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70/02 Schulorganisation;Norm
AHStG §7 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Riedinger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Leitner, über die Beschwerde des S in G, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wissenschaft und Forschung (nunmehr: Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Kunst) vom 31. Oktober 1994, Zl. 56.030/36-I/7/94, betreffend Nachsicht von der Studienzeitüberschreitung nach dem Studienförderungsgesetz 1992, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer studiert seit dem Wintersemester 1988/89 Medizin an der Karl Franzens-Universität Graz. Am 31. August 1994, im 12. Semester seines Studiums, bestand er die letzte Teilprüfung des ersten Rigorosums und somit den ersten Studienabschnitt. Die Mindestdauer für den 1. Abschnitt dieser Studienrichtung beträgt vier Semester.
Mit dem bei der Studienbeihilfenbehörde am 27. September 1994 eingegangenen Antrag vom 26. September 1994 kam der Beschwerdeführer unter Verwendung eines amtlichen Formulares um Nachsicht von der Überschreitung der Studienzeit gemäß § 19 Abs. 6 Z 2 des Studienförderungsgesetzes 1992 (StudFG) ein und verwies zur Begründung auf drei Beilagen. Im Antrag heißt es (ausgefüllte Rubrik Punkt 3.), daß der Beschwerdeführer im Zeitraum von 1991 bis 1993 in seinem Studienfortgang behindert gewesen sei. Bei den erwähnten Beilagen handelt es sich um eine Eingabe des Beschwerdeführers vom 26. August 1994 an die belangte Behörde zur Erwirkung einer Studienunterstützung als Ausgleich sozialer Härte, weiters um Befürwortungen des Dekans vom 29. August 1994 sowie des Rektors vom 26. Mai 1994. Im Ansuchen vom 26. August 1994 bringt der Beschwerdeführer in Erwiderung eines Schreibens der belangten Behörde vom 31. Mai 1994 (in welchem auf die Möglichkeit verwiesen wurde, nach Ablegung des ersten Rigorosums um Nachsicht von der Studienzeitüberschreitung anzusuchen, soferne qualifizierte Gründe vorlägen) vor, der Grund für seinen verzögerten Studienablauf liege in erschwerten privaten und sozialen Bedingungen. Er sei ohne Deutschkenntnisse als Flüchtling aus dem Iran nach Österreich gekommen und habe erst die Zusatzprüfungen für Latein ablegen müssen. "Der Hauptgrund für meine bisher lange Studiendauer liegt in meinen sprachlichen Schwierigkeiten. Bis heute habe ich Probleme, wissenschaftliche Fachliteratur rasch zu erfassen und den Lehrstoff bei Prüfungen entsprechend zu formulieren". Zu den Schwierigkeiten am Beginn des Studiums komme noch, daß sein Vater ihn nicht unterstützen könne. Seine Mutter sei bereits 1979 verstorben; sein Vater sei Pensionist und müsse mit einer Pension von umgerechnet S 1.000,-- sich selbst, sowie die zwei Brüder und die Schwester des Beschwerdeführers versorgen. Da der Beschwerdeführer erst seit 15. Juli 1993 österreichischer Staatsbürger sei, habe er bis jetzt auch keine Arbeitsbewilligung für eine Teilzeitarbeit erhalten. Er sei daher in finanziellen Schwierigkeiten und habe Schulden bei seiner Bank. Ohne Unterstützung könne er sein Studium nicht fortsetzen.
Im Schreiben des Dekans vom 29. August 1994 heißt es, daß der Beschwerdeführer, wie sowohl der Rektor als auch er (Dekan) schon früher bestätigt hätten, aufgrund seiner Flucht und familiärer Probleme unter sehr erschwerten Bedingungen zu studieren begonnen habe. Er müsse einen wesentlichen Teil seines Unterhaltes selbst verdienen. Er habe "durch das sehr zügige Ablegen der Prüfungen des I. Rigorosums gezeigt", daß er nun in der Lage sei, die anfängliche Verzögerung im Studium aufzuholen. Er habe die beiden zuletzt abgelegten Prüfungen "trotz der Eile" mit der Note Gut bestanden. Diese Tatsache bestärke ihn, dem Beschwerdeführer die längere Dauer des ersten Studienabschnittes nachzusehen. Da er die genannten Gründe für qualifiziert halte, befürworte er die Nachsicht der Studienzeitüberschreitung.
In der Stellungnahme des Rektors an einen Beamten im Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung heißt es, daß die belangte Behörde dem Beschwerdeführer "einen abschlägigen Studienbeihilfenbescheid übermittelt" habe. Formal sei dies natürlich korrekt, er bitte aber, in die Überlegungen einfließen zu lassen, daß der Beschwerdeführer keine aktuelle Beihilfe begehre, sondern eine solche erst im zweiten Studienabschnitt erhalten wolle. Dann sollte ihm die überlange Dauer des Erstabschnittes, für die wesentliche Gründe vorlägen, nicht zum Nachteil gereichen. Er wäre sehr dankbar, wenn er (der Adressat) die Entscheidung unter diesem Gesichtspunkt nochmals wohlwollend prüfen würde.
