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L66107 Einforstung Wald- und Weideservituten Felddienstbarkeit TirolNorm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Dr. Bachler und Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Gnilsen, über die Revision des J S in R, vertreten durch Dr. Johannes Klausner, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Anichstraße 6, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 9. August 2022, Zl. LVwG-2019/44/0694-7, betreffend die Regulierung einer Felddienstbarkeit nach dem Wald- und Weideservitutengesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Tiroler Landesregierung; mitbeteiligte Partei: Mag. S S in V, vertreten durch Dr. Michael E. Sallinger und Dr. Christoph Rampl, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Sillgasse 21/III), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Der Revisionswerber hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Der Antrag der belangten Behörde auf Zuerkennung von Aufwandersatz wird abgewiesen.
Begründung
1 Die mitbeteiligte Partei ist Eigentümerin des Grst. Nr. 1790, KG R., auf dem eine Felddienstbarkeit im Sinne des § 37 Abs. 1 Wald- und Weideservitutengesetz (im Folgenden: WWSG) zugunsten der Grst. Nrn. 1791, 1792 und 1793, KG R., des Revisionswerbers besteht.
2 Am 19. Februar 2015 brachte die mitbeteiligte Partei als Eigentümerin des dienenden Grundstücks einen Antrag auf Aufhebung der Felddienstbarkeit bei der belangten Behörde ein.
3 In einem daraufhin rechtskräftig eingeleiteten Verfahren zur Aberkennung, Ablösung oder Regulierung der revisionsgegenständlichen Felddienstbarkeit entschied die belangte Behörde im Spruchpunkt I. des Bescheides vom 28. November 2018, dass die auf Grst. Nr. 1790, KG R., lastende Dienstbarkeit der Duldung, der Erhaltung und Benützung eines in der Fahrbahn 3m breiten Geh- und Fahrweges zugunsten der Grst. Nrn. 1791, 1792, 1793, KG R., entschädigungslos aberkannt werde. Im Spruchpunkt II. dieses Bescheides wurde die Eintragung der Löschung im Grundbuch nach Rechtskraft veranlasst.
4 Zusammengefasst wurde diese Entscheidung damit begründet, dass sich die Verhältnisse seit der Regulierung im Jahre 1970 grundlegend geändert hätten. Damals habe sich die Hofstelle der berechtigten Liegenschaft auf dem Grst. Nr. .17, KG R., befunden. Die Felddienstbarkeit habe den Zweck gehabt, die Hofstelle auf dem kürzesten Weg mit den landwirtschaftlichen Feldern auf den berechtigten Grundstücken zu verbinden. Mittlerweile sei die Hofstelle aber auf das berechtigte Grst. Nr. 1791, KG R., verlegt worden. Die neue Hofstelle werde über die angrenzende Gemeindestraße erschlossen. Die berechtigten landwirtschaftlichen Flächen könnten direkt von der neuen Hofstelle aus erreicht werden, ohne die alte Felddienstbarkeit weiter in Anspruch nehmen zu müssen. Agrarfachlich stelle die Felddienstbarkeit daher keine Verbesserung bzw. Erleichterung der zweckmäßigen Bewirtschaftung der berechtigten Grundstücke mehr dar. Die Ausübung der Felddienstbarkeit bedeute im Vergleich mit dem nun möglichen direkten Weg sogar eine längere Wegstrecke, weshalb kein schützenswertes Interesse an der Felddienstbarkeit mehr bestünde.
5 Dagegen richtete sich die Beschwerde des Revisionswerbers an das Verwaltungsgericht.
6 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes vom 9. August 2022 wurde die Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 28. November 2018 als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt 1.) Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig (Spruchpunkt 2.).
7 Begründend hielt das Verwaltungsgericht fest, dass auf dem Grst. Nr. 1790 der mitbeteiligten Partei aufgrund des rechtskräftigen Bescheides der damaligen Agrarbehörde vom 19. Jänner 1970 zugunsten der Grst. Nrn. 1791, 1792 und 1793 des Revisionswerbers die Dienstbarkeit der Duldung, der Erhaltung und Benützung eines in der Fahrbahn 3m breiten Geh- und Fahrweges bestehe. Diese Dienstbarkeit sei auch grundbücherlich einverleibt.
