TE Lvwg Erkenntnis 2023/1/12 VGW-031/077/9043/2022

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Veröffentlicht am 12.01.2023
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Entscheidungsdatum

12.01.2023

Index

90/01 Straßenverkehrsordnung

Norm

StVO 1960 §9 Abs2
StVO 1960 §29 Abs1
StVO 1960 §36 Abs4
  1. StVO 1960 § 9 heute
  2. StVO 1960 § 9 gültig ab 31.05.2011 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 34/2011
  3. StVO 1960 § 9 gültig von 22.07.1998 bis 30.05.2011 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 92/1998
  4. StVO 1960 § 9 gültig von 01.10.1994 bis 21.07.1998 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 518/1994
  5. StVO 1960 § 9 gültig von 01.07.1983 bis 30.09.1994 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 174/1983
  1. StVO 1960 § 29 heute
  2. StVO 1960 § 29 gültig ab 01.07.2005 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 52/2005
  3. StVO 1960 § 29 gültig von 01.10.1969 bis 30.06.2005 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 209/1969

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Dr. Oppel über die Beschwerde der Frau A. B. gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien, Polizeikommissariat Innere Stadt, vom 23.05.2022, Zl. VStV/…/2022, betreffend Verwaltungsübertretungen nach der Straßenverkehrsordnung (StVO),

zu Recht e r k a n n t :

I.     Gemäß § 50 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben, das beschwerdegegenständliche Straferkenntnis behoben und das Verwaltungsstrafverfahren jeweils gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 zweiter Fall VStG eingestellt.

II.    Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat die Beschwerdeführerin keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu zahlen.

III.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Der Beschwerdeführerin wurde mit dem beschwerdegegenständlichen Straferkenntnis angelastet, sie habe am 25.02.2022 um 17:36 Uhr in Wien 1., Franz-Josefs-Kai 11, Richtung Uraniastraße, Kreuzung Dominikanerbastei, als Lenkerin des PKW mit dem Kennzeichen WN-1 (A)

1. Einem Fußgänger, welcher sich auf einem Schutzweg befunden hat, das unbehinderte Überqueren der Fahrbahn nicht ermöglicht und diesen gefährdet, da sie trotz Rotlichtes der Verkehrslichtsignalanlage nicht wie vorgesehen an der Haltelinie angehalten habe.

2. Trotz Rotlicht der Verkehrssignalanlage nicht vor dem Schutzweg (ohne Haltelinie) angehalten, sondern sei weitergefahren.

Die Beschwerdeführerin hat gegen dieses Straferkenntnis rechtzeitig Beschwerde erhoben und im Wesentlichen vorgebracht, sie sei Teilnehmerin eines angemeldeten Demonstrationszuges gewesen und sei im Rahmen dieses Demonstrationszuges zur Weiterfahrt berechtigt gewesen.

Es wurde am 07.11.2022 eine mündliche Verhandlung durchgeführt. In dieser konnte der entscheidungswesentliche Sachverhalt nur zum Teil geklärt werden. Es wurde daraufhin ergänzend die Stellungnahme der Landesverkehrsabteilung Wien der Landespolizeidirektion (LVA) vom 18.12.2022 zwecks vollständige Klärung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes eingeholt, welche dem Gericht über die Landespolizeidirektion Wien, Polizeikommissariat Innere Stadt Wien, übermittelt wurde.

Der Beschwerdeführerin wurde diesbezüglich Parteiengehör eingeräumt. In ihrer Stellungnahme vom 11.01.2023 gibt die Beschwerdeführerin im Wesentlichen Auszüge der Stellungnahme der LVA wörtlich wieder, wobei sie bestimmte Wortfolgen aus der Stellungnahme der LVA in ihren Zitierungen mittels Unterstreichung und Fettdruck hervorhebt. Im Wesentlichen arbeitet die Beschwerdeführerin in ihrer Stellungnahme heraus, dass laut LVA das letzte Fahrzeug des Autokorsos um 17:38 Uhr vom Franz-Josefs-Kai in die Ringstraße eingebogen ist und daher von der LVA nicht ausgeschlossen werden könne, dass um 17:36 Uhr noch Fahrzeuge des Autokorsos auf der Höhe Franz-Josefs-Kai 11 unterwegs gewesen sind. Darüber hinaus hinterfragt die Beschwerdeführerin in ihrer Stellungnahme, warum an der Kreuzung Franz-Josefs-Kai 11/ Dominikanerbastei die Fußgänger nicht auf den Autokonvoi hingewiesen worden seien.

Folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt wurde festgestellt:

Am 25.02.2022 wurde eine angemeldete Demonstration „Autokorso“ unter LVA-Wien begleitet und die Verkehrsmaßnahmen Wien durchgeführt. Die Fahrt wurde in Schwechat begonnen und wieder beendet. Die angemeldete Route wurde von den Teilnehmenden eingehalten. Von der LVA-Wien wurde die Demonstration in der Weise begleitet, dass an der Spitze und am Ende entsprechende Einsatzfahrzeuge fuhren, um den Verkehr zu warnen und die Demonstration selbst abzusichern. Bei relevanten Kreuzungen wurden Verkehrsposten aufgestellt, welche ebenfalls für die Absicherung der Strecke und die Regelung von Ampelanlagen eingeteilt waren. Aufgrund der langen Strecke und des erforderlichen Personalaufwandes konnten von der LVA-Wien nicht alle Kreuzungen besetzt werden, sodass manche Kreuzungen versetzt durch sogenannte „Bussarde“ angefahren wurden und bei Nichterfordernis an der betreffenden Stelle, diese weiterfuhren und mobil weitere Kreuzungen anfuhren. Bei größeren Kreuzungen bzw. bei solchen mit bekanntem Gefährdungspotential waren fixe Verkehrsposten vorgesehen, wobei meist mehrere Einsatzbeamte in einem Fahrzeug zu vorgesehenen Kreuzungen gefahren wurden und dort ihre Tätigkeit aufnahmen. Auch durch diese wurden entlang der Straße mehrere Positionen im Laufe der Demonstration besetzt, diese waren aber für jeden Verkehrsposten im Vorhinein fix vorgesehen.

Beginn der Abfahrt der Demonstration in Schwechat war 16:04 Uhr mit 64 teilnehmenden Fahrzeugen. Die Route führte dann über die Simmeringer Hauptstraße - Rennweg - Schwarzenbergplatz über die Ringstraße (in Fahrtrichtung) und dann weiter zum Franz-Josefs-Kai. Von dort dann wieder über die Ringstraße - Schwarzenbergplatz zum Rennweg in Richtung Schwechat.

In Höhe des Schwedenplatzes wurde ein längerer Halt eingelegt (vorgesehen). Der Halt dauerte von 17:10 bis 17:33 Uhr, wobei sich die Spitze des Autokorsos in Höhe Franz-Josefs-Kai/Laurenzerberg befand und das Ende in Höhe Franz-Josefs-Kai/Morzinplatz. Der Franz-Josefs-Kai war schon vorher für den Verkehr gesperrt gewesen, beim Halt wurde aber die Querung Laurenzerberg/Schwedenbrücke freigehalten, damit Fahrzeuge aus der Innenstadt nicht zu lange blockiert wurden. Um 17:33 Uhr wurde weitergefahren, wobei sich das Ende des Korsos um 17:37 Uhr in Höhe Rotenturmstraße befand. Um 17:38 Uhr war das letzte Fahrzeug vom Franz-Josefs-Kai wieder auf deren Straße eingebogen.

Bei der Örtlichkeit Franz-Josefs-Kai Nummer 11 (Kreuzung mit der Dominikanerbastei) war ein Einsatzbeamter der LVA (Bussard) mobil vorgesehen, welcher bei Bedarf absperrte bzw. regelnde Maßnahmen durchführte. Da es sich hier nicht um eine Kreuzung der Priorität 1 gehandelt hat, war kein permanenter Verkehrsposten eingeteilt. Am Ende des Autokorsos befand sich ein Fahrzeug der LVA mit einem „Earlywarner“. Bei Abfahrt nach dem Halt in der Höhe Schwedenplatz war das Feld der teilnehmenden Fahrzeuge kompakt und es wurden alle Fahrstreifen verwendet.

Um 17:36 Uhr befanden sich noch einzelne Fahrzeuge im Konvoi, wobei jedoch nur mehr ein Fahrstreifen verwendet wurde. Es handelte sich dabei um die letzten Fahrzeuge des Konvois.

Das Fahrzeug der Beschwerdeführerin befand sich im Anschluss an ein vor ihr fahrendes Fahrzeug dieses Konvois und wurde durch zumindest ein nachfahrendes Fahrzeug dieses Konvois gefolgt. Das Schlussfahrzeug der LVA befand sich zumindest einige Fahrzeuge hinter dem Fahrzeug der Beschwerdeführerin.