Der Antrag des Beschwerdeführers wurde unter dem Datum 21. Oktober 1994 vom Senat der Studienbeihilfenbehörde der belangten Behörde befürwortet vorgelegt.
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers abgewiesen. Begründend wurde nach Darstellung der Rechtslage und des Verfahrensganges ausgeführt, daß die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Sprachprobleme und die Notwendigkeit, eine Ergänzungsprüfung aus Latein abzulegen, keine wichtigen Gründe im Sinne des Studienförderungsgesetzes darstellten, weil Sprachkenntnisse eine Voraussetzung für die Aufnahme eines Studiums seien und der Nachweis von Lateinkenntnissen eine zwingende Zulassungsvoraussetzung für das Medizinstudiums sei, die bis zum Beginn des dritten anrechenbaren Semesters des ersten Studienabschnittes zu erfüllen sei. Die familiären und finanziellen Schwierigkeiten des Beschwerdeführers könnten, weil sie keine der im § 19 Abs. 2 und 4 sowie § 19 Abs. 6 Z. 1 StudFG taxativ angeführten Gründe zur Erteilung von Nachsicht von der Studienzeitüberschreitung seien, nicht berücksichtigt werden. Im Hinblick auf den Studienverlauf des Beschwerdeführers müsse festgestellt werden, daß die Studienverzögerung vor allem auf den langsamen Studienfortgang zurückzuführen sei. So seien innerhalb der vorgesehenen Studienzeit für den ersten Studienabschnitt von vier Semestern nur zwei Teilrigorosen positiv abgeschlossen, im Sommersemester 1991 und im Wintersemester 1991/92 keine einzige Prüfung abgelegt und außer im ersten Semester und im Sommersemester 1994 nie mehr als zwei Prüfungen pro Semester abgelegt worden. Aus diesem Sachverhalt ergebe sich, daß die Studienzeitüberschreitung nicht auf wichtige Gründe im Sinne des Studienförderungsgesetzes zurückzuführen sei. Daher habe eine Nachsicht von dieser Überschreitung gemäß § 19 Abs. 6 Z. 2 StudFG nicht erteilt werden können.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 20 Abs. 2 des Studienförderungsgesetzes 1992 (StudFG), BGBl. Nr. 305 in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung BGBl. Nr. 619/1994 (Paragraphenzitate ohne nähere Angaben beziehen sich auf dieses Gesetz), liegt ein günstiger Studienerfolg - das ist eine der Voraussetzungen für die Gewährung einer Studienbeihilfe - nicht vor, wenn ein Studierender die erste Diplomprüfung (das erste Rigorosum) des Studiums, für das Studienbeihilfe beantragt wird, oder eines Vorstudiums nicht innerhalb der zweifachen vorgesehenen Studienzeit zuzüglich eines weiteren Semesters absolviert hat (das wären vorliegendenfalls nicht innerhalb von neun Semestern).
§ 19 StudFG lautet auszugsweise:
(1) Die Anspruchsdauer ist zu verlängern, wenn der Studierende nachweist, daß die Studienzeitüberschreitung durch einen wichtigen Grund verursacht wurde.
(2) Wichtige Gründe im Sinn des Abs. 1 sind:
1. Krankheit des Studierenden, wenn sie durch fachärztliche Bestätigung nachgewiesen wird,
2.
Schwangerschaft der Studierenden und
3.
jedes unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignis, wenn den Studierenden daran kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.
(...)
(6) Der zuständige Bundesminister hat auf Antrag des Studierenden und nach Anhörung des zuständigen Senates der Studienbeihilfenbehörde
1.
bei Studien im Ausland, überdurchschnittlich umfangreichen und zeitaufwendigen wissenschaftlichen Arbeiten oder ähnlichen außergewöhnlichen Studienbelastungen die Anspruchsdauer um ein weiteres Semester zu verlängern oder
2.
bei Vorliegen wichtiger Gründe im Sinne der Z. 1 oder der Abs. 2 und 4 die Überschreitung der zweifachen Studienzeit des ersten Studienabschnittes zuzüglich eines Semesters (§ 20 Abs. 2 und § 21 Abs. 2) oder die Überschreitung der Studienzeit des zweiten und dritten Studienabschnittes um mehr als vier Semester (§ 15 Abs. 2) nachzusehen,
wenn das überwiegende Ausmaß der Studienzeitüberschreitung auf die genannten Gründe zurückzuführen und auf Grund der bisherigen Studienleistungen zu erwarten ist, daß der Studierende die Diplomprüfung (das Rigorosum) innerhalb der Anspruchsdauer ablegen wird.