8 Bei den drei berechtigten Grst. Nrn. 1791, 1792 und 1793 habe es sich im Zeitpunkt der Regulierung um landwirtschaftlich genutzte Felder gehandelt. Diese landwirtschaftlichen Flächen seien von der damaligen Hofstelle aus bewirtschaftet worden. Diese Hofstelle habe sich südlich davon auf dem Grst. Nr. .17 befunden. Die kürzeste und schnellste Verbindung dieser Hofstelle mit den berechtigten Feldern habe über die gegenständliche Felddienstbarkeit geführt. Somit habe die Felddienstbarkeit damals die zweckmäßige Bewirtschaftung der berechtigten Felder erleichtert.
9 Mit Bescheid der Gemeinde R. vom 14. April 2010 sei dem Revisionswerber die baurechtliche Bewilligung zur Errichtung einer neuen Hofstelle auf dem berechtigten Grst. Nr. 1791 erteilt worden. Diese neue Hofstelle sei zwischenzeitlich errichtet und die alte Hofstelle auf dem Grst. Nr. .17 aufgelassen worden. Das Grst. Nr. .17 werde nicht mehr landwirtschaftlich genutzt. Durch die Errichtung der neuen Hofstelle hätten sich die Bewirtschaftungsverhältnisse grundlegend geändert. Der betriebliche Mittelpunkt sei auf das berechtigte Grst. Nr. 1791 verlegt worden. Die neue Hofstelle werde direkt über die südlich angrenzende Gemeindestraße erschlossen. Die kürzeste Verbindung der neuen Hofstelle zu den berechtigten Feldern erfolge nunmehr direkt von der Hofstelle aus. Die Benützung der Felddienstbarkeit würde hingegen einen Umweg bedeuten.
10 Die berechtigten Grundstücke würden - abgesehen von der neuen Hofstelle - zur Grünlandwirtschaft und zum Ackerbau genutzt. Diese Grundstücke seien nicht nur von der Dienstbarkeitsfläche und der neuen Hofstelle aus befahrbar, sondern auch von der südlich an die Felder anschließenden, öffentlichen Verkehrsfläche aus. Seitens des Revisionswerbers sei in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht eingeräumt worden, dass es entlang dieser Gemeindestraße theoretisch überall möglich sei, in die Felder einzufahren. Er müsste dafür nur den bestehenden Zaun durchbrechen.
11 Sofern die Bewirtschaftung der Felder im Ringschluss erfolge (Auffahrt über die Gemeindestraße im Westen, Abfahrt östlich der neuen Hofstelle), sei dies unabhängig von der Dienstbarkeitsfläche möglich, da auch der Bereich östlich der neuen Hofstelle auf Eigengrund des Revisionswerbers befahrbar sei. Das Wirtschaftsgebäude der neuen Hofstelle - also das östliche Gebäude auf dem Grst. Nr. 1791 - sei rundum auf Eigengrund befahrbar. Daher sei auch eine ostseitige Einfahrt in das Wirtschaftsgebäude und eine Zufahrt zur nördlich gelegenen Mistlagerstätte samt Jauchegrube ohne Felddienstbarkeit möglich.
12 Südlich des Wirtschaftsgebäudes befinde sich eine größere asphaltierte Fläche auf Eigengrund, über die der östlich verlaufende Zufahrtsweg zu den Feldern und damit auch die östliche Zufahrt zum Wirtschaftsgebäude aus agrarwirtschaftlicher Sicht problemlos auf Eigengrund erreichbar sei. Dafür müsste der Revisionswerber aber, sofern er diese asphaltierte Fläche auch als Manipulations- und Abstellfläche seiner neuen Hofstelle verwenden möchte, einen Fahrtstreifen auf dieser Fläche freihalten. Allerdings könnte der Bereich östlich des Wirtschaftsgebäudes auch vom Norden aus über Eigengrund erreicht werden. Abgesehen davon habe der Revisionswerber in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass die östliche Einfahrt in das Wirtschaftsgebäude nicht zwingend notwendig sei. Es könne auch vom Westen aus eingefahren werden. In bestimmten Situationen sei es aber von Osten aus bequemer.
