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Auswertung in Arbeit!Norm
Auswertung in Arbeit!Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl sowie die Hofrätinnen Mag. Rossmeisel, Dr.in Sembacher, Mag. I. Zehetner und Mag. Bayer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Prendinger, über die Revision des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl in 1030 Wien, Modecenterstraße 22, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. August 2022, 1. W142 2162251-1/22E und 2. W142 2162251-2/4E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (mitbeteiligte Partei: Y A, vertreten durch Dr. Gregor Klammer, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Lerchenfelder Gürtel 45/11),
I. zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird in seinem Spruchpunkt I. wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichts aufgehoben.
II. den Beschluss gefasst:
Im Übrigen (Spruchpunkt II.) wird die Revision zurückgewiesen.
Begründung
1 Die Mitbeteiligte, eine Staatsangehörige Kenias, stellte am 9. Februar 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).
2 Mit Bescheid vom 17. Mai 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag der Mitbeteiligten sowohl hinsichtlich des Status der Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status der subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte ihr keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen sie eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass ihre Abschiebung nach Kenia zulässig sei und erkannte einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung ab.
3 Mit Schriftsatz vom 12. Juni 2017 erhob die Mitbeteiligte dagegen Beschwerde.
4 Mit Beschluss vom 21. Februar 2019 stellte das Bundesverwaltungsgericht das bei ihm anhängige Verfahren der Mitbeteiligten gemäß „§ 24 Abs. 1 Z 2 und 2“ AsylG 2005 (gemeint wohl § 24 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 AsylG 2005) ein.
5 Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen aus, ein Asylverfahren sei gemäß § 24 Abs. 2 AsylG 2005 einzustellen, wenn sich der Asylwerber dem Verfahren entzogen habe und eine Entscheidung ohne eine allenfalls weitere Einvernahme oder Verhandlung nicht erfolgen könne. Da der Aufenthalt der Mitbeteiligten nicht festgestellt werden habe können, sei das Verfahren mit Beschluss einzustellen.
6 Mit Bescheid vom 21. Jänner 2022 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den in der Zwischenzeit gestellten Antrag der Mitbeteiligten auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen nach § 56 AsylG 2005 zurück. Unter einem wies es auch den von der Mitbeteiligten gestellten Zusatzantrag auf Heilung (betreffend die Nichtvorlage eines Reisepasses) gemäß § 4 Abs. 1 AsylG-DV ab, erließ gegen sie eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass ihre Abschiebung nach Kenia zulässig sei und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest. Die Mitbeteiligte erhob auch gegen diesen Bescheid Beschwerde.
7 Mit Verfahrensanordnung vom 15. Februar 2022 setzte das Bundesverwaltungsgericht das mit Beschluss vom 21. Februar 2019 eingestellte Verfahren fort. Dies begründete das Bundesverwaltungsgericht damit, dass aufgrund einer Melderegistererhebung festgestellt worden sei, dass die Mitbeteiligte seit dem 14. September 2020 wieder über eine aufrechte Meldeadresse in Österreich verfüge und die Feststellung des Sachverhalts nunmehr möglich sei.
8 In der Folge gab das Bundesverwaltungsgericht der gegen den Bescheid vom 17. Mai 2017 erhobenen Beschwerde mit dem angefochtenen Erkenntnis nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung statt, erkannte der Mitbeteiligten den Status der Asylberechtigten zu, stellte fest, dass ihr damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei (Spruchpunkt I.). Den Bescheid vom 21. Jänner 2022 (betreffend das Verfahren auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen nach § 56 AsylG 2005) behob das Bundesverwaltungsgericht in Erledigung der Beschwerde ersatzlos (Spruchpunkt II.).
9 Dagegen richtet sich die Revision des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage derselben sowie der Verfahrensakten das Vorverfahren eingeleitet hat. Die Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie beantragte, die Revision zurückzuweisen oder allenfalls als unbegründet abzuweisen.