Der mobile Einsatzbeamte der LVA war zu dem Zeitpunkt, zu dem die genannten letzten Fahrzeuge des Konvois die Kreuzung Franz-Josefs-Kai 11/ Dominikanerbastei überquert haben, nicht mehr anwesend. Die Verkehrssignalanlage war zu dieser Zeit im Betrieb und zeigte für die Beschwerdeführerin rot, als diese im Zuge des Autokonvois die Kreuzung überquert hat.

Die in der mündlichen Verhandlung einvernommene Zeugin hat zur angelasteten Tatzeit als Fußgängerin laut Verkehrssignalanlage grün gehabt und versucht, den Franz-Josefs-Kai im Bereich der Verkehrssignalanlage auf dem Fußgängerübergang zu überqueren, wobei sie davon ausgegangen ist, dass die Fahrzeuge des Autokonvois anhalten würden.

Für den Autokonvoi war eine Fahrgeschwindigkeit von 15 km/h abgestimmt. Die Beschwerdeführerin ist mit gleichbleibendem Abstand zu den Teilnehmern des Autokonvois vor ihr und hinter ihr mit dieser Geschwindigkeit gefahren.

Bei der Beweiswürdigung hat das Verwaltungsgericht erwogen:

Der eingeholten Stellungnahme der Landesverkehrsabteilung Wien vom 18.12.2022 liegen sorgfältige polizeiinterne Recherchen betreffend den Ablauf des gegenständlichen Autokonvois zu Grunde. Für das Gericht besteht kein Anlass, an der inhaltlichen Richtigkeit dieser polizeiinternen Recherche zu zweifeln. Entscheidungswesentliche Teile des maßgeblichen Sachverhaltes gehen daher auf die zitierte Stellungnahme zurück.

Die betroffene Fußgängerin, die in der mündlichen Verhandlung als Zeugin einvernommen wurde, hat den gegenständlichen Autokonvoi mit ihrem Mobiltelefon sowohl fotografiert als auch gefilmt. Die Fotos sowie das Video wurden im Zuge der Einvernahme der Zeugin auf deren Mobiltelefon angesehen. An der Authentizität und Richtigkeit der Fotos und des Videos besteht kein Zweifel, zumal auch die Beschwerdeführerin selbst eingeräumt hat, dass diese Fotos und dieses Video ihr Kraftfahrzeug im Zuge des Autokonvois darstellen.

Aus den Fotos und dem Video der Zeugin geht zweifelsfrei hervor, dass die Beschwerdeführerin im Zuge dieses Autokonvois unterwegs war. Insbesondere zeigt das Video insgesamt drei Fahrzeuge, welche sich mit sehr geringer Fahrgeschwindigkeit und gleichbleibendem Abstand zueinander und der Kreuzung Franz-Josefs-Kai 11/Dominikanerbastei wegbewegen, um offenbar in den Ring einzubiegen, wobei diese Fahrzeuge bereits von ihrer Fahrweise her nahelegen, als Teilnehmer des genannten Demonstrationszuges unterwegs zu sein. Das den Demonstrationszug abschließende Fahrzeug der LVA wurde von der Zeugin nicht gesichtet und nicht aufgenommen. Das Gericht geht davon aus, dass sich das Fahrzeug der LVA einige Fahrzeuge hinter dem Fahrzeug der Beschwerdeführerin befunden hat.

Auch die eingeholte Stellungnahme der LVA steht mit diesen Feststellungen insoweit im Einklang, als die LVA in ihrer Stellungnahme ausdrücklich Folgendes einräumt:

„Aufgrund des vorgegebenen Zeitrahmens besteht die Möglichkeit, dass sich um 17:36 Uhr noch Fahrzeuge des gesicherten Konvois im Bereich Franz-Josefs-Kai, Kreuzung mit der Dominikanerbastei, befanden, wobei es sich dabei nur noch um die letzten Fahrzeuge gehandelt haben könnte und kurz dahinter noch das Schlussfahrzeug der LVA mit eingeschaltetem Earlywarner fuhr.“

Dass sich diese von der LVA ausdrücklich nicht ausgeschlossene Möglichkeit tatsächlich ereignet hat, geht aus der durchgeführten mündlichen Verhandlung, den von der Zeugin aufgenommenen Fotos und Videoaufnahmen sowie den Aussagen der Zeugin und der Beschwerdeführerin selbst hervor.

