TE Vwgh Erkenntnis 1995/11/8 93/03/0149

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.11.1995
beobachten
merken

Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
AVG §52;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 93/03/0150

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Sauberer, Dr. Gruber, Dr. Gall und Dr. Zorn als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gruber, über die Beschwerden des Vereines "H-Flug" in X, vertr durch den Obmann L, ebendort, dieser vertr durch Dr. G, RA in X, gegen die Bescheide des BM für öffentliche Wirtschaft und Verkehr vom 4. Mai 1993, 1.) Pr.Zl. 42.121/10-8/93 (hg. Zl. 93/03/0149) und 2.) Pr.Zl. 42.121/9-8/93 (hg. Zl. 93/03/0150), betreffend Beförderungsbewilligungen nach dem Luftfahrtgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 25.840,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem erstangefochtenen Bescheid vom 4. Mai 1993 bewilligte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer auf Grund des Antrages vom 15. November 1991 gemäß § 107 des Luftfahrtgesetzes, BGBl. Nr. 253/1957 i.d.g.F., die gewerbsmäßige Beförderung von Personen und Sachen im Bedarfsverkehr (Bedarfsunternehmen) mit einem Motorflugzeug der Gewichtsklasse "C" mit dem Standort Flughafen X nach Maßgabe näher bezeichneter Bestimmungen unter Festlegung von im Detail angeführten Auflagen. Mit dem zweitangefochtenen Bescheid vom 4. Mai 1993 bewilligte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer auf Grund des Antrages vom 15. November 1991 gemäß § 107 des Luftfahrtgesetzes, BGBl. Nr. 253/1957 i.d.g.F., die gewerbsmäßige Beförderung von Personen und Sachen im Bedarfsverkehr (Bedarfsunternehmen) mit einem Motorflugzeug der Gewichtsklasse "A" mit dem Standort Flughafen X nach Maßgabe näher angeführter Bestimmungen und unter Festlegung von näher beschriebenen Auflagen. In der Begründung der angefochtenen Bescheide führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, daß über den Antrag des Beschwerdeführers vom 15. November 1991 ein Anhörungsverfahren durchgeführt und die eingelangten Stellungnahmen berücksichtigt worden seien; soweit den Einwänden nicht nachgekommen und Bedingungen und Auflagen festgelegt worden seien, sei dies im Interesse der Verkehrssicherheit und unter Bedachtnahme auf die Verkehrsaufgaben des Unternehmens erforderlich gewesen. Die von der für technische und flugbetriebliche Angelegenheiten zuständigen Fachabteilung der Bewilligungsbehörde unter der Prämisse der größtmöglichen Gewährleistung der Verkehrssicherheit ausgearbeiteten und daher für einen Beförderungsbewilligungsbescheid erforderlich angesehenen Auflagen seien basierend auf der Bestimmung "des § 107 Abs. ... lit. d Luftfahrtgesetz" in die gegenständlichen Bescheide aufgenommen worden. Das durchgeführte Ermittlungsverfahren habe ergeben, daß die gesetzlichen Erfordernisse für die Erteilung der beantragten Beförderungsbewilligung, wie insbesondere die finanzielle Leistungsfähigkeit und die entsprechenden technischen und betrieblichen Voraussetzungen gegeben seien.

Die belangte Behörde führte ferner in beiden Bescheiden aus:

"Die im Bescheid angeführten Auflagen sind im Interesse der Verkehrssicherheit, des Umweltschutzes bzw. unter Bedachtnahme auf die Verkehrsaufgaben des Unternehmens erforderlich."

In seinen gegen diese Bescheide gerichteten Beschwerden macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung der angefochtenen Bescheide.