10 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision erwogen:
11 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl bringt zur Zulässigkeit seiner Amtsrevision im Wesentlichen vor, es fehle an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Rechtsfrage, ob das Bundesverwaltungsgericht über eine Beschwerde noch inhaltlich entscheiden dürfe, wenn es das Verfahren mit Beschluss gemäß § 24 Abs. 1 iVm Abs. 2 AsylG 2005 eingestellt und erst nach Ablauf der in Abs. 2 vorletzter Satz AsylG 2005 genannten Frist von zwei Jahren fortgesetzt habe. Darüber hinaus sei fraglich, ob dies gegebenenfalls anders zu beurteilen sei, wenn das Bundesverwaltungsgericht vor Ablauf von zwei Jahren amtswegig die Meldeadresse der Partei feststellen hätte können und das Verfahren daher von Amts wegen fortsetzen hätte müssen, entsprechende Ermittlungen aber erst nach Ablauf von zwei Jahren nach Einstellung des Verfahrens erfolgt seien.
12 Die Revision ist teilweise zulässig. Sie ist im Umfang ihrer Zulässigkeit auch begründet.
Zur teilweisen Zurückweisung der Revision
13 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
14 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu treffen.
15 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
16 Die vorliegende Revision richtet sich zwar gegen das „gesamte Erkenntnis des BVwG wegen Rechtswidrigkeit“, tritt in der Begründung zur Zulässigkeit jedoch lediglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) entgegen und enthält kein Vorbringen zur ersatzlosen Behebung des Bescheides vom 21. Jänner 2022 (Spruchpunkt II.).
17 Hinsichtlich des Spruchpunktes II. werden sohin von der revisionswerbenden Behörde keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher insoweit gemäß § 34 Abs. 1 und Abs. 3 VwGG zurückzuweisen.
Zur Aufhebung
18 Die hier für die Einstellung des Verfahrens maßgebliche Bestimmung des § 24 AsylG 2005 lautet auszugsweise:
„§ 24. (1) Ein Asylwerber entzieht sich dem Asylverfahren, wenn
1. dem Bundesamt oder dem Bundesverwaltungsgericht sein Aufenthaltsort wegen Verletzung seiner Mitwirkungspflichten gemäß § 13 Abs. 2 BFA-VG, §§ 15 oder 15a weder bekannt noch sonst durch das Bundesamt oder das Bundesverwaltungsgericht leicht feststellbar ist oder
2. er das Bundesgebiet freiwillig verlässt, und das Verfahren nicht als gegenstandslos abzulegen ist (§ 25 Abs. 1) oder
3. er trotz Aufforderung zu den ihm vom Bundesamt im Zulassungsverfahren gesetzten Terminen nicht kommt.
(2) Asylverfahren sind einzustellen, wenn sich der Asylwerber dem Verfahren entzogen hat (Abs. 1) und eine Entscheidung ohne eine allenfalls weitere Einvernahme oder Verhandlung nicht erfolgen kann. Ein eingestelltes Verfahren ist von Amts wegen fortzusetzen, sobald die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes möglich ist. Mit Fortsetzung des Verfahrens beginnt die Entscheidungsfrist nach § 73 Abs. 1 AVG zu laufen. Nach Ablauf von zwei Jahren nach Einstellung des Verfahrens ist eine Fortsetzung des Verfahrens nicht mehr zulässig. Ist das Verfahren vor dem Bundesamt einzustellen, ist nach § 34 Abs. 4 BFA-VG vorzugehen.
[...]“
19 Zu den Wirkungen und den Rechtsfolgen einer nach § 24 Abs. 2 AsylG 2005 erfolgten Einstellung des Asylverfahrens hat der Verwaltungsgerichtshof bereits festgehalten, dass der dort geregelten Einstellung keine endgültige verfahrensbeendende Wirkung beizumessen ist. Liegen nämlich die darin festgelegten Voraussetzungen für die Fortführung des Verfahrens vor, ist ein - demnach bloß vorläufig - eingestelltes Verfahren von Amts wegen fortzusetzen. Erst nach Ablauf von zwei Jahren nach Einstellung des Verfahrens ist die Fortsetzung nicht mehr zulässig. Somit führt die nach § 24 Abs. 2 AsylG 2005 von der Behörde oder dem Verwaltungsgericht vorgenommene Verfahrenseinstellung, ungeachtet dessen, dass mit der Einstellung des Asylverfahrens Rechtsfolgen einhergehen (so führt etwa die Einstellung des Verfahrens dazu, dass ein Fremder, der zuvor einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt [§ 17 Abs. 1, Abs. 3 AsylG 2005] und eingebracht [§ 17 Abs. 2, Abs. 3, Abs. 6 AsylG 2005] hat, die nach Antragseinbringung eingeräumte Stellung als „Asylwerber“ im Sinn des §2 Abs. 1 Z 14 AsylG 2005 wieder verliert), für sich nicht zur endgültigen Beendigung des Asylverfahrens. Daraus folgt aber auch, dass eine solche Verfahrenseinstellung nicht zur endgültigen Beendigung des Beschwerdeverfahrens führen kann, falls sich das Asylverfahren im Zeitpunkt der Einstellung in diesem Verfahrensstadium befunden hat (vgl. zum Ganzen VwGH 3.5.2018, Ra 2018/19/0020 bis 0022).