Wenn die LVA weiters ausführt, dass das letzte Fahrzeug des Konvois bereits um 17:38 Uhr wieder in den Ring eingebogen ist, so stellt dies einen zusätzlichen Nachweis dafür dar, dass die Beschwerdeführerin die Kreuzung Franz-Josefs-Kai 11/ Dominikanerbastei um 17:36 Uhr als Teilnehmerin des Autokonvois überquert hat, wie dies auch in der Videoaufnahme der Zeugin zu sehen war. Insbesondere ist die Strecke von der Kreuzung Franz-Josefs-Kai 11/ Dominikanerbastei bis zum Einbiegen in den Ring auf Höhe der Urania derart kurz, dass sich ein Einbiegen der Beschwerdeführerin in den Ring im Zuge dieses Konvois auch bei einer geringen Fahrgeschwindigkeit von lediglich 15 km/h bis 17:38 Uhr leicht ausgeht.

Die LVA führt in ihrer Stellungnahme vom 18.12.2022 weiters Folgendes aus:

„Dass dieses Fahrzeug“ (das ist das Schlussfahrzeug der LVA) „der Beschwerdeführerin nicht aufgefallen sein sollte, scheint eher unwahrscheinlich. Nachdem, wie bereits oben angeführt, das letzte Fahrzeug des Autokorsos bereits um 17:38 Uhr wieder in den Ring eingebogen ist, kann davon ausgegangen werden, dass um 17:42 Uhr an der Kreuzung Dominikanerbastei/Franz-Josefs-Kai 11 kein mobiler uEB mehr anwesend war.“

Dazu genügt es festzuhalten, dass der angelasteten Tatzeitpunkt den Zeitpunkt 17:36 Uhr betrifft. Dass um 17:42 Uhr an der Kreuzung Dominikanerbastei/Franz-Josefs-Kai 11, kein Fahrzeug des Autokonvois mehr unterwegs war, mag zutreffen. Da der Beschwerdeführerin jedoch der Tatzeitpunkt 17:36 Uhr angelastet worden ist und die Beschwerdeführerin den von der Zeugin angefertigten Beweismittel zur Folge diese Kreuzung auch um 17:36 Uhr überquert hat, vermag das Verwaltungsgericht keine Relevanz von etwaigen Feststellungen für den von der LVA angegebenen Tatzeitpunkt 17:42 Uhr erkennen. Die Beschwerdeführerin hat diese Kreuzung auch nicht um 17:42 Uhr überquert, weil sie dies bereits um 17:36 Uhr getan und in der Folge im Zuge des Autokonvois in die Ringstraße eingebogen ist und ihre Fahrt fortgesetzt hat.

Die LVA führt in ihrer Stellungnahme vom 18.12.2022 weiters aus, dass die Daten des EPS-WEB nach sechs Monaten automatisch gelöscht werden und somit keine genaueren Angaben gemacht werden können. Die in Frage kommenden uEB, welche als mobile Kräfte (Bussard) im Einsatz waren, seien befragt worden, es habe aber keiner mehr eine konkrete Erinnerung an eine konkrete Situation an dieser Örtlichkeit bei diesem Einsatz. Eine Rückfrage bei der MA 33 sei ebenfalls erfolgt. Hier sei in Erfahrung gebracht worden, dass die Ampel zum fraglichen Zeitpunkt in „Normalfunktion-Koordination“ stand und auch zuvor kein Eingriff in das Schaltprogramm erfolgt sei.

Auch diese Angaben erscheinen dem Gericht glaubwürdig, nachvollziehbar und überzeugend. Die Zeugin, die den Vorfall angezeigt hat, hatte jedoch noch sehr konkrete Erinnerungen an den Vorfall. Dabei ist das Gericht davon ausgegangen, dass die Zeugin, abgesehen von ihrer Wahrheitspflicht, keinerlei Anlass hätte, die Beschwerdeführerin in irgendeiner Form in Schutz zu nehmen, zumal die Zeugin nach dem Vorfall zu einer Polizeidienststelle gegangen ist und den Vorfall angezeigt hat. Darüber hinaus hat die Zeugin im Zuge ihrer Einvernahme einen äußerst überzeugenden und authentischen Eindruck hinterlassen und besteht keinerlei Anlass, an den Angaben der Zeugin zu zweifeln.

