TE OGH 2022/11/28 3R84/22k

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Veröffentlicht am 28.11.2022
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Das Oberlandesgericht Innsbruck hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Kohlegger als Vorsitzenden und den Richter des Oberlandesgerichts Dr. Engers und die Richterin des Oberlandesgerichts Dr. Pirchmoser als weitere Mitglieder des Senats in der Firmenbuchsache der zu FN A* in das Firmenbuch eingetragenen B* GmbH & Co KG über den Rekurs der Gesellschaft, vertreten durch Krüger/Bauer Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien (ON 3), gegen den Beschluss des Landes- als Handelsgerichts Feldkirch vom 4.8.2022, 12 Fr 941/22z-2, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen:

Spruch

Dem Rekurs, dessen Kosten die Rechtsmittelwerberin selbst zu tragen hat, wird k e i n e Folge gegeben.

Der (ordentliche) Revisionsrekurs ist n i c h t zulässig.

Text

begründung:

Im Firmenbuch ist zu FN A* die B* GmbH & Co KG (früher unter anderem C* KG, D* E* [Ersteintragung am 9.11.1983 unter HRA 2477]) mit dem Sitz in F* G*, H*, dem Geschäftszweig Hotelbetrieb und der Rechtsform (seit 29.11.2005) der Kommanditgesellschaft sowie der (unbeschränkt haftenden) I* B* GmbH (FN J*) und der Kommanditistin K* LIMITED mit dem Sitz in Zypern (CYP-1066 **, P.C. registriert im zypriotischen Gesellschaftsregister zu HE 160678) eingetragen. Die I* B* GmbH (FN J*) hat laut Firmenbuch denselben Sitz, dieselbe Geschäftsanschrift, den Geschäftszweig Holding Gesellschaft, die Alleingesellschafterin K* LIMITED und den unternehmensrechtlichen Geschäftsführer L*, F* G*, ** Top 1.

Mit Bericht des Bundesministeriums für Inneres Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst GZ DSN-S2-OE-4-2/18828/2022 (der beim Erstgericht am 27.7.2022 als ON 1 einlangte) wurde gemäß § 6 Abs 1 SanktG - soweit im vorliegenden Verfahren relevant - folgender Sachverhalt zur „allfälligen weiteren Veranlassung“ mitgeteilt:

Für die durch den Beschluss 2014/145/GASP (idF 2022/1272/GASP) [die den hier infolge des Anwendungsvorrangs anwendbaren VO {EU} Nr. 269/2014 und DVO {EU} Nr. 2022/1270 entsprechen] sanktionierte Person M* N* [in ON 1 auch O* geschrieben: wie in deren Anlage 1] besteht im Sprengel des LG Feldkirch das D* B* mit Niederlassung am H* in F* G* mit den Firmen B* GmbH & Co KG, B* P* [richtig: Q*] GmbH und Co KG R* B* GmbH, für welche der Sanktionierte als indirekter Eigentümer laut WiEReg aufscheint. Die Firmen werden laut Firmenbuch durch die K* LIMITED zu 100 % gehalten. Die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst ersucht um Mitteilung über die vom Landes- als Handelsgericht Feldkirch zu diesem Sachverhalt durchgeführten Maßnahmen. Diesem Bericht sind insgesamt acht Anlagen angeschlossen, unter anderem Firmenbuch- und Grundbuchsauszüge, ein Ausdruck des ABlEU vom 21.7.2022 L 2022/245 (2022/1272/GASP) sowie Auszüge aus dem Register der wirtschaftlichen Eigentümer des Bundesministeriums für Finanzen.

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 4.8.2022 ordnete das Erstgericht im Firmenbuch zu FN A* (unter der Lfd Nr 38) folgende amtswegige Eintragung an:

„Mitteilung des Bundesminsteriums für Inneres gemäß § 6

SanktG

vom 27.7.2022, GZ DSN-S2-OE-4-2-18828-2022

Das Vermögen bezüglich Person ist eingefroren

N* M* gem. EU-DurchführungsVO 2022/1270 zum Beschluss 2014/145/GASP“

Diese Eintragung wurde mittlerweile vollzogen (12 Fr 941/22z LG Feldkirch).

Mit Beschluss vom selben Tag verfügte das Erstgericht die inhaltsgleiche Eintragung zu 12 Fr 942/22a (unter Lfd Nr 11) bei der B* S* GmbH & Co KG (FN **) sowie zu 12 Fr 953/22t (unter Lfd Nr 35) bei der B* GmbH (FN J*).

Gegen die Eintragung bei der B* GmbH & Co KG (FN 94122z-2) richtet sich nunmehr der (im Zweifel rechtzeitige) Rekurs der Gesellschaft aus dem Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss ersatzlos aufzuheben und (gekürzt formuliert) dem Erstgericht den Vollzug der Löschung der Eintragung nach Rechtskraft aufzutragen. Überdies werden Rekurskosten von (insgesamt) EUR 3.089,52 verzeichnet (ON 3 S 2 und S 6 f).

Der Rekurs ist aus nachstehenden Erwägungen unbegründet:

Rechtliche Beurteilung

1.: Das Rechtsmittel macht geltend, dass die Gesellschaft seit 13.4.2022 - über mehrere andere Gesellschaften in Zypern und Russland letztlich im 99,99 %igen Eigentum der T* U* stehe, deren Aktien nur zu 41 % vom sanktionierten M* N* gehalten würden (ON 3 S 3 f inklusive Grafik). Die Rekurswerberin bestreitet gar nicht, dass die Aktien der russischen U* T* nur von M* N* (41 %) und zwei weiteren Aktionären gehalten werden und zwischen der U* T* - über weitere russische Gesellschaften - eine lückenlose Eigentümerkette (mit 100 bzw 99,9 %) bis zur Kommanditistin und zur Alleineigentümerin der Komplementärin je also der K* LIMITED mit Sitz auf Zypern besteht.

