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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Händschke, Dr. Dolp und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des S, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 6. Februar 1995, Zl. 4.345.723/1-III/13/95, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 6. Februar 1995 wurde in Erledigung der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 13. Jänner 1995 der am 5. Jänner 1995 gestellte Asylantrag des Beschwerdeführers - eines bosnischen Staatsangehörigen, der am 5. Jänner 1995 in das Bundesgebiet eingereist ist - abgewiesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Die belangte Behörde hat zum Ausdruck gebracht, daß die Erstbehörde in der Begründung ihres Bescheides "die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefaßt" habe und sie sich als Berufungsbehörde "den Ausführungen des Bundesasylamtes im angefochtenen Bescheid vollinhaltlich anschließt und diese zum Inhalt des gegenständlichen Bescheides erhebt" (vgl. zur Zulässigkeit einer solchen Vorgangsweise das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. Oktober 1995, Zl. 95/01/0068). Damit kann kein Zweifel darüber bestehen, daß sich die belangte Behörde zur Gänze die Begründung des erstinstanzlichen Bescheides zueigen gemacht und daher aus den dort genannten Gründen dem Beschwerdeführer - wie dies auch von ihm verstanden wurde - die Gewährung von Asyl gemäß § 3 Asylgesetz 1991 sowohl mangels Vorliegens seiner Flüchtlingseigenschaft als auch auf Grund der Annahme, es sei bei ihm der Ausschließungsgrund der Verfolgungssicherheit gemäß § 2 Abs. 2 Z. 3 leg. cit. gegeben, versagt hat.
Der Beschwerdeführer hat bei seiner niederschriftlichen Vernehmung am 13. Jänner 1995 eine ihm drohende Verfolgung durch die Behörden seines Heimatlandes daraus abgeleitet, daß er von der legalen bosnischen Armee desertiert sei. Als der Krieg in Bosnien begonnen habe, habe er sich dieser Armee angeschlossen und sei am 15. April 1992 eingerückt. Zu diesem Zeitpunkt habe er "nicht überlegt, welche Auswirkungen und Folgen dieser Krieg haben würde". Im Zuge dieses Krieges habe er gemerkt, "daß es sich um einen schmutzigen Krieg handelt", und er habe "damals schon die Absicht" gehabt, zu desertieren, was ihm aber nicht gelungen sei. Er wäre am 9. Oktober 1994 nach Belasnica versetzt worden, weshalb er nach Hrasnica in der Nähe von Sarajewo geflohen sei, wo "die Gefahr etwas geringer" gewesen sei. Da er jedoch seine Armeeeinheit verlassen habe, "ohne jemanden zu fragen", sei nach ihm gesucht worden, worauf er am 3. Jänner 1995 geflüchtet sei. Er führe "weiters an, daß es sich bei diesem Krieg um keinen normalen Krieg, sondern um einen Nationalitätenkonflikt, also um einen Bürgerkrieg handelt". Die Erstbehörde (und damit auch die belangte Behörde) hat im wesentlichen diese Angaben ihrer Entscheidung zugrunde gelegt und daraus rechtlich den Schluß gezogen, daß der Beschwerdeführer nicht als Flüchtling gemäß § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 anzusehen sei. Diesbezüglich kann ihr nicht mit Erfolg entgegengetreten werden.
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes rechtfertigt die Verweigerung der Ableistung des Militärdienstes - worunter sowohl die Nichtbefolgung der Einberufung zum Militärdienst als auch nach dessen Antritt die Desertion zu verstehen ist - grundsätzlich die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht, was auch in den Fällen gilt, in denen in dem betreffenden Heimatstaat unter anderem ein Bürgerkrieg oder eine bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzung stattfindet. Allerdings kann eine darauf zurückzuführende Furcht vor Verfolgung dann asylrechtlich relevant sein, wenn die Einberufung bzw. unterschiedliche Behandlung während des Militärdienstes aus einem der im § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 (übereinstimmend mit Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) genannten Gründe erfolgt wäre oder aus solchen Gründen schärfere Sanktionen drohen (vgl. dazu insbesondere das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 29. Juni 1994, Zl. 93/01/0377). Auf der von der belangten Behörde angenommenen Sachverhaltsgrundlage kann davon, daß die belangte Behörde (im Sinne des zitierten Erkenntnisses) rechtlich das Problem eines vom Beschwerdeführer behaupteten Zusammenhanges zwischen seiner Desertion und einem der im § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 angeführten Verfolgungsgründe verkannt habe, nicht die Rede sein, wurde doch vom Beschwerdeführer im Zuge seiner erstinstanzlichen Angaben ein derartiger Zusammenhang gar nicht hergestellt.