Schließlich ist auszuführen, dass auch die Beschwerdeführerin selbst den Ablauf in durchaus glaubwürdiger Weise dargelegt hat. Etwaige Versuche, den Sachverhalt abzustreiten, hat die Beschwerdeführerin nicht unternommen. Vielmehr decken sich die Darlegungen der Beschwerdeführerin zum Ablauf der Geschehnisse vollständig mit den Darlegungen der Zeugin und stehen darüber hinaus auch mit der nunmehr vorliegenden Stellungnahme der LVA im Einklang.

Aus den genannten Gründen bestand kein Zweifel, dass sich der Ablauf so ereignet hat, wie er in den obigen Feststellungen des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes dargelegt wurde.

Die Stellungnahme der Beschwerdeführerin vom 11.01.2023 wurde, um das Verfahren nicht durch weitere Schritte vermeidbar zu verlängern, für die Beweiswürdigung und für die Sachverhaltsfeststellung nicht verwertet.

In rechtlicher Hinsicht hat das Verwaltungsgericht erwogen:

Der Beschwerdeführerin wurde im Punkt 1 des Straferkenntnisses eine Übertretung des § 9 Abs. 2 StVO betreffend die Bodenmarkierung des Fußgängerüberganges angelastet.

Gemäß VwGH 8.11.1985, 85/18/0299 (zitiert nach Pürstl, StVO, 14. Auflage, § 9, E 33) ist auf geregelten Kreuzungen im Hinblick auf § 36 Abs. 4 StVO die Bestimmung des § 9 Abs. 2 über das Verhalten bei einem durch Bodenmarkierungen kundgemachten Schutzweg nicht anzuwenden.

Aufgrund des zitierten Erkenntnisses VwGH 8.11.1985, 85/18/0299, scheidet daher zunächst die rechtliche Möglichkeit aus, die Beschwerdeführerin für das Überfahren der gegenständlichen Kreuzung sowohl wegen des Rotlichtes als auch wegen des durch Bodenmarkierungen kundgemachten Schutzweges zu bestrafen. Die Strafbarkeit der Missachtung des Rotlichtes schließt eine darüber hinaus gehende Strafbarkeit wegen der Missachtung der Bodenmarkierung aus.

Gemäß § 29 Abs. 1 StVO dürfen unter anderem geschlossene Züge von Straßenbenützung nur von Lenkern von Einsatzfahrzeugen sowie, wenn dies aus Gründen der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs dringend erforderlich ist und keine andere Maßnahme ausreicht, von Organen der Straßenaufsicht unterbrochen oder in ihrer Fortbewegung behindert werden.

Dazu hat das Verwaltungsgericht erwogen, dass geschlossene Züge von Straßenbenützung im Sinne des § 29 Abs. 1 StVO zwar typischerweise Züge von Fußgängern sind, die gesetzliche Bestimmung derartige Züge aber nicht auf Fußgänger beschränkt. Aus diesem Grund kommt durchaus auch ein Autokonvoi als geschlossener Zug in diesem Sinne in Betracht. Dass die Teilnehmer des Autokorsos nicht als Fußgänger unterwegs waren, sondern als Lenker von Kraftfahrzeugen, macht für die Subsumtion unter den Begriff des geschlossenen Zuges von Straßenbenützern im Sinne des § 29 Abs. 1 StVO daher keinen rechtlich relevanten Unterschied.

Rechtlich relevant ist jedoch die Frage, ob der betreffende Zug von Straßenbenützern vorher angezeigt und nicht untersagt worden ist, weil nur unter dieser Voraussetzung die Behörde in der Lage ist, sich auf diesen Zug von Straßenbenützern einzustellen und den Verkehr zu regeln.

Diese entscheidungswesentliche Frage konnte durch die erfolgte Einholung der Stellungnahme der LVA vom 18.12.2022 geklärt werden. Durch die Stellungnahme der LVA vom 18.12.2022 wurde insbesondere geklärt, dass es sich bei dem Autokorso um eine angemeldete sowie nicht untersagte Versammlung gehandelt hat und zur Tatzeit um 17:36 Uhr noch die letzten Fahrzeuge des Autokorsos im Bereich der gegenständlichen Kreuzung unterwegs waren (vgl. die Feststellungen des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes und die Beweiswürdigung). Die Voraussetzung, dass es sich bei dem gegenständlichen Zug von Straßenbenützern um eine angemeldete und nicht untersagte Versammlung gehandelt hat, lag daher vor.

