TE Lvwg Erkenntnis 2022/11/4 VGW-031/079/12674/2021, VGW-031/079/12675/2021

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.11.2022
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Entscheidungsdatum

04.11.2022

Index

82/03 Ärzte Sonstiges Sanitätspersonal
82/02 Gesundheitsrecht allgemein

Norm

ÄrzteG 1998 §55
EpidemieG 1950 §15
EpidemieG 1950 §40 Abs2
COVID-19-SchutzmaßnahmenV 04te 2021 §13
COVID-19-SchutzmaßnahmenV 04te 2021 §16 Abs5
COVID-19-SchutzmaßnahmenV 04te 2021 §18

Text


IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien erkennt durch seine Richterin MMag. Dr. Ollram über die Beschwerden des A. B., C.-straße, Wien, gegen die Bescheide (Straferkenntnisse) des Magistrats der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den ... Bezirk,

1. vom 22.7.2021, MBA/...2/2021, betreffend eine Verwaltungsübertretung gemäß § 40 Abs. 2 Epidemiegesetz 1950 - EpiG iVm § 13 Abs. (3 und) 4 der 4. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung – 4. COVID-19-SchuMaV (Nichttragen einer FFP2-Maske/gleichwertigen Maske beim Betreten eines Orts zwecks Veranstaltungsteilnahme)

2. vom 22.7.2021, MBA/...8/2021, betreffend eine Verwaltungsübertretung gemäß § 40 Abs. 2 EpiG iVm § 13 Abs. (1 und) 4 der 4. COVID-19-SchuMaV (Nichttragen einer FFP2-Maske/gleichwertigen Maske beim Betreten eines Orts zwecks Veranstaltungsteilnahme)

nach öffentlicher mündlicher Verhandlung gemäß § 50 Abs. 1 VwGVG zu Recht:

I. Der Beschwerde gegen das Straferkenntnis vom 22.7.2021, MBA/...2/2021, wird insoweit Folge gegeben, als die Geldstrafe (bei gleichbleibender Ersatzfreiheitsstrafe von 4 Stunden) von 120 Euro auf 80 Euro herabgesetzt wird. Darüber hinaus wird die Beschwerde abgewiesen und der Spruch mit der Maßgabe bestätigt, dass die jeweilige Wortfolge „Abs. 3 Z 1, 2, 4, 7, 9 und 10 in geschlossenen Räumen“ durch die Wortfolge „Abs. 3 Z 2“ ersetzt wird, die Übertretungsnorm § 40 Abs. 2 EpiG idF BGBl. I Nr. 136/2020 iVm § 13 Abs. 4 Z 1 und Abs. 3 Z 2 4. COVID-19-SchuMaV idF BGBl. II Nr. 76/2021 lautet und die Strafsanktionsnorm § 40 Abs. 2 EpiG idF BGBl. I Nr. 136/2020 lautet. Der Beitrag des Beschwerdeführers zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens der belangten Behörde reduziert sich gemäß § 64 Abs. 1 und 2 VStG auf den Mindestbeitrag von 10 Euro.

II. Der Beschwerde gegen das Straferkenntnis vom 22.7.2021, MBA/...8/2021, wird insoweit Folge gegeben, als die Geldstrafe (bei gleichbleibender Ersatzfreiheitsstrafe von 4 Stunden) von 120 Euro auf 80 Euro herabgesetzt wird. Darüber hinaus wird die Beschwerde abgewiesen und der Spruch mit der Maßgabe bestätigt, dass die Wortfolge „um 15:40 Uhr und 16:05 Uhr“ durch die Wortfolge „zu zumindest einem Zeitpunkt zwischen 15:40 Uhr und 16:05 Uhr“ ersetzt wird, die Übertretungsnorm § 40 Abs. 2 EpiG idF BGBl. I Nr. 136/2020 iVm § 13 Abs. 4 Z 1 und Abs. 3 Z 2 4. COVID-19-SchuMaV idF BGBl. II Nr. 76/2021 lautet und die Strafsanktionsnorm § 40 Abs. 2 EpiG idF BGBl. I Nr. 136/2020 lautet. Der Beitrag des Beschwerdeführers zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens der belangten Behörde reduziert sich gemäß § 64 Abs. 1 und 2 VStG auf den Mindestbeitrag von 10 Euro.

III. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG wird dem Beschwerdeführer jeweils kein Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt.

IV. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG jeweils nicht zulässig.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

Im Straferkenntnis zur Zahl MBA/...2/2021 wurde dem Beschwerdeführer (BF) sinngemäß zur Last gelegt, er habe am 28.2.2021, 13:52 Uhr, beim Betreten des Ortsbereichs Wien, D.-Straße, zwecks Teilnahme an einer Versammlung entgegen den damals geltenden Vorschriften keine FFP2-Maske ohne Ausatemventil oder eine Maske mit mindestens gleichwertig genormtem Standard getragen. Im Straferkenntnis zur Zahl MBA/...8/2021 wurde ihm sinngemäß die gleiche Übertretung am 14.3.2021, 15:40 Uhr und 16:04 Uhr, beim Betreten des Ortsbereichs Wien, E.-platz, zwecks Teilnahme an einer Versammlung (Demonstration) zur Last gelegt. Wegen Verwaltungsübertretungen gemäß § 40 Abs. 2 EpiG iVm § 13 Abs. 3 (bzw. 1) und 4 4. COVID-10-SchuMaV wurde ihm in beiden Straferkenntnissen gemäß § 40 Abs. 2 EpiG je eine Geldstrafe von 120 Euro mit Ersatzfreiheitsstrafe von 4 Stunden auferlegt. Gemäß § 64 Abs. 1 und 2 VStG wurde der Verfahrenskostenbeitrag jeweils mit 12 Euro (10 % der Geldstrafen) festgesetzt. Begründend verwies die Behörde unter Wiedergabe der herangezogenen Rechtsvorschriften und der im jeweiligen Verfahren erstatteten Rechtfertigung im Wesentlichen auf die zu Grunde liegenden amtlichen Anzeigen der LPD Wien. Zu seiner Entlastung habe der BF ein ärztliches Attest ins Treffen geführt, jedoch gleichzeitig angegeben, dieses auf elektronischem Weg nicht vorlegen zu wollen. Da er der Aufforderung zur Vorlage auch auf anderem Weg nicht entsprochen und insofern seine Mitwirkungspflicht verletzt habe, sei von einer Schutzbehauptung auszugehen und der objektive Tatbestand als erwiesen anzusehen. Mangels Glaubhaftmachung von Gründen für fehlendes Verschulden iSd § 5 Abs. 1 VStG sei auch die subjektive Tatseite der Ungehorsamsdelikte erfüllt. Was die Strafbemessung betreffe, sei das öffentliche Interesse an der Einhaltung von Vorschriften zur Verhinderung der Pandemieverbreitung nicht unerheblich geschädigt worden. Das Verschulden sei zumindest als fahrlässig und nicht als geringfügig anzusehen. Dem Milderungsgrund der Unbescholtenheit stehe erschwerend das besonders schutzwürdige öffentliche Interesse an der Pandemieeindämmung gegenüber. Weitere Milderungs- oder Erschwerungsgründe seien nicht hervorgekommen und Angaben zu besonderen wirtschaftlichen Verhältnissen nicht erfolgt. Die Strafhöhe sei auch aus spezialpräventiven Gründen angemessen.