20 In diesem Erkenntnis wurde somit dargelegt, dass in einem Verfahrensstadium, in dem das Verfahren gemäß § 24 Abs. 2 Satz 2 AsylG 2005 fortzusetzen ist, sobald die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes möglich ist, die Verfahrenseinstellung nicht zur endgültigen Beendigung des Beschwerdeverfahrens führt.
21 Anders stellt sich jedoch der hier vorliegende Fall dar:
22 Das Bundesverwaltungsgericht hat fallgegenständlich das bei ihm anhängige Verfahren mit einem - nach der dargestellten Rechtsprechung - zunächst nicht endgültig verfahrensbeendenden Beschluss am 21. Februar 2019 eingestellt und das „Beschwerdeverfahren“ erst mit Verfahrensanordnung vom 15. Februar 2022 fortgesetzt. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass sich aus der auch vom Bundesverwaltungsgericht anzuwendenden Bestimmung des § 24 AsylG 2005 und der dortigen gewählten Formulierung ergibt, dass - ohne auf das „Beschwerdeverfahren“ explizit Bezug zu nehmen - von der Einstellung des „Asylverfahrens“ die Rede ist (vgl. dazu erneut VwGH 3.5.2018, Ra 2018/19/0020, Rz 28).
23 Nach dem Wortlaut des § 24 Abs. 2 vorletzter Satz AsylG 2005 ist eine solche Fortsetzung nach Ablauf von zwei Jahren nach Einstellung des Verfahrens nicht mehr zulässig (nach der Vorläuferbestimmung des § 30 Abs. 2 AsylG 1997 war hingegen eine Fortsetzung erst nach Ablauf von drei Jahren nicht mehr zulässig). In den Erläuterungen (RV 952 BlgNR 22. GP, 48) wird zu § 24 AsylG 2005 u.a. ausgeführt: „Nach Abs. 2 ist eine Fortsetzung des Verfahrens nach Ablauf von 2 Jahren nicht mehr zulässig. Nach dieser Zeit wäre für ein Asylverfahren ein neuerlicher Antrag notwendig, anderenfalls ist der Betroffene als Fremder im Sinne des Fremdenpolizeigesetzes zu behandeln.“
24 Dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers zufolge bedarf die Zuerkennung von internationalem Schutz - nach Ablauf von zwei Jahren nach Einstellung des Asylverfahrens - somit eines neuerlichen Antrags auf internationalen Schutz. Da es sich bei dieser - nach Ablauf von zwei Jahren - verfahrensbeendenden Einstellung des Verfahrens um keine materielle Entscheidung handelt, begründet sie im Falle einer neuerlichen Antragstellung auch keine res iudicata.
25 Nach dem Gesagten hat im vorliegenden Fall der Einstellungsbeschluss vom 21. Februar 2019 das Asylverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nach Ablauf von zwei Jahren endgültig beendet, weshalb ihm - anders als bei einem bloß vorläufig eingestellten Verfahren, das bei Vorliegen der in § 24 Abs. 2 AsylG 2005 festgelegten Voraussetzungen für die Fortführung des Verfahrens amtswegig fortzusetzen ist - damit auch eine verfahrensbeendende Wirkung beizumessen ist. Das Bundesverwaltungsgericht war daher zum Entscheidungszeitpunkt nicht mehr zuständig, inhaltlich über die Beschwerde der Mitbeteiligten abzusprechen und ihr den Status der Asylberechtigten zuzuerkennen.
