Entscheidungsdatum
06.10.2022Index
90/01 StraßenverkehrsordnungNorm
StVO 1960 §4 Abs5Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat durch die Richterin HR Dr. Merl über die Beschwerde des A B, geb. am ****, vertreten durch Mag. C D, Rechtsanwalts-Kommandit-Partnerschaft KG, Pstraße, L, gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Steiermark vom 19.07.2022, GZ: VStV/922300380423/2022,
z u R e c h t e r k a n n t:
I. Gemäß § 50 Abs 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (im Folgenden VwGVG) wird der Beschwerde stattgegeben, das angefochtene Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren hinsichtlich aller Spruchpunkte gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG iVm § 38 VwGVG eingestellt.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz (im Folgenden VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Beschwerdevorbringen, Sachverhalt:
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis werden dem Beschwerdeführer hinsichtlich eines Verkehrsunfalls am 25.02.2022 nachstehende Übertretungen des § 4 Abs 1 lit. a StVO, des § 4 Abs 1 lit. c StVO und des § 4 Abs 5 StVO zur Last gelegt und Geldstrafen von je € 200,00 (Punkt 1. und 2.) sowie € 150,00 (Punkt 3.) verhängt:
„1. Datum/Zeit: 25.02.2022, 08.30 Uhr
Ort: G, T Straße – Kreuzung A d T
Betroffenes Fahrzeug: PKW, Kennzeichen: ******
Sie haben als Lenker/in des angeführten Fahrzeuges mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden und haben Ihr Fahrzeug nicht sofort angehalten.
2. Datum/Zeit: 25.02.2022, 08.30 Uhr
Ort: G, T Straße – Kreuzung A d T
Betroffenes Fahrzeug: PKW, Kennzeichen: ******
Sie sind mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden und haben an der Sachverhaltsfeststellung nicht mitgewirkt, da Sie es durch Verlassen der Unfallstelle unmöglich gemacht haben, Ihre körperliche und geistige Verfassung zum Unfallszeitpunkt festzustellen.
3. Datum/Zeit: 25.02.2022, 08.30 Uhr
Ort: G, T Straße – Kreuzung A d T
Betroffenes Fahrzeug: PKW, Kennzeichen: ******
Sie sind mit einem Verkehrsunfall mit Sachschaden in ursächlichem Zusammenhang gestanden und haben nicht ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle verständigt, obwohl Sie und die Person(en) in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihre Namen und Anschriften nicht nachgewiesen haben.“
In der dagegen fristgerecht eingebrachten Beschwerde wird ausgeführt, der Beschwerdeführer habe damals keinesfalls Fahrerflucht begangen, sondern lediglich seine damals im achten Monat schwangere Gattin nach Hause bringen wollen, welche sich wegen des Unfalls sehr erschrocken hatte. Überdies habe der Beschwerdeführer keinen Personenschaden verursacht und sei auch vollkaskoversichert, weshalb auch ein etwaiger Schaden sowohl am Auto des Beschwerdeführers als auch in der Standsäule durch die Versicherung des Beschwerdeführers getragen worden wäre. Der Beschwerdeführer habe sich damals in einer psychischen Ausnahmesituation befunden. Überdies sei an dem gegenständlichen Unfall kein anderes Fahrzeug beteiligt gewesen und somit hätte es gar keine Möglichkeit gegeben, mit einem allfälligen Unfallgegner die Daten für die Versicherung auszutauschen. Es werde nochmals beantragt, die Gattin des Beschwerdeführers zeugenschaftlich zu befragen und danach das Verfahren zur Einstellung zu bringen.
Aufgrund des vorliegenden Akteninhaltes ist von nachstehendem, für die zu erlassende Entscheidung relevanten Sachverhalt auszugehen:
Laut der im Akt erliegenden VStV Anzeige vom 27.02.2022 beschädigte der nunmehrige Beschwerdeführer am 25.02.2022, gegen 08:30 Uhr, in G, in der Tstraße an der Kreuzung A d T die dortige VSA (Verkehrsampel), wobei der Vorfall von einem Passanten beobachtet wurde, welcher sich das Kennzeichen des Fahrzeugs ****** notierte. Aufgrund dieser Angaben konnte der Beschwerdeführer ausgeforscht werden und gab an, er sei beim Einbiegen mit der rechten vorderen Fahrzeugecke gegen die Standsäule der dortigen Verkehrsampel gefahren und danach in Panik nach Hause gefahren.
Daraufhin erließ die belangte Behörde als erste Verfolgungshandlung zunächst eine Strafverfügung vom 10.03.2022, welche sowohl hinsichtlich des Tatvorwurfs als auch hinsichtlich der rechtlichen Subsumtion wörtlich gleichlautend ist mit dem nunmehr angefochtenen Straferkenntnis.