Dagegen richten sich die jeweils via E-Mail fristgerecht und (ohne rechtskundige Vertretung) im Ergebnis mängelfrei eingebrachten Beschwerden mit dem Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung und den zumindest klar erschließbaren Begehren, die Straferkenntnisse aufzuheben und die Strafverfahren einzustellen. Begründend wurde wie im Vorfeld ein – der Beschwerde wiederum nicht beigefügtes – gültiges Attest ins Treffen geführt. Im Verfahren MBA/...8/2021 (Vorfall vom 14.3.2021) hatte der BF im Rechtfertigungsschreiben vom 10.5.2021 vorgebracht, er habe einer kontrollierenden Polizistin sein ärztliches Attest „gleich glaubhaft gemacht und vorgezeigt“, was diese mit „Ja, passt, danke“ kommentiert habe. In den Strafverfahren wurden ärztliche Atteste erst auf ausdrückliche Aufforderung des VGW im Rechtsmittelstadium (vor der ersten Verhandlung und in der zweiten Verhandlung) vorgelegt. Im Übrigen wurden auf eigene Initiative keine grundlegend neuen Sachvorbringen erstattet.

Maßgeblicher Sachverhalt:

Am Sonntag, 28.2.2021, nahm der BF im Wiener Ortsgebiet an einer Versammlung in Form einer Demonstration gegen Rechtsvorschriften betreffend rechtsverbindlich angeordnete Maßnahmen zum Schutz vor der Ausbreitung der COVID-19-Pandemie teil. Die vom ersten Bezirk ausgehende Demonstration verlief über die D.-Straße, wo anlassbezogen ein umfassender Polizeieinsatz erfolgte. Gegen 13:52 Uhr wurde auf Höhe ON 13 von einem Polizeiorgan die Identität des BF festgestellt und dieser einer Kontrolle im Hinblick auf das vorschriftskonforme Tragen einer den geltenden Vorschriften entsprechenden Schutzvorrichtung unterzogen. Der BF trug zu diesem Zeitpunkt weder eine FFP2-Maske, noch eine Maske mit mindestens gleichwertig genormtem Standard, noch eine sonstige den Mund- und Nasenbereich vollständig oder teilweise abdeckende mechanische Schutzvorrichtung.

Am Sonntag, 14.3.2021, nahm der BF im Wiener Ortsgebiet erneut an einer Versammlung in Form einer Demonstration gegen rechtlich verordnete Maßnahmen, diesmal vor dem F. in Wien, E.-platz, teil, wo ebenfalls ein umfassender Polizeieinsatz erfolgte. Der BF wurde zuerst gegen 15:40 Uhr von einem Polizeiorgan und dann nochmals gegen 16:05 Uhr von einem anderen Polizeiorgan zur Identitätsfeststellung angehalten und jeweils einer Kontrolle im Hinblick auf das vorschriftskonforme Tragen einer den geltenden Vorschriften entsprechenden Schutzvorrichtung unterzogen. Der BF trug auch zu diesen Zeitpunkten weder eine FFP2-Maske, noch eine Maske mit mindestens gleichwertig genormtem Standard, noch eine sonstige den Mund- und Nasenbereich vollständig oder teilweise abdeckende mechanische Schutzvorrichtung. Bei der zweiten Kontrolle behauptete der BF gegenüber dem Kontrollorgan ein Attest bezüglich Maskenbefreiung, was auch in die Anzeige aufgenommen wurde. Zumindest zu einer der beiden Kontrollzeiten wurden die Behauptung und/oder das vorgewiesene Attest vor Ort als unzureichend erachtet.

Am Samstag, 24.10.2020, 18:30 Uhr, hatte der in ... Wien wohnhafte BF nach am Vortag erfolgter Terminvereinbarung via E-Mail die im anderen Ende der Stadt in ... Wien gelegene Praxis der niedergelassenen Ärztin für Allgemeinmedizin, Praxis für Hömöopathie und Psychotherapie, Dr. XY, aufgesucht, wo ihm nach einer Gesprächsführung ein mit diesem Tag datiertes „Ärztliches Attest“ ausgestellt wurde. Der BF trug dieses Attest in der Folge, so auch bei den gegenständlichen Versammlungen, mit der Intention bei sich, die normierten Verpflichtungen zum Tragen jeglicher Schutzvorrichtung unter gleichzeitiger Abwendung gesetzlicher Strafsanktionen zu umgehen. Nicht als wahrscheinlich festgestellt werden kann, dass der BF zu den in Rede stehenden Zeitpunkten eine gesundheitliche Beeinträchtigung aufwies, die sich beim Tragen einer FFP2-Maske (oder einer sonstigen den Mund- und Nasenbereich abdeckenden Schutzvorrichtung) verschlechtert oder nennenswerte gesundheitliche Folgebeeinträchtigungen ausgelöst hätte.

