TE Vwgh Beschluss 1995/11/8 95/01/0445

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Veröffentlicht am 08.11.1995
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1991 §23 Abs1;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §26 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
ZustG §17 Abs3;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 95/01/0446

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Händschke, Dr. Dolp und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über 1. den Antrag des S in W, vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in W, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einbringung der Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 15. Juli 1994, Zl. 4.344.078/1-III/13/94, betreffend Asylgewährung, sowie 2. die damit verbundene Beschwerde gegen den genannten Bescheid den Beschluß gefaßt:

Spruch

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG wird dem Antrag NICHT STATTGEGEBEN.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 15. Juli 1994 wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers - eines Staatsangehörigen von Zaire - in Erledigung seiner Berufung gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 7. Februar 1994 abgewiesen. Der Beschwerdeführer stellt nun in diesem Zusammenhang den vorliegenden Wiedereinsetzungsantrag, den er damit begründet, daß er "im Sommer 1994 durch eine Hinterlegungsanzeige der Post davon verständigt wurde, daß ein Bescheid des Bundesministeriums für Inneres bei dem für die Neustiftgasse in 1070 Wien zuständigen Postamt für ihn hinterlegt worden sei", er versucht habe, diesen Bescheid zu beheben, ihm dies jedoch verweigert worden sei, da er damals "nicht im Besitz irgendwelcher Ausweisdokumente", die er hätte vorweisen können, gewesen sei, und ihm dieser Bescheid erst auf Grund einer Ladung des Bundesasylamtes am 11. April 1995 ausgefolgt worden sei.

Der Beschwerdeführer hat zunächst zwecks Stellung eines Wiedereinsetzungsantrages innerhalb von zwei Wochen, gerechnet ab 11. April 1995, die Verfahrenshilfe beantragt. Dieser Antrag wurde mit hg. Beschluß vom 6. Juli 1995, Zl. VH 95/19/0044, abgewiesen. In sinngemäßer Anwendung des § 26 Abs. 3 VwGG begann daher die Frist des § 46 Abs. 3 VwGG mit der Zustellung dieses abweisenden Beschlusses an die Partei neu zu laufen (vgl. diesbezüglich den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. März 1988, Zl. 88/09/0038). Diese Frist wurde vom Beschwerdeführer (durch die Postaufgabe am 3. Oktober 1995) eingehalten, ist er doch damit im Recht, daß die an ihn unter der Anschrift N-Gasse 141, W, erfolgte Zustellung des seinen Verfahrenshilfeantrag erledigenden Beschlusses nicht wirksam war, weil er der Aktenlage nach bereits vor Stellung dieses Antrages seine Abgabestelle geändert hat, und eine Heilung des Zustellmangels gemäß § 7 Zustellgesetz erst am 19. September 1995, als ihm die Sendung tatsächlich zugekommen ist, eingetreten ist. In Ansehung der Zustellung des Bescheides vom 15. Juli 1994 macht der Beschwerdeführer keine Zustellmängel geltend, wobei er zutreffenderweise auch nicht die Auffassung vertritt, daß die Verweigerung der Ausfolgung der beim Postamt gemäß § 17 Abs. 3 Zustellgesetz hinterlegten Sendung einen Einfluß auf die Rechtswirksamkeit dieser Zustellung gehabt habe (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. November 1993, Zl. 93/01/0950, mit weiteren Judikaturhinweisen).