Die belangte Behörde legte den Verwaltungsakt vor und beantragte in einer gemeinsamen Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die beiden Beschwerden wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlußfassung verbunden und darüber erwogen:

Gemäß § 106 des Luftfahrtgesetzes in der zum Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Bescheide geltenden Fassung (LFG) ist die Beförderungsbewilligung u.a. unter der Voraussetzung zu erteilen, daß die Sicherheit des Betriebes gewährleistet ist und die finanzielle Leistungsfähigkeit des Unternehmens glaubhaft gemacht wurde (Abs. 1 lit. b) und ein Bedarf vorhanden ist und der geplante Betrieb eine zweckmäßige und wirtschaftliche Befriedigung des Bedarfes gewährleistet (Abs. 1 lit. c). Gemäß § 107 leg. cit. ist die Beförderungsbewilligung im Rahmen des Antrages zu erteilen, wenn die in § 106 bezeichneten Voraussetzungen gegeben sind (Abs. 1). Im Bescheid über die Beförderungsbewilligung sind u.a. zu bestimmen die Bedingungen und Auflagen, soweit sie im Interesse der Verkehrssicherheit und unter Bedachtnahme auf die Verkehrsaufgaben des Unternehmens erforderlich sind (Abs. 2 lit. d).

Den angefochtenen Bescheiden liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Der Beschwerdeführer stellte am 15. November 1991 den Antrag auf Erteilung einer Bewilligung für die gewerbsmäßige Beförderung von Personen und Fracht mit je einem Luftfahrzeug der Klasse "A" oder "B" und der Klasse "C". Mit Schreiben der belangten Behörde vom 1. September 1992 wurden dem Beschwerdeführer, der zwischenzeitig seine finanzielle Leistungsfähigkeit bescheinigt hatte, die für die Beförderungsbewilligungsbescheide für Motorflugzeuge der Gewichtsklassen "A" (Ausgabe 1. Juni 1989) und "C" (Ausgabe 25. November 1991) vorgesehenen Auflagen zur Kenntnisnahme übersandt. Da der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 1. Oktober 1992 gegen diverse Punkte dieser Auflagen Einwände erhob, wurde für 15. Oktober 1992 eine Besprechung bei der belangten Behörde anberaumt, an der u.a. der Obmann des Beschwerdeführers sowie der Amtssachverständige der belangten Behörde teilnahmen. Aufgrund der Ergebnisse dieser Besprechung wurden die Bescheidauflagen in einigen Punkten überarbeitet. Seitens des Amtssachverständigen wurde folgende Beurteilung abgegeben:

"Nach der am 15.10.1992 mit Herrn L abgehaltenen Besprechung wurden die alten Auflagen von Präs. 9 überarbeitet. Die neuen Auflagen der Gewichtsklasse A (Ausgabe 20.10.1992) und der Gewichtsklasse C (Ausgabe 19.10.1992) wären der Firma vorzuschreiben.

Nicht berücksichtigt ist dabei der Einwand von Herrn L betreffend der Wartungsdurchführung zwischen zwei Vermietungen durch den Piloten. Diese Frage wurde an Präs. 7 weitergeleitet.

Die im Stellenbesetzungsplan angegebenen Personen für die Funktion Flugtechnik (Technischer Leiter Herr L und Technischer Leiter-Stellvertreter Herr S) sind auf ihre Eignung noch zu prüfen. Die technische Erfahrung für Flächenflugzeuge kann derzeit nicht beurteilt werden.

Weiters gibt Präs. 9 zu bedenken, daß ein vermischter Einsatz von Piloten im Flächenflugbetrieb und im Hubschrauberflugbetrieb nicht zielführend (siehe Nagele) ist. Es wäre organisatorisch eine klare Trennung zwischen beiden Firmen vorzusehen."