Der Beschwerdeführer macht geltend, daß "laut UNHCR-Handbuch" ein Deserteur bzw. Wehrdienstverweigerer als Flüchtling im Sinne der Flüchtlingskonvention anzusehen sei, wenn die Ableistung des Militärdienstes eine Teilnahme an militärischen Maßnahmen erfordern würde, die im Widerspruch zu seiner echten politischen, religiösen oder moralischen Überzeugung oder auch anzuerkennenden Gewissensgründen stehen würde, wobei er jedoch offenbar übersieht, daß dem "Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft", herausgegeben vom Amt des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge, 1979, keine normative Kraft zukommt und daher dessen Inhalt rechtlich nicht verbindlich ist.
Richtig ist, daß der Verwaltungsgerichtshof "aus Anlaß der Beschwerde eines Staatsangehörigen der Bundesrepublik Jugoslawien albanischer Nationalität" die Bildung eines verstärkten Senates zur Klärung der Frage, ob Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung bzw. Desertion als Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention zu qualifizieren ist, wenn jemand an militärischen Aktionen teilnehmen soll, die von der Völkergemeinschaft verurteilt worden sind, beschlossen hat, dieser Beschluß den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens mit Berichterverfügung vom 8. Februar 1994 bekanntgegeben und "der dieser Verfügung zugrundeliegende Bescheid dann aufgehoben wurde". Dem Beschwerdeführer ist aber zu entgegnen, daß die Aufhebung des betreffenden Bescheides mit dem bereits erwähnten Erkenntnis eines verstärkten Senates zur Zl. 93/01/0377 nicht deshalb, weil die zuletzt genannte, zur Verstärkung führende Frage bejaht worden wäre, erfolgt ist. Dazu heißt es in diesem Erkenntnis lediglich, es sei vor dem Hintergrund der dargestellten (vom Gerichtshof grundsätzlich aufrecht erhaltenen) Judikatur zu beachten, daß der Beschwerdeführer bei seiner niederschriftlichen Befragung im erstinstanzlichen Verfahren als Fluchtgrund nicht wohlbegründete Furcht vor Verfolgung aus Gründen seiner politischen Gesinnung zum Ausdruck gebracht habe; auch unter Bedachtnahme auf die Lage im Heimatland des Beschwerdeführers und in den Nachfolgestaaten des früheren Jugoslawien, sowie die dazu vorliegenden Äußerungen von Organen internationaler Organisationen liege kein Anhaltspunkt dafür vor, die dem Beschwerdeführer nach seinen Behauptungen drohende Verfolgung wegen Wehrdienstverweigerung als eine aus Gründen der politischen Gesinnung anzusehen. Es brauche daher in weiterer Folge auf die von den Parteien im verwaltungsgerichtlichen Verfahren dazu vorgebrachten Argumente nicht eingegangen zu werden. Für den Standpunkt des Beschwerdeführers ist im Hinblick darauf, daß seinen Angaben im erstinstanzlichen Verfahren gleichfalls keine Verfolgung aus Gründen der politischen Gesinnung zu entnehmen war, daraus nichts zu gewinnen. Wenn der Beschwerdeführer ins Treffen führt, er habe bei seiner Vernehmung erklärt, daß er "den jugoslawischen Bürgerkrieg für einen schmutzigen halte", es ihm "also aus Gewissensgründen nicht möglich ist, an den militärischen Aktionen teilzunehmen", so kann unerörtert bleiben, ob eine derartige Einstellung mit der sich daraus ergebenden Motivation für seine Desertion als Ausdruck der politischen Gesinnung gewertet werden kann. Entscheidend ist nämlich nicht, ob der Beschwerdeführer diese Gesinnung hat, sondern nur, ob er aus diesem Grunde eine Verfolgung zu befürchten hätte, in welchem Falle erst eine solche asylrechtlich relevant sein könnte. Es besteht kein Anhaltspunkt dafür, daß der Beschwerdeführer zufolge dieser seiner Gesinnung im Vergleich zu anderen, sich in der gleichen Situation befindlichen Personen, die aber nicht eine derartige Gesinnung aufweisen, in einem der im schon mehrfach zitierten Erkenntnis eines verstärkten Senates genannten Belange in erheblicher, die Intensität einer Verfolgung erreichender Weise benachteiligt worden wäre bzw. diesbezüglich eine maßgebliche Schlechterstellung zu erwarten hätte.
Da sich somit die Beschwerde mangels Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers als unbegründet erweist, war sie schon aus diesem Grunde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen, weshalb eine Auseinandersetzung damit, ob die belangte Behörde zusätzlich vom Ausschließungsgrund der Verfolgungssicherheit gemäß § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 zu Recht Gebrauch gemacht hat, entbehrlich war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1995010070.X00Im RIS seit
20.11.2000