Das Verhalten des BF resultierte nicht aus einer bedeutenden sachlichen oder persönlichen Notlage oder sonstigen außergewöhnlichen Umständen, sondern im Wesentlichen daraus, dass er staatliche Maßnahmen zur COVID-19-Prävention, in jedem Fall aber die Verpflichtung zum Tragen von den Mund- und Nasenbereich abdeckenden Schutzvorrichtungen, aus persönlichen Gründen ablehnte bzw. nicht für erforderlich hielt. Dieser Grundgedanke wurde von Veranstaltungsteilnehmern regelmäßig durch das demonstrative Weglassen der Schutzvorrichtung zum Ausdruck gebracht, mit welchem der einschlägige Versammlungszweck betont und verstärkt werden sollte.

Der BF war am 28.2.2021 und am 14.3.2021 noch nicht wegen Verwaltungsübertretungen rechtskräftig vorbestraft. Er ist unselbständig beschäftigt und hat keine Sorgepflichten. Sein Monatseinkommen liegt bei ca. 1.700 Euro netto. Weitere besondere finanzielle oder persönliche Umstände sind nach eigenen Angaben und der übrigen Aktenlage nicht feststellbar oder indiziert.

Beweisverfahren und Beweiswürdigung:

In der mündlichen Verhandlung am 28.9.2022 und (fortgesetzt) am 14.10.2022 wurden folgende Beweise aufgenommen: Verlesung und Erörterung der bisherigen Inhalte der Behörden- und Gerichtsakten einschließlich anonymisierter Version des rechtskräftigen Disziplinarerkenntnisses des Disziplinarrates der Österreichischen Ärztekammer – Disziplinarkommission für Wien vom 27.9.2021, ..., gegen Dr. XY; Parteiaussagen; vorgelegte E-Mail-Korrespondenz vom 23.10.2020; Atteste vom 24.10.2020 und vom 9.10.2022. Die belangte Behörde hatte bereits bei der Beschwerdevorlage ihren Teilnahmeverzicht erklärt und beteiligte sich insofern nicht weiter am Beweisverfahren.

Bei der Feststellung der objektiven Tatumstände (Teilnahme des BF an den in Rede stehenden Versammlungen, kein Tragen einer FFP2-Maske oder sonstigen Schutzvorrichtung, Versammlungszweck, Polizeiaufgebot und Kontrolltätigkeit) wurde von den Angaben in den insoweit unbedenklichen zeitnahen amtlichen Anzeigen vom 28.2.2021 und vom 14.3.2021 ausgegangen. Der Zweck der Versammlungen (Protest gegen rechtliche COVID-19-Maßnahmen) ist zudem nach Allgemeinwissen und allgemeinen Erfahrungswerten auch aus den öffentlichen Medien bekannt. Der BF stellte diese Rahmenumstände in den Verfahren auch zu keiner Zeit in Abrede, sondern berief sich ausschließlich auf den Ausnahmetatbestand der Masken-/Schutzvorrichtungsbefreiung aus gesundheitlichen Gründen und die vorgelegten ärztlichen Atteste.

Die Feststellung, dass eine fallbezogen maßgebliche Gesundheitsbeeinträchtigung des BF nicht als wahrscheinlich anzunehmen war, ergab sich aus den vorgelegten Unterlagen in Verbindung mit dem persönlichen Eindruck vom BF in der Beschwerdeverhandlung und seinem betont restriktiven Aussageverhalten. Zum einen legte der BF selbst dar, dass er um Oktober 2020 gezielt auf der Suche nach einem Arzt gewesen sei, der bereit war, Maskenbefreiungsatteste auszustellen, zumal andere Ärzte diese von vornherein als bei ihnen nicht „existent“ ablehnten. Insofern sei er „dann eben an Dr. XY“ mit Praxis am anderen Ende der Stadt „gekommen“ (VHP 14.10.2022, S. 2). Nach eigenen Angaben suchte der BF die Praxis der Dr. XY ein einziges Mal am 24.10.2020 um 18:30 Uhr, sohin an einem Samstagabend (!), zur Führung einer Unterhaltung und Entgegennahme des Attests auf und war er dort weder davor noch danach in Behandlung.

Das Attest der Dr. XY vom 24.10.2020 hat folgenden Wortlaut:

„Ärztliches Attest

(lt. COVID-19LV§11, Abs. 3 vom 19.09.2020)

Dieses Attest gilt für: A. B., ...1988

                                    C.-straße, Wien

Ich bestätige, dass das Tragen einer den Mund- und Nasenbereich abdeckenden mechanischen Schutzvorrichtung für oben genannte Person aus gesundheitlichen Gründen kontrainzidiert und vom medizinischen und psychologischen Standpunkt aus nicht zumutbar ist.