Die in diesem Schreiben vom 26. November 1992 erwähnten Auflagen wurden dem Beschwerdeführer mit Schreiben der belangten Behörde vom 8. Februar 1993 zur Wahrung des Parteiengehörs zur Stellungnahme übermittelt. Mit Schreiben des Beschwerdeführers vom 15. Februar 1993 wurden durch ihn auch bezüglich der überarbeiteten Auflagen Einwände erhoben und es würde daher neuerlich eine Besprechung für 15. März 1993 bei der belangten Behörde anberaumt. Hiebei wurde in Ansehung diverser Auflagenpunkte eine Einigung insofern erzielt, als die belangte Behörde den Einwänden des Beschwerdeführers - teilweise - nachkam. Hiebei wurden die Bescheidauflagen neu überarbeitet ("Ausgabe 15.3.1993"). Auf eine weitere Anfrage der belangten Behörde teilte deren Amtssachverständige im Schreiben vom 30. April 1993 folgendes mit:

"Die Abteilung Präs. 9 teilt zu o.a. Anfrage mit, daß aus flugbetrieblicher und technischer Hinsicht zu den übermittelten Bescheidentwürfen Gew.Kl. "A" und "C" folgende Änderung vorgesehen ist:

Der Punkt F.2 der Bescheidauflagen Gew.Kl. "A" könnte entfallen. Somit wird dem Antragsteller in diesem Punkt stattgegeben (Flugerfahrung für PIC 200 Stunden statt 300 Stunden).

Die Begründung zu den anderen Punkten in den Bescheidauflagen, bezüglich dessen der Antragsteller Einwände erhoben hat und von denen aus flugbetrieblicher und technischer Sicht NICHT abgegangen werden kann, ist aus Sicht der Abteilung Präs. 9 zutreffend."

Daraufhin erließ die belangte Behörde die angefochtenen Bescheide vom 4. Mai 1993 mit den darin im einzelnen genannten Auflagen, die sie - wie eingangs zitiert - im Interesse der Verkehrssicherheit, des Umweltschutzes bzw. unter Bedachtnahme auf die Verkehrsaufgaben des Unternehmens für erforderlich erachtete.

Mit Recht wendet sich der Beschwerdeführer dagegen, daß die verbleibenden Auflagen - soweit darüber nicht im Verwaltungsverfahren Einigung erzielt wurde - von der belangten Behörde nicht hinreichend begründet wurden. Die belangte Behörde berief sich in der Begründung der angefochtenen Bescheide auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. Juli 1975, Zl. 1518/73-28, mit dem dieser - nachdem die belangte Behörde mit der Bescheiderlassung in einer Angelegenheit einer Luftbeförderungsbewilligung säumig geworden war - gemäß § 107 LFG eine Bewilligung für die gewerbsmäßige Beförderung von Personen und Sachen im Bedarfsverkehr erteilt hatte und zur Begründung von in das Erkenntnis aufgenommenen Auflagen ausgeführt hatte, daß die im Spruch des Bescheides vorgesehenen Auflagen durch ein Sachverständigengutachten gedeckt seien. Die vom Verwaltungsgerichtshof der Bewilligung beigelegten Auflagen seien "durchwegs im Interesse der Verkehrssicherheit unter Bedachtnahme auf die Verkehrsaufgaben des Unternehmens beigesetzt".

Die belangte Behörde führte weiters aus, der Verwaltungsgerichtshof, welcher zur Beurteilung der betrieblich-technischen Voraussetzungen für die Erteilung der beantragten Beförderungsbewilligung einen Sachverständigen bestellt hatte, habe die von dem Sachverständigen ausgearbeiteten Auflagen aufgrund dessen Gutachtens in den Spruch des Bescheides aufgenommen. Der Verwaltungsgerichtshof habe diese Auflagen durch das Gutachten als gedeckt angesehen. Analog sei im gegenständlichen Ermittlungsverfahren vorgegangen worden. Die von der für technische und flugbetriebliche Angelegenheiten zuständigen Fachabteilung der Bewilligungsbehörde unter der Prämisse der größtmöglichen Gewährleistung der Verkehrssicherheit ausgearbeiteten und für einen Beförderungsbewilligungsbescheid erforderlich angesehenen Auflagen seien daher basierend auf der Bestimmung des § 107 Abs.(ergänze: 2) lit. d LFG in den Bescheid aufgenommen worden.