13 Zusammengefasst stelle nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes die Felddienstbarkeit aufgrund der geänderten Verhältnisse keine Verbesserung bzw. Erleichterung mehr dar, um die berechtigten Felder von der neuen Hofstelle aus zu erreichen. Ganz im Gegenteil wäre die Ausübung der Felddienstbarkeit auf dem Weg von der neuen Hofstelle zu den Feldern ein Umweg. Allerdings könne die Felddienstbarkeit im Rahmen des inneren Betriebskonzepts der neuen Hofstelle eine Erleichterung darstellen, um die südlich des neuen Wirtschaftsgebäudes angelegte asphaltierte Fläche ungeschmälert als Manipulations- und Abstellfläche der neuen Hofstelle zu verwenden.
14 Im Rahmen der Beweiswürdigung berief sich das Verwaltungsgericht auf das Gutachten der agrarwirtschaftlichen Amtssachverständigen vom 15. Februar 2017. Zudem verwies es auf das Gutachten des Privatsachverständigen des Revisionswerbers vom 16. Mai 2017, wonach die Felddienstbarkeit für die Funktionsfähigkeit der neuen Hofstelle erforderlich sei. Diesem Gutachten sei das Verwaltungsgericht insofern gefolgt, als die Ostseite des neuen Wirtschaftsgebäudes von Süden aus ohne Felddienstbarkeit nur über die Manipulations- und Abstellfläche der neuen Hofstelle erreicht werden könne. Im Übrigen sei der Revisionswerber der Feststellung, wonach die berechtigten Felder unmittelbar an die neue Hofstelle angrenzten und somit ohne Felddienstbarkeit direkt erreichbar seien, nicht substantiiert entgegengetreten.
15 Nach Zitierung der bezughabenden Rechtsvorschriften des WWSG hielt das Verwaltungsgericht fest, dass seit Verlegung der Hofstelle die Felddienstbarkeit keinen Vorteil mehr darstelle, um die Felder mit der Hofstelle zu verbinden. Außerdem habe sich herausgestellt, dass die berechtigten Felder an ihrem südlichen Ende über weite Strecken unmittelbar an eine Gemeindestraße angrenzten, sodass hinsichtlich der Felder keine Rede von einem Bringungsnotstand bzw. einer Unentbehrlichkeit der Dienstbarkeit sein könne. Auch die vom Verwaltungsgericht beigezogene agrarwirtschaftliche Amtssachverständige habe - nach Durchführung des Lokalaugenscheins - dargelegt, dass die Felddienstbarkeit aufgrund der geänderten Verhältnisse keine Verbesserung bzw. Erleichterung mehr für die Erschließung der berechtigten Felder darstelle.
16 Somit sei für den Revisionswerber auch mit dem Verweis auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Oktober 1995, Zl. 93/07/0135, zum Kärntner WWSLG nichts zu gewinnen, da in dieser Rechtssache die strittige Dienstbarkeit die kürzeste Wegstrecke dargestellt habe. Im Revisionsfall könnten die berechtigten Felder jedoch unmittelbar von der neuen Hofstelle aus erschlossen werden, sodass die gegenständliche Felddienstbarkeit - im Unterschied zur ursprünglichen Situation - eben nicht mehr die beste Verbindung zur Hofstelle darstelle.
17 Mit den Einwänden, dass die Verlegung der Hofstelle für das Verfahren nach § 37 WWSG irrelevant sei, da die Dienstbarkeit nicht mit der Hofstelle, sondern nur mit den berechtigten Grundstücken verbunden sei und ausschließlich zwischen dem dienenden und den herrschenden Grundstücken bestehe, verkenne der Revisionswerber den bodenreformatorischen Charakter der Felddienstbarkeit. Felddienstbarkeiten nach dem WWSG unterschieden sich nämlich von privatrechtlichen Servituten, als mit ihnen bodenreformatorische Ziele, wie insbesondere die Erhaltung und Stärkung bäuerlicher Wirtschaftsbetriebe, bezweckt würden. Aus ihrer Zuordnung zu den öffentlich-rechtlichen, agrarischen Nutzungsrechten resultiere ihre wirtschaftliche Funktion für berechtigte Stammsitzliegenschaften, die in der Ergänzung des Haus- und Gutsbedarfes von Stammsitzliegenschaften bestehe.
