrund der behaupteten unterschiedlichen Rechtsverletzungen, wegen derer jeweils die Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes im Sinne der Einhaltung der Auflage begehrt wurde, nämlich zum einen im Verfahren betreffend den Vorbescheid die Verletzung eines Wasserrechts im Sinne des § 12 Abs. 2 WRG 1959 und zum anderen die Verletzung von Fischereirechten im gegenständlichen Verfahren, eine Rechtsnachfolge der revisionswerbenden Parteien hinsichtlich der Adressatin des Vorbescheides zu verneinen ist. Ebenso ist eine Parteistellung der revisionswerbenden Parteien als Betroffene wegen einer Beeinträchtigung ihrer Fischereirechte im Verfahren betreffend den Vorbescheid zu verneinen. Aus diesen Gründen kann der Bescheid vom 29. November 1996 gegenüber den revisionswerbenden Parteien als Fischereiberechtigte keine Wirkung entfalten und steht die Rechtskraft dieses Bescheides dem gegenständlichen Antrag nicht entgegen.
31 Im Ergebnis war das angefochtene Erkenntnis aus den genannten Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
32 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 23. Februar 2023
Schlagworte
Besondere Rechtsgebiete Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2 Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3 Parteibegriff Parteistellung strittige Rechtsnachfolger Zustellung Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde Zurückweisung wegen entschiedener SacheEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2023:RA2022070206.L00Im RIS seit
28.03.2023Zuletzt aktualisiert am
28.03.2023