TE Vwgh Erkenntnis 1995/11/8 94/12/0290

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Veröffentlicht am 08.11.1995
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
64/03 Landeslehrer;

Norm

AVG §60;
LDG 1984 §45 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Germ und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Leitner, über die Beschwerde der Mag. I in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 31. August 1994, Zl. VIII/1-L-1029/2, betreffend Anrechnung von Wegzeiten gemäß § 45 LDG 1984, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die 1961 geborene Beschwerdeführerin steht als Landeslehrerin (Sonderschullehrerin) in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Niederösterreich. Ihre Dienststelle (Stammdienststelle) ist die Sonderschule X.

Im beschwerdegegenständlichen Schuljahr 1991/92 hatte sie überdies an einer Reihe weiterer Schulen Unterricht zu erteilen und Dienst zu verrichten (Volksschulen A, B, C, Hauptschule D). Der Aktenlage zufolge ergaben sich zwischen der Beschwerdeführerin und dem Landesschulrat Auffassungsunterschiede bezüglich des Ausmaßes der Einrechnung von Wegzeiten in die Lehrverpflichtung gemäß § 45 LDG 1984, sodaß die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 25. November 1991 (beim Landesschulrat eingelangt am 4. Dezember 1991) die diesbezügliche bescheidmäßige Feststellung beantragte.

Mit der an die belangte Behörde gerichteten Eingabe (Devolutionsantrag) vom 11. November 1992, die am 13. November 1992 zur Post gegeben wurde und bei der belangten Behörde am 17. November 1992 einlangte, brachte die Beschwerdeführerin vor, daß sie trotz mehrfacher Urgenzen beim Landesschulrat "keine bescheidmäßige Fertigung meiner Wegzeiten erhalten habe", sodaß sie gemäß § 73 Abs. 2 AVG den Antrag stelle, "die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde zu übertragen". In einem Aktenvermerk vom 17. November 1992 hielt die belangte Behörde fest, der Sachbearbeiter beim Landesschulrat teile fernmündlich mit, daß der diesbezügliche Bescheid am 9. November unterfertigt worden sei; es sei daher "nichts weiter zu veranlassen".

Mit Bescheid des Landesschulrates für Niederösterreich vom 9. November 1992 - der Beschwerdeführerin nach einer im Akt befindlichen Übernahmsbestätigung am 23. November 1992 ausgefolgt - wurde festgestellt, daß im Schuljahr 1991/92 gemäß § 45 LDG 1984 eine Wochenstunde Wegzeit auf die Lehrverpflichtung der Beschwerdeführerin anrechenbar gewesen sei. Begründend wurde ausgeführt, daß die Behörde aufgrund des Personalstundenplanes der Beschwerdeführerin die Wegzeiten überprüft und folgendes festgestellt habe: Die Stammschule der Beschwerdeführerin sei die Allgemeine Sonderschule X; ihr Wohnsitz sei W. "Der Hin- und Rückweg zwischen Wohnsitz und Stammschule muß täglich um eine Stunde überschritten werden, um zu anrechenbaren Wegzeiten zu gelangen". Die durchschnittliche Dauer des Hin- und Rückweges zwischen dem Wohnsitz der Beschwerdeführerin und ihrer Stammschule sei mit (täglich) 80 Minuten anzunehmen, folglich seien von "der täglichen Summe der Fahrtzeiten laut Personalstundenplan 140 Minuten abzuziehen" (gemeint: 80 Minuten für Hin- und Rückfahrt plus eine Stunde). Dies ergebe für die einzelnen Tage: (es folgt eine tabellarische Aufstellung nach Wochentagen und bei jedem Tag eine Auflistung der von der Behörde angenommenen Dauer der einzelnen Wegzeiten; von der täglichen Summe dieser Wegzeiten wurden jeweils die 140 Minuten abgezogen, sodaß sich für Montag eine Differenz von 15 Minuten, für Dienstag eine solche von null Minuten, für Mittwoch eine von 30 Minuten, für Donnerstag eine von 15 Minuten und für Freitag eine solche von 20 Minuten ergab). Addiere man die täglich ermittelten anrechenbaren Wegzeiten, ergebe sich die Summe von 80 Minuten; das ergebe unter Berücksichtigung der Bestimmung des § 47 LDG 1984 eine anrechenbare Wegzeit von einer Wochenstunde. "Dabei wurde die Lage Ihrer Wohnung ebenso berücksichtigt wie die Verkehrssituation und die Vorbereitungszeit an der jeweiligen Schule".

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung, in welcher sie mit näheren Ausführungen den Standpunkt vertrat, daß sich die Dauer der anrechenbaren Wegzeiten nicht bloß auf 80 Minuten wöchentlich, sondern vielmehr auf 170 Minuten wöchentlich beliefe, weshalb entgegen der Annahme der erstinstanzlichen Behörde nicht eine Stunde wöchentlich, sondern drei Stunden wöchentlich in die Lehrverpflichtung einzurechnen seien.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der Berufung keine Folge gegeben und den erstinstanzlichen Bescheid bestätigt. Begründend wurde nach Darstellung des Verfahrensganges und der Rechtslage (§§ 45 Abs. 1 und 47 LDG 1984) ausgeführt, daß die Wegzeit von 40 Minuten zwischen dem Wohnsitz der Beschwerdeführerin und ihrer Stammschule unstrittig sei. Festzustellen sei, daß die Behörde erster Instanz die Wegzeiten zwischen den einzelnen Schulen großzügig bemessen habe. Zum Teil überträfen die angenommenen Zeiten die tatsächlichen Wegzeiten "massiv". Vergleiche man den Personalstundenplan der Beschwerdeführerin für das Schuljahr 1991/92, sei festzustellen, daß die Wegzeiten überwiegend den zeitlichen Abständen zwischen Ende einer Unterrichtsstunde an der einen Schule und Beginn der Unterrichtsstunde an einer anderen Schule entsprechend angenommen worden seien (wird näher ausgeführt). Die belangte Behörde habe daher für die Berechnung der Wegzeiten auch unter Zugrundelegung der Entfernungen zwischen den einzelnen Schulen in Kilometern die Fahrtzeiten wie folgt neu festgestellt: (Es folgt eine tabellarische Aufstellung ähnlich der Aufstellung im erstinstanzlichen Bescheid. Nach Abzug von 140 Minuten täglich ergäben sich tägliche Differenzen zugunsten der Beschwerdeführerin von je 10 Minuten Montag und Dienstag, von je 15 Minuten Mittwoch und Donnerstag, sowie 30 Minuten am Freitag). Die Summe der täglich ermittelten anrechenbaren Wegzeiten belaufe sich somit auf 80 Minuten. Unter Berücksichtung der Bestimmung des § 47 LDG ergebe sich eine anrechenbare Wegzeit von einer Wochenstunde. "Bei der obigen Berechnung der Wegzeiten wurden die Frühverkehrsspitzen berücksichtigt, ebenso die Verkehrsspitze am Freitag Mittag (einsetzender Wochenendverkehr). Die nunmehr festgestellten Wegzeiten nehmen sowohl auf die Lage Ihrer Wohnung als auch auf die Verkehrssituation Rücksicht". Die Vorbereitungszeit an der jeweiligen Schule könne nicht berücksichtigt werden. Unter dem Begriff "Wegzeit" (im Original unter Anführungszeichen) fielen nur jene Zeiträume (Geh-, Warte- und Fahrzeit), in welchen der Landeslehrer unterwegs sei. Unter dem Begriff "Wartezeit" (im Original unter Anführungszeichen) falle jedoch nicht der Zeitraum, der zwischen der Ankunft in der Schule und dem Beginn des Unterrichts bzw. der Aufsichtspflicht liege (Hinweis auf Kövesi-Morawek-Plattner, ABS-Handbuch, Hauptabschnitt XV, Fußnote 6 zu § 45 LDG 1984). Insgesamt ergebe sich durch die von der belangten Behörde durchgeführte Wegzeitenberechnung gegenüber jener des Landesschulrates im Ergebnis keine Änderung.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf Einrechnung von Wegzeiten in die Lehrverpflichtung im gesetzlichen Ausmaß des § 45 LDG 1984 durch unrichtige Anwendung dieser Norm, sowie der Vorschriften über die Sachverhaltsermittlung, das Parteiengehör und die Bescheidbegründung verletzt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

§ 45 Abs. 1 LDG 1984 bestimmt, daß, wenn ein Landeslehrer an mehreren Schulen zu unterrichten hat, ihm die nach den örtlichen Verhältnissen erforderliche Zeit (Geh-, Warte- und Fahrzeit) für die Zurücklegung des Hin-, Zwischen- und Rückweges zwischen seinem Wohnsitz und den einzelnen Schulen soweit auf die Erfüllung der Lehrverpflichtung angerechnet wird, als sie die jeweils an einem Tage erforderliche Zeit (Geh-, Warte- und Fahrzeit) für die Zurücklegung des Hin- und Rückweges zwischen seinem Wohnsitz und dem Sitz der Stammschule um mehr als eine Stunde überschreitet. Die Vorschriften über Reisegebühren werden dadurch nicht berührt.

Nach § 47 ist, wenn sich bei der Ermittlung des Ausmaßes der Lehrverpflichtung (unter anderem) nach § 45 zuletzt nicht volle Wochenstunden ergeben, ein Bruchteil bis einschließlich einer halben Wochenstunde auf die nächst niedrigere volle Wochenstunde abzurunden und ein Bruchteil von mehr als einer halben Wochenstunde auf die nächst höhere volle Wochenstunde aufzurunden.