Diese Ausführungen vermögen jedoch eine detaillierte Auseinandersetzung mit den Einwänden des Beschwerdeführers und eine hinreichende Darstellung, aus welchen konkreten Gründen - basierend auf im einzelnen nachvollziehbarer Äußerungen des Sachverständigen - die belangte Behörde die auferlegten Bedingungen und Auflagen im Interesse der Verkehrssicherheit und (wie sie ausführte) des Umweltschutzes für erforderlich ansah, nicht zu ersetzen. Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zur Zl. 1518/73 der Antrag auf Bewilligung zur gewerbsmäßigen Beförderung von Personen und Sachen mit höchstens

5 Motorflugzeugen der Gewichtsklasse "F" war. Die belangte Behörde führte nicht aus, warum sie die von ihr übernommenen Auflagen als auf den gegenständlichen Antrag des Beschwerdeführers auf Bewilligung der gewerbsmäßigen Beförderung von Personen und Sachen im Bedarfsverkehr mit einem Motorflugzeug der Gewichtsklasse "C" und einem Motorflugzeug der Gewichtsklasse "A" vergleichbar hielt. Ferner ist zu berücksichtigen, daß der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 4. Juli 1975, Zl. 1518/73, u.a. ausführte, daß die im Spruch des Bescheides vorgesehenen Auflagen durch ein Sachverständigengutachten gedeckt seien, das im übrigen in dieser Hinsicht vom (damaligen) Beschwerdeführer nicht in Zweifel gezogen, sondern ausdrücklich als den international üblichen Gebräuchen entsprechend anerkannt worden sei. Von einem "Anerkenntnis" durch den Beschwerdeführer auch im vorliegenden Fall kann im Hinblick auf seine Einwände nicht die Rede sein.

Wenn die belangte Behörde als tragende Begründung der angefochtenen Bescheide auf das Gutachten des Amtssachverständigen verwies, vermag dies die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide nicht zu begründen. Dessen aus dem Akteninhalt erkennbaren Äußerungen weisen inhaltlich nur die conclusio auf, warum trotz der Einwände des Antragstellers "aus flugbetrieblicher und technischer Sicht nicht abgegangen werden könne", sie lassen jedoch nicht erkennen, welchen konkreten Befund der Amtssachverständige erhoben hat und aus welchen konkreten Gründen er trotz der Einwände des Beschwerdeführers zu seiner Schlußfolgerung gelangte (vgl. u.a. das

hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 1994, Zl. 92/03/0157, mit weiteren Hinweisen). Da somit das Gutachten noch nicht schlüssig nachvollziehbar war, hätte die belangte Behörde die Verpflichtung gehabt, den Amtssachverständigen zu einer diesbezüglichen Ergänzung anzuhalten, um die erforderlichen Grundlagen für eine Beurteilung im Sinne des § 106 Abs. 1 lit. b und c LFG zu erhalten. Die Anführung der Auflagen im Spruch und die undifferenzierte Bezugnahme auf das Gutachten des Amtssachverständigen ersetzen nicht die erforderlichen konkreten Tatsachenfeststellungen, um die angefochtenen Bescheide überprüfbar zu machen.

Da somit der Sachverhalt einer Ergänzung bedarf und Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu anderen Bescheiden hätte kommen können, waren die angefochtenen Bescheide gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben, ohne daß noch auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens bezieht sich auf die bereits im Pauschalbetrag für Schriftsatzaufwand enthaltene Umsatzsteuer (hg. Zl. 93/03/0149) sowie auf überhöht verzeichneten Stempelgebührenaufwand (hg. Zl. 93/03/0150).

Schlagworte

Anforderung an ein Gutachten Beweismittel Sachverständigenbeweis Gutachten Beweiswürdigung der Behörde Gutachten rechtliche Beurteilung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1995:1993030149.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten