TE Lvwg Beschluss 2021/5/6 VGW-124/029/6411/2021

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Veröffentlicht am 06.05.2021
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Entscheidungsdatum

06.05.2021

Index

97 Öffentliches Auftragswesen
L72009 Beschaffung Vergabe Wien

Text

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Dr. Schweiger über den – gemeinsam mit den Antrag auf Nichtigerklärung der im nachgenannten Vergabeverfahren ergangenen Zuschlagsentscheidung vom 23.04.2021 eingebrachten - Antrag der A. GmbH, vertreten durch Rechtsanwälte OG in Wien, auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung betreffend das Vergabeverfahren der Stadt Wien, MA54, "Unterstützung bei der Reorganisation und Prozessoptimierung des Gesundheitsdienstes der Stadt Wien" (Referenznummer: … VV) den

BESCHLUSS

gefasst:

I.  Gemäß § 25 WVRG 2020 wird folgende einstweilige Verfügung erlassen: 

Der Auftraggeberin, Stadt Wien – MA54, wird für die Dauer des aufgrund des Antrages vom 03.05.2021 auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung vom 23.04.2021 eingeleiteten Nachprüfungsverfahrens im Vergabeverfahren ""Unterstützung bei der Reorganisation und Prozessoptimierung des Gesundheitsdienstes der Stadt Wien" (Referenznummer: … die Erteilung des Zuschlages untersagt.

Diese Verfügung ist gemäß § 26 Abs. 5 WVRG 2020 sofort vollstreckbar.

II.      Gemäß § 25a VwGG ist eine Revision nicht zulässig.

B e g r ü n d u n g

Die Auftraggeberin Stadt Wien – MA54, führt unter der Bezeichnung "Unterstützung bei der Reorganisation und Prozessoptimierung des Gesundheitsdienstes der Stadt Wien" (Referenznummer: …) ein Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung zur Vergabe eines Dienstleistungsauftrages (Beratungsdienstleistungen) im Oberschwellenbereich durch. Der Zuschlag soll nach dem Bestbieterprinzip erteilt werden.

Die Antragstellerin wurde zur Legung eines Erstangebotes eingeladen und hat sie ein solches gelegt. Die Auftraggeberin hat auf Basis der Erstangebote eine abschließende Bewertung vorgenommen und die Antragstellerin unter den zwei Bietern an zweiter Stelle gereiht.

Am 23.04.2021 wurde der Antragstellerin die Zuschlagsentscheidung der Auftraggeberin mitgeteilt, dass für den Zuschlag die Bieterin B. GmbH mit Sitz in Wien, C., in Aussicht genommen wird.

Die Antragstellerin beantragt nun in ihrem am 03.05.2021 beim Verwaltungsgericht Wien eingebrachten Schriftsatz, diese Zuschlagsentscheidung der Auftraggeberin für nichtig zu erklären und der Antragstellerin Ersatz für die von ihr entrichteten Pauschalgebühren zuzuerkennen.

Weiters beantragt die Antragstellerin in ihrem Schriftsatz vom 03.05.2021, der Auftraggeberin mittels einstweiliger Verfügung für die Dauer des Nachprüfungsverfahrens die Erteilung des Zuschlages im gegenständlichen Vergabeverfahren zu untersagen.

Zum Nachprüfungsantrag bringt die Antragstellerin begründend m Wesentlichen vor, die Auftraggeberin habe in den Unterlagen zum Teilnahmeantrag Anforderungen für Nachweise der Befugnis, der beruflichen Zuverlässigkeit und zur technischen Leistungsfähigkeit festgelegt. Anforderungen zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit seien nicht festgelegt worden. Ungeachtet der Festlegungen müsse die finanzielle und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des für den Zuschlag vorgesehenen Unternehmens ausreichen, um eine ordnungsgemäße und fristgerechte Erfüllung des Auftrages sicherzustellen. Als Maßstab sei der konkrete Auftrag heranzuziehen. Die Antragstellerin gehe davon aus, dass die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit der präsumtiven Zuschlagsempfängerin nicht – jedenfalls nicht mit positiven Ergebnis – geprüft worden sei. Die Antragstellerin führt die im Firmenbuch ersichtlichen Bilanzsummen der präsumtiven Zuschlagsempfängerin in den Jahren 2017, 2018 und 2019 an. Nach Lehre und Rechtsprechung – so die Antragstellerin – könnte mir der Kennzahl des „Projektrisikos“ die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit abgeschätzt werden. Unter Heranziehung des von der präsumtiven Zuschlagsempfängerin angebotenen (Anm. in der Zuschlagsentscheidung angeführten) Netto-Auftragswert und den von der Antragstellerin anhand der Bilanzsummen geschätzten durchschnittlichen Jahresumsätzen errechnete die Antragstellerin einen Wert für das „Projektrisiko“ der präsumtiven Zuschlagsempfängerin von 2,27. Die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit sei solcherart nicht gegeben, das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin sei daher auszuscheiden.