[Praxisstempel, Datum und Unterschrift]“

Das Attest enthält somit im Wesentlichen den abstrakten Wortlaut einer (offenbar zur Ausstellungszeit geltenden) Ausnahmeregelung in Verbindung mit einem allgemeinen „Standpunkt“ und gibt folglich keinerlei Aufschluss über eine konkrete bzw. personenbezogene gesundheitliche Beeinträchtigung. Über die gefertigte Ärztin wurde wegen Ausstellung zahlreicher gleichartiger Gefälligkeitsatteste im unmittelbaren zeitlichen Naheverhältnis (November 2020 bis Februar 2021) von einem medizinisch fachkundig besetzten Disziplinarrat eine Disziplinarstrafe verhängt. Aus den schlüssigen und unbedenklichen Ausführungen im Disziplinarerkenntnis vom 27.9.2021 ergibt sich, dass die Ärztin derartige Atteste auf ihrer Website aktiv anbot und sie gerade von deklarierten Gegnern rechtlich normierter COVID-19-Maßnahmen kontaktiert, aufgesucht und weiterempfohlen wurde, welchen die erwünschten Atteste von anderen Ärzten (wie etwa Hausärzten) mangels medizinischer Notwendigkeit verweigert worden waren, und welchen es im Wesentlichen um politischen Widerstand ging. Insbesondere hat das fachkundige Gremium in seiner Begründung ausdrücklich festgehalten, dass selbst die in den Diagnoseaufzeichnungen der Ärztin stereotyp und unreflektiert festgehaltenen Beschwerden (wie Kopfschmerzen, Konzentrationsstörung, Müdigkeit, Schwindel, Atemnot, orthostatische Problematik/Symptomatik, Übelkeit, Parästhesien, Enuresis, pavor nocturnus, vegetative Symptomatik, Angstzustände, Schweißausbruch, Dyspnoe, Cephalea, Hustenanfälle, Panikattacken) „in keinem Fall“ ausreichen, „um solcherart von einer Unzumutbarkeit des Maskentragens für die im ,Maskenbefreiungsschein‘ genannte Person ausgehen zu können“. Auch das vorliegende Attest vom 24.10.2020 als solches hat daher keinerlei Überzeugungskraft. Dass zwischen dem BF und Dr. XY beim Termin am 24.10.2020 eine Unterhaltung im Ausmaß von „ca. 45 Minuten“ (VHP 28.9.2022, S. 3) stattgefunden hat, erscheint durchaus glaubwürdig, hat aber ebenfalls keine Aussagekraft, da nähere Angaben zu konkreten Untersuchungen oder medizinischen Erörterungen von Seiten des BF nicht erfolgten und dieses Gespräch - zumal die Ärztin selbst zu den COVID-19-Maßnahmengegnern zählte - ebenso gut in einem politischen Meinungsaustausch über die verpönten Maßnahmen bestanden haben kann. In der am Vortag (23.10.2020) erfolgten E-Mail-Korrespondenz zwischen dem BF und Dr. XY zur Terminvereinbarung scheint im Betreff der Eintrag „MSN-Befreiung/Depression/Burnout“ auf. Dass Depression und Burnout an sich in keinem nennenswerten physischen Zusammenhang mit dem Tragen einer Schutzmaske für die Dauer einer Straßenversammlung stehen können, kann bereits ohne ärztliche Fachkunde als allgemeiner Erfahrungswert angenommen werden, ergibt zudem sich schlüssig aus dem vorliegenden Disziplinarerkenntnis und den dort zitierten Beschwerden, und war offenbar letztlich auch dem BF selbst klar. Insofern versuchte er sich in der Verhandlung dahingehend herauszureden, dass diese Begriffe in der E-Mail allenfalls auf einen anderen Zusammenhang zurückgegangen wären (VHP 28.9.2022, S. 3). Dies erscheint zum einen insofern unglaubwürdig, als derartige und ähnliche psychische Zustände (verhandlungserfahrungsgemäß wie auch laut dem vorliegenden Disziplinarerkenntnis) im ersten Jahr der COVID-19-Pandemie vor Anlaufen der Strafverfahren und vor den ersten objektivierenden Stellungnahmen der Ärztekammer als gängiges Argument für die Schutzmasken-bzw. Schutzvorrichtungsverweigerung herangezogen wurden. Zudem ist nicht anzunehmen, dass der BF bei einem einzigen Termin von ca. 45 Minuten an einem Samstagabend sowohl Depression/Burnout und – unabhängig davon – zusätzlich noch weitere gesundheitliche Beeinträchtigungen als Grund für eine Masken-/Schutzvorrichtungsbefreiung untersuchen und diagnostizieren ließ. Auch der Wortlaut des Attests vom 24.10.2020 bezieht sich abstrakt auf einen „psychologischen“ Standpunkt. In der Beschwerdeverhandlung behauptete der BF auf erneute Frage nach dem subjektiven Grund der Verhinderung nunmehr eine „chronische Sinusitis“ (VHP 28.9.2022, S. 3). Nach allgemeinen Erfahrungswerten ist darunter eine (überdies weit verbreitete) gelegentlich wiederkehrende Nebenhöhlenentzündung zu verstehen, welche – auch im Vergleich mit den im Disziplinarerkenntnis vom 27.9.2021 angeführten Beschwerden – ohne weitere Qualifikation jedenfalls keine Beeinträchtigung darstellen kann, die grundsätzlich und prophylaktisch das Weglassen von Schutzvorrichtungen erfordert. Dass der BF durch die behauptete Sinusitis nicht durchgehend beeinträchtigt ist oder war, hat er insofern selbst dargetan, als er auf Nachfrage zum Zustand bei den gegenständlichen Versammlungen angab, über das Auftreten der Symptome „keine Aufzeichnungen“ zu führen (VHP 28.9.2022, S. 3). Insbesondere wurde nicht behauptet und ist nach der Lebenserfahrung auch nicht davon auszugehen, dass der BF im Fall einer gerade akut schmerzhaften Nebenhöhlenentzündung im Winter an Versammlungen im Freien teilnahm.

Genauso wenig (bzw. noch weniger) aussagekräftig und glaubwürdig ist das beim zweiten Verhandlungstermin vorgelegte Attest der in Wien niedergelassenen Ärztin für Allgemeinmedizin/Ganzheitsmedizin, Dr. ZZ., welches am (Wahl-)Sonntag (!), 9.10.2022, ausgestellt wurde, und in welchem neben den Personendaten des BF lediglich festgehalten ist, dass dieser „im Falle des Tragens von einer den Mund- und Nasenbereich abdeckenden mechanischen Schutzvorrichtung sich der Gefahr von Befindlichkeitsstörungen aussetzt“ und daher „gemäß der zum Zeitpunkt der Ausstellung jeweils gültigen Covid-Verordnung befreit“ sei, „eine entsprechend Vorrichtung (Maske) zu tragen“. Bereits der geradezu demonstrativ unspezifisch gewählte Wortlaut und die darin vermittelte Auffassung, vordrucksmäßig und pauschal nach allen in Betracht kommenden Rechtslagen eine „Befreiung“ von der Schutzvorrichtungs-/ Maskenpflicht verfügen zu können, lässt auch bei dieser Ärztin einen grundsätzlichen politischen Aktivismus gegen einschlägige COVID-19-Maßnahmen vermuten. Auch zu dieser Konsultation machte der BF überdies keine nachvollziehbaren Angaben, sondern beschränkte er sich auf das Vorbringen, es habe bei der Ärztin „jedenfalls auch Messungen mit diversen Messgeräten“ gegeben (VHP 14.10.2022, S. 2).