(...)
Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsverfahren die Studienzeitüberschreitung mit Sprachschwierigkeiten, mit der Notwendigkeit, die Zusatzprüfungen für Latein abzulegen, sowie damit begründet, daß sein Vater ihn nicht habe unterstützen können. Soweit der Beschwerdeführer darüber hinaus nun erstmals im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorbringt, er habe überdies in den Jahren von 1991 bis 1993 seine Familie in Iran mit einem erheblichen Teil seines eigenen Einkommens unterstützen müssen, was sich auf die Möglichkeit, zu studieren, nachteilig ausgewirkt habe, sowie, daß er nach Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft im Jahr 1993 am 17. September 1993 von der Stellungskommission des Bundesheeres "wegen der enormen psychischen Belastung aufgrund der Situation in seiner ehemaligen Heimat für den Wehrdienst als untauglich erklärt" worden sei, handelt es sich dabei um Neuerungen, auf die gemäß § 41 VwGG nicht Bedacht genommen werden darf (dies unabhängig davon, ob sie geeignet wären, eine günstigere Entscheidung für den Beschwerdeführer herbeizuführen).
Was aber das Vorbringen im Verwaltungsverfahren anlangt, hat die belangte Behörde zutreffend erkannt, daß der Beschwerdeführer mit all diesen Momenten keinen wichtigen Grund im Sinne des § 19 Abs. 2 Z. 3 - sachverhaltsbezogen kommt nur diese Fallgruppe in Betracht - aufzuzeigen vermag. Hinsichtlich der von ihm im Verwaltungsverfahren als "Hauptgrund" für die Verzögerung genannten Sprachschwierigkeiten ist insbesondere darauf zu verweisen, daß die Beurteilung der belangten Behörde, daß mangelnde Sprachkenntnisse nicht als ein wichtiger Grund im Sinne dieser Gesetzesstelle angesehen werden können, zutreffend ist, weil es sich dabei um eine Zulassungsvoraussetzung für das Studium handelt (siehe dazu § 7 Abs. 4 AHStG idF der Novellen BGBl. Nr. 280/1991 bzw. 306/1992, bzw. zuvor § 7 Abs. 7 AHStG idF der Novelle BGBl. Nr. 332/1981). Mangels abweichender Regelungen im StudFG können daher diese Momente rechtens nicht als wichtiger Grund im Sinne des § 19 Abs. 6 geltend gemacht werden. Sinngemäß (d. h. unter Bedachtnahme auf den Umstand, daß es sich dabei nicht um eine Zulassungsvoraussetzung handelt) gilt dies auch für die Notwendigkeit, eine Zusatzprüfung aus Latein bis zum Beginn des dritten einrechenbaren Semesters abzulegen (siehe § 4 Abs. 1 lit. a der Universitätsberechtigungsverordnung, BGBl. Nr. 510/1988). Damit haftet die vom Beschwerdeführer behauptete inhaltliche Rechtswidrigkeit dem angefochtenen Bescheid nicht an.
Unter dem Beschwerdegrund der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bringt der Beschwerdeführer vor, nach dem AVG bestünde im Verwaltungsverfahren kein allgemeines Gebot der Mündlichkeit, doch sei von der Behörde eine mündliche Verhandlung dann anzuordnen, wenn es im Interesse einer gründlichen Ermittlung des Sachverhaltes zweckmäßig sei. Vorliegendenfalls wäre eine mündliche Einvernahme des Beschwerdeführers "jedenfalls geboten gewesen".
Dem ist folgendes entgegenzuhalten: Konkrete Gründe, weshalb vorliegendenfalls eine mündliche Verhandlung "jedenfalls geboten gewesen" wäre, nennt der Beschwerdeführer nicht. Sollte er damit aber zum Ausdruck bringen wollen, daß er Gelegenheit gehabt hätte, bei einer mündlichen Verhandlung weitere, ihm wichtig erscheinende Momente vorzutragen, ist ihm zu erwidern, daß er nicht daran gehindert war, all diese Umstände schon im Antrag (oder allenfalls in einem weiteren Schriftsatz) darzulegen. Mit diesem ganz allgemein gehaltenen Vorbringen vermag der Beschwerdeführer nicht aufzuzeigen, daß nach der Verfahrenslage, wie sie sich der belangten Behörde vor allem aufgrund der Angaben des Beschwerdeführers selbst darbot, eine mündliche Verhandlung oder auch eine mündliche Einvernahme des Beschwerdeführers "jedenfalls geboten gewesen" wäre.
Somit war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994120351.X00Im RIS seit
26.02.2001