Einer Partei ist aber gemäß § 46 Abs. 1 VwGG auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur dann zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, daß sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, wobei der Umstand, daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht hindert, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Der Beschwerdeführer hat einen Asylantrag gestellt und gegen den abweislichen Bescheid des Bundesasylamtes Berufung erhoben. Er mußte daher jederzeit mit einer Erledigung der Berufungsbehörde in dieser Angelegenheit rechnen. Abgesehen davon, daß sich der Beschwerdeführer nicht damit entschuldigen könnte, er habe nicht gewußt, daß Asylbehörde zweiter Instanz der Bundesminister für Inneres sei (§ 10 Abs. 1 Z. 2 Asylgesetz 1991), ist kein Anhaltspunkt dafür gegeben, daß im Rahmen der dem erstinstanzlichen Bescheid gemäß § 61 Abs. 1 AVG beigegebenen Rechtsmittelbelehrung unter Bedachtnahme auf § 63 Abs. 5 leg. cit., in der Fassung vor der Novelle

BGBl. Nr. 471/1995, als Behörde, bei welcher die Berufung einzubringen sei, nicht auch der Bundesminister für Inneres genannt worden sei. Als der Beschwerdeführer die gegenständliche Hinterlegungsanzeige, in der seiner Behauptung nach auf ein an ihn zuzustellendes Schriftstück "des Bundesministeriums für Inneres" hingewiesen wurde, vorgefunden hat, konnte er demnach zumindest - wenn schon Zweifel bestanden haben sollten - nicht ausschließen, daß sich dieses Schriftstück auf seine Asylangelegenheit bezieht. Er hat es nun in der Folge bei der Tatsache, daß ihm dieses Schriftstück mangels entsprechender Ausweisleistung bei der Post nicht ausgefolgt wird, bewenden lassen, anstatt sich weiterhin darum zu bemühen, dieses Schriftstück ausgehändigt zu erhalten und auf diese Weise von dessen Inhalt Kenntnis zu erlangen (vgl. hinsichtlich der - sogar in der Schubhaft bestehenden - Verpflichtung, sich nach Erhalt eines Schriftstückes über dessen Inhalt Gewißheit zu verschaffen, das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. April 1993, Zl. 93/01/0167). Der Beschwerdeführer hat nicht dargetan, daß er diesbezüglich Entsprechendes unternommen habe, seine Versuche in dieser Richtung aber erfolglos geblieben seien; auf Grund seines Vorbringens muß vielmehr davon ausgegangen werden, daß er überhaupt untätig geblieben ist und offensichtlich noch weiter zugewartet hätte, wenn er nicht von der Erstbehörde - egal, aus welchem Grunde - für den 11. April 1995 geladen worden wäre und zu diesem Termin den angefochtenen Bescheid in Empfang genommen hätte. Wenn auch von ihm billigerweise nicht hätte verlangt werden können, sich nochmals und dies allenfalls wiederholt zum Postamt zu begeben, um unter Umständen ohne Ausweisleistung die Ausfolgung der betreffenden Sendung zu erwirken, so wäre es doch an ihm gelegen gewesen, sich jedenfalls umgehend an eine in diesen Belangen kundige Person zu wenden, um sich darüber zu informieren, wie er sich in der vorliegenden Situation, ohne Gefahr zu laufen, Rechtsnachteile zu erleiden, verhalten soll. Dafür wären in erster Linie Flüchtlingsberater gemäß § 23 Asylgesetz 1991, aber auch andere, in einer mit der Betreuung von Flüchtlingen befaßten Organisation tätige Personen in Betracht gekommen. Daß derartige Schritte, auf Grund welcher mit dem Bundesminister für Inneres ein Kontakt hätte hergestellt werden können, um die hinterlegte Sendung nach ihrer Zurückstellung gemäß § 19 Abs. 1 Zustellgesetz dort ausgefolgt zu erhalten, dem Beschwerdeführer nicht möglich gewesen wäre, wurde von ihm nicht einmal behauptet. Es kann daher zufolge der vom Beschwerdeführer an den Tag gelegten Sorglosigkeit auch nicht davon die Rede sein, daß es sich hiebei lediglich um einen minderen Grad des Versehens gehandelt habe.

Im Hinblick darauf, daß demnach dem (zur hg. Zl. 95/01/0445 protokollierten) Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht stattgegeben werden konnte, war somit - ebenfalls in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat - auch die damit verbundene (zur hg. Zl. 95/01/0446 protokollierte) Beschwerde wegen Versäumung der Einbringungsfrist gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1995010445.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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