1.1.: Im Rekursverfahren wird für ua letztlich die 41 %-Beteiligung als Beilage C eine Bescheinigung des zypriotischen Handelsregisters zu HE 160678 (die laut Firmenbuch die Komplementärin der Gesellschaft und die Kommanditistin und Alleingesellschafterin der B* GmbH [FN J*] ist) vorgelegt. Diese Bestätigung datiert vom 17.8.2022, also nach der bekämpften Verfügung. Weder aus der Registerbestätigung des zypriotischen Handelsregisters zu HE 160678 noch aus den angeschlossenen Apostillen laut Beilage C ergibt sich, dass die dort und im Rekurs als 100 %-Eigentümerin (der K* LIMITED) ausgewiesene „LLC V* D* W*“ bereits zum Zeitpunkt der bekämpften Entscheidung (4.8.2022) Eigentümerin der K* LIMITED gewesen wäre. Die gesamte (weitere) Eigentümerkette, die im Rekurs dargestellt wird und mit den Beilagen bescheinigt werden soll (LLC X* [russisches Handelsregister OGRN 1069670164959] gehalten zu 100 % von der LLC Y* [russisches Handelsregister OGRN 1122373002146] zu 99,99 % gehalten von der T* U* [russisches Handelsregister OGRN 1122373002080] diese gehalten von Z* [10 % der Aktien], I* [49 % der Aktien] und M* BA* N* [41 % der Aktien]) kann daher im vorliegenden Rekursverfahren - mangels Bescheinigung der Eigentümerkette zum Zeitpunkt der bekämpften Entscheidung - nicht mehr berücksichtigt werden: Es handelt sich bei der Bestätigung vom 17.8.2022 nicht um „nova reperta“ (zum Zeitpunkt der Fassung des Beschlusses erster Instanz bereits vorhandene Tatsachen im Sinn des § 49 Abs 2 AußStrG), sondern um „nova producta“, also Tatsachen, die im Sinn des § 49 Abs 3 AußStrG erst nach der Fassung des erstinstanzlichen Beschlusses eingetreten sind. Diese sind nicht mehr zu berücksichtigen, wenn sie ohne wesentlichen Nachteil zum Gegenstand eines neuerlichen Antrags gemacht werden können (G. Kodek in Gitschthaler/Höllwerth [Hrsg] AußStrG² [2019] § 49 AußStrG Rz 26): Bereits nach dem Wortlaut der Regierungsvorlage zum SanktG (EB 656 BlgNR 24. GP S 8 zu Art I § 6 aE) und nach allgemeinen Grundsätzen (ausführlicher G. Kodek in Kodek/Nowotny/Umfahrer FBG [2005] § 10 Rz 16, 40; Pilgerstorfer in Artmann UGB³ Bd 1.1 [2019] § 10 FBG Rz 3) kann jedenfalls die rekurswerbende Gesellschaft einen Löschungsantrag bei Änderung der Verhältnisse einbringen. Nach dem Gesetzeswortlaut im Zusammenhang mit den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (dort S 8 zu Art I § 6) kommt möglicherweise auch eine Anregung beim BMI/DSN in Betracht, dieses wolle eine Verständigung des Firmenbuchgerichts im Sinn des § 6 Abs 3 SanktG durchführen, die dann um eine amtswegige Löschung der Eintragung durch das Firmenbuchgericht nach § 3 Abs 1 Z 16 FBG mündet. Zusammengefasst kann daher auf die Ausführungen des Rekurses zur neuen Eigentümerkette, weil sie auf einer Bestätigung vom 17.8.2022 im Sinn des § 49 Abs 3 AußStrG basiert und jedenfalls der Gesellschaft ein Löschungsantrag nach § 10 Abs 1 FBG möglich wäre (wofür - dies sei den tieferstehenden Ausführungen bereits vorweggenommen - der Inhalt des Rekurses bei weitem nicht hinreicht und es an Erhebungen des Firmenbuchgerichts dazu fehlen würde) offensteht. Der Rekurs scheitert daher in seinem größten Teil schon aus diesem formellen Grund und vermag mit dem Argument der neuen Eigentümerkette die Eintragung des Erstgerichts nicht zu erschüttern.

1.2.: Es bleibt noch der Hinweis im Rekurs zu behandeln, wonach das Register der wirtschaftlichen Eigentümer mittlerweile den Geschäftsführer der Rekurswerberin als wirtschaftlichen Eigentümer ausweist: Die Ausführungen im Rekurs dazu, dass - mit Verweis auf Beilagen I und J - (seit 13.4.2022) keine natürliche Person mehr als „echter“ oder indirekter wirtschaftlicher Eigentümer festgestellt werden könne und die BB* GmbH gemäß § 2 Abs 1 lit b WiEReG iVm Erwägungsgrund 13 der RL 2015/849 subsidiär den Alleingeschäftsführer der Rekurswerberin als wirtschaftlichen Eigentümer der Rekurswerberin in das Register der wirtschaftlichen Eigentümer eingetragen habe (ON 3 S 5) geht jedoch ebenfalls ins Leere:

1.2.1.: Diesem Argument ist zunächst zu erwidern: Ziel der RL (EU) 2015/849 ist die Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems der Union zum Zweck der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung. Dieses Ziel kann nur wirkungsvoll verfolgt werden, wenn das Umfeld für Betrüger ungünstig ist (EuGH 22.11.2022, verb Rs C-37/20, 601/20, WM und Sovim SA/Luxembourg Business Registers, ECLI:EU:C:2022:912 Rn 55). Der EuGH hat zur RL 2005/60/EG, die der im Rekurs zitierten RL (EU) 2015/849 entspricht, ferner ausgesprochen, dass die Bestimmungen der 

RL 2005/60/EG insgesamt einen präventiven Charakter aufweisen und darauf abzielen, gemäß einem risikobasierten Ansatz eine Gesamtheit von Vorbeugungs- und Abschreckungsmaßnahmen vorzusehen, die es ermöglichen, Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung effizient zu bekämpfen und die Stabilität und Integrität des Finanzsystems zu gewährleisten. Die Maßnahmen sollen so weit wie möglich diese Tätigkeiten verhindern oder zumindest einschränken, indem zu diesem Zweck in allen Stadien, die diese Tätigkeiten umfassen können, Schranken gegen Geldwäscher und Geldgeber des Terrorismus errichtet werden (EuGH 2.9.2021, C-790/19, Parchetul de pe lâng? Tribunalul Bra?ov/LG ua, ECLI:EU:C:2021:661 Rn 45, 68; 17.1.2018, C-676/16, Corporate Companies, ECLI:EU:C:2018:13, Rn 26). Demgegenüber zielen die hier einschlägigen VO (EU) Nr. 269/2014 und (EG) Nr. 2580/2001 soweit im Firmenbuch relevant primär auf das Einfrieren von allen Vermögenswerten ukrainekriegs- und terrorismusfördernder ua natürlicher und juristischer Personen ab (näher unten ErwGr 2.4. ff). Insofern verfolgen die RL (EU) 2015/849 und die erwähnten beiden Sanktionen-VO unterschiedliche Zielsetzungen, was die Anwendung der RL und ihrer nationalen (österreichischen) Umsetzung (WiEReG) nicht zulässt (vgl EuGH Rs Luxembourg Business Registers Rn 87). Sofern überhaupt eine Verbindung dieser drei Rechtsakte erkennbar sein soll, stellt die RL (EU) 2015/849 eine gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung gerichtete Spezialnorm dar, deren Anwendungsbereich hier nicht eröffnet ist, weil in diesem Rekursverfahren eine ins Firmenbuch eingetragene Personengesellschaft eingefroren wird. Die Eintragung eines wirtschaftlichen Eigentümers in das WiEReG nach nationalen Bestimmungen in Umsetzung der hier nicht anwendbaren Spezialnorm steht daher der Anwendung des § 6 SanktG auf der Grundlage der allgemeineren beiden unmittelbar geltenden Sanktionen-VO nicht entgegen. Diese Spezialität der RL (EU) 2015/849 und des sie umsetzenden WiEReG und der VO (EU) Nr. 269/2015 und dem sie umsetzenden SanktG spiegelt sich auch in § 1 SanktG, das nur mangels anderer bundesgesetzlicher Regelung (und die liegt nur bezüglich des WiEReG vor) gilt. Außerdem wird in § 2 Z 1 lit a sublit bb WiEReG als wirtschaftlicher Eigentümer bereits eine Person mit einem Aktienanteil von 25 % definiert.