Weiters bringt die Antragstellerin vor, die Gesamtsumme des Angebots der präsumtiven Zuschlagsempfängerin unterschreite die Gesamtsumme des Angebots der Antragstellerin um 25 % und sei daher ungewöhnlich niedrig. Es sei begründend davon auszugehen, dass eine vertiefte Angebotsprüfung nicht stattgefunden habe. Dabei wäre die mangelnde Nachweisführung der wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit aufgefallen.

Die Antragstellerin erachtet sich durch die angefochtene Zuschlagsentscheidung in ihrem Recht auf Ausscheiden eines Angebots mangels Leistungsfähigkeit, Durchführung einer rechtskonformen Angebotsprüfung, auf Einhaltung der Grundsätze eines Vergabeverfahrens und auf Zuschlagserteilung (gemeint wohl zugunsten der Antragstellerin) verletzt.

Die Antragstellerin habe ihr Interesse am Vertragsabschluss durch Ausarbeitung der Angebotsunterlagen dargelegt und ergebe sich das Interesse der Antragstellerin auch daraus, dass die ausgeschriebenen Leistungen einen wesentlichen Geschäftszweig der Antragstellerin darstellten. Durch die im Nachprüfungsantrag angeführten Rechtswidrigkeiten würde der Antragstellerin ein Schaden in Form frustrierter Aufwendungen und Verlust eines Referenzprojektes entstehen.

Zum Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung verweist die Antragstellerin auf ihr Vorbringen zum Nachprüfungsantrag. Die begehrte Untersagung der Zuschlagserteilung sei zwingend erforderlich, um zu verhindern, dass unumkehrbare Tatsachen geschaffen würden, die mit den Mitteln des BVergG und WVRG nicht mehr beseitigt werden könnten. Das Interesse der Antragstellerin an der Beseitigung der gerügten Vergaberechtsverstöße überwiege. Besondere Interessen der Auftraggeberin, welche der Erlassung der einstweiligen Verfügung entgegenstünden, seinen nicht ersichtlich.

Das Verwaltungsgericht Wien hat über den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung erwogen:

Die Stadt Wien ist Auftraggeberin gemäß § 4 Abs. 1 BVergG 2018.

Der Antrag auf Nichtigerklärung richtet sich gegen eine Zuschlagsentscheidung der Auftraggeberin in einem Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung, mithin gegen eine gesondert anfechtbare Entscheidung gemäß § 2 Z 15 lit. a sublit. dd BVergG 2018.

Die Beibringung der Pauschalgebühren für den Antrag auf Nachprüfung einer Zuschlagsentscheidung in einem Verfahren zur Vergabe eines Dienstleistungsauftrages im Oberschwellenbereich sowie – in halber Höhe – für den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ist nachgewiesen.

Der Nachprüfungsantrag samt Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung wurde am 03.05.2021 fristgerecht binnen der zehntägigen Frist gemäß § 19 Abs. 1 WVRG 2020 eingebracht.

Die Antragstellerin hat den ihr allenfalls drohenden Schaden bei Nichterlangung des gegenständlichen Auftrages plausibel dargelegt (vgl. VwGH 23.5.2007, Zl. 2007/04/0010). Der Antrag auf Nichtigerklärung entspricht den Bestimmungen der §§ 18 ff WVRG 2020.

Gemäß § 25 WVRG 2020 hat das Verwaltungsgericht Wien auf Antrag einer Unternehmerin oder eines Unternehmers, der oder dem die Antragsvoraussetzungen nach § 18 nicht offensichtlich fehlen, durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet erscheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen der Antragstellerin oder des Antragstellers zu beseitigen oder zu verhindern.

Vor der Erlassung einer einstweiligen Verfügung hat das Verwaltungsgericht Wien gemäß § 26 Abs. 1 WVRG 2020 die voraussehbaren Folgen der zu treffenden Maßnahme für alle möglicherweise geschädigten Interessen der Antragstellerin oder des Antragstellers, der sonstigen Bewerberinnen oder Bewerber oder Bieterinnen oder Bieter und der Auftraggeberin oder des Auftraggebers sowie ein allfälliges besonderes öffentliches Interesse an der Fortführung des Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen. Ergibt diese Interessenabwägung ein Überwiegen der nachteiligen Folgen einer einstweiligen Verfügung, ist der Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung abzuweisen.

