TE Vwgh Erkenntnis 1995/11/8 95/12/0113

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Veröffentlicht am 08.11.1995
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;
63/02 Gehaltsgesetz;

Norm

AVG §56;
AVG §66 Abs4;
BDG 1979 §40 Abs1;
GehG 1956 §73b Abs1;
GehG 1956 §73b Abs2;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Riedinger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Leitner, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 24. März 1995, Zl. 107.447/3-II/2/95, betreffend Dienstzulage nach § 73b des Gehaltsgesetzes 1956, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als Bezirksinspektor in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Seine Dienststelle ist das Bezirkspolizeikommissariat XY, bei welchem er als Kriminalbeamter tätig ist.

Mit Bescheid vom 2. Juni 1989 sprach die Bundespolizeidirektion Wien als Dienstbehörde erster Instanz aus, daß dem Beschwerdeführer ab 1. Jänner 1989 die Dienstzulage nach § 73b GG 1956 gebühre.

Mit Antrag vom 20. September 1990 begehrte der Beschwerdeführer von der Dienstbehörde erster Instanz die rückwirkende bescheidmäßige Zuerkennung dieser Dienstzulage für die Zeit vom 1. Oktober 1987 bis zum 31. Dezember 1988. Er begründete dies damit, daß er seit dem 3. Juni 1976 dem Bezirkspolizeikommissariat XY als Kriminalbeamter dienstzugeteilt sei und dort seit 27. April 1982 in der Kriminalbeamtengruppe IV Dienst versehe. Ihm sei mit rechtskräftigem Bescheid vom 2. Juni 1989 mit Wirkung vom 1. Jänner 1989 für seine derzeitige Verwendung die Dienstzulage nach § 73b GG 1956 zuerkannt worden. Da er aber seine als Richt- oder einer solchen gleichzuhaltenden Verwendung im Sinne des § 73b GG 1956 anerkannte Wahrnehmung von Aufgaben ohne Änderung seit dem 27. April 1982 erfülle, ersuche er um rückwirkende Zuerkennung dieser Dienstzulage für die letzten drei Jahre.

Nachdem auch die mit Devolutionsantrag angerufene belangte Behörde zunächst nicht entschieden hatte, erhob der Beschwerdeführer Säumnisbeschwerde beim Verwaltungsgerichtshof. Innerhalb der zur Nachholung des versäumten Bescheides eingeräumten Frist gewährte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer Parteiengehör zu ihrer Annahme, sie sei im Einvernehmen mit dem Bundeskanzleramt und dem Bundesministerium für Finanzen am 1. Jänner 1989 davon ausgegangen, daß es im Bereich des Kriminaldienstes durch die Änderungen der Rechtsvorschriften (beispielsweise Inkrafttreten des Jugendgerichtsgesetzes 1986, des Strafrechtsänderungsgesetzes 1987 sowie die Einschulung im EDV-Bereich) zu einer Anhebung des Verwendungsbildes im Kriminaldienst gekommen sei, wodurch ab diesem Zeitpunkt im Rahmen der Arbeitsplatzbewertung auch im Falle des Beschwerdeführers davon ausgegangen worden sei, daß er "eine Sachbearbeiterplanstelle und damit eine Richtverwendung innehabe". Der Beschwerdeführer äußerte sich hiezu und bekräftigte mit eingehenden Ausführungen seinen bisherigen Standpunkt.

In der Folge stellte der Verwaltungsgerichtshof wegen Erlassung des nunmehr angefochtenen Bescheides das Säumnisbeschwerdeverfahren mit Beschluß vom 19. April 1995, Zl. 94/12/0194, ein.