1.2.2.: Zudem gilt: Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union sind die

im Rekurs ausschließlich zitierten Erwägungsgründe (hier RL [EU] 2015/849) eines Unionsrechtsakts

nicht rechtlich

verbindlich (EuGH 24.2.2022, C-262/20, VB/Glavna direktsia „Pozharna bezopasnost i zashtita na naselenieto“, ECLI:EU:C:2022:117 Rn 34; 16.2.2022, C-156/21, Ungarn/Europäisches Parlament ua, ECLI:EU:C:2022:97, Rn 191 und 332; 19.12.2019, C-418/18 P, Puppinck ua/Kommission, ECLI:EU:C:2019:1113, Rn 76; 20.1.2022, C-165/20, ET als Insolvenzverwalter der Air Berlin PLC & Co. Luftverkehrs KG/Bundesrepublik Deutschland, ECLI:EU:C:2022:42 Rn 55). Sie können weder geltend gemacht werden, um von den Bestimmungen dieses Rechtsakts abzuweichen, noch, um diese Bestimmungen in einem Sinn auszulegen, der ihrem Wortlaut zuwiderliefe (EuGH Rs ET Rn 55 ; 11.11.2021, C-315/20, Regione Veneto /Plan Eco Srl, ECLI:EU:C:2021:912 Rn 28; 25.3.2021, C-501/18, Balgarska Narodna Banka, ECLI:EU:C:2021:249, Rn 90 mwH; 19.6.2014, C-345/13, Karen Millen Fashions, ECLI:EU:C:2014:2013, Rn 31; 25.11.2020, C-303/19, Istituto nazionale della previdenza sociale [Familienleistungen für langfristig Aufenthaltsberechtigte], ECLI:EU:C:2020:958 Rn 26). Sie können lediglich den Inhalt der Bestimmungen des Rechtsakts präzisieren und Auslegungselemente liefern, die den Willen des Urhebers des Rechtsakts erhellen können (EuGH Rs Regione Veneto Rn 28; Rs Balgarska Narodna Banka Rn 90 mwH). Insbesondere Ziel und Zweck der RL (EU) 2015/849 hat der EuGH jedoch bereits in den bereits genannten Rs Luxembourg Business Registers und Parchetul de pe lâng? Tribunalul Bra?ov ausgelegt, sodass es des Rückgriffs auf den im Rekurs zitierten Erwägungsgrund 13 dieser RL nicht mehr bedarf, um den bezüglichen Willen des EU-Gesetzgebers zu ermitteln.

1.2.3.: Auch die im Rechtsmittel zitierte Norm des WiEReG und der dort erwähnte Erwägungsgrund 13 RL (EU) 2015/849 stehen der angefochtenen Eintragung nicht im Weg.

1.3.: Schon aus diesen Erwägungen war dem Rekurs der Erfolg zu versagen.

2.: Der Rekurs erweist sich aber auch im Übrigen, nämlich soweit er erkennbar den Bericht ON 1 kritisiert, als inhaltlich unbegründet: Der Bericht ON 1 samt Anlagen erfüllt nämlich insgesamt letztlich alle in der Judikatur für eine Mitteilung nach § 6 Abs 1 SanktG aufgestellten Erfordernisse:

2.1.: Art 2 Abs 1 der (auf der politischen Einigung der Mitgliedstaaten mit Beschluss [Art 29 EUV, Art 288 Abs 4 AEUV] 2014/45/GASP vom selben Tag basierenden, auf die Kompetenzgrundlage des Art 215 AEUV gestützten) VO (EU) Nr. 269/2014 (konsolidierte Fassung CELEX-Dok-Nr 0214R0269) über restriktive Maßnahmen angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen werden ordnet ua an: Sämtliche wirtschaftlichen Ressourcen, die Eigentum oder Besitz der in Anhang I aufgeführten natürlichen oder juristischen Personen, Einrichtungen oder Organisationen oder der dort aufgeführten mit diesen in Verbindung stehenden natürlichen oder juristischen Personen, Einrichtungen oder Organisationen sind oder von diesen gehalten oder kontrolliert werden, sind eingefroren. Gemäß Art 2 Abs 2 dieser VO dürfen den in Anhang I aufgeführten natürlichen oder juristischen Personen, Einrichtungen oder Organisationen oder den dort aufgeführten mit diesen in Verbindung stehenden natürlichen oder juristischen Personen, Einrichtungen oder Organisationen weder unmittelbar noch mittelbar ua wirtschaftliche Ressourcen zur Verfügung gestellt werden oder zugute kommen. Nach Art 1 lit d der zitierten VO sind „wirtschaftliche Ressourcen“ Vermögenswerte jeder Art, unabhängig davon, ob sie materiell oder immateriell, beweglich oder unbeweglich sind, bei denen es sich nicht um Gelder handelt, die aber für den Erwerb von Geldern, Waren oder Dienstleistungen verwendet werden können. Im Sinn des Art 1 lit e dieser VO bedeutet „Einfrieren von wirtschaftlichen Ressourcen“ die Verhinderung der Verwendung von wirtschaftlichen Ressourcen für den Erwerb von Geldern, Waren oder Dienstleistungen, die auch den Verkauf, das Vermieten oder das Verpfänden dieser Ressourcen einschließt, sich aber nicht darauf beschränkt. Die Mitgliedstaaten müssen nämlich infolge Art 15 Abs 1 der zitierten VO einerseits für Verstöße gegen diese Verordnung Sanktionen, gegebenenfalls auch strafrechtliche Sanktionen, festlegen und andererseits alle zur Sicherstellung ihrer Anwendung erforderlichen Maßnahmen treffen. Die vorgesehenen Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. Darunter fallen also jedenfalls Maßnahmen wie die hier interessierenden nach dem noch zu erörternden vom Erstgericht angewendeten § 6 Abs 2 SanktG. Die Mitgliedstaaten haben ferner geeignete Maßnahmen zur Einziehung der Erträge aus solchen Verstößen zu ergreifen.

2.1.1.: Die VO (EU) Nr. 269/2014 über restriktive Maßnahmen angesichts der Lage in der Ukraine ist - wie alle Verordnungen iS Art 288 Abs 2 AEUV - in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat (Art 288 Abs 2 AEUV: W. Schroeder in Streinz EUV/AEUV³ [2018] Art 288 AEUV Rz 42 ff).

2.1.2.: Gemäß Art 1 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 2022/1270 des Rates vom 21.7.2022 (zur Durchführung der VO [EU] Nr. 269/2014 über restriktive Maßnahmen angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen), kurz DVO (EU) 2022/1270, ABlEU 2022 L 193/136, werden die in deren Anhang aufgeführten Personen und die dort angeführten Einrichtungen ebenfalls in die Liste in Anh I der VO (EU) Nr. 269/2014 aufgenommen.

2.1.3.: Gemäß (ABlEU)Seite 155 dieses vorzitierten Anhangs, Tabelle, Eintragung Nummer 1202. DVO (EU) 2022/1270 ist „M* O* [angegeben ist auch der vom Erstgericht und im Rechtsmittel verwendete Name im kyrillischen Schriftzug mit „u“] der BC* BD* BE*, des Eigentümers des Konzerns BF*, zu dem auch die BG*, ein wichtiger Lieferant von Waffen und militärischer Ausrüstung für die russischen Streitkräfte, gehört. BD* BH* hat seinem BC* M* O* erhebliche Vermögenswerte übertragen, darunter mehrere Immobilien in Frankreich über eine Holdinggesellschaft im Eigentum von O*, ein Hotel in G* (Österreich) über die in Russland ansässige BI* V* D* W* LLC im Eigentum von O* sowie die Kontrolle über die Gesellschaft BJ* Limited. O* kontrolliert ferner die Gesellschaft BK* LLC, Eigentümerin eines Herrenhauses in **, das mit BD* BH* in Verbindung steht. M* O* ist somit eine natürliche Person, die mit einer gelisteten Person in Verbindung steht, die für Handlungen oder politische Maßnahmen, die die territoriale Unversehrtheit, die Souveränität und die Unabhängigkeit der Ukraine oder die Stabilität oder die Sicherheit in der Ukraine untergraben oder bedrohen, verantwortlich ist, solche Handlungen oder politischen Maßnahmen unterstützt oder sie umsetzt.“

