TE Vwgh Beschluss 2023/2/14 Ra 2023/14/0024

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Veröffentlicht am 14.02.2023
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Norm

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Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl sowie die Hofrätinnen Mag. Rossmeisel und Dr.in Sembacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Prendinger, in der Revisionssache des D A, vertreten durch Mag. Dr. Martin Enthofer, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Promenade 16/II, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Dezember 2022, I413 2214907-2/14E, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss

Spruch

gefasst:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Nigerias, stellte am 29. November 2013 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).

2        Mit einer als Bescheid bezeichneten Erledigung vom 23. Jänner 2019 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen und erließ eine Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot. Die an den Revisionswerber zugestellte Ausfertigung war unstrittig nicht unterschrieben und enthielt weder eine elektronische Signatur noch eine Beglaubigung der Kanzlei.

3        Dagegen erhob der Revisionswerber durch seine damalige Rechtsvertreterin - die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH - am 19. Februar 2019 Beschwerde.

4        Auch mit Bescheid vom 29. Mai 2019 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Revisionswerbers auf internationalen Schutz ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig sei und legte keine Frist für die freiwillige Ausreise fest. Unter einem wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt und schließlich gemäß § 53 Abs. 1 und 3 Z 1 FPG ein zehnjähriges Einreiseverbot verhängt.

5        Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber zunächst keine Beschwerde.

6        Mit Beschluss vom 29. August 2019 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde vom 19. Februar 2019 - gegen die als Bescheid bezeichnete Erledigung vom 23. Jänner 2019 - zurück. Begründend führte es aus, dass der „Bescheid“ weder eine elektronische Signatur noch eine Beglaubigung der Kanzlei enthalten habe. Es handle sich somit um einen Nichtbescheid.

Mit Schreiben vom 2. November 2020 beantragte der Revisionswerber - vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH als fungierende Rechtsberatungsorganisation - die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid vom 29. Mai 2019. Darin führte er aus, dass ihm in Hinblick auf diesen Bescheid durch einen Rechtsberater der Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH die Auskunft erteilt worden sei, dass „vorerst nichts zu tun sei, da die Beschwerde vom 19. Jänner 2019 weiterhin anhängig sei“. Der Revisionswerber habe lediglich auf die Rechtsauskunft eines Rechtsberaters einer qualifizierten mit der gesetzlichen Vertretung in Asylverfahren betrauten Rechtsberatungseinrichtung vertraut, was ihm nicht vorzuwerfen sei. Gleichzeitig mit diesem Antrag wurde Beschwerde gegen den Bescheid vom 29. Mai 2019 erhoben.

7        Mit dem nun angefochtenen Beschluss vom 12. Dezember 2022 wies das Bundesverwaltungsgericht den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

8        In seiner rechtlichen Begründung führte das Verwaltungsgericht aus, dass der für den Revisionswerber einschreitende Rechtsvertreter eine falsche Rechtsauskunft erteilt habe, indem er dem Revisionswerber mitgeteilt habe, dass die gegen das Schriftstück vom 23. Jänner 2019 erhobene Beschwerde auch für den später, am 29. Mai 2019, erlassenen Bescheid gelte. Es sei davon auszugehen, dass immer dann, wenn ein Fremder das - auch als Vollmachtserteilung zu verstehende - Ersuchen um Vertretung im Sinn des BFA-VG 2014 an die mit der Besorgung der Rechtsberatung betraute juristische Person richtet oder der juristischen Person (zudem) schriftlich ausdrücklich Vollmacht erteilt, dem Fremden das Handeln des sodann von der juristischen Person konkret mit der Durchführung seiner Vertretung betrauten Rechtsberaters - wie bei jedem anderen Vertreter - zuzurechnen sei. Dabei komme es darauf, dass sich der Fremde die konkrete Person, die letztlich in seinem Namen tätig wird, nicht aussuchen könne, vor dem Hintergrund der die erforderliche fachliche Qualität jedes einzelnen Rechtsberaters sicherstellenden gesetzlichen Regelungen nicht an. Diese könnten vor dem Hintergrund des § 48 Abs. 2 BFA-VG auch nicht als bloße (der Kontrolle zu unterziehende) „Hilfskräfte“, der sich eine (gegebenenfalls) mit der Besorgung der Rechtsberatung betraute juristische Person bedient, angesehen werden. Dieser Maßstab habe auch für die Rechtsberatung zu gelten, zumal die Rechtsberatung Fremden mit Verfahrensanordnung zugeteilt werde und sich dem Revisionswerber somit gar keine andere Möglichkeit ergeben habe, als sich mit allen sein Verfahren betreffenden Agenden durch die Diakonie beraten zu lassen. Bereits dieser Umstand rechtfertige es, einen strengen Sorgfaltsmaßstab anzulegen. Der Revisionswerber müsse sich das schuldhafte Verhalten des Rechtsberaters der Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH zurechnen lassen.

9        Soweit aktenkundig wurde die (zugleich mit dem Wiedereinsetzungsantrag erhobene) Beschwerde vom 2. November 2020 gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 29. Mai 2019 bislang nicht behandelt.

10       Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

11       Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG).

12       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

13       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

14       Die Revision bringt zunächst in ihrer Zulässigkeitsbegründung vor, es werde im Kopf des angefochtenen Beschlusses vom 12. Dezember 2022 der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Verfahren der Beschwerde gegen den Bescheid vom 23. Jänner 2019 angeführt. Verfahrensgegenständlich sei jedoch der Bescheid vom 29. Mai 2019, so dass der angefochtene Beschluss unter einem gravierenden Formmangel leide.