Gemäß § 29 Abs. 1 StVO konnte ein solcher Zug von Straßenbenützern lediglich von Einsatzfahrzeugen und unter den in der zitierten Gesetzesstelle genannten Voraussetzungen von Organen der Straßenaufsicht unterbrochen werden.

§ 29 Abs. 1 StVO schließt daher zunächst die Möglichkeit aus, dass ein geschlossener Zug von Straßenbenützern durch eine Verkehrslichtsignalanlage unterbrochen wird. Dies bedeutet im Umkehrschluss zwingend, dass die Teilnehmer eines geschlossenen Zuges von Straßenbenützern nicht anhalten müssen, wenn eine Verkehrslichtsignalanlage Rot zeigt. Vielmehr ist es gemäß § 29 Abs. 1 StVO die Aufgabe der Organe der Straßenaufsicht, den geschlossenen Zug von Straßenbenützern dann zu unterbrechen, wenn dies aus Gründen der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs dringend erforderlich ist und keine andere Maßnahme ausreicht.

§ 29 Abs. 1 StVO sieht darüber hinaus auch nicht die Möglichkeit vor, dass Fußgänger einen geschlossenen Zug von Straßenbenützern unterbrechen können. Daran ändert auch ein durch Bodenmarkierungen gekennzeichneter Fußgängerübergang nichts. Vielmehr ergibt sich aus § 29 Abs. 1 StVO, dass Fußgänger gegenüber einem geschlossenen Zug von Straßenbenützern grundsätzlich Nachrang haben und das Ende des geschlossenen Zuges abwarten müssen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz besteht insoweit, als Organe der Straßenaufsicht unter den im § 29 Abs. 1 StVO genannten Voraussetzungen den geschlossenen Zug unterbrechen können.

Aus diesen rechtlichen Ausführungen folgt, dass das Überfahren des Rotlichtes der Verkehrslichtsignalanlage nicht strafbar war, weil es sich gegenständlich um einen geschlossenen Zug von Straßenbenützern gehandelt hat und Verkehrslichtsignalanlagen für geschlossene Züge von Straßenbenützern im Rahmen von angezeigten und nicht untersagten Versammlungen nicht verbindlich sind. Eine etwaige Unterbrechung des geschlossenen Zuges war den Organen der Straßenaufsicht vorbehalten.

Aus diesen rechtlichen Ausführungen folgt weiters, dass der durch Bodenmarkierungen gekennzeichnete Fußgängerübergang im Zusammenhang mit dem erkennbaren Wunsch eines Fußgängers, den Franz-Josefs-Kai zu überqueren, keine Verpflichtung der Beschwerdeführerin zum Anhalten ausgelöst hat. Gegenüber dem geschlossenen Zug von Straßenbenützern haben Fußgänger so lange Nachrang, bis gegebenenfalls ein Organ der Straßenaufsicht den geschlossenen Zug unterbricht.

Der Vollständigkeit halber sei festgehalten, dass die Beschwerdeführerin dann zum Anhalten verpflichtet gewesen wäre, wenn andernfalls eine Gefährdung von Fußgängern eingetreten wäre. Eine solche Gefährdungssituation wurde jedoch nicht angelastet und würde gegebenenfalls als strafrechtlicher Tatbestand auch nicht in die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes fallen. Die erfolgte Tatanlastung betraf nicht eine etwaige Gefährdung von Fußgängern, sondern eine Missachtung des Rotlichtes der Verkehrssignalanlage sowie eine Missachtung des markierten Fußgängerüberganges.

Die angelasteten Übertretungen waren aus den oben angeführten Gründen nicht strafbar. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Wenn die Beschwerdeführerin in ihrer Stellungnahme vom 11.01.2023 hinterfragt, warum die Fußgänger an der besagten Kreuzung nicht durch ein Organ der Straßenaufsicht auf den Konvoi hingewiesen worden seien, so ist dazu zu sagen, dass diese Frage für die Frage der Strafbarkeit der Beschwerdeführerin keine rechtliche Relevanz hat.

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Versammlung; Autokorso; Fahrzeug; Kreuzung; Zug von Straßenbenützern; Verkehrslichtanlage; Rotlicht; Unterbrechung; Fußgänger; Schutzweg

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2023:VGW.031.077.9043.2022

Zuletzt aktualisiert am

23.03.2023
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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