2.1.4.: Nach dem Inhalt der zitierten DVO muss sich also aus der Mitteilung gemäß § 6 Abs 1 SanktG ON 1 nur noch eine im Sinn des Anwendungsvorrangs genießenden Art 2 VO (EU) Nr. 269/2014 ausreichende Zurechnung/Verbindung der Rekurswerberin mit M* N* oder einer seiner in der DVO erwähnten Gesellschaften (der [Holdinggesellschaft] V* D* W* LLC oder BK* LLC) ergeben, weil er (allenfalls über die in der DVO genannten Gesellschaften) nach der DVO einen der vielen Hotelbetriebe in F* G* (H*) betreibt. Diese Verbindung besteht hier aus nachstehenden Gründen:

2.2.: Bei der Auslegung von sekundärrechtlichen Unionsnormen sind ihr Text/Wortlaut im gewöhnlichen Sinn, ihr Kontext/Zusammenhang, ihr Ziel und ihr Zweck (in Österreich vergleichbar Wortinterpretation, systematische Auslegung, teleologische Auslegung) heranzuziehen (EuGH 15.9.2022, C-22/21, SRS und AA/Minister for Justice and Equality, ECLI:EU:C:2022:683 Rn 19 ff; 27.1.2022, C-347/20, SIA „Zin?tnes parks”/Finanšu ministrija, ECLI:EU:C:2022:59 Rn 42 ff). Gegebenenfalls können sich auch aus der Entstehungsgeschichte der Bestimmung (in Österreich: historische Auslegung) relevante Anahltspunkte für ihre Auslegung ergeben (EUGH 13.10.2022, C-64/21, Rigall Arteria Management sp. z o.o. sp. k./Bank Handlowy w Warszawie S.A., ECLI:EU:C:2022:783 Rn 31 ff). Nach diesen Kriterien sind die erforderlichen Auslegungen der VOen (EU) Nr. 269/2014 und (EG) Nr. 2580/2001 für das Rekursgericht eindeutig möglich. Es liegt ein „acte clair“ iS der CILFIT-Kriterien (EuGH 6.10.1982, C-283/81, Srl C.I.L.F.I.T./Ministerio della Sanità, ECLI:EU:C:1982:335 Rn 13 ff) vor, sodass es einer Vorlage an den EuGH (Art 267 AEUV) hier nicht bedurfte, zumal diese Auslegung nur für die Eventualbegründung maßgebend ist.

2.3.: Betroffen sind nach dem Wortlaut des Art 2 Abs 1 iVm Art 1 lit d VO (EU) Nr. 269/2014 „wirtschaftliche Ressourcen“, also ua bewegliche und unbewegliche Vermögenswerte. Darunter zählen also jedenfalls in das Firmenbuch eingetragene Rechtsträger (vgl OLG Wien ua 6 R 143/19x, 6 R 133/19a oder 6 R 132/19d).

2.4.: Das nach ihrem Art 2 Abs 1 und ihrem Erwägungsgrund 4 intendierte „Einfrieren“ der Vermögenswerte bedeutet nach Art 1 lit e VO (EU) Nr. 269/2014 die Verhinderung ihrer Verwendung auf jedwede Art, wie sich aus der nicht erschöpfenden Aufzählung (arg.: „nicht darauf beschränkt“) in Abs 1 lit e klar ergibt. Damit sind iVm Art 15 der zitierten VO jedenfalls hier Maßnahmen nach § 6 Abs 1 und 2 SanktG gedeckt.

2.5.: Die dort in Art 2 (Abs 1 und 2) verwendeten Begriffe (ua) „Eigentum“ und „kontrollieren“ sind in VO (EU) Nr. 269/2014 nicht definiert. Da sich die VO aber nach ihrem Art 2 Abs 1 iVm ihren Erwägungsgründen 3 und 4 gegen Vermögenswerte ukrainekriegsfördernder ua natürlicher oder juristischer Personen, Einrichtungen und Organisationen wendet, kann zur Verwirklichung dieses Ziels und Zwecks die - ausweislich deren Art 2 Abs 1 lit a und deren Erwägungsgründe 3 und 4 - gegen Vermögenswerte von terrorismusfördernden ua natürlichen oder juristischen Personen, Einrichtungen und Organisationen gerichtete VO (EG) Nr. 2580/2001 (konsolidierte Fassung CELEX-Dok-Nr 02001R2580) des Rates vom 27.12.2001 über spezifische, gegen bestimmte Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus, ABlEG 2001 L 344 vom 28.12.2001 herangezogen werden (Leitlinien zur Umsetzung und Evaluierung restriktiver Maßnahmen [Sanktionen] im Rahmen der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU, Dok. 5664/18 [im folgenden kurz Rat Dok. 5664/18] Nummern 55b und 55c und FN 18; siehe ebenso auch im Ergebnis ErläutRV 656 BlgNr 24. GP, S 5 zu Art I § 1 SanktG; 3 Ob 166/20p Rn 22; OLG Wien 6 R 132/19d ErwGr 2.3.3.; vgl den Hinweis auf die Definitionen nach Art 1 dieser VO in 5 Ob 134/19w ErwGr 5.5. [betreffend eine Sanktionsmaßnahme nach § 6 Abs 2 SanktG im Grundbuch]).

2.6.: Art 1 der VO (EG) Nr. 2580/2001 des Rates vom 27.12.2001 (konsolidierte Fassung CELEX-Dok-Nr 02001R2580) enthält unter anderem folgende Begriffsbestimmungen:

Z 5: „Eigentum an einer juristischen Person, Vereinigung oder Körperschaft“ ist der Besitz von mindestens 50 % der Eigentumsrechte oder eine Mehrheitsbeteiligung an der juristischen Person, Vereinigung oder Körperschaft.

Z 6: „Kontrolle über eine juristische Person, Vereinigung oder Körperschaft“ ist

  • -
    das Recht, die Mehrheit der Mitglieder des Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans der juristischen Person, Vereinigung oder Körperschaft zu bestellen oder abzuberufen;
  • -
    die Tatsache, allein durch die Ausübung seiner Stimmrechte die Mehrheit der Mitglieder des Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgans der juristischen Person, Vereinigung oder Körperschaft für das laufende oder das vorhergehende Geschäftsjahr bestellt zu haben;
  • -
    die alleinige Verfügung oder die Mehrheit der Stimmrechte der Anteilseigner bzw Mitglieder der juristischen Person, Vereinigung oder Körperschaft aufgrund einer Vereinbarung mit anderen Anteilseignern bzw Mitgliedern derselben;
  • -
    das Recht, auf die juristische Person, Vereinigung oder Körperschaft einen beherrschenden Einfluss aufgrund eines mit dieser juristischen Person, Vereinigung oder Körperschaft geschlossenen Vertrags oder aufgrund einer in ihrer Gründungsurkunde oder Satzung niedergelegten Bestimmung auszuüben, sofern das Recht, dem die juristische Person, Vereinigung oder Körperschaft unterliegt, es zulässt, dass diese solchen Verträgen oder Bestimmungen unterworfen wird;
  • -
    die Befugnis, von dem Recht zur Ausübung eines beherrschenden Einflusses im Sinn des d) Gebrauch zu machen, ohne dieses Recht selbst innezuhaben;
  • -
    das Recht, alle oder einen Teil der Vermögenswerte der juristischen Person, Vereinigung oder Körperschaft zu verwenden;
  • -
    die Führung der Geschäfte der juristischen Person, Vereinigung oder Körperschaft auf einer einheitlichen Grundlage mit Erstellung eines konsolidierenden Abschlusses;
  • -
    die gesamtschuldnerische Erfüllung der finanziellen Verbindlichkeiten der juristischen Person, Vereinigung oder Körperschaft oder das Bürgen für sie.