15       Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes begründet die unrichtige Bezeichnung des angefochtenen Bescheides hinsichtlich seines Datums und der Geschäftszahl dann eine offenbar auf einem Versehen beruhende Unrichtigkeit des Erkenntnisses (hier Beschlusses), die jederzeit berichtigt werden hätte können, wenn aus der Entscheidung insgesamt offenkundig ist, welcher Bescheid ihr zugrunde liegt (vgl. etwa VwGH 16.11.2017, Ra 2017/07/0076; 24.10.2016, Ro 2014/17/0065, mwN). Die Nennung des Bescheides vom 23. Jänner 2019 im Kopf des angefochtenen Beschlusses vom 12. Dezember 2022 stellt sich als offenkundige Unrichtigkeit dar, zumal sich aus den übrigen Beschlussteilen klar ergibt, dass Verfahrensgegenstand die Wiedereinsetzung in die versäumte Rechtsmittelfrist des Bescheides vom 29. Mai 2019 ist. Somit ist der Kopf des Beschlusses in der richtigen Fassung zu lesen und eignet sich somit nicht eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen.

16       In der Sache sieht der Revisionswerber die Rechtsfrage unbeantwortet, ob er sich eine unrichtige und offensichtlich inkompetente Rechtsberatung einer staatlich geförderten und staatlich zu Vertretungshandlungen vor Behörden zugelassenen Beratungsstelle als sein Verschulden zurechnen lassen müsse, dies insbesondere dann, wenn seitens der Erstbehörde der Revisionswerber sogar an die konkrete Rechtsberatung mit Verfahrensanordnung zugewiesen werde. Das Verschulden an der mangelnden Kompetenz, dem fehlenden juristischen Problembewusstsein und der Fehlberatung durch den Rechtsberater sei daher vielmehr der Republik Österreich anzulasten und nicht dem Revisionswerber.

17       Mit diesen Ausführungen gelingt es der Revision nicht, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG darzulegen.

18       Im Hinblick auf die einem Vertreter unterlaufenen Fehler ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach das Verschulden des Parteienvertreters die von diesem vertretene Partei trifft, wobei an berufliche und rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen ist als an rechtsunkundige und bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen. Immer dann, wenn ein Fremder das als Vollmachtserteilung zu verstehende Ersuchen um Vertretung im Sinn des BFA-VG an die mit der Besorgung der Rechtsberatung betraute juristische Person richtet oder der juristischen Person schriftlich ausdrücklich Vollmacht erteilt, ist dem Fremden das Handeln des sodann von der juristischen Person konkret mit der Durchführung seiner Vertretung betrauten Rechtsberaters wie bei jedem anderen Vertreter zuzurechnen. Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof bereits darauf hingewiesen, dass Rechtsberater das Anforderungsprofil gemäß § 48 Abs. 1 bis 3 BFA-VG erfüllen müssen. Damit ist bereits geklärt, dass es sich bei Rechtsberatern nicht um rechtsunkundige Personen handelt (vgl. VwGH 17.3.2021, Ra 2021/14/0054; 22.4.2020, Ra 2020/14/0139 bis 0141, mwN). Zur Klarstellung wird in diesem Zusammenhang festgehalten, dass im vorliegenden Fall die Bestimmung des § 48 BFA-VG gemäß § 56 Abs. 13 BFA-VG noch zur Anwendung kommt (BGBl. I Nr. 53/2019).

19       Ein Verschulden des Parteienvertreters trifft die von diesem vertretene Partei, wobei an berufliche und rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen ist als an rechtsunkundige und bisher noch nie an gerichtlichen Verfahren beteiligte Personen (vgl. VwGH 25.5.2022, Ra 2021/19/0484 bis 0487, mwN).

Vorweg ist festzuhalten, dass der Fremde aufgrund der Bestimmungen des BFA-VG nicht verpflichtet ist, der mit der Besorgung der Rechtsberatung betrauten juristischen Person Vollmacht für seine Vertretung zu erteilen. Es steht ihm frei, (auch) andere Personen mit seiner Vertretung zu betrauen (VwGH 30.5.2017, Ra 2017/19/0113, Rz 25).

20       Die Revision geht selbst davon aus, dass im Zeitpunkt der Beratung des Revisionswerbers ein aufrechtes Vollmachtsverhältnis zur Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH bestand. Desweiteren legt der Revisionswerber die Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach dem Rechtsberater ein grobes Verschulden anzulasten sei, seinen Revisionsausführungen ausdrücklich zugrunde.

21       Ausgehend von der oben dargelegten ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dem Revisionswerber der Fehler der Rechtsberatungseinrichtung somit zuzurechnen. Der in der Revision angesprochene Klärungsbedarf besteht daher nicht.

22       Soweit sich die Revision gegen die fehlende Zurückweisung der im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nachgeholten Beschwerde wendet, ist darauf hinzuweisen, dass das Bundesverwaltungsgericht über die noch unerledigte Beschwerde vom 2. November 2020 zu entscheiden haben wird. Die bloße Abweisung des Wiedereinsetzungsantrags entbindet nämlich nicht davon, auch über die zugleich erhobene Beschwerde (beispielsweise durch Zurückweisung wegen Verspätung) zu entscheiden (vgl. VwGH 21.4.2020, Ra 2020/14/0023).

23       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 14. Februar 2023

Schlagworte

Auswertung in Arbeit!

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2023:RA2023140024.L00

Im RIS seit

27.03.2023

Zuletzt aktualisiert am

27.03.2023
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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