Der weiteren Behauptung des BF, dass einmal zu einem unspezifischen Zeitpunkt vor den Betretungen woanders seine Lunge untersucht worden wäre (VHP 14.10.2022, S. 3), mangelt es von Vornherein an jedem Kausalzusammenhang mit einer anlassbezogenen Hinderung am Tragen einer Schutzmaske. Auch nach der augenscheinlichen Wahrnehmung in der Verhandlung ließ der BF keinerlei gesundheitliche Beeinträchtigung – weder atmungstechnisch noch in sonstiger Hinsicht – erkennen. Neben Berufung auf die ärztliche Schweigepflicht und freie Arztwahl kommunizierte er wiederholt, über seinen Gesundheitszustand keine Auskunft geben zu wollen (vgl. VHP 28.9.2022 S. 3, VHP 14.10.2022, S. 2), was in Verbindung mit abstrakten und inhaltlich nicht aussagekräftigen Attesten für die Feststellung einer Wahrscheinlichkeit maßgeblicher gesundheitlicher Beeinträchtigungen jedenfalls nicht ausreicht. Vielmehr entstand der nachhaltige Eindruck, dass der BF (wie zahlreiche Gleichgesinnte) die normierten Schutzvorrichtungen ohne medizinische Indikation lediglich aus Bequemlichkeit, persönlicher Aversion o.ä. nicht anwenden will.

Aus den vorangehenden Erörterungen resultiert gleichzeitig auch die Annahme, dass es der BF als Maßnahmengegner und Teilnehmer an einschlägigen Demonstrationen in subjektiver Hinsicht bewusst darauf anlegte, während der Versammlungen die von ihm abgelehnte Rechtslage zu umgehen, und dass sein unhinterfragtes Vertrauen auf die bloße Existenz eines wie auch immer gestalteten ärztlichen Formalattests nicht gutgläubig erfolgte. Dass das Weglassen der Maske bei den Versammlungen den Zweck der Kundgebung demonstrativ verstärken sollte, entspricht den Gesetzen der Logik und ist zudem ein durch die öffentlichen Medien belegter allgemeiner Erfahrungswert.

Die verwaltungsstrafrechtliche Vorstrafensituation zur jeweiligen Tatzeit hat die Behörde in den Begründungen der Straferkenntnisse selbst festgehalten. Die Feststellungen zur allgemeinen wirtschaftlichen Situation ergaben sich aus den insoweit glaubwürdigen eigenen Angaben des BF in der Beschwerdeverhandlung.

Rechtliche Beurteilung:

Zu I, II und III:

Gemäß § 40 Abs. 2 EpiG in der zur jeweiligen Tatzeit (28.2.2021 bzw. 14.3.2021) geltenden und durch die nachfolgenden Novellen nicht iSd § 1 Abs. 2 VStG begünstigend veränderten Fassung BGBl. I Nr. 136/2020 beging eine Verwaltungsübertretung und war mit einer Geldstrafe von bis zu 500 Euro, im Nichteinbringungsfall mit Freiheitsstrafe von bis zu einer Woche zu bestrafen, wer einen Veranstaltungsort gemäß § 15 entgegen den festgelegten Voraussetzungen oder Auflagen betragt.

§ 15 EpiG war zur jeweiligen Tatzeit Grundlage der 4. COVID-19-SchuMaV, deren maßgebliche Verhaltensnorm in der Fassung BGBl. II Nr. 76/2021 lautete:

Veranstaltungen

§ 13. (1) Veranstaltungen sind untersagt.

[…]

(3) Abs. 1 gilt nicht für

[…]

2. Versammlungen nach dem Versammlungsgesetz 1953, BGBl. Nr. 98/1953,

[…].

(4) Beim Betreten von Orten zum Zweck der Teilnahme an Veranstaltungen gemäß Abs. 3 Z 1, 2, 4 bis 7, 9 und 10 ist gegenüber Personen, die nicht im gemeinsamen Haushalt leben, ein Abstand von mindestens zwei Metern einzuhalten. Zusätzlich ist

1. bei Veranstaltungen gemäß Abs. 1 Z 1, 2, 4 bis 7 und 9

[…]

eine Atemschutzmaske der Schutzklasse FFP2 (FFP2-Maske) ohne Ausatemventil oder eine Maske mit mindestens gleichwertig genormtem Standard zu tragen. (5) […]

Die einschlägigen Ausnahmebestimmungen der 4. COVID-19-SchuMaV idF BGBl. II Nr. 94/2021 (Tatzeit 28.2.2021) bzw. BGBl. II Nr. 105/2021 (Tatzeit 14.3.2021) lauteten:

Ausnahmen

§ 16. […]

(5) Die Pflicht zum Tragen einer Atemschutzmaske der Schutzklasse FFP2 (FFP2-Maske) ohne Ausatemventil oder eine Maske mit mindestens gleichwertig genormtem Standard gilt nicht für Personen, denen dies aus gesundheitlichen Gründen nicht zugemutet werden kann. In diesem Fall darf auch eine den Mund- und Nasenbereich abdeckende und eng anliegende mechanische Schutzvorrichtung getragen werden. Sofern den Personen auch dies aus gesundheitlichen Gründen nicht zugemutet werden kann, darf auch eine nicht eng anliegende, aber den Mund- und Nasenbereich vollständig abdeckende mechanische Schutzvorrichtung getragen werden. Eine vollständige Abdeckung liegt vor, wenn die nicht eng anliegende Schutzvorrichtung bis zu den Ohren und deutlich unter das Kinn reicht. Sofern den Personen auch dies aus gesundheitlichen Gründen nicht zugemutet werden kann, gilt die Pflicht zum Tragen einer den Mund- und Nasenbereich abdeckenden mechanischen Schutzvorrichtung nicht.

(6) […]

Glaubhaftmachung

§ 18. (1) Das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß §§ 2 und 16 ist auf Verlangen gegenüber

1. Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes,

2. Behörden und Verwaltungsgerichten bei Parteienverkehr und Amtshandlungen sowie

3. Inhabern einer Betriebsstätte oder eines Arbeitsortes sowie Betreibern eines Verkehrsmittels zur Wahrnehmung ihrer Pflicht gemäß § 8 Abs. 4 COVID-19-MG

glaubhaft zu machen.

(2) Der Ausnahmegrund, wonach aus gesundheitlichen Gründen das Tragen einer Atemschutzmaske der Schutzklasse FFP2 (FFP2-Maske) ohne Ausatemventil, oder einer Maske mit mindestens gleichwertig genormtem Standard oder den Mund- und Nasenbereich abdeckenden und eng anliegenden mechanischen Schutzvorrichtung oder den Mund- und Nasenbereich abdeckenden mechanischen Schutzvorrichtung nicht zugemutet werden kann, sowie das Vorliegen einer Schwangerschaft ist durch eine von einem in Österreich zur selbstständigen Berufsausübung berechtigten Arzt ausgestellte Bestätigung nachzuweisen.