Dabei genügt bereits die Erfüllung eines dieser Kriterien, um davon ausgehen zu können, dass die juristische Person oder Organisation von einer anderen natürlichen/juristischen Person oder Organisation kontrolliert wird (Rat Dok. 5664/18 Nummer 55b aE). Die Kontrolle im Sinn der genannten Kriterien kann dabei von Letzteren allein oder mit einem anderen Anteilseigner oder mit einem Dritten ausgeübt werden (Rat Dok. 5664/18 Nummer 55b bei FN 18).

2.7.: Nach dem klaren Text und Kontext von Art 2 Abs 1 VO (EU) Nr. 269/2014 steht ua „Eigentum“ dem „kontrollieren oder halten“ (arg.: „oder“) gleich (ebenso Rat Dok. 5664/18 Nummern 55a aE und 55b aE). Die Kontrolle wird zunächst von Art 1 Z 6 VO (EG) Nr. 2580/2001 definiert. Kontrolle bedeutet nun Beherrschung, Gewalt, Herrschaft, Machtausübung (Duden Synonymwörterbuch7 [2019] 564L; Duden Bedeutungswörterbuch5 [2018] 589R). Unter Z 6 fallen zahlreiche Kriterien, ua die Ausübung eines beherrschenden Einflusses über die Gesellschaft, ohne eine diesbezügliche Rechtsposition iS lit d zu verfügen; das ist mit anderen Worten die alles andere überragende Wirkung, die - im Gegensatz (Zusammenhang) zu lit d - nicht persönlich, sondern über Dritte - letztlich faktisch - angewendet oder innegehabt wird (vgl Rat Dok. 5664/18 Nummer 55b bei FN 18; Duden Synonymwörterbuch7 160R [ausüben], 181R [beherrschen], 292R [Einfluss]; Duden Bedeutungswörterbuch5 170R [ausüben], 194R [beherrschen], 312R [Einfluss]); und nach lit f das faktische Verwendungsrecht an ua der juristischen Person, das ist in anderer Diktion die - im Gegensatz (Zusammenhang) zu lit b und c oder g - nicht in der inneren Gesellschaftsstruktur oder - im Gegensatz zu lit c oder d - einem Vertrag mit der Gesellschaft angelegte/wurzelnde Macht/Weisungsbefugnis (Duden Synonymwörterbuch7 1023L und Bedeutungswörterbuch5 1078R [je Verwendung]); wovon immer ein Kriterium allein bereits zur Verwirklichung der Kontrolle genügt (Rat Dok. 5664/18 Nummer 55b aE). Die VO (EG) Nr. 2580/2001 erging - ausweislich ihrer Erwägungsgründe 3, 4 und 10 und der Entscheidung in der Rs Rat/Hamas (EuGH 26.7.2017, C-79/15 P, Rat der Europäischen Union/Hamas, ECLI:EU:C:2017:584 ua Rn 2) - auch mit dem Ziel der Umsetzung der Resolution des UN-Sicherheitsrats 1373 (S/RES/1373 [2001], S/INF/57 S 316 ff, ua digital veröffentlicht in deutscher Übersetzung auf BL*). Denn alle einschlägigen Sanktionen-VO der Union mit restriktiven Maßnahmen gegen Drittländer, Organisationen oder Einzelpersonen auf der Rechtsgrundlage des Art 215 AEUV dienen ua auch der Umsetzung der einschlägigen UN-SR-RES (Rat Dok. 5664/18 Nummern 44, 46, 48-50, 55a sowie FN 11). Die Resolution 1373 wurde - wie ua in Erl 656 BlgNR 24. GP 4 f zu Art I § 2 und in Erwägung 1 (S 192) Ziffer 43 UN-SR-RES 1904 ebenfalls festgehalten - mittlerweile ergänzt durch die Resolution 1904 (S/RES/1904 [2009], S/INF/65 S 192 ff, ua digital veröffentlicht in deutscher Übersetzung auf BL*). Die Resolutionen des UN-Sicherheitsrats nach Art 25 SVN (Satzung der Vereinten Nationen) sind die einzigen völkerrechtlich verbindlichen Rechtsakte der VN (Rat Dok. 5664/18 Nummer 38; Reinisch [Hrsg] Österreichische Handbuch des Völkerrechts Bd I [2021] Rz 466, 1011, 1404). Diese UN-SR-Resolutionen können sogar - wenn dies klar genug aus Wortlaut und Umständen der Beschlussfassung hervorgeht - Individuen binden (Reinisch Rz 466 mwH). Aufgrund der auch die Union und ihre Organe bindenden Pflicht zur Loyalen Zusammenarbeit iS Art 4 Abs 3 UAbs 1 EUV (Streinz in Streinz [Hrsg] EUV/AEUV³ [2018] Art 4 Rz 4, 30) verpflichten die an sich an die Mitgliedstaaten gerichteten und für diese bindenden Resolutionen des UN-Sicherheitsrats auch die Union, obwohl sie selbst nicht Mitglied der UN ist (siehe zB EuGH Rs Rat/Hamas Rn 2, 6, 44 ua zu VO [EG] Nr. 2580/2001). Diese UN-SR-RES 1373 und 1904 binden also nicht nur Österreich (und dessen staatliche Gerichte etwa im Rahmen der völkerrechtskonformen Auslegung) sondern auch - über Art 4 Abs 3 UAbs 1 EUV - die EU (Rat Dok. 5664/18 Nummern 3, 38, 46), sodass sie bei der Auslegung der VO (EG) Nr. 2580/2001 heranzuziehen sind (siehe ua Rs Rat/Hamas Rn 2, 6, 44). Da die VO (EG) Nr. 2580/2001 und die UN-SR-RES 1373 (dort Erwägungen Absatz 3 und 4 [S 316]) und 1904 (dort Erwägungen Absatz 2, 3 und 7 [S 192]) eine „Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit“ bekämpfen und das „naturgegebene Recht zur individuellen und kollektiven Selbstverteidigung laut UN-Charta“ (deren Art 51) bekräftigen (UN-SR-RES 1373 Erwägungen Absatz 4 [S 316]) wollen, stehen sie in Einklang mit den in deren Erwägungsgründen 1 bis 3 zum Ausdruck kommenden insoweit identen Zielen der VO (EU) Nr. 269/2014. Die Auslegung der Kriterien der nicht persönlichen, sondern über Dritte erfolgenden faktischen „Ausübung beherrschender Stellung ohne entsprechende Rechtsposition“ (Art 1 Z 6 lit e) und das, nicht in der Gesellschaftsstruktur oder einem Vertrag mit dieser angelegte zB faktische „Verwendungsrecht“ (Art 1 Z 6 lit f) in VO (EG) Nr. 2580/2001 sind daher auch im Sinn der Ziffer 1 a) UN-SR-RES 1904 (S 193) zu verstehen (EBzRV S 6 Art I § 2), die „Kontrolle“ - wie zB Rat Dok. 5664/18 Nummern 55b bei FN 18 und 55d über die indirekte Bereitstellung durch nicht sanktionierte (verbundene) Dritte - weit - auch in wirtschaftlichem Sinn - als direkte oder indirekte = auf Umwegen oder mittelbar - auch verdeckt („hinten herum“) - ausgeübte Kontrolle (Duden Synonymwörterbuch7 517R und Bedeutungswörterbuch5 532R [je indirekt]), auch über Personen, die in ihrem Namen und auf ihre Anweisung handeln, definiert und von den Staaten verlangt sicherzustellen, dass ua wirtschaftliche Ressourcen keinesfalls von ihren Staatsangehörigen oder auf ihrem Hoheitsgebiet befindlichen (natürlichen oder juristischen) Personen zur Verfügung gestellt werden. Damit wird also auch die verdeckte, mittelbar/auf Umwegen erfolgende Machtausübung erfasst. Ua fand dieser weite Kontrollbegriff nach UN-SR-RES 1904 (2009) etwa durch „im Namen und auf Anweisung handelnde Personen“ auch Eingang in die § 2 Abs 1 Z 1 lit c und Schlusssatz sowie Z 2 SanktG. Die „verbundenen“ Personen und Einrichtungen sind im Sinn der UN-SR-Sanktionen 1373 (2001) und 1904 (2009) nach ihrem tatsächlichen Handeln zu identifizieren: ZB also der Beteiligung an Finanzierung oder Planung sowie Erleichterung, Verbreitung oder Begehung sonstiger Aktivitäten zwecks Unterstützung sanktionierter Personen (EVzRV S 6 zu Art I S 2). Diese Auslegung entspricht überdies dem Ziel der VO (EG) Nr. 2580/2001, ihre Umgehung zu erschweren (siehe deren Erwägungsgrund 10).

