TE Lvwg Beschluss 2023/2/28 LVwG-M-69/001-2022

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Veröffentlicht am 28.02.2023
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Entscheidungsdatum

28.02.2023

Norm

B-VG Art130 Abs1 Z2
ABGB §211 Abs1
  1. B-VG Art. 130 heute
  2. B-VG Art. 130 gültig ab 01.02.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 14/2019
  3. B-VG Art. 130 gültig von 01.01.2019 bis 31.01.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  4. B-VG Art. 130 gültig von 01.01.2019 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 138/2017
  5. B-VG Art. 130 gültig von 25.05.2018 bis 31.12.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 22/2018
  6. B-VG Art. 130 gültig von 01.01.2015 bis 24.05.2018 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 101/2014
  7. B-VG Art. 130 gültig von 01.01.2014 bis 31.12.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 115/2013
  8. B-VG Art. 130 gültig von 01.01.2014 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  9. B-VG Art. 130 gültig von 01.01.2004 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  10. B-VG Art. 130 gültig von 01.01.1998 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 87/1997
  11. B-VG Art. 130 gültig von 01.01.1991 bis 31.12.1997 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 685/1988
  12. B-VG Art. 130 gültig von 01.07.1976 bis 31.12.1990 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 302/1975
  13. B-VG Art. 130 gültig von 18.07.1962 bis 30.06.1976 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 215/1962
  14. B-VG Art. 130 gültig von 25.12.1946 bis 17.07.1962 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 211/1946
  15. B-VG Art. 130 gültig von 19.12.1945 bis 24.12.1946 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  16. B-VG Art. 130 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934
  1. ABGB § 211 heute
  2. ABGB § 211 gültig ab 01.07.2021 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 86/2021
  3. ABGB § 211 gültig von 30.10.2019 bis 30.06.2021 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 105/2019
  4. ABGB § 211 gültig von 26.04.2017 bis 29.10.2019 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 59/2017
  5. ABGB § 211 gültig von 01.02.2013 bis 25.04.2017 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 15/2013
  6. ABGB § 211 gültig von 01.07.2001 bis 31.01.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 135/2000
  7. ABGB § 211 gültig von 01.07.1989 bis 30.06.2001 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 162/1989

Text

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich fasst durch Dr. Flendrovsky als Einzelrichter über die Maßnahmenbeschwerde des A, ***, ***, gegen ein Kontaktverbot infolge einer am 7. November 2022 durch eine Mitarbeiterin der Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf (belangte Behörde) gesetzten vorläufigen Maßnahme der Pflege und Erziehung den

BESCHLUSS:

1.   Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 erster Halbsatz iVm § 31 Abs. 1 VwGVG als unzulässig zurückgewiesen.

2.   Gegen diesen Beschluss ist eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 und 9 B-VG iVm § 25a Abs. 1 VwGG nicht zulässig.

Begründung:

1.       Der Beschwerdeführer erhob am 24. November 2022 beim Landesverwaltungsgericht Niederösterreich Maßnahmenbeschwerde gegen eine Anordnung einer Mitarbeiterin der belangten Behörde. Durch deren „Bescheid“ würden die drei minderjährigen Enkelkinder des Beschwerdeführers zwangsweise in einem Krisenzentrum festgehalten. Der persönliche Kontakt zwischen den Kindern und ihm (sowohl der persönliche als auch der telefonische) sei untersagt worden, obwohl keinerlei Anlass für eine derartige Maßnahme vorliege. Dies stehe dem Recht auf Kontakt zwischen Enkel und Großeltern diametral entgegen, weshalb die Maßnahme aufzuheben sei.

Im Betreff der Beschwerde war angeführt, dass die Maßnahme am 7. Oktober 2022 gesetzt worden sei.

2.       Auf Grund eines Verspätungsvorhaltes des Landesverwaltungsgerichtes erklärte der Beschwerdeführer am 30. November 2022, dass die Enkelkinder am 7. November 2022 handstreichartig aus dem Kindergarten bzw. der Schule „entrissen“ worden seien. Erst am 9. oder 10. November 2022 sei die Mutter (die Tochter des Beschwerdeführers) darüber informiert worden, dass die Kindesabnahme auf Grundlage des § 211 ABGB erfolgt sei.

Der Beschwerdeführer legte weiters eine von der Behördenmitarbeiterin angefertigte Niederschrift über ein mit den Eltern der drei Kinder am 14. November 2022 durchgeführtes „Kontaktgespräch“ vor, in der wiederum auf die am 7. November 2022 getroffene „Entscheidung zur Kindesunterbringung“ sowie die „rechtliche Situation durch § 211 ABGB“ hingewiesen wurde.

3.       Am 5. Dezember 2022 legte der Beschwerdeführer ein schulpsychologisches Gutachten betreffend eines der drei Kinder, dass aus seiner Sicht der Annahme deiner Gefährdung durch ihn entgegenstehe.

4.       Am 12. Dezember 2022 erklärte der Beschwerdeführer in einem Telefongespräch mit dem erkennenden Richter ergänzend, dass die belangte Behörde bei der Abholung der Kinder vom Kindergarten bzw. von der Schule Amtshilfe durch die Polizei angefordert habe. Gleichzeitig bestätigte er, dass ihm gegenüber die Polizei nicht eingeschritten sei.