26 Daran vermag fallbezogen auch nichts zu ändern, dass sich mit Verfahrensanordnung vom 15. Februar 2022 herausgestellt hat, dass die Mitbeteiligte seit dem 14. September 2020 - sohin vor Ablauf von zwei Jahren nach Einstellung des Verfahrens - wieder über eine aufrechte Meldeadresse in Österreich verfügt hat.
27 Das Bundesverwaltungsgericht hat das Verfahren aufgrund des nicht feststellbaren Aufenthaltsorts der Mitbeteiligten fallbezogen im Einklang mit § 24 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 mit näherer Begründung eingestellt, nachdem umfangreiche Nachforschungen betreffend den Aufenthaltsort der Mitbeteiligten - etwa durch Aufenthaltserhebungen durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und Urgenz beim Rechtsvertreter der Mitbeteiligten - erfolglos geblieben waren.
28 Die Mitbeteiligte wendet in ihrer Revisionsbeantwortung - anknüpfend an die Frage der Amtsrevisionswerberin, ob das Bundesverwaltungsgericht eine Verpflichtung treffe, im Laufe der Verfahrenseinstellung nach § 24 AsylG 2005 regelmäßig amtswegige Ermittlungen im Hinblick auf die Gründe der Einstellung durchzuführen - ein, dass ihr Aufenthaltsort nach Einstellung des Beschwerdeverfahrens durch das Bundesverwaltungsgericht seit der aufrechten Meldung im Bundesgebiet am 14. September 2020 wieder „leicht feststellbar“ im Sinn des § 24 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 gewesen sei. Es bleibe daher nur die Frage offen, wie Satz 2 und 4 des § 24 Abs 2 AsylG 2005 auszulegen seien, nämlich ob die Anordnung der Fortsetzung von Amts wegen dahingehend zu verstehen sei, dass bei einer Möglichkeit der Verfahrensfortsetzung innerhalb von zwei Jahren diese Verfallsfrist nicht eintrete. Die Verfallsfrist trete dann nicht ein, wenn diese nur dadurch erreicht worden sei, weil der Behörde oder dem Bundesverwaltungsgericht ein schwerer Fehler vorzuwerfen sei, was hier der Fall sei. § 14 Abs 2 MeldeG eröffne einer Behörde oder dem Gericht die Möglichkeit im Melderegister einen „Personenhinweis“ zu setzen, welcher auch im Falle der Mitbeteiligten zur Folge gehabt hätte, dass die im Melderegister erfolgte Anmeldung eines Wohnsitzes am 14. September 2020 dem Bundeverwaltungsgericht durch die Meldebehörde automatisch zur Kenntnis gebracht worden wäre. Durch die Setzung eines Personenhinweises im Melderegister wäre die neuerliche Anmeldung leicht feststellbar gewesen und es sei das vom Gesetzgeber gewollte Genügen der Anmeldung nach dem Meldegesetz zur Mitwirkung im Verfahren auch nur dann sinnerfüllt als im Ergebnis fristwahrend anzusehen, wenn die Anmeldung der Behörde oder dem Bundesverwaltungsgericht ohne weiteres Zutun des Betroffenen zur Kenntnis komme. Die amtswegige Fortsetzung des Verfahrens mit 15. Februar 2022 sei daher rechtmäßig, weil das Verfahren bereits von Amts wegen am 14. September 2020 wieder aufzunehmen gewesen wäre.
29 Diese Argumentation greift jedoch zu kurz.
30 § 24 Abs. 2 Satz 2 AsylG 2005 ist in Verbindung mit dem vorletzten Satz dieses Absatzes dahin zu verstehen, dass ein eingestelltes Verfahren binnen zwei Jahren nach Einstellung von Amts wegen fortzusetzen ist, „sobald die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes möglich ist.“
31 Der Ansicht der Mitbeteiligten, wonach die Durchführung von amtswegigen Ermittlungsschritten zur Feststellung des Aufenthaltsortes während der vorläufigen Einstellung des Asylverfahrens vorgesehen sei und im Fall deren Unterlassung die Verfallfrist gar nicht eintreten könne, ist zunächst entgegenzuhalten, dass diese im Wortlaut des § 24 Abs. 2 AsylG 2005 keine Deckung findet.