Nachdem der auch damals bereits anwaltlich vertretene Beschwerdeführer diese Strafverfügung fristgerecht beansprucht hatte und sich darin im Wesentlichen gleichlautend verantwortete wie in der nunmehrigen Beschwerde, erließ die belangte Behörde nach Einholung einer Sachverhaltsdarstellung der Meldungsleger das nunmehr angefochtene Straferkenntnis mit dem umseitig wiedergegebenen Tatvorwurf.
II. Rechtliche Beurteilung:
Die im Anlassfall einschlägigen Bestimmungen der StVO lauten in der zur Tatzeit maßgeblichen Fassung auszugsweise wie folgt:
„(1) Alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhange steht, haben
a) wenn sie ein Fahrzeug lenken, sofort anzuhalten.“
„(1) Alle Personen, deren Verhalten am Unfallsort mit einem Verkehrsunfall in ursächlichem Zusammenhange steht, haben
c) an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken.“
„Wenn bei einem Verkehrsunfall nur Sachschaden entstanden ist, haben die im Abs. 1 genannten Personen die nächste Polizeidienststelle vom Verkehrsunfall ohne unnötigen Aufschub zu verständigen. Eine solche Verständigung darf jedoch unterbleiben, wenn die im Abs. 1 genannten Personen oder jene, in deren Vermögen der Schaden eingetreten ist, einander ihren Namen und ihre Anschrift nachgewiesen haben.“
„Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs (insbesondere Verkehrsampeln, Signalscheiben, Straßenverkehrszeichen, Verkehrsleiteinrichtungen, Leiteinrichtungen für Menschen mit Sehbehinderung, Sockel für Verkehrsposten, Verkehrstürme, Schutzinseln, Sperrketten, Geländer, Begrenzungspfeiler, Randsteine, radableitende Randbegrenzungen, Straßenbeleuchtungseinrichtungen, Schneegatter, Verkehrsspiegel und das allenfalls mit solchen Einrichtungen verbundene Rückstrahlmaterial) dürfen nicht beschädigt oder unbefugt angebracht, entfernt, verdeckt oder in ihrer Lage oder Bedeutung verändert werden.“
„(2) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe von 36 Euro bis 2 180 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe von 24 Stunden bis sechs Wochen, zu bestrafen,
e) wer Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs unbefugt anbringt, entfernt, verdeckt oder in ihrer Lage oder Bedeutung verändert oder solche Einrichtungen beschädigt, es sei denn, die Beschädigung ist bei einem Verkehrsunfall entstanden und die nächste Polizeidienststelle oder der Straßenerhalter ist von der Beschädigung unter Bekanntgabe der Identität des Beschädigers ohne unnötigen Aufschub verständigt worden.“
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den obzitierten Bestimmungen des § 4 StVO ist Tatbestandsvoraussetzung für einen im Sinne dieser Regelungen meldepflichtigen Verkehrsunfall mit Sachschaden, dass es einen Unfallgegner gibt, somit ein anderes Fahrzeug, welches zusätzlich zum Fahrzeug des jeweiligen Beschuldigten beschädigt wurde (Ra 2021/02/0038; Ra 2018/02/0311 uva).
Im vorliegenden Fall ergibt sich jedoch aus der zugrundeliegenden Anzeige eindeutig, dass der Beschwerdeführer am 25.02.2022 im Zuge des damaligen Fahrmanövers kein anderes Fahrzeug beschädigt hat, sondern eine Verkehrsampel und somit eine Einrichtung zur Regelung und Sicherung des Verkehrs im Sinne von § 31 Abs 1 StVO. Zu derartigen Sachverhalten vertritt jedoch der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass § 31 Abs 1 StVO iVm § 99 Abs 2 lit e StVO im Verhältnis zu § 4 Abs 5 StVO die speziellere Strafbestimmung darstellt (VwGH 27.09.1989, Zl: 88/03/0158; 15.05.1990, Zl: 89/02/0164; 27.02.1992, Zl: 92/02/0031 sowie jüngst 04.04.2017, Ra 2017/02/0017). Wer eine Einrichtung zur Regelung und Sicherung des Verkehrs beschädigt und diese Beschädigung nicht meldet macht sich demnach nur einer Übertretung nach § 31 Abs 1 iVm § 99 Abs 2 lit e StVO schuldig und nicht zusätzlich jener des § 4 Abs 5 StVO und den weiteren von der belangten Behörde angewendeten Tatbeständen.