5.       Der Verfahrensgang ergibt in offenkundiger Weise aus dem Inhalt des Gerichtsaktes.

Hinsichtlich des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes werden die Angaben des Beschwerdeführers bzw. die sich aus der von ihm vorgelegten Niederschrift über das Gespräch vom 14. November 2022 ergebenden Umstände der Unterbringung der Kinder im Krisenzentrum zu Grunde gelegt. Somit wird festgestellt, dass es sich dabei um eine am 7. November 2022 auf Grundlage des § 211 ABGB von einer Mitarbeiterin der belangten Behörde gesetzte Maßnahme handelt, die von Polizeibeamten überwacht wurde, ohne dass es bisher jedoch zu einem Einschreiten der Polizei gegenüber dem Beschwerdeführer gekommen wäre.

6.       Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG), BGBl. 1/1930 idF BGBl. I 51/2012, erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit.

Nach der Rechtsprechung des Verfassungs- und des Verwaltungsgerichtshofes setzt ein mit einer solchen Maßnahmenbeschwerde bekämpfbarer Akt der unmittelbaren Befehls- und Zwangsgewalt das Handeln im Rahmen der Hoheitsverwaltung voraus bzw. dass das mit Maßnahmenbeschwerde bekämpfte Handeln hoheitlich veranlasst wurde (VwGH 20.10. 2011, 2008/11/0159, mwN, insbesondere VfSlg. 12.299/1990; beide Entscheidungen ergingen noch zu früheren Rechtslagen, die sich aber insoweit nicht maßgeblich vom nunmehrigen Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG unterscheiden).

7.       Im vorliegenden Fall richtet sich die vom Beschwerdeführer erhobene Maßnahmenbeschwerde gegen die Unterbindung des Kontakts zu seinen Enkelkindern in Folge einer auf § 211 ABGB gestützten Maßnahme der Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf (Unterbringung in einem Krisenzentrum).

§ 211 Abs. 1 zweiter Satz des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB), JGS. 946/1811 idF BGBl. I 86/2021, lautet:

„§ 211. (1) Der Kinder- und Jugendhilfeträger hat die zur Wahrung des Wohles eines Minderjährigen erforderlichen gerichtlichen Verfügungen im Bereich der Obsorge zu beantragen. Bei Gefahr im Verzug kann er die erforderlichen Maßnahmen der Pflege und Erziehung vorläufig mit Wirksamkeit bis zur gerichtlichen Entscheidung selbst treffen; er hat diese Entscheidung unverzüglich, jedenfalls innerhalb von acht Tagen, zu beantragen. Im Umfang der getroffenen Maßnahmen ist der Kinder- und Jugendhilfeträger vorläufig mit der Obsorge betraut.“

Gemäß § 1 Abs. 2 NÖ Kinder- und Jugendhilfegesetz (NÖ KJHG), LGBl. 9270-0 idF LGBl. 7/2022, ist Kinder- und Jugendhilfeträger das Land Niederösterreich. Die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe werden gemäß § 1 Abs. 3 NÖ KJHG von den Bezirksverwaltungsbehörden besorgt, wobei die Besorgung gemäß § 1 Abs. 4 leg.cit. auch durch private Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen erfolgen kann.

Der Oberste Gerichtshof vertritt nunmehr im Einklang mit der Rechtsprechung des Verfassungs- und des Verwaltungsgerichtshofes die Ansicht, dass der Kinder- und Jugendhilfeträger, wenn er vorläufige Maßnahmen nach § 211 Abs. 1 zweiter Satz ABGB setzt, nicht hoheitlich, sondern privatrechtlich tätig wird. Damit korrespondiert der zivilgerichtliche Rechtsschutz nach § 107a Außerstreitgesetz, BGBl. I 111/2003 idF BGBl. I 59/2017, insbesondere auch unter dem Gesichtspunkt des durch Art. 94 B-VG normierten Grundsatzes der Gewaltenteilung (OGH 23.03.2021, 1 Ob 211/20s, mwN, speziell VfSlg 18.154/2007 und VwGH 22.09.1995, 93/11/0221).

8.       Die Beschwerde ist somit nicht gegen ein hoheitliches Handeln der belangten Behörde gerichtet. Sie ist daher gemäß § 28 erster Halbsatz iVm § 31 Abs. 1 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG), BGBl. I 33/2013, mit Beschluss als unzulässig zurückzuweisen.

9.       Eine (in der Beschwerde nicht beantragte) mündliche Verhandlung entfällt gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG.

10.      Ein Kostenersatz ist schon deshalb nicht in Erwägung zu ziehen, weil der belangten Behörde mangels Befassung mit der Beschwerde keine gemäß § 35 Abs. 4 VwGVG ersatzfähigen Aufwendungen entstehen konnten.

11.      Die Revision ist nicht zulässig, weil im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Insbesondere weicht die Entscheidung weder von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt eine solche Rechtsprechung noch wird die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes uneinheitlich beantwortet.

Die Lösung der maßgeblichen Rechtsfragen ergibt sich vielmehr aus dem klaren Wortlaut des Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG, des § 211 Abs. 1 ABGB und des § 107a AußStrG (vgl. zur Unzulässigkeit der Revision in diesem Fall VwGH 27.02.2018, Ra 2018/05/0011, mwN) und darüber hinaus aus der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

Maßnahmenbeschwerde; Verfahrensrecht; Kinder- und Jugendhilfe; Hoheitsverwaltung; Privatwirtschaftsverwaltung;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2023:LVwG.M.69.001.2022

Zuletzt aktualisiert am

23.03.2023
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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