Entscheidungsdatum
19.12.2022Index
16/02 RundfunkNorm
RGG 1999 §2 Abs5Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien erkennt durch seinen Richter MMag. Dr. Gratzl über die Beschwerde des A. B., …, C., vom 11.9.2022 gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den ... Bezirk, vom 29.8.2022, Zl. ..., betreffend eine Übertretung des § 7 Abs. 1 erster Satz dritter Fall iVm § 2 Abs. 5 und § 4 Abs. 1 Rundfunkgebührengesetz – RGG, BGBl. I Nr. 159/1999, idF BGBl. I Nr. 98/2001, Nr. 71/2003 bzw. Nr. 70/2016
zu Recht:
I. Gemäß § 50 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben, wird das angefochtene Straferkenntnis behoben und wird das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG eingestellt.
II. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat der Beschwerdeführer keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.
III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Mit o.a. Straferkenntnis wurde dem Beschwerdeführer wie folgt zur Last gelegt:
„Sie haben Ihren Wohnsitz in D., E.-straße, wobei für diese Wohnung keine rundfunkgebührenrechtliche Meldung vorliegt und haben trotz Aufforderung des mit der Einbringung der Gebühren beauftragten Rechtsträgers, nämlich der GIS Gebühren Info Service GmbH (als beliehene Gesellschaft) mit dem Sitz in 1040 Wien, vom 07.10.2019, Ihnen zugestellt am 14.10.2019, und der entsprechenden Mahnung der GIS Gebühren Info Service GmbH vom 17.02.2020, Ihnen zugestellt am 24.02.2020, bis dato die Mitteilung verweigert, welche Rundfunkempfangseinrichtungen an Ihrem Standort betrieben werden, obwohl Sie diese Auskunft binnen 14 Tagen nach Zustellung der Mahnung (sohin bis zum 09.03.2020) erteilen hätten müssen.“
(Unkorrigiertes Originalzitat)
Hiedurch habe der Beschwerdeführer § 7 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 5 und § 4 Abs. 1 RGG verletzt und wurde hiefür über ihn eine Geldstrafe iHv EUR 100,– bzw. für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe im Ausmaß von zwei Stunden verhängt.
Hiegegen brachte der Beschwerdeführer fristgerecht ein als Beschwerde zu wertendes E-Mail bei der belangten Behörde ein.
Die belangte Behörde nahm von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung Abstand und legte den bezughabenden Verwaltungsakt dem erkennenden Gericht vor.
Nachdem der vorgelegten Beschwerde kein Begehren zu entnehmen war, wurde der Beschwerdeführer mit hg. Schreiben vom 27.9.2022 zur Behebung dieses Mangels aufgefordert und ist er dem fristgerecht und vollständig nachgekommen.
Das Verwaltungsgericht Wien stellt den folgenden Sachverhalt fest:
Der Beschwerdeführer war von März 2017 bis 30.6.2020 in D., E.-straße, wohnhaft. Vor Ort gab es für diese aus mehreren Wohneinheiten bestehende Unterkunft einen Gemeinschaftsbriefkasten, welcher von allen Hausparteien benutzt wurde.
Mit schriftlichem Auskunftsbegehren der GIS Gebühren Info Service GmbH vom 7.10.2019 wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, binnen 14 Tagen bekannt zu geben, ob an seiner Wohnadresse Rundfunkempfangseinrichtungen betrieben werden. Dieses Schreiben wurde nach einem erfolglosen Zustellversuch an jener Wohnadresse am 11.10.2019 postamtlich hinterlegt, wobei eine Hinterlegungsanzeige in der Abgabeeinrichtung an der Wohnadresse des Beschwerdeführers hinterlassen wurde, und wurde ab dem 14.10.2019 zur Abholung bereitgehalten. Das Schreiben wurde in weiterer Folge als „nicht behoben“ an den Absender retourniert.
Mit schriftlicher Mahnung der GIS Gebühren Info Service GmbH vom 17.2.2020 wurde o.a. Auskunftsbegehren wiederholt. Dieses Schreiben wurde nach einem erfolglosen Zustellversuch an der Wohnadresse des Beschwerdeführers am 21.2.2020 postamtlich hinterlegt, wobei eine Hinterlegungsanzeige in der Abgabeeinrichtung an jener Wohnadresse hinterlassen wurde, und wurde ab dem 24.2.2020 zur Abholung bereitgehalten. Jedoch wurde auch dieses Schreiben in weiterer Folge als „nicht behoben“ an den Absender retourniert.