2.8.: Das als Sanktion iS Art 15 der VO (EU) Nr. 269/2014 anzusehende und in Umsetzung der VO (EG) Nr. 2580/2001 und mittelbar der UN-SR-RES 1373 (2001) und 1904 (2009) mit Änderungen/Erweiterungen neuverlautbarte (siehe EBzRV S 1, 5 f zu Art I § 2) Sanktionengesetz 2010, BGBl I 36/2010 (SanktG), regelt nach dessen § 1 die Durchführung völkerrechtlich verpflichtender Sanktionsmaßnahmen der Vereinten Nationen oder der Europäischen Union einschließlich unmittelbar anwendbarer Sanktionsmaßnahmen der Europäischen Union, soweit diese nicht in einem anderen Bundesgesetz geregelt ist.

2.8.1.: Nach § 2 Abs 1 SanktG ist die Österreichische Nationalbank (Rechtsabteilung
** Platz **, **), soweit dies zur Erfüllung von völkerrechtlich verpflichtenden Sanktionsmaßnahmen der Vereinten Nationen oder der Europäischen Union erforderlich ist, ermächtigt, durch Verordnung oder Bescheid folgende Maßnahmen anzuordnen:

  • -
    das Einfrieren von Vermögenswerten von
    • -
      Personen, die terroristische Handlungen begehen, zu begehen versuchen oder sich an deren Begehung beteiligen oder diese erleichtern sowie von sonstigen Personen oder Einrichtungen, gegen die Sanktionsmaßnahmen der Vereinten Nationen oder der Europäischen Union verhängt wurden;
    • -
      Einrichtungen, die unmittelbar oder mittelbar im Eigentum oder unter der Kontrolle von Personen oder Einrichtungen gemäß lit a stehen;
    • -
      Personen und Einrichtungen, die im Namen oder auf Anweisung von Personen gemäß lit a und/oder Einrichtungen gemäß lit a oder lit b handeln,
  • -
    einschließlich der Gelder, die aus Vermögen stammen oder hervorgehen, das unmittelbar oder mittelbar im Eigentum oder unter der Kontrolle dieser Personen und mit ihnen verbundener Personen und Einrichtungen steht;
  • -
    die Untersagung der direkten oder indirekten Bereitstellung von Vermögenswerten für Personen und Einrichtungen gemäß Z 1 oder zu deren Gunsten. [...]

2.8.2.: Nach § 6 Abs 1 SanktG hat der Bundesminister für Inneres (Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst), wenn im Firmenbuch (oder im Grundbuch, was im Folgenden nicht mehr erörtert wird) Vermögenswerte ersichtlich sind, die aufgrund eines Rechtsakts nach § 2 Abs 1 (der Österreichischen Nationalbank) oder aufgrund unmittelbar anwendbarer Sanktionsmaßnahmen der Europäischen Union eingefroren sind, diesen Umstand dem für [...] den Rechtsträger zuständigen Gericht […] mitzuteilen. In dieser Mitteilung sind der Rechtsakt oder die Sanktionsmaßnahmen, die betroffene Person oder Einrichtung sowie der Vermögenswert bestimmt zu bezeichnen. § 6 SanktG sieht somit als Begleitmaßnahme unter anderem im Firmenbuch die Offenlegung des Umstands vor, dass ein Rechtsakt nach § 2 Abs 1 (der Österreichischen Nationalbank) oder eine unmittelbar anwendbare Sanktionsmaßnahme der EU besteht. Solche Eintragungen können sich auf alle natürlichen und juristischen Personen, also auch auf Einrichtungen im Sinn des § 2 Abs 1 SanktG beziehen, die unter anderem im Firmenbuch als Rechteinhaber an eingefrorenen Vermögenswerten aufscheinen, insbesondere Gesellschafter dort eingetragener Rechtsträger. Von einer Eintragung können sämtliche unter anderem im Firmenbuch aufscheinenden vermögenswerten Rechte betroffen sein (siehe dazu ua OLG Wien 6 R 143/19x ErwGr 2.1.2.; 6 R 138/19m ErwGr 2.1.2.; 6 R 132/19d ErwGr 2.2.2.).

2.8.3.: Aufgrund einer solchen Mitteilung im Sinn des § 6 Abs 1 SanktG hat das Gericht nach § 6 Abs 2 SanktG von Amts wegen im Grundbuch oder im Firmenbuch einzutragen, dass das Vermögen der betreffenden Person oder Einrichtung eingefroren ist. Dabei ist auch der zugrunde liegende Rechtsakt nach § 2 Abs 1 oder die zugrundeliegende unmittelbar anwendbare Sanktionsmaßnahme der Europäischen Union anzuführen. Wird der Rechtsakt nach § 2 Abs 1 oder die unmittelbar anwendbare Sanktionsmaßnahme der Europäischen Union in weiterer Folge aufgehoben, so hat der Bundesminister für Inneres das zuständige Gericht auch davon zu verständigen; in diesem Fall hat das Gericht die Eintragung von Amts wegen zu löschen (§ 6 Abs 3 SanktG).

2.8.4.: Im System des Firmenbuchs handelt es sich bei einer solchen amtswegigen Eintragung um eine sonstige gesetzlich vorgesehene Eintragung gemäß § 3 Abs 1 Z 16 FBG (OLG Wien 6 R 132/19d ErwGr 2.2.2.), weil sie auf einer (sonstigen) gesetzlichen Anordnung beruht (6 Ob 236/16y; 6 Ob 97/12a ErwGr 5.2.; vgl Pilgerstorfer in Artmann UGB³ Bd 1.1. [2019] § 3 FBG Rz 3, 79 f). Die Eintragung ist - da das gesamte Vermögen, damit auch der im Firmenbuch eingetragene Vermögenswert bereits unmittelbar aufgrund der betreffenden Maßnahme in der unmittelbar geltenden und wirkenden klaren DVO (Art 288 Abs 2 AEUV) eingefroren wurde - lediglich deklarativ (ErlRV 656 BlgNR 24. GP, S 8 zu Art I § 6 vorletzter Absatz; OLG Wien 6 R 132/19d ErwGr 2.2.2.; allgemein: 6 Ob 157/21p Rn 17). Deklarative Eintragungen sind solche, die die unabhängig vom Firmenbuchstand bestehende Rechtsverhältnisse im Firmenbuch dokumentieren sollen (6 Ob 157/21p Rn 17 mzwH).

2.9.: Gemäß § 6 Abs 1 zweiter Satz SanktG sind in der Mitteilung des Bundesministers für Inneres der Rechtsakt oder die Sanktionsmaßnahmen, die betroffene Person oder Einrichtung sowie die Vermögenswerte bestimmt zu bezeichnen. Soweit es sich bei der im Firmenbuch - sei es als Firma oder in anderer Funktion, namentlich als Gesellschafter - eingetragenen juristischen oder natürlichen Person dabei nicht um jene handelt, die unmittelbar „sanktionsbehaftet“ ist - damit hier nicht um M* N* als jene Person, die in der Liste im Anhang I der VO (EU) Nr. 269/2014 und DVO (EU) Nr. 2022/1270 aufgenommen wurde -, ist von der Mitteilung des Bundesministers für Inneres auch zu fordern, dass die Verbindung der in der Liste aufscheinenden Person mit dem Firmenbuchsubjekt substanziiert dargestellt und begründet wird (OLG Wien 6 R 143/19x ErwGr 2.3.2.). Anders kann nämlich nicht beurteilt werden, ob die betroffene Person oder Einrichtung im Sinn des § 6 Abs 1 zweiter Satz SanktG von einer Sanktionsmaßnahme betroffen ist oder nicht (OLG Wien 6 R 143/19x ErwGr 2.3.2.). In den Fällen, in denen (unter anderem) im Firmenbuch (unter anderem) Firmenbuchsubjekt oder dessen Funktionsträger (OLG Wien 6 R 143/19x ErwGr 2.3.2.) nicht die/derjenige ist/sind, die unmittelbar von Sanktionsmaßnahmen der Europäischen Union betroffen ist, darf sich die Mitteilung nicht in der unbegründeten Behauptung erschöpfen, dass das Firmenbuchsubjekt (deren Funktionsträger) von der unmittelbar betroffenen Person kontrolliert wird. Es bedarf vielmehr konkreter Ausführungen, inwiefern der Vermögenswert dennoch - also auch ohne offenkundigen Konnex - der sanktionierten Person zuzuordnen und daher von den Sanktionsmaßnahmen umfasst ist (5 Ob 134/19w ErwGr 5.5.). Gerade weil nach Art 1 Z 6 der VO (EG) Nr. 2580/2001 eine Vielzahl von Tatbeständen der „Kontrolle“ in Betracht kommt, liegt es dann, wenn keiner davon aus den im Firmenbuch ersichtlichen Beteiligungsverhältnissen ableitbar ist, am Bundesministerium für Inneres/DSN, in seiner Mitteilung (hier ON 1) konkret darzulegen, aus welchen Gründen von einer Kontrolle der rekurswerbenden Gesellschaft durch M* N* im Sinn dieser Verordnungsbestimmungen auszugehen ist (5 Ob 134/19w ErwGr 5.5.). Die dargestellte Rechtsprechung steht mit dem Grundsatz der materiellen Prüfpflicht des Firmenbuchgerichts in Einklang: Die durch § 15 Abs 1 FBG anwendbare allgemeine amtswegige Prüfpflicht des § 16 Abs 1 AußStrG wird durch den Zweck der Information des Firmenbuchs und die der Vollständigkeit und Richtigkeit des Firmenbuchs dienende amtswegige Pflicht zur Löschung unrichtiger/unrichtig gewordener Eintragungen im Sinn des § 10 Abs 2 FBG ergänzt. Daraus kann teleologisch und systematisch die Verpflichtung zur Vornahme richtiger Eintragungen und die materielle Prüfpflicht des Firmenbuchgerichts in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht abgeleitet werden (6 Ob 195/10k ErwGr 7.4.; Jenewein FBG [2020] § 15 Rz 15; G. Kodek in Zib 25 Jahre Firmenbuch [2016] 44 f; Pilgerstorfer in Artmann UGB Bd 1.1³ [2019] § 15 FBG Rz 33). Die materielle Prüfungspflicht des Firmenbuchgerichts in tatsächlicher Hinsicht darf allerdings nicht überspannt werden. Die Pflicht zur amtswegigen Wahrheitsforschung findet eine natürliche Grenze, sobald Anhaltspunkte für eine weitere Aufklärungsbedürftigkeit fehlen (6 Ob 165/16g ErwGr 2.; RIS-Justiz RS0029344). In der Regel ist die Prüfungspflicht des Firmenbuchgerichts daher auf eine Plausibilitätsprüfung dahin beschränkt, ob die begehrte Eintragung schlüssig dargelegt und nach den Lebens- und Praxiserfahrungen des Entscheidungsorgans glaubwürdig ist (6 Ob 165/16g ErwGr 2.; 6 Ob 237/15v ErwGr 1.; RIS-Justiz RS0061530 [T7]).

2.10.: Die substanziierte Behauptung der oben zu 2.5. bis 2.7. näher dargelegte - vom Eigentümerbegriff ua gemäß Art 1 Z 5 VO (EG) 2580/2001 abweichenden - (mittelbaren wirtschaftlichen) Kontrolle der Rekurswerberin durch M* N* in diesem weit verstandenen Sinn - der nicht persönlichen, sondern über Dritte erfolgenden faktischen Ausübung beherrschenden Einflusses, des nicht in der Gesellschaftsstruktur oder in einem Vertrag mit der Gesellschaft angelegten faktischen Verwendungsrechts und des auch verdeckten Handelns im Namen und auf Anweisung des Sanktionierten - allenfalls über den bereits im ABlEU erwähnten (russischen) Rechtsträger V* D* W* LLC findet sich auch in dem Bericht ON 1 zB in S 2 und in den Anlagen 8 (betreffend die Rekurswerberin) S 1. Der Rekurs vermag dieser Beurteilung nichts entgegenzusetzen, zumal er sich erkennbar auf das Kriterium „Eigentum“ in Art 1 Z 5 VO (EG) Nr. 2580/2001 konzentriert und auf die übrigen Kriterien beherrschender Einfluss (auch über Dritte), Verwendungsrecht (auch über Dritte [Art 1 Z 6 lit e und f sowie Rat Dok. 5664/18 Nummer 55b bei FN 18]) oder (verdecktes) Handeln im Namen und auf Anweisung (UN-SR-RES 1373 iVm 1904) nicht eingeht. Deshalb ist davon auszugehen, dass M* N* über Rechte oder Befugnisse zumindest im Sinn des Art 1 Z 5 und Z 6 ua lit e und f der VO (EG) Nr. 2580/2001 verfügt und damit eine Kontrolle über die rekurswerbende Gesellschaft ausübt. Daher wäre die bekämpfte Eintragung auch inhaltlich ausgehend von der hier (im Rekursverfahren) allein maßgebenden ON 1 samt Beilagen korrekt und zu bestätigen. Auch wenn man den Rekurs daher als Anregung einer amtswegigen Löschung nach § 10 Abs 2 FBG begreifen würde - was seine klare Formulierung durch einen berufsmäßigen Parteienvertreter ohnehin verwehrt - könnte er nicht erfolgreich sein.