Die belangte Behörde hat daher den gegenständlichen Sachverhalt, nämlich die Beschädigung der Verkehrsampel im Sinne der obzitierten Rechtsprechung unter die falsche rechtliche Bestimmung subsumiert. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtes liegt jedoch darüber hinaus auch eine andere Tat vor, welche vom Verwaltungsgericht im Beschwerdeverfahren nicht ausgetauscht werden darf. Aus dem zu Beginn der Begründung wiedergegeben wörtlich wiedergegebenen Tatvorwurf ergibt sich nämlich nicht einmal andeutungsweise, dass es sich gegenständlich nicht um die Beschädigung eines anderen Fahrzeugs gehandelt hat sondern um die Beschädigung einer Verkehrsampel. Im Gegenteil: Indem die belangte Behörde bei der Tatumschreibung zu Punkt 3) dem Beschwerdeführer vorwirft, er hätte es unterlassen, mit dem Unfallgegner seine Personalien auszutauschen, bringt sie deutlich zum Ausdruck, dass dem Beschwerdeführer ein Verkehrsunfall zur Last gelegt wird, bei welchem es ein weiteres beteiligtes Fahrzeug gegeben hat, was gegenständlich jedoch nicht der Fall war. Insofern ist dem Beschwerdeführer Recht zu geben, dass bei dem hier vorgelegenen Sachverhalt ein Austausch der Personalien der beteiligten Personen denkunmöglich ist.
Dem Beschwerdeführer hätte im vorliegenden Fall im Sinne der obzitierten Rechtsprechung richtigerweise zur Last gelegt werden müssen, er habe am 25.02.2022 an der gegenständlichen Örtlichkeit zur angegebenen Uhrzeit eine Einrichtung zur Regelung und Sicherung des Verkehrs nämlich eine Verkehrsampel beschädigt und habe nicht ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle oder den Straßenerhalter von der Beschädigung unter Bekanntgabe der Identität des Beschädigten verständigt. Dieser Tatvorwurf ergibt sich nicht annähernd aus dem angefochtenen Straferkenntnis und kann daher vom Verwaltungsgericht auch nicht ausgetauscht werden, da dem Verwaltungsgericht nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung eine Auswechslung der Tat im Beschwerdeverfahren verwehrt ist.
Da der Beschwerdeführer somit die ihm angelasteten drei Verwaltungsübertretungen nicht begangen hat, war das Verfahren aus formalen Gründen einzustellen. Da bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist, hatte auch gemäß § 44 Abs 2 VwGVG die Durchführung einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht zu entfallen.
An die Adresse der belangten Behörde sei abschließend noch ausgeführt, dass auch eine Bestrafung des Beschwerdeführers mit dem richtigen Tatvorwurf in einem zweiten Rechtsgang unzulässig wäre, da dies gemäß den Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes im Erkenntnis Ra 2017/02/0017 eine unzulässige Doppelbestrafung darstellen würde. Diesem Erkenntnis lag ein Sachverhalt zugrunde, in welchem das Verwaltungsgericht zunächst im ersten Rechtsgang vom Verwaltungsgerichtshof unbeanstandet gleich wie im hier vorliegenden Fall ein Verfahren, in welchem dem Beschuldigten vorgeworfen wurde, er sei entgegen § 4 StVO als Lenker eines Fahrzeugs mit einem Verkehrsunfall im ursächlichen Zusammenhang gestanden und habe an der Sachverhaltsfeststellung nicht mitgewirkt, sein Fahrzeug nicht sofort angehalten und nicht ohne unnötigen Aufschub die nächste Polizeidienststelle vom Verkehrsunfall verständigt mit der Begründung eingestellt hatte, dass im gegenständlichen Fall ein Schild mit der Aufschrift „Achtung Kinder“ und somit eine Einrichtung zur Sicherung des Verkehrs beschädigt wurde. Danach wurde von der belangten Behörde ein neues Straferkenntnis mit dem richtigen Tatvorwurf einer Übertretung des § 31 Abs 1 StVO iVm § 99 Abs 2 lit. e StVO erlassen und vom Verwaltungsgericht im Beschwerdeverfahren bestätigt. Dieses Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes wurde vom VwGH jedoch mit der Begründung behoben, dass hier entgegen Art. 4 Abs 1 7. ZPEMRK eine unzulässige Doppelbestrafung vorliege, da das Verfahren wegen des gleichen Sachverhalts schon einmal rechtskräftig eingestellt worden sei.
III. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Beschädigung einer Verkehrsampel, richtige Norm, lex specialis, Doppelbestrafung, Wiederholungsverbot, Sperrwirkung, einheitliche TathandlungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGST:2022:LVwG.30.15.6883.2022Zuletzt aktualisiert am
27.03.2023