Gemäß § 55 Ärztegesetz 1998 – ÄrzteG 1998 darf ein Arzt ärztliche Zeugnisse nur nach gewissenhafter ärztlicher Untersuchung und nach genauer Erhebung der im Zeugnis zu bestätigenden Tatsachen nach seinem besten Wissen und Gewissen ausstellen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zu den (nach vorzitierter Art konzipierten) Ausnahmeregelungen zur gesetzlichen Verpflichtung zum Tragen von Schutzvorrichtungen in einem einschlägigen Erkenntnis ausdrücklich klargestellt, dass es nicht bloß darauf ankommt, ob der Betroffene über ein ärztliches Attest verfügt, sondern ob ihm die Erfüllung der Tragepflicht aus gesundheitlichen Gründen nicht zugemutet werden kann. Letzteres ist auch Gegenstand der Glaubhaftmachung, für welche der Überzeugungsgrad der Wahrscheinlichkeit ausreicht. Die für diese Glaubhaftmachung zur Verfügung stehenden Bescheinigungsmittel werden gesetzlich auf eine ärztliche Bestätigung eingeschränkt, welche wiederum auf ihren Beweiswert hin zu würdigen ist. Besteht für die Behörde/das Verwaltungsgericht Grund zur Annahme, dass es sich bei der Bestätigung um ein (nicht nach den Grundsätzen des § 55 ÄrzteG 1998 ausgestelltes) „Gefälligkeitsattest“ handelt, reicht diese Bestätigung zur Glaubhaftmachung nicht aus. In diesem Fall ist die Behörde/das Verwaltungsgericht berechtigt, den Betroffenen zur Vorlage eines weiteren unbedenklichen ärztlichen Attests aufzufordern und bei unentschuldigter Missachtung dieser Aufforderung eine Bestrafung vorzunehmen (vgl. VwGH 7.2.2022, Ra 2021/03/0277).

Ausgehend von den insoweit unstrittigen Feststellungen, wonach der BF entsprechend den behördlichen Tatvorhalten zur jeweils angelasteten Tatzeit als Teilnehmer einer Versammlung keine FFP2-Maske getragen hat, ist das Tatbild des § 13 Abs. 4 Z 1 4. COVID-19-SchuMaV zweifellos erfüllt. Geltend gemacht wurde lediglich der Ausnahmetatbestand des § 16 Abs. 5 iVm § 18 Abs. 2. Bereits der legistische Begriff der „Zumutbarkeit“ impliziert, dass hinsichtlich Ausnahmen vom Tragen von Schutzvorrichtungen grundsätzlich ein strenger Maßstab anzulegen ist. Nach dem Größenschluss ist davon auszugehen, dass ein unbedenklich ärztliches Attest, aus welchem sich die Unzumutbarkeit des Tragens einer den Mund- und Nasenbereich abdeckenden mechanischen Schutzvorrichtung zureichend ableiten lässt, auch die Unzumutbarkeit des Tragens einer FFP2-Maske ohne Ausatemventil oder einer Maske mit mindestens gleichwertig genormtem Standard deckt. Der bloße Umstand, dass das Attest vom 24.10.2020 nicht auf die zur Tatzeit geltende und das Attest vom 9.10.2022 auf jede erdenkliche Rechtslage Bezug nimmt, schadet daher als solcher noch nicht, sondern wird eine Einzelfallbeurteilung anhand der jeweils geltenden Rechtslage vorzunehmen sein. Im Fall des BF hat das Ermittlungserfahren gemäß den beweiswürdigenden Ausführungen eindeutig ergeben, dass eine besondere gesundheitliche Beeinträchtigung, welche das Tragen einer FFP2- oder gleichwertigen Maske unzumutbar machen würde, nicht einmal als wahrscheinlich angenommen werden kann. Da die gegenständlichen Verwaltungsvorschriften selbst eine diesbezügliche Mitwirkungspflicht des Beschuldigten am Verfahren vorsehen, welche überdies nach allgemeinen Verfahrensgrundsätzen bei Berufung auf einen Ausnahmetatbestand grundsätzlich verstärkt zum Tragen kommt, geht hier unbeschadet des Amtswegigkeitsgrundsatzes - auch eine unzureichende Mitwirkung zu Lasten des Beschuldigten. Vor diesem Hintergrund und im Licht der Ausführungen in der vorzierten höchstgerichtlichen Judikatur ist die Vorlage nicht aussagekräftiger Atteste mit zweifelhafter Grundlage in Verbindung mit der Berufung auf die ärztliche Schweigepflicht und/oder das persönliche Interesse an der Geheimhaltung von Krankheitsbildern für eine Glaubhaftmachung iSd zitierten Rechtsvorschriften unzureichend. Mangels Anwendbarkeit der Ausnahmeregelungen ist der objektive Tatbestand somit im vorliegenden Fall erfüllt.

Bei der Modifizierung des Spruchs zum Bescheid MBA/...2/2021 handelt es sich lediglich um eine Korrektur sprachlicher Art, da insbesondere die syntaktisch ungünstige Positionierung der (dem allgemeinen Gesetzeswortlaut entnommenen) Wortfolge „in geschlossenen Räumen“ im Zusammenhang störend bzw. irreführend wirkt.

Gemäß § 5 Abs. 1 erster Satz VStG genügt mangels gegenteiliger Regelung in den Verwaltungsvorschriften für das Verschulden an einer einschlägigen Übertretung nach der 4. COVID-19-SchuMaV fahrlässiges Verhalten. Da der in Rede stehende Tatbestand zudem nicht den nachweislichen Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr voraussetzt („Ungehorsamsdelikt“) und der Geldstrafrahmen nicht 50.000 Euro übersteigt, hatte der BF glaubhaft zu machen, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft, widrigenfalls Fahrlässigkeit gemäß § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG ohne weiteres anzunehmen war. Nach ständiger Rechtsprechung hat grundsätzlich der Beschuldigte initiativ und in substantiierter Form alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht, wobei es nicht genügt, den Tatvorwurf bloß zu leugnen oder sich auf allgemein gehaltene Behauptungen zurückzuziehen (vgl. etwa VwGH 27.6.2017, Ra 2014/05/0050 mwV).