18 Die Ermächtigung der Agrarbehörde zu einem Verfahren nach § 37 WWSG sei somit keine generelle in dem Sinn, dass sie schlechthin für alle Felddienstbarkeiten im Sinne des §§ 472 ff ABGB zuständig wäre. Es müsse vielmehr ein Bedürfnis nach einer Bodenreformmaßnahme im Interesse der Landwirtschaft vorliegen. Ansonsten würde die Zuständigkeitserteilung zwischen den Agrarbehörden und den Zivilgerichten „verwischt“. Vor diesem Hintergrund könne die Regulierung der gegenständlichen Felddienstbarkeit im Jahre 1970 nicht isoliert von der Hofstelle gesehen werden. Bei dieser Regulierung habe es sich um eine bodenreformatorische Maßnahme zur Erhaltung und Stärkung der beteiligten landwirtschaftlichen Betriebe und nicht um die bloße zivilrechtliche Feststellung einer Dienstbarkeit gehandelt. Wesenskern der Regulierung sei die landwirtschaftliche Nutzung der berechtigten Felder und somit ihre Verbindung zur Hofstelle der Stammsitzliegenschaft gewesen. Dieser Zweck der Felddienstbarkeit sei durch die Verlegung der Hofstelle weggefallen, weshalb die belangte Behörde zu Recht kein schützenswertes Interesse an ihr mehr sehe.
19 Ein zentrales Beschwerdevorbringen des Revisionswerbers - und Thema des vorgelegten Privatgutachtens - sei, dass die Felddienstbarkeit für die inneren Betriebsabläufe der neuen Hofstelle erforderlich oder zumindest vorteilhaft sei. Dazu sei klarzustellen, dass bei einer „ungemessenen“ Dienstbarkeit, deren Art und Umfang durch den Erwerbstitel nicht eindeutig bestimmt sei, im Rahmen der ursprünglichen oder vorhersehbaren Art ihrer Ausübung die jeweiligen Bedürfnisse des Berechtigten für den Rechtsumfang maßgeblich seien. Die Ausübungsschranken folgten dabei aus dem ursprünglichen Bestand und der ursprünglichen Benützungsart, wobei eine unzulässige Erweiterung der Dienstbarkeit in einer erheblich schwereren Belastung des dienenden Gutes zu erblicken sei. Nur solange eine ungemessene Dienstbarkeit innerhalb ihrer Schranken ausgeübt werde, fehle es an der eigenmächtigen Erweiterung. Eine Mehrbelastung des Dienenden müsse nur dann hingenommen werden, wenn schon bei der Bestellung der Dienstbarkeit an eine künftig entstehende Mehrbelastung gedacht gewesen sei oder nach den Umständen gedacht hätte werden müssen (vgl. VwGH 20.9.2012, 2009/06/0092).
20 Im vorliegenden Fall - so führte das Verwaltungsgericht in seiner Begründung weiter aus - lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass schon bei der Bestellung der Dienstbarkeit an die erst im Jahr 2012 errichtete neue Hofstelle gedacht worden sei oder gedacht hätte werden müssen. Unzweifelhaft stellte es auch eine erhebliche Mehrbelastung des dienenden Gutes dar, wenn die Felddienstbarkeit nicht mehr nur der Verbindung von Feldern mit der Hofstelle diente, sondern wenn die Dienstbarkeitsfläche in die inneren Betriebsabläufe der Hofstelle eingebunden werde. Die gegenständliche Felddienstbarkeit diene also nicht der Erschließung der neuen Hofstelle, sondern nur der Erschließung der Felder von der alten Hofstelle aus. Daher könne der Revisionswerber auch nicht mit der Osteinfahrt in das neue Wirtschaftsgebäude, mit der Zufahrt zur neuen Mistlagerstätte und mit dem Freihalten der neuen Asphaltfläche argumentieren. Ihm stehe es nicht zu, die Felddienstbarkeit durch Einbindung in die Betriebsabläufe der neuen Hofstelle eigenmächtig zu erweitern. Die inneren Betriebsabläufe der neuen Hofstelle seien nicht geeignet, ein schützenswertes Interesse an der Felddienstbarkeit zu begründen.