Diese Feststellungen gründen sich auf folgender Beweiswürdigung:
Seine Wohnsitznahme an der o.a. Adresse in o.a. Zeitraum hat der Beschwerdeführer aus hg. Sicht glaubhaft dargelegt (vgl. sein E-Mail vom 30.10.2022, ON 6 des hg. Aktes) und wird das Datum seines Auszuges aus jener Unterkunft durch eine Erhebung des Magistrats der Stadt D. bestätigt (vgl. AS 38 des vorgelegten Verwaltungsaktes). Dass an dieser Adresse bloß ein Gemeinschaftsbriefkasten vorhanden war, wurde vom Beschwerdeführer mehrfach vorgebracht (vgl. Einspruch vom 13.8.2022, AS 46 des vorgelegten Verwaltungsaktes; Beschwerde vom 11.9.2022, aaO, AS 65; Stellungnahme vom 21.11.2022, ON 8 des hg. Aktes) und erscheint dieses Vorbringen aus hg. Sicht ebenfalls glaubhaft.
Das o.a. Auskunftsbegehren und die o.a. Mahnung liegen dem vorgelegten Verwaltungsakt samt den zugehörigen Zustellnachweisen jeweils in Kopie ein (vgl. aaO, AS 6 ff.). Diesen Zustellnachweisen ist insbesondere zu entnehmen, dass eine Verständigung über die Hinterlegung der Postsendungen jeweils „in die Abgabeeinrichtung eingelegt“ wurde (vgl. aaO, AS 8 und 14). Ein ordnungsgemäßer Zustellnachweis macht als öffentliche Urkunde Beweis über die erfolgte Zustellung (vgl. zB VwGH 30.3.2017, Fr 2015/07/0001, mwN).
Der entscheidungserhebliche Sachverhalt steht damit fest.
Das Verwaltungsgericht Wien hat in rechtlicher Hinsicht erwogen:
Liegt für eine Wohnung oder sonstige Räumlichkeit keine Meldung einer Rundfunkempfangseinrichtung vor, so haben nach § 2 Abs. 5 RGG jene, die dort ihren Wohnsitz haben oder die Räumlichkeit zu anderen als Wohnzwecken nutzen, dem mit der Einbringung der Gebühren beauftragten Rechtsträger – dies ist die GIS Gebühren Info Service GmbH (vgl. § 4 Abs. 1 RGG) – auf dessen Anfrage mitzuteilen, ob sie Rundfunkempfangseinrichtungen an diesem Standort betreiben und zutreffendenfalls alle für die Gebührenbemessung nötigen Angaben zu machen.
Gemäß § 7 Abs. 1 erster Satz dritter Fall RGG begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu EUR 2.180,-- zu bestrafen, wer eine Mitteilung gemäß § 2 Abs. 5 leg. cit. trotz Mahnung verweigert.
Die Verpflichtung zur Auskunftserteilung gegenüber der GIS Gebühren Info Service GmbH setzt allerdings die rechtswirksame Zustellung von Mitteilung und Mahnung an den Adressaten voraus.
Kann – wie im vorliegenden Fall – ein Dokument an der Abgabestelle nicht zugestellt werden und hat der Zusteller Grund zur Annahme, dass sich der Empfänger oder ein Vertreter regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, so ist das Dokument gemäß § 17 Abs. 1 ZustellG im Falle der Zustellung durch den Zustelldienst (z.B. Österreichische Post AG) bei seiner zuständigen Geschäftsstelle zu hinterlegen.
Gemäß § 17 Abs. 2 ZustellG ist der Empfänger von der Hinterlegung schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (Briefkasten, Hausbrieffach oder Briefeinwurf) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen.
