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20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB)Norm
B-VG Art140 Abs1 Z1 litaLeitsatz
Verstoß einer Bestimmung des ABGB betreffend die Rangfolge der Obsorge bei Verhinderung der Eltern gegen das BVG über die Rechte von Kindern; Kreis der mit der Obsorge bevorzugt zu betrauenden Personen (anderer Elternteil, Groß- oder Pflegeeltern) zu eng; Notwendigkeit der Erweiterung des privilegierten Personenkreises auch auf Geschwister, Tanten, Onkel, Urgroßeltern sowie andere geeignete Angehörige der (sozialen) FamilieRechtssatz
Verfassungswidrigkeit des §178 Abs1 zweiter und dritter Satz sowie der Wortfolgen "noch Großeltern oder Pflegeeltern" und "oder betraut werden können" in §204 ABGB idF BGBl I 15/2013. Fristsetzung: Inkrafttreten der Aufhebung mit Ablauf des 30.09.2024.
Das Gesetz sieht bei der Betrauung mit der Obsorge ein "starres" Rangverhältnis vor. (Ältere) Geschwister, Tanten, Onkel, Urgroßeltern oder andere geeignete Angehörige der (sozialen) Familie können erst dann mit der Obsorge betraut werden, wenn weder der andere Elternteil noch die Groß- oder Pflegeeltern zur Übernahme der Obsorge geeignet sind. Die genannten Personen haben zwar grundsätzlich die Möglichkeit, im Wege der Pflegeelternschaft mit der Obsorge für das Kind betraut zu werden. Dafür ist es jedoch erforderlich, dass das Kind im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichtes über die Obsorge bereits in deren Haushalt eingegliedert war. Die bloße Absicht, ein Kind erst in den Haushalt aufnehmen oder in Zukunft die Pflege und Erziehung auszuüben zu wollen, genügt nicht, um als Pflegeeltern iSd §184 ABGB qualifiziert werden zu können.
Die angefochtenen Bestimmungen bewirken, dass etwa Geschwister, Tanten, Onkel, Urgroßeltern oder andere geeignete Angehörige der (sozialen) Familie kategorisch von der Möglichkeit, mit der Obsorge für das Kind betraut zu werden, ausgeschlossen werden, wenn jemand aus dem Kreis der vom Gesetz bevorzugten Personen (anderer Elternteil, Groß- und Pflegeeltern) zur Übernahme der Obsorge geeignet ist. Dies gilt selbst für den Fall, dass das Kindeswohl eigentlich die Betrauung einer nicht bevorzugten Person mit der Obsorge geböte.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Zivilrecht, Kindschaftsrecht, Sorgerecht, Privat- und Familienleben, Kinder, VfGH / Gerichtsantrag, VfGH / FristsetzungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2023:G223.2022Zuletzt aktualisiert am
24.03.2023