Zusätzlich zur fehlenden Glaubhaftmachung einer Ausnahme auf der objektiven Tatbestandsebene liegt auch keine Glaubhaftmachung entschuldigender Umstände iSd § 5 Abs. 1 VStG vor: Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte war der BF zur jeweiligen Tatzeit ein nicht in seiner Einsichts- und Dispositionsfähigkeit beeinträchtigter Erwachsener. Im Licht der Feststellungen zur Motivation und zu den persönlichen Interessen des BF sowie der zu Grunde liegenden Beweiswürdigung ist hinsichtlich des tatbildmäßigen Verhaltens (Nichttragen der Schutzmaske bei der Versammlung) von einem bewussten und demonstrativen, sohin vorsätzlichen Verstärken des Kundgebungszwecks auszugehen, hinsichtlich der Annahme eines Ausnahmetatbestands von Eventualvorsatz bzw. zumindest von grober Fahrlässigkeit bei der Information über die geltende Rechtslage: § 18 Abs. 2 4.COVID-19-SchuMaV in der vorzitierten zur jeweiligen Tatzeit geltenden Fassung normierte ausdrücklich, dass „der Ausnahmegrund, wonach“ aus gesundheitlichen Gründen von Unzumutbarkeit auszugehen war, durch eine ärztliche Bestätigung nachzuweisen bzw. glaubhaft zu machen war und nicht, dass eine ärztliche Formalbestätigung über die Unzumutbarkeit des Tragens von Schutzvorrichtungen in jedem Fall ohne weiteres ausreichte. Für jeden verständigen Durchschnittsbürger musste ersichtlich sein, dass ein auf abstraktestem Niveau serienartig formuliertes Attest wie jenes der Dr. XY vom 24.10.2020 einer Schlüssigkeitsprüfung nicht standhalten konnten, da es ihm an jeglicher Aussagekraft in Bezug auf einen individuellen gesundheitlichen Ausnahmegrund fehlte. Auch die subjektive Tatseite ist daher jedenfalls erfüllt.

Der im Einspruch vom 10.5.2021 enthaltenen Behauptung dahingehend, dass bei der Demonstration vom 14.3.2021 eines der beiden (zu unterschiedlichen Zeitpunkten eingeschrittenen) Polizeiorgane das vorgewiesene Attest der Dr. XY mit „Ja, passt, danke“ kommentiert hätte, wurde im Sinn einer Wahrunterstellung dahingehend Rechnung getragen, dass die Tatzeit im Spruch des Bescheides MBA/...8/2021 im Zweifel auf einen einzelnen Tatzeitpunkt im genannten Rahmenzeitraum eingeschränkt wurde. Im Übrigen ist zu bemerken, dass Polizeiorganen eine nähere inhaltliche Würdigung von Attesten während der Vorgänge bei einer Demonstration schon nach der Lebenserfahrung nicht zumutbar ist und der BF, dessen Daten zu beiden Kontrollzeiten unstrittig vor Ort erfasst wurden, keineswegs darauf vertrauen durfte, dass die Sache erledigt sei, sondern er in jedem Fall mit einer behördlichen Nachprüfung des Sachverhalts zu rechnen hatte. In der amtlichen Anzeige zum Zeitpunkt 16:05 Uhr ist die – offensichtlich gerade nicht als ausreichend erachtete – Berufung des BF auf ein Maskenattest sogar ausdrücklich festgehalten.

Strafbemessung:

Gemäß § 19 Abs. 1 VStG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.

Gemäß § 19 Abs. 2 VStG sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 StGB sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Gemäß § 20 VStG kann die Mindeststrafe bis zur Hälfte unterschritten werden, wenn die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen oder der Beschuldigte ein Jugendlicher ist.

Gemäß § 42 VwGVG darf auf Grund einer vom Beschuldigten oder zu seinen Gunsten erhobenen Beschwerde im Erkenntnis des VG keine höhere Strafe verhängt werden als im angefochtenen Bescheid.

Zur Anwendung kommt gemäß § 1 Abs. 2 VStG die gegenüber den nachfolgenden Fassungen günstigere Strafdrohung des § 40 Abs. 2 EpiG zur Tatzeit.

Die Strafdrohung bei Übertretung der zitierten Bestimmungen des § 13 4. COVID-19-SchuMaV diente dem präventiven Schutz der körperlichen Integrität von Personen in einer gesundheitsbezogen unsicheren gesellschaftlichen Gesamtsituation zur Pandemiezeit. Die vergleichsweise niedrige Strafdrohung des § 40 Abs. 2 EpiG ist für sich allein betrachtet noch kein Indiz für eine geringfügige Bedeutung des geschützten Rechtsguts (vgl. etwa VwGH 19.6.2018, Ra 2017/02/0102; 20.11.2015, Ra 2015/02/0167); vielmehr ist, zumal auch der Gesundheitsschutz im Fokus steht, von zumindest mittlerer bis erhöhter Bedeutung auszugehen. Die fallbezogene Schutzgutbeeinträchtigung ist ausgehend vom bindenden Tatvorhalt jeweils „nur“ durchschnittlich anzusetzen, da mangels weiterer Ermittlungen nur zeitlich punktuelle Tatanlastungen erfolgten. Da zwischen den beiden Kontrollzeiten beim Vorfall vom 14.3.2021 (MBA/...8/2021) nur etwa 25 Minuten lagen, ist auch hier noch von keiner erschwerten Beeinträchtigung auszugehen und hatte die Einschränkung der Tatzeit im Beschwerdeverfahren daher per se auch keine Auswirkung auf die Strafbemessung. Auch die Behörde hat in beiden Verfahren (MBA/...2/2021, MBA/...8/2021) von Vornherein dasselbe Strafausmaß angesetzt. Das Fehlen bzw. die fehlende Nachweisbarkeit einer verhaltensbedingten konkreten Gefährdung oder sonstigen schädlichen Folge ist nach dem aktuellen Wortlaut des § 19 Abs. 1 VStG kein (begünstigendes) Strafbemessungskriterium. Die aktenkundigen Tatumstände und das Vorbringen des BF lassen auch keine Anhaltspunkte erkennen, dass die Einhaltung der übertretenen Vorschrift im konkreten Fall außergewöhnliche Aufmerksamkeit erfordert hätte oder die Übertretung aus besonderen Gründen nur schwer hätte vermieden werden können. Vielmehr ist das Verschulden des BF ausgehend von den vorangehenden Erörterungen zur subjektiven Tatseite (Umgehungsabsicht aus persönlicher Nichtakzeptanz der Rechtslage, Vertrauen auf eine Formalbescheinigung ohne Erklärungswert) als schwer einzustufen. Da somit weder das geschützte Rechtsgut, seine Beeinträchtigung noch das Verschulden - und umso weniger alle drei Strafbemessungskriterien kumulativ - als gering zu bewerten sind, kommen eine Verfahrenseinstellung nach § 45 Abs. 1 Z 4 VStG, eine ersatzweise Ermahnung nach § 45 Abs. 1 letzter Satz VStG wie auch eine beratende Maßnahme nach § 33a VStG nicht in Betracht (vgl. VwGH 15.10.2019, Ra 2019/02/0109; 25.4.2019, Ra 2018/09/0209).