21 Mit der Felddienstbarkeit sei somit ausschließlich das schützenswerte Interesse verbunden, die berechtigten Felder von ihrer Hofstelle aus bestmöglich zu erschließen. Da die neue Hofstelle nunmehr in die berechtigten Felder integriert sei bzw. unmittelbar an diese anschließe, sei dieses Interesse weggefallen. Dem Revisionswerber verhelfe somit auch der Verweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. April 1986, Zl. 85/07/0331, zum Kärntner WWSLG nicht zum Erfolg, da dieser Entscheidung keine Hofzufahrt zugrunde gelegen sei, die erst durch eine eigenmächtige Erweiterung der Dienstbarkeit entstanden sei. Ohne weitere Bedeutung sei es auch, ob die berechtigten Felder von irgendwelchen anderen Grundstücken aus - etwa von der Wohnung oder anderen Liegenschaften des Revisionswerbers - möglicherweise etwas schneller erreicht werden könnten. Das Argument des Revisionswerbers, dass der Felddienstbarkeit noch einmal Bedeutung zukommen könnte, falls die berechtigten Grundstücke in Zukunft ein unterschiedliches rechtliches Schicksal erleiden sollten, sei schon allein deshalb nicht stichhaltig, da die Felddienstbarkeit ohnehin bloß geeignet sei, das Grst. Nr. 1791 unmittelbar zu erschließen, während die anderen beiden Grundstücke auch über die Gemeindestraße erschlossen seien.
22 Abschließend hielt das Verwaltungsgericht fest, dass die revisionsgegenständliche Felddienstbarkeit zur Erschließung der Felder allenfalls noch als „Bequemlichkeit“, nicht jedoch als schützenswertes Interesse im Sinne des WWSG zu werten sei.
23 Die ordentliche Revision sei nicht zulässig, weil sich die Entscheidung auf die zitierte Judikatur stütze. Darüber hinaus stelle die Frage des Vorliegens eines schützenswerten Interesses eine Frage des Einzelfalles dar.
24 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
25 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung mit den Anträgen, die Revision abzuweisen und ihr selbst den gesetzlich vorgesehenen Aufwandersatz zuzuerkennen.
26 Auch die mitbeteiligte Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie beantragte, die Revision kostenpflichtig zurück- bzw. abzuweisen.
27 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
28 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
29 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit der außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
30 Nach § 34 Abs. 3 VwGG ist ein Beschluss nach Abs. 1 in der jeder Lage des Verfahrens zu erfassen.
31 Nach der ständigen hg. Rechtsprechung ist in dem gemäß § 28 Abs. 3 VwGG bei einer außerordentlichen Revision gesondert vorzubringenden Gründen konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogen aufzuzeigen, welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung über die Revision zu lösen hätte. In den „gesonderten“ Gründen ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch nicht beantwortet hat. Die Beurteilung der Zulässigkeit der außerordentlichen Revision durch den Verwaltungsgerichtshof erfolgt ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulässigkeitsbegründung (vgl. VwGH 12.10.2022, Ra 2022/07/0167 bis 0181, mwN).
32 In der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision wird unter Zitierung von Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zunächst vorgebracht, dass die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden sei. Die Gutachten der agrarwirtschaftlichen Amtssachverständigen und des Privatsachverständigen widersprächen einander. Ohne nähere Begründung sei dem Gutachten der agrartechnischen Amtssachverständigen der Vorzug gegeben worden.
33 Zudem habe der Revisionswerber vorgebracht, dass die gegenständliche Felddienstbarkeit die kürzeste Zufahrt von seinem Wohnhaus zu den berechtigten Grundstücken darstellte. Darauf sei das Verwaltungsgericht überhaupt nicht eingegangen, sondern habe immer nur darauf Bezug genommen, dass sich die Hofstelle nicht mehr auf Grst. Nr. .17, sondern nunmehr auf Grst. Nr. 1791 befinde.
34 Ohne beweismäßige Grundlage komme das Verwaltungsgericht zum Schluss, dass es sich bei der nunmehrigen Ausübung der Felddienstbarkeit um eine unzulässige eigenmächtige Erweiterung, die für das dienende Grundstück eine unzumutbare Mehrbelastung darstellen würde, handle. Damit jedoch das Verwaltungsgericht solches feststellen könnte, müsste einerseits ermittelt werden, in welchem Ausmaß früher (als die Hofstelle noch auf Grst. Nr. .17 gewesen sei) im Rahmen der ursprünglichen oder vorhersehbaren Art ihrer Ausübung die Felddienstbarkeit zu benützen gewesen wäre und wie oft die Dienstbarkeitsfläche nunmehr für die ordnungsgemäße Bewirtschaftung im Sinne des vorgesehenen Gebäudekonzepts der neuen Hofstelle in Anspruch genommen werden müsste.