3.: Der Rekurssenat sieht sich aus Anlass des Rekurses und seiner Ansicht zum Eingreifen des Neuerungsverbots der §§ 15 FBG, 49 Abs 3 AußStrG auch verpflichtet, dem Erstgericht die Behandlung eines wohl zu erwartenden Löschungsantrags nach § 10 Abs 1 FBG durch folgende Bemerkungen zu erleichtern:

3.1.: Betroffene sanktionierte Person(en) oder Einrichtung(en) können wie ua oben zu ErwGr 2.10. bereits zusammengefasst ihre Kontrolle über eine juristische Person gemäß Art 2 Abs 1 VO (EU) Nr. 269/2014 sowie Art 1 DVO (EU) Nr. 2022/1270, auch in der von Art 2 Abs 1 VO (EU) Nr. 269/2014 und Art 1 Z 6 lit e - faktisch beherrschender Einfluss auch über Dritte - oder Z 6 lit f - außer (gesellschafts)vertraglich wurzelndes Verwendungsrecht - sowie von UN-SR-RES 1373 iVm 1904 - auch verdecktes mittelbares Handeln im Namen und auf Anweisung - vorgegebenen Art und Weise ausüben.

3.2.: M* N* ist zumindest nach dem Narrativ des Rechtsmittels (letztlich nach der im Rekurs aufgestellten Eigentümerkette) nur zu 41 % an der T* U* beteiligt. Er ist daher nicht Eigentümer dieser juristischen Person im Sinn der Definition des Art 1 Z 5 VO (EG) Nr. 2580/2001 (vgl EBzRV S 6 zu Art I § 2). Die Definition „Kontrolle über eine juristische Person“ im Sinn des Art 1 Z 6 insb lit e und/oder lit f VO (EG) Nr. 2580/2001 und der bei der Auslegung von Sanktionen-VO mit zu berücksichtigenden UN-SR-RES (siehe Rat Dok. 5664/18 Nummern 44, 46, 48-50, 55a sowie FN 11) bestimmt sich nach faktischen Indikatoren wie die Bestellung von Organmitgliedern, die Stimmrechtsausübung, die Disposition über Vermögenswerte oder die Geschäftsführung und andere in Art 1 Z 6 der zuletzt zitierten VO angeführte Kriterien ua der Ausübung sonstigen faktischen beherrschenden Einflusses auch über Dritte sowie des außer(gesellschafts)vertraglich angelegten sonstigen Verwendungsrechts und schließlich des auch verdeckten mittelbaren Handelns im Namen und auf Anweisung.

3.3.: Zu einem Löschungsantrag der Gesellschaft iS § 10 Abs 1 FBG wären daher uU weitere Erhebungen des Erstgerichts notwendig (G. Kodek in Kodek/Nowotny/Umfahrer FBG [2005] § 15 FBG Rz 15 ff): Aufgrund der jedermann zugänglichen Nachrichtenlage über die Verschleierungspraxis der von EU-Sanktionen betroffenen Personen und Einrichtungen (Stichwort: „Oligarchen-Vermögen“) kann als allgemeinkundig (§§ 15 FBG, 33 Abs 1 AußStrG) gelten, dass trotz formal 50 % nicht erreichender Beteiligung über Bestellung von abhängigen Organmitgliedern, verdeckte Stimmrechtsausübung und andere Dispositionshandlungen wirtschaftliche dem Eigentum entsprechende Macht über Gesellschaften, die etwa ihren Sitz in Russland haben, häufig ausgeübt wird, um (ua) EU-Sanktionen zu unterlaufen. Mit diesen allgemein bekannten Tatsachen stünden zB die Rekursausführungen, die letztlich nur auf dem Eigentümerbegriff des Art 1 Z 5 VO (EG) Nr. 2580/2001 aufbauen, jedenfalls in Widerspruch.

3.4.: Ob Bedenken im Sinn der oben zu ErwGr 2.9. dargelegten materiellen Prüfpflicht in tatsächlicher Hinsicht gegen die Richtigkeit der dem Eintragungsgesuch zugrunde liegenden Tatsachen bestehen, die eine Prüfungsbefugnis und Prüfungspflicht des Firmenbuchgerichts auslösen, ist regelmäßig eine Frage des Einzelfalls und übersteigt daher an Bedeutung nicht das konkrete Eintragungsverfahren (6 Ob 196/20x Rn 4; 6 Ob 177/12s; RIS-Justiz RS0061530 [T6]). In Befolgung dieser und der oben zu ErwGr 2.9. bereits referierten in der Judikatur für Anträge nach § 6 Abs 1 SanktG bereits entwickelten Grundsätze erweist sich daher der vorliegende Bericht des Bundesministeriums für Inneres/DSN ON 1 samt Anhängen wie oben zu 2. näher dargelegt als inhaltlich schlüssig und überzeugend. Der grundsätzlich gleiche Maßstab wird bei einem Löschungsantrag zB der Gesellschaft anzuwenden sein. Da jedoch Verschleierungshandlungen bei der Ausübung eigentümerähnlicher oder dem Eigentum gleichzuhaltenden wirtschaftlichen Macht über gerade in Russland ansässige Unternehmen als allgemeinkundig gelten können (§§ 15 FBG, 33 Abs 1 AußStrG; oben ErwGr 3.3.), dürfen auch diese Umstände nicht unbeachtet bleiben: Wenn das Firmenbuchgericht aufgrund anderer Umstände oder aufgrund eigener Erhebungen Kenntnis von der Eintragung dem Gesuch entgegenstehender Umstände hat, sind diese bei der Entscheidung über das Eintragungsbegehren zu berücksichtigen (6 Ob 237/15v ErwGr 1.). Wenn konkrete Anhaltspunkte oder ein begründeter Verdacht dafür sprechen, dass die Anmeldung nicht den Tatsachen oder der Wahrheit entspricht, greift also auch die amtswegige Ermittlungspflicht ein (6 Ob 165/16g ErwGr 2.; 6 Ob 101/11p ErwGr 3.2.; vgl Jenewein § 15 Rz 22; G. Kodek § 15 Rz 15 ff; Pilgerstorfer in Artmann § 15 FBG Rz 41; Zib § 15 FBG Rz 12). Ein Löschungsantrag müsste also hier als erster Schritt eigener amtswegiger Ermittlungen einer Stellungnahme des BMI/DSN zugeführt werden. In Abhängigkeit von diesem Ergebnis wird zu beurteilen sein, ob es noch weiterer Ermittlungen bedarf, um eine Kontrolle iS des ErwGr 3.2. (mwH dort) annehmen oder ausschließen zu können. Ob der Rekurswerberin eine im Sinn der erörterten rechtlichen Grundlagen ausreichende Kontrollunterworfenheit durch M* N* nachzuweisen sein wird, muss dann insbesondere nach der - erheblich breiter als ON 1 zu fordernden - Stellungnahme des BMI/DSN beurteilt werden. Jedenfalls ist sicherzustellen, dass die allenfalls einen Löschungsantrag stellende Gesellschaft sich zu allen Ermittlungsergebnissen (auch des BMI/DSN), die der Entscheidung über den Löschungsantrag zugrunde gelegt wurden, äußern konnte (Art 51, 47 GRC, Art 6 EMRK iVm Art 52 Abs 3 GRC).

4.: Abschließend ist noch folgende Bemerkung am Platz: Nach der Formulierung „Vermögen der betreffenden Person […]“ sowie „zugrunde liegende unmittelbar anwendbare Sanktionsmaßnahme“ in § 6 Abs 2 SanktG müsste der Wortlaut des zweiten Satzes der sonstigen Eintragung des Erstgerichts nach Ansicht des Rekursgerichts lauten: „Das Vermögen der betroffenen sanktionierten und diese Gesellschaft kontrollierenden Person M* N* oder O* ist gemäß VO (EU) Nr. 269/2014 iVm DVO (EU) Nr. 2022/1270

Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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