Als Milderungsgrund iSd § 34 Abs. 1 Z 2 StGB ist die verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit des BF zur jeweiligen Tatzeit zu berücksichtigen. Der von der Behörde gegenübergestellte Erschwerungsgrund des „als besonders schutzwürdig erkannten öffentlichen Interesses an der Eindämmung von COVID-19“ entfällt, da dieses ein eigenes Strafbemessungskriterium nach § 19 Abs. 1 VStG darstellt und nicht doppelt zu berücksichtigen ist. Sonstige amtswegig aufzugreifende Milderungsgründe oder spezifische Erschwerungsgründe sind nach der Aktenlage nicht indiziert. Das Ausbleiben schädlicher Folgen ist bei Ungehorsamsdelikten – um solche handelt es sich hier – auch kein Milderungsgrund iSd § 34 Abs. 1 Z 13 StGB (vgl. etwa VwGH 25.9.2014, 2012/07/0214 mwV). Weder kommen die festgestellten Tatumstände iSd § 34 Abs. 1 Z 11 StGB einem Schuldausschließungs- oder Rechfertigungsgrund nahe, noch liegt nach den Leitlinien der höchstgerichtlichen Rechtsprechung eine unverhältnismäßig lange Verfahrensdauer iSd § 34 Abs. 2 StGB vor. Eine außerordentliche Strafmilderung nach § 20 VStG kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil eine über § 13 VStG hinausgehende besondere Strafuntergrenze zur Strafsanktionsnorm in der hier anwendbaren Fassung nicht vorgesehen war. In Anbetracht des Umstands, dass der BF ein zumindest deutlich über dem Existenzminimum liegendes regelmäßiges Einkommen bezieht und sonstige ungünstige Umstände nicht im Raum stehen, war von durchschnittlichen wirtschaftlichen Verhältnissen (ohne straferhöhende oder strafmildernde Auswirkung) auszugehen.

Bei Abwägung der vorerörterten Umstände (mittlere bis erhöhte Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsguts bei gleichzeitig niedrigem Strafsatz, jeweils durchschnittlicher Eingriff, schweres Verschulden, 1 Milderungsgrund, Wegfall des Erschwerungsgrundes, durchschnittliche wirtschaftliche Verhältnisse) erscheint nach den Umständen des Einzelfalls eine Geldstrafe von jeweils 80 Euro tatangemessen. Eine weitere Herabsetzung kommt im Fall des BF aus spezialpräventiven Gründen (Uneinsichtigkeit bis zum Schluss der Beschwerdeverhandlung trotz mehrfacher Belehrung über die einschlägige Rechts- und Judikaturlage) nicht in Betracht (vgl. etwa VwGH 30.9.2021, Ra 2021/02/0195; 25.3.1994, 93/02/0252). Die Ersatzfreiheitsstrafen von jeweils 4 Stunden wurden in den Straferkenntnissen im Verhältnis zu den dortigen Geldstrafen (jeweils 120 Euro) ausgehend von den anwendbaren Strafsätzen zu Gunsten des BF bei weitem zu niedrig bemessen, sind im Verhältnis zu den reduzierten Geldstrafen noch immer (zu) niedrig und bleiben daher nach Maßgabe des § 42 VwGVG unverändert. Der Beitrag des BF zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens der belangten Behörde reduziert sich gemäß § 64 Abs. 1 und 2 VStG jeweils auf den (10 % der reduzierten Geldstrafen übersteigenden) gesetzlichen Mindestbeitrag von 10 Euro.

Aufgrund jeweils teilweisen Obsiegens war dem BF gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG kein Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen.

Zu IV (§ 25a Abs. 1 ergänzend zu Abs. 4 VwGG):

Die Unzulässigkeit der Revision war auszusprechen, da die Entscheidungen den gesetzlichen Vorgaben in Verbindung mit den einschlägigen höchstgerichtlichen Leitlinien zu Ausnahmetatbeständen betreffend die gesetzliche Schutzmaskenpflicht zur COVID-19-Pandemiezeit (vgl. VwGH 7.2.2022, Ra 2021/03/0277) wie auch den höchstgerichtlichen Leitlinien zur Strafbemessung folgen. Überdies unterliegen einzelfallbezogene Beurteilungen bzw. Ermessensentscheidungen (wie insbesondere auch die Strafbemessung) samt zu Grunde liegender Beweiswürdigung im Regelfall nicht der Nachprüfung im Revisionsweg (vgl. VwGH 11.1.2018, Ra 2017/02/0136; 8.11.2016, Ra 2016/09/0097; 24.2.2016, Ra 2016/04/0013, mwV). Für grundsätzlich bedeutende Rechtsfragen iSd Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG besteht somit kein Anhaltspunkt.

Schlagworte

Covid; Versammlung; Tragen von Schutzvorrichtungen; FFP2-Maske; Ausnahmeregelungen; ärztliches Attest; gesundheitlichen Gründen; Unzumutbarkeit; Glaubhaftmachung; Mitwirkungspflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2022:VGW.031.079.12674.2021

Zuletzt aktualisiert am

27.03.2023
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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