32 Dem Wortlaut in § 24 Abs. 2 zweiter Satz AsylG 2005 „sobald die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes möglich ist“ kann eine amtswegige Verpflichtung zur Ermittlung des Aufenthaltsortes (während der vorläufigen Einstellung) nämlich nicht unterstellt werden. Hinzu kommt, dass sich die Formulierung „Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts“ auf die inhaltliche Behandlung des Antrages auf internationalen Schutz bezieht. Dies steht auch damit im Einklang, dass gemäß § 24 Abs. 2 erster Satz AsylG 2005 das Vorliegen eines entscheidungsreifen Sachverhalts einer Einstellung entgegenstünde („und eine Entscheidung ohne eine allenfalls weitere Einvernahme oder Verhandlung nicht erfolgen kann“).
33 Aber auch unter dem Aspekt des Rechtsschutzgedankens wäre eine solche Vorgangsweise nicht erforderlich. Die Mitbeteiligte hat es selbst in der Hand, nach neuerlicher Meldung im Bundesgebiet ihr Asylverfahren, das auf ihren Antrag eingeleitet worden war, weiter zu betreiben. Zum einen dadurch, dass sie während des vorläufig beendeten Verfahrens ihren nunmehrigen Aufenthaltsort der Behörde oder dem Verwaltungsgericht bekanntgibt, damit das Verfahren von Amts wegen fortgesetzt werden kann (vgl. dazu, wonach kein Antragsrecht zusätzlich zur Vorgangsweise von Amts wegen vorgesehen ist, VwGH 26.3.2010, Ra 2018/19/0303, mwN). Im Lichte dessen ist auch darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof zur Fortsetzung eines nicht dem § 24 AsylG 2005 entsprechenden (bloß vorläufig) eingestellten Verfahrens in seiner Rechtsprechung bereits festgehalten hat, dass es dem Fremden freisteht, zur Erlangung einer das Verfahren endgültig beendenden Entscheidung einen Fristsetzungsantrag an den Verwaltungsgerichtshof nach § 38 VwGG zu stellen (vgl. VwGH 17.3.2021, Fr 2020/22/0018; 3.5.2018, Ra 2018/19/0020 bis 0022). Zum anderen kann - wie bereits dargelegt - nach Ablauf von zwei Jahren nach Einstellung des Asylverfahrens ein neuerlicher Antrag auf internationalen Schutz gestellt werden.
34 Aus all diesen Erwägungen besteht daher auch aus Rechtsschutzgründen für die von der Mitbeteiligten und von der Amtsrevisionswerberin aufgeworfene Frage nach der Verpflichtung amtswegigen Tuns zur Ermittlung des Aufenthaltsortes keine Notwendigkeit.
35 Nach der - von der Revisionsbeantwortung nicht bestrittenen - Aktenlage hat sich die Mitbeteiligte jedoch weder beim Bundesverwaltungsgericht gemeldet noch einen Fristsetzungsantrag beim Verwaltungsgerichtshof gestellt. Damit hat sich der Aufenthaltsort der Mitbeteiligten erst nach Ablauf von zwei Jahren nach endgültiger Einstellung des Verfahrens und somit erst zu einem Zeitpunkt herausgestellt, in dem das Verfahren nach dem Gesagten nicht mehr fortgesetzt werden konnte. Für ein neuerliches Asylverfahren ist daher ein neuerlicher Antrag auf internationalen Schutz der Mitbeteiligten notwendig, anderenfalls sie als Fremde im Sinne des Fremdenpolizeigesetzes zu behandeln ist.
36 Das angefochtene Erkenntnis war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG in seinem Spruchpunkt I. wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichts aufzuheben.
37 Bei diesem Ergebnis war der Mitbeteiligten aufgrund der teilweisen Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses im Sinn des § 50 VwGG gemäß § 47 Abs. 3 iVm § 51 VwGG kein Aufwandersatz für die Erstattung der Revisionsbeantwortung zuzusprechen (vgl. VwGH 27.7.2016, Ro 2016/17/0019).
Wien, am 22. Februar 2023
Schlagworte
Auswertung in Arbeit!European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2023:RA2022140294.L00Im RIS seit
27.03.2023Zuletzt aktualisiert am
27.03.2023