35 Es wäre auch entgegen den Ausführungen des Verwaltungsgerichtes die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. April 1986, 85/07/0331, für den gegenständlichen Fall relevant, wonach „die Wegservitut als zweite Hofzufahrt infolge ihres Richtungsverlaufes zur Tennenauffahrt und infolge der dadurch möglichen Vermeidung schwieriger Wendemanöver für die Landwirtschaft des Mitbeteiligten vorteilhaft ist“.
36 So habe der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung 85/07/0331 ausgesprochen, dass das bodenreformatorische Ziel der Gewinnung zusätzlicher landwirtschaftlich nutzbarer Flächen durch die Aberkennung nicht erreichbar wäre, weil der asphaltierte Servitutsweg auch im Fall der Aberkennung bestehen bleiben müsste, da er auch als Hofzufahrt für den dortigen Beschwerdeführer selbst diente.
37 Das Verwaltungsgericht käme in der gegenständlichen Entscheidung nur zu dem Ergebnis, dass „der Zweck der Felddienstbarkeit weggefallen sei“. Warum aber durch die Aberkennung der Felddienstbarkeit auch eine besser nutzbare landwirtschaftliche Nutzfläche entstehen sollte und sohin das bodenreformatorische Ziel der Gewährung zusätzlicher landwirtschaftlich nutzbarer Flächen erreicht werden könnte (VwGH 24.10.1995, 93/07/0135), führe das Verwaltungsgericht nicht aus.
38 Diesem Zulässigkeitsvorbringen ist Nachstehendes entgegenzuhalten:
39 Nach der ständigen hg. Rechtsprechung ist der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Auch unterliegt es der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichts, ob eine Beweisaufnahme notwendig ist. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG läge auch hier nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Ergebnis geführt hätte (vgl. zum Ganzen VwGH 20.10.2022, Ra 2021/07/0097 bis 0098, mwN).
40 Der Revisionswerber legte ein Privatgutachten vor und trat somit der agrarwirtschaftlichen Amtssachverständigen auf gleicher fachlicher Ebene entgegen. Dass in diesem Zusammenhang das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Weise vorgenommen hätte, trifft aus folgenden Überlegungen nicht zu:
41 Der Revisionswerber wendet sich in der Zulässigkeitsbegründung mit keinem Wort gegen die vom Verwaltungsgericht aus § 37 WWSG abgeleitete Rechtsansicht, wonach die Regulierung der gegenständlichen Felddienstbarkeit im Jahr 1970 nicht isoliert von der damaligen Hofstelle auf Grst. Nr. .17 gesehen werden könne. Es verwarf somit die Rechtsansicht des Revisionswerbers, wonach die Verlegung der Hofstelle für das Verfahren nach § 37 WWSG irrelevant sei, da die revisionsgegenständliche Felddienstbarkeit nicht mit der Hofstelle, sondern mit den berechtigten Grundstücken verbunden sei.
42 Nach der vom Revisionswerber unbekämpft gebliebenen Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtes war Wesenskern der Regulierung die landwirtschaftliche Nutzung der berechtigten Felder und somit ihre Verbindung zur Hofstelle der Stammsitzliegenschaft.
43 Unter dieser Prämisse setzte sich das Verwaltungsgericht sehr wohl mit dem Privatgutachten des Revisionswerbers auseinander, indem es diesem insoweit folgte, als die Ostseite des neuen Wirtschaftsgebäudes vom Süden aus ohne Felddienstbarkeit nur über die Manipulations- und Abstellfläche der neuen Hofstelle erreicht werden könne. Dieser Tatsache komme aber nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes deswegen keine Bedeutung zu, da die inneren Betriebsabläufe der neuen Hofstelle nicht geeignet seien, ein schützenswertes Interesse an der Felddienstbarkeit zu begründen.
44 Nach der unbekämpft gebliebenen Ansicht des Verwaltungsgerichts sei mit der Felddienstbarkeit ausschließlich das schützenswerte Interesse verbunden, die berechtigten Felder von der Hofstelle aus bestmöglich zu erschließen. Da die neue Hofstelle nunmehr in die berechtigten Felder integriert sei bzw. unmittelbar an diese anschließe, sei dieses Interesse weggefallen.