Die Beschwerdeführerin macht geltend, daß die belangte Behörde bei der Ermittlung der jeweiligen Wegzeiten von den Wegzeiten, die die Behörde erster Instanz angenommen habe, abgegangen sei, und zwar teils zu ihren Gunsten (insofern sei sie freilich nicht beschwert), teils aber entgegen ihrem Vorbringen zu ihren Lasten, ohne diesbezüglich Parteiengehör gewährt zu haben und ohne die Überlegungen im angefochtenen Bescheid näher darzulegen. Wäre ihr diesbezüglich Parteiengehör gewährt worden, hätte sie dargelegt, daß die von ihr (Beschwerdeführerin) angenommenen strittigen Wegzeiten zutreffend seien (wird näher ausgeführt). Der Beurteilung der belangten Behörde, daß "Vorbereitungszeiten" nicht zu berücksichtigen seien und unter "Wartezeit" im Sinne des § 45 Abs. 1 LDG 1984 nicht die Zeit zwischen Eintreffen an einer Schule und Beginn des Unterrichtes falle, sei nicht zu widersprechen. Es sei jedoch zu betonen, daß "Wartezeit" zweifellos auch die Zeit umfasse, die "am Beginn nach Verlassen einer Schule zwecks Aufsuchens der anderen bis zur Aufnahme der Fahrt mit einem öffentlichen Verkehrsmittel" anfalle. Dies sei deshalb hervorzuheben, weil die belangte Behörde "speziell unter Berücksichtigung (auch) dieser Zeitspanne" die strittigen Wegzeiten unrealistisch (nach dem Zusammenhang zu ergänzen: zu kurz) angenommen habe. Soweit die belangte Behörde dies bei Entscheidungsfindung nicht richtig in Rechnung gestellt haben sollte, liege auch eine inhaltliche Rechtswidrigkeit vor.

Mit diesem Vorbringen ist die Beschwerdeführerin jedenfalls im Ergebnis im Recht. Im Beschwerdeverfahren sind fünf Positionen strittig, wobei die strittige Wegzeitdifferenz diesbezüglich insgesamt 45 Minuten beträgt (4x10 Minuten, 1x5 Minuten). Damit würden sich die wöchentlich anrechenbaren Wegzeiten, folgte man der Darstellung der Beschwerdeführerin, nicht auf 80 Minuten wie von der belangten Behörde angenommen, sondern auf insgesamt 125 Minuten erhöhen. Zutreffend bringt die Beschwerdeführerin vor, daß der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht nachvollziehbar entnommen werden kann, weshalb die Beurteilung der belangten Behörde insofern zutreffend, jene der Beschwerdeführerin hingegen unzutreffend sein soll. Der allgemein gehaltene Hinweis der belangten Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides, bei der Ermittlung der strittigen Wegzeiten seien auch die Entfernungen zwischen den einzelnen Schulen, sowie die Frühverkehrsspitzen, die Lage der Wohnung der Beschwerdeführerin und auch die Verkehrssituation berücksichtigt worden, ist nicht als ausreichende, nachvollziehbare Begründung im Sinne des § 60 AVG anzusehen. Diese Begründungslücke ist wesentlich, weil der Verwaltungsgerichtshof hiedurch an der Nachprüfung des angefochtenen Bescheides auf seine inhaltliche Gesetzmäßigkeit gehindert ist. Die ausführlichen Darlegungen der belangten Behörde in der Gegenschrift vermögen daran nichts zu ändern, weil sie das Fehlen einer ausreichenden Begründung im angefochtenen Bescheid nicht zu ersetzen vermögen (siehe dazu beispielsweise die in Dolp, die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Seiten 600f bzw. Seite 607 wiedergegebene hg. Judikatur). Der angefochtene Bescheid war daher schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben, ohne daß auf das weitere Vorbringen der Beschwerdeführerin einzugehen gewesen wäre. Die belangte Behörde wird aber im fortgesetzten Verfahren in ihre Erwägungen auch die rechtlichen Auswirkungen des Devolutionsantrages vom 11. November 1992 einzubeziehen haben - ein Umstand, der bislang nicht releviert wurde und unerörtert blieb -, weil die Aktenlage darauf hindeutet, daß der Devolutionsantrag bei der belangten Behörde zu einem Zeitpunkt einlangte, zu welchem der erstinstanzliche Bescheid wenngleich unterfertigt, so doch noch nicht erlassen war (siehe dazu beispielsweise die in Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4 in E 33b zu § 73 Abs. 1 bzw. E 79 ff wiedergegebene Judikatur).

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr.416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1994120290.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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