Ein entgegen einer Anordnung in einer einstweiligen Verfügung erteilter Zuschlag, erfolgter Abschluss einer Rahmenvereinbarung bzw. erklärter Widerruf des Vergabeverfahrens ist gemäß § 26 Abs. 2 WVRG 2020 absolut nichtig bzw. unwirksam.

Mit einer einstweiligen Verfügung können gemäß § 26 Abs. 3 WVRG 2020 das gesamte Vergabeverfahren oder einzelne Entscheidungen der Auftraggeberin oder des Auftraggebers zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtes Wien über eine allfällige Nichtigerklärung vorübergehend ausgesetzt oder sonstige geeignete Maßnahmen angeordnet werden. Dabei ist die jeweils gelindeste noch zum Ziel führende vorläufige Maßnahme zu verfügen.

In einer einstweiligen Verfügung ist gemäß § 26 Abs. 4 WVRG 2020 die Zeit, für welche diese Verfügung getroffen wird, zu bestimmen. Die einstweilige Verfügung tritt nach Ablauf der bestimmten Zeit, spätestens jedoch mit der Entscheidung des Verwaltungsgerichtes Wien über den Antrag auf Nichtigerklärung, in dem die betreffende Rechtswidrigkeit geltend gemacht wurde, außer Kraft. Das Verwaltungsgericht Wien hat die einstweilige Verfügung unverzüglich auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, sobald die Voraussetzungen, die zu ihrer Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Das Verwaltungsgericht Wien hat die einstweilige Verfügung unverzüglich auf Antrag oder von Amts wegen zu erstrecken, wenn die Voraussetzungen, die zu ihrer Erlassung geführt haben, nach Ablauf der bestimmten Zeit fortbestehen.

Wesentliche Zielsetzung des primären Vergaberechtschutzes (also des Rechtschutzes vor Zuschlagserteilung) ist es, den Bieter auch vor jenen Schäden zu schützen, die nicht im Wege eines späteren Schadenersatzanspruches abgedeckt werden können.

Ein öffentlicher Auftraggeber hat nach der ständigen Rechtsprechung grundsätzlich mit der Möglichkeit eines Nachprüfungsverfahrens einschließlich der Verzögerung des Vergabeverfahrens durch eine einstweilige Verfügung zu rechnen.

Vorliegend hat die Antragstellerin ihr Interesse an der Erlassung einer einstweiligen Verfügung insofern dargelegt, als mit der Erteilung des Zuschlages an die präsumtive Zuschlagsempfängerin unumkehrbare Tatsachen geschaffen würden, die es der Antragstellerin auch im Fall des Zutreffens der im Nachprüfungsantrag behaupteten Rechtswidrigkeiten verunmöglichten, den Zuschlag zu erlangen.

Der Auftraggeberin hat in ihrer Stellungnahme vom 05.05.2021 keine gegen die Erlassung der begehrten einstweiligen Verfügung sprechenden Interessen geltend gemacht.

Es war somit die einstweilige Verfügung spruchgemäß zu erlassen.                        

Die einstweilige Verfügung ist gemäß § 26 Abs. 5 WVRG 2020 sofort vollstreckbar.

Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die (ordentliche) Revision zulässig, wenn eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, insbesondere weil das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts von der Rechtsprechung des Verwaltungs-gerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht einheitlich beantwortet wird.

Einer Rechtsfrage kommt grundsätzliche Bedeutung zu, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt (VwGH 18.06.2014, Ra 2014/01/0029). Trotz fehlender Rechtsprechung des VwGH liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, wenn die Rechtslage eindeutig ist oder bereits durch ein Urteil des EuGH gelöst wurde (VwGH 28.05.2014, Ra 2014/07/0053; 28.02.2014, Ro 2014/16/0010). Die Rechtsfrage muss eine solche sein, durch deren Lösung im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ein Eingriff in subjektive Rechte des Revisionswerbers im Sinne des Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG zumindest möglich ist.

Die ordentliche Revision ist im vorliegenden Fall unzulässig, zumal sich die Entscheidung im Wesentlichen auf eine Interessensabwägung im Einzelfall gründet und der ständigen und nicht uneinheitlichen höchstgerichtlichen Judikatur folgt.

Schlagworte

Einstweilige Verfügung; Oberschwellenbereich; Antrag auf Nichtigerklärung; Nachprüfung; Zuschlagsentscheidung; Interessensabwägung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2021:VGW.124.029.6411.2021

Zuletzt aktualisiert am

23.03.2023
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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