Nach dieser Bestimmung hat der Zusteller die Wahl, ob er die Hinterlegungsanzeige an der Abgabestelle in einen Briefkasten, einen Briefeinwurfschlitz in der Wohnungstür oder ein Hausbrieffach einlegt. Es muss jedoch die objektive Gewähr gegeben sein, dass die Verständigung den Empfänger erreichen kann. Von einem für die Abgabestelle bestimmten Briefkasten im Sinne dieser Bestimmung kann nur dann gesprochen werden, wenn dieser Briefkasten nur einer Abgabestelle, und zwar der des Empfängers dient. Dies trifft daher auf einen Briefkasten für mehrere Abgabestellen nicht zu. Anderenfalls wäre nicht die die Zustellfiktion rechtfertigende Gewähr gegeben, ein durchschnittlich sorgfältiger Empfänger könne nach der Rückkehr an die Abgabestelle in den Besitz der Verständigung bzw. der Hinterlegungsanzeige kommen. In einem solchen Fall ist, sofern auch die Zurücklassung an der Abgabestelle nicht möglich ist, die Verständigung an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen (vgl. hiezu zB VwGH 28.10.2003, 2003/11/0161, mwN).
Die ordnungsgemäße schriftliche Verständigung über die Hinterlegung eines Dokuments ist unabdingbare Voraussetzung der Zustellung durch Hinterlegung. Unterbleibt sie völlig, ist sie fehlerhaft oder entspricht die Form der Zurücklassung der Hinterlegungsanzeige nicht dem Gesetz, bleibt die Hinterlegung ohne Wirkung (vgl. Wessely in Frauenberger-Pfeiler et al, Kommentar zum Zustellrecht2, 2011, § 17 ZustG, Rn. 6 mwN). Insbesondere wird diesfalls die Rechtswirkung des § 17 Abs. 3 ZustellG („Zustellfiktion“) nicht ausgelöst.
Wie oben festgestellt, war in jener Unterkunft, die der Beschwerdeführer in den Zeitpunkten bewohnte, in welchen das Auskunftsbegehren und die Mahnung der GIS Gebühren Info Service GmbH zur Zustellung an ihn gebracht werden sollten, ein Gemeinschaftsbriefkasten für mehrere Empfänger vorhanden. Ebenso steht fest, dass die beiden Hinterlegungsanzeigen jeweils in diese Abgabeeinrichtung eingelegt wurden.
Im Lichte der o.a. Judikatur ist eine solche Zurücklassung der Hinterlegungsanzeige jedoch nicht gesetzeskonform, da diesfalls eine Gewähr dafür, dass der Beschwerdeführer in den Besitz der Hinterlegungsanzeige kommt, nicht gegeben ist. Vor diesem Hintergrund vermochte die Hinterlegung der beiden Postsendungen der GIS Gebühren Info Service GmbH keine Rechtswirkungen gegenüber dem Beschwerdeführer zu entfalten. Sie wurden ihm gegenüber demnach nicht im Sinne des ZustellG (durch Hinterlegung) zugestellt.
Für die Annahme, dass es zu einer Heilung dieses Zustellmangels gemäß § 7 ZustellG gekommen ist, gibt es keinerlei Anhaltspunkte.
Mangels wirksamer Zustellung von Auskunftsbegehren und Mahnung an den Beschwerdeführer war jener zur Auskunftserteilung gegenüber der GIS Gebühren Info Service GmbH nicht verpflichtet. Seine Bestrafung wegen einer Verweigerung dieser Auskunft erfolgte demnach zu Unrecht, sodass spruchgemäß zu entscheiden war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die zitierte Gesetzesstelle.
Gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG konnte eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht entfallen, da bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass das mit Beschwerde angefochtene Straferkenntnis aufzuheben war. Zudem war die Durchführung einer Verhandlung von keiner Verfahrenspartei beantragt worden.
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche, über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung der hier zu lösenden Rechtsfrage vor, zumal auch die Gesetzeslage eindeutig ist (vgl. etwa VwGH 28.5.2014, Ro 2014/07/0053; 3.7.2015, Ra 2015/03/0041). Zur Überprüfung der Beweiswürdigung ist der Verwaltungsgerichtshof im Allgemeinen nicht berufen (vgl. hiezu bspw. VwGH 24.3.2014, Ro 2014/01/0011; 28.4.2015, Ra 2014/19/0177).
Schlagworte
Rundfunkempfangseinrichtung; Mitteilung; Mahnung; Auskunftsbegehren; rechtwirksame Zustellung; Hinterlegung; Verständigung; GemeinschaftsbriefkastenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2022:VGW.001.016.11366.2022Zuletzt aktualisiert am
21.03.2023