Mit dem nun angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers "nach Maßgabe der Bestimmungen des § 142 des Gehaltsgesetzes 1956, BGBl. Nr. 54, in der derzeit geltenden Fassung abgewiesen (seinerzeit § 73b GG 1956)". Begründend führte die belangte Behörde in zusammengefaßter Darstellung des Verfahrensganges und der Rechtslage (§ 142 GG 1956 mit Hinweis, daß dieser dem früheren § 73b GG 1956 entspreche) aus, daß das Bundeskanzleramt und die belangte Behörde bei der "seinerzeitigen Beurteilung auf Neu- bzw. Höherbewertung bestimmter Arbeitsplätze des Kriminaldienstes" davon ausgegangen seien, daß sich die Qualität der auf diesen Arbeitsplätzen zu verrichtenden Tätigkeiten zufolge Vermehrung der zu vollziehenden Rechtsnormen in einem Maße geändert habe, die eine Bewertungsänderung rechtfertige. Dieser Umstand wirke sich logischerweise auch durch eine Änderung der Arbeitsplatzbeschreibung, "die zwangsweise in jedem Fall ein SOLL darstellt", aus. Es sei Aufgabe der Dienstbehörde, den Arbeitsplatzinhalt nach Maßgabe der jeweils für die Bewertung ausschlaggebenden Kriterien mit Rücksicht auf die geforderte Gleichwertigkeit und den angemessenen Arbeitsumfang festzulegen. Welche Kriterien diesbezüglich maßgebend seien, sei im § 137 BDG 1979 in der derzeit geltenden Fassung festgelegt. Kein Einfluß habe jedenfalls der Umstand, inwieweit der jeweilige Inhaber des Arbeitsplatzes das festgelegte "SOLL" auch tatsächlich erfülle. So gehe die im Verwaltungsverfahren geäußerte subjektive Meinung des Beschwerdeführers, es hätte sich seine konkrete Tätigkeit vor und nach dem 1. Jänner 1989 nicht geändert, ins Leere. Ausschlaggebend sei vielmehr, daß sich die SOLL-Beschreibung der Aufgabenstellung, das Anforderunsprofil und damit auch die Arbeitsplatzqualifikation zu einem bestimmten Zeitpunkt für die Bediensteten im Kriminaldienst wesentlich geändert hätten. Wenn somit durch die für die Dienstleistung im Kriminaldienst maßgebenden Änderungen der Rechtsvorschriften und der Dienstanweisungen, im Falle des Beschwerdeführers per 1. Jänner 1989, wie von ihm behauptet, keine wesentliche Änderungen im Aufgabenbereich eingetreten seien, aufgrund derer er ab 1. Jänner 1989 die Richtverwendung eines Sachbearbeiters innegehabt habe, bzw. wenn das Maß an Verantwortung, das mit seinem Arbeitsplatz verbunden gewesen sei, nicht in einem solchen Maße gestiegen sei, daß seine dienstlichen Aufgaben einer Richtverwendung gleichzuhalten gewesen wären, ergebe sich hieraus bestenfalls, daß ihm die Dienstzulage am 1. Jänner 1989 nicht zugestanden wäre und nicht, wie er vermeine, daß ihm diese Dienstzulage auch vor dem 1. Jänner 1989 gebührt hätten.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes seit dem Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 4. Mai 1977, Zl. 898/75 = Slg. 9315/A, hat die Behörde im allgemeinen das im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides geltende Recht anzuwenden. Eine andere Betrachtungsweise wird nur dann geboten sein, wenn etwa der Gesetzgeber in einer Übergangsbestimmung zum Ausdruck bringt, daß "auf anhängige Verfahren noch das bisher geltende Recht anzuwenden ist". Weiters wird eine andere Betrachtungsweise auch dann Platz zu greifen haben, wenn darüber abzusprechen ist, was an einem bestimmten Stichtag oder in einem konkreten Zeitraum rechtens war. Letzteres ist hier der Fall, weil der Beschwerdeführer einen zeitraumbezogenen Anspruch geltend macht. Das bedeutet, daß - mangels abweichender Übergangsbestimmungen - das im beschwerdegegenständlichen Zeitraum vom 1. Oktober 1987 bis zum 31. Dezember 1988 geltende materielle Recht anzuwenden ist und demnach nicht - vor dem Hintergrund des Beschwerdefalles - § 142 Abs. 1 GG 1956 idF des Besoldungsreform-Gesetzes, BGBl. Nr. 550/1994.

Nach § 73b Abs. 1 erster Satz GG ist dem exekutivdiensttauglichen Wachebeamten in der Verwendungsgruppe W2, der eine in der Anlage 1 Z. 12.3 zum BDG 1979 angeführte Grundausbildung erfolgreich absolviert hat, und ständig mit der Wahrnehmung der Aufgaben einer im Abs. 2 angeführten Richtverwendung oder einer gemäß Abs. 3 gleichzuhaltenden Verwendung betraut ist, für die Dauer der Betrauung mit dieser Verwendung eine ruhegenußfähige Dienstzulage von S 400,-- zuzuerkennen (der Betrag wurde durch Novellen mehrfach angehoben).

Nach § 73b Abs. 2 Z. 3 GG 1956 sind Richtverwendungen im Sinne des Abs. 1 im Kriminaldienst:

Leiter einer kriminalpolizeilichen Einheit,

Sachbearbeiter im staatspolizeilichen Büro oder in einem Bezirkspolizeikommissariat der Bundespolizeidirektion Wien, Gruppenführer-Stellvertreter im Büro für Erkennung, Kriminaltechnik, Fahndung.

Gemäß Abs. 3 leg. cit. sind den in Abs. 2 angeführten Richtverwendungen jene Verwendungen der Verwendungsgruppe W2 gleichzuhalten, denen zumindest gleiche dienstliche Bedeutung zukommt und bei denen die mit der Ausübung verbundene Verantwortung zumindest jenes Maß an Verantwortung erreicht, das für die Ausübung einer in Abs. 2 angeführten Richtverwendung erforderlich ist.

Ebenso wie in dem im wesentlichen gleichgelagerten Beschwerdefall, der mit dem Erkenntnis vom 22. Februar 1995, Zl. 92/12/0150, entschieden wurde, ist auch vorliegendenfalls dem Vorbringen des Beschwerdeführers die Behauptung zu unterlegen, daß ihm die strittige Dienstzulage trotz behaupteter unwesentlicher Änderung seiner Verwendung bereits vor dem 1. Jänner 1989 zustehe. Aber auch eine Änderung in der Verwendung des Beschwerdeführers infolge Änderung des Aufgabenkreises bedeutet für sich allein noch nicht zwingend, daß die fragliche Zulage für den streitgegenständlichen Zeitraum vom 1. Oktober 1987 bis zum 31. Dezember 1988 nicht gebühre. Vielmehr wäre, wie im bereits genannten Erkenntnis vom 22. Februar 1995, Zl. 92/12/0150, näher ausgeführt wurde und auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen werden kann, die belangte Behörde verpflichtet gewesen, zunächst zumindest in groben Umrissen den Aufgabenbereich festzustellen, der typischerweise mit den im Gesetz angeführten Richtverwendungen eines Sachbearbeiters in einem Bezirkspolizeikommissariat der Bundespolizeidirektion Wien (nur diese Richtverwendung ist - jedenfalls nach den bisherigen Verfahrensergebnissen - im Beschwerdefall von Bedeutung) verbunden ist. Sodann wäre zu prüfen gewesen, ob die Verwendung des Beschwerdeführers im strittigen Zeitraum in ihrer dienstlichen Bedeutung und hinsichtlich der von ihr verbundenen Verantwortung dieser Richtverwendung gleichzuhalten ist oder nicht. Da die belangte Behörde dies unterlassen hat, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und Beweise

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995120113.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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