45 Im Lichte seines dargestellten Prüfungskalküls zur Beweiswürdigung geht der Verwaltungsgerichtshof somit nicht vom Vorliegen einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aus.
46 Entgegen den Behauptungen in den Zulässigkeitsausführungen ist das Verwaltungsgericht auf das Argument des Revisionswerbers, wonach die gegenständliche Felddienstbarkeit die kürzeste Zufahrt von seinem Wohnhaus zu den berechtigten Grundstücken darstelle, sehr wohl eingegangen. So wies es darauf hin, dass es angesichts der Irrelevanz der inneren Betriebsabläufe der neuen Hofstelle ohne weitere Bedeutung sei, ob die berechtigten Felder von irgendwelchen anderen Grundstücken aus - etwa von der Wohnung oder anderen Liegenschaften des Revisionswerbers - möglicherweise etwas schneller erreicht werden könnten.
47 Dies gründete das Verwaltungsgericht auf seine Rechtsansicht zum bodenreformatorischen Charakter der Felddienstbarkeit nach § 37 WWSG, wonach eben die Verlegung der Hofstelle des Revisionswerbers gerade nicht irrelevant sei. Diese Ansicht wurde in der allein maßgeblichen Zulässigkeitsbegründung vom Revisionswerber nicht bekämpft.
48 Wenn der Revisionswerber bemängelt, dass das Verwaltungsgericht ohne beweismäßige Grundlagen zu einer unzulässigen Erweiterung bei der nunmehrigen Ausübung der Felddienstbarkeit gekommen sei, bringt er wieder das „Gebäudekonzept der neuen Hofstelle“ ins Spiel. Dieses Gebäudekonzept erweist sich aber gerade aus den rechtlichen Überlegungen des Verwaltungsgerichtes, die vom Revisionswerber nicht in Zweifel gezogen werden, als kein schützenswertes Interesse an der Felddienstbarkeit.
49 Der Verweis des Revisionswerbers auf das hg. Erkenntnis vom 8. April 1986, 85/07/0331, geht schon aufgrund des völlig anders gelagerten Sachverhalts ins Leere. Diesem Erkenntnis lag zum einen keine Verlegung einer Hofstelle zugrunde. Zum anderen diente der asphaltierte Servitutsweg auch als Hofzufahrt für den Belasteten, womit er im Fall einer Aberkennung des Rechtes bestehen hätte bleiben müssen.
50 Die Behauptung des Revisionswerbers, das Verwaltungsgericht komme in der gegenständlichen Entscheidung nur „zum Ergebnis, dass der Zweck der Felddienstbarkeit weggefallen sei“, ist in dieser Allgemeinheit nicht zutreffend. Vielmehr war Wesenskern der Regulierung nach Ansicht des Verwaltungsgerichts die landwirtschaftliche Nutzung der berechtigten Felder und somit ihre Verbindung zur ehemaligen Hofstelle der Stammsitzliegenschaft. „Dieser Zweck“ sei durch die Verlegung der Hofstelle weggefallen.
51 Es kann nicht erkannt werden, dass die entsprechenden einzelfallbezogenen Beurteilungen des Vorliegens eines schützenswerten Interesses auf Fortbestand der revisionsgegenständlichen Felddienstbarkeit durch das Verwaltungsgericht in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden wären (vgl. VwGH 19.4.2021, Ra 2021/05/0064, mwN).
52 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
53 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
54 Bodenreformverfahren fallen in den Vollzugsbereich des jeweiligen Landes (vgl. die Hinweise auf die Kompetenzgrundlage in 301 BlgNR 26. GP 3). Kostenersatzanspruch im Sinn des § 47 Abs. 5 VwGG hätte daher das Land Tirol. Der Antrag der belangten Behörde auf Zuerkennung von Aufwandersatz an sich selbst war daher abzuweisen (vgl. VwGH 7.2.2023, Ra 2022/07/0021 bis 0022, mwN).
Wien, am 23. Februar 2023
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2023:RA2022070188.L00Im RIS seit
28.03.2023Zuletzt aktualisiert am
28.03.2023