Index
40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
AVG §56Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen sowie den Hofrat Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sasshofer, über die Revision der W GmbH in W, vertreten durch die Völkl Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Neutorgasse 12/9, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. September 2021, W228 2246672-1/2E, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde in einer Angelegenheit betreffend Kurzarbeitsbeihilfe gemäß § 37b AMSG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die revisionswerbende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Die revisionswerbende Partei beantragte im Mai 2021 die Gewährung einer Kurzarbeitsbeihilfe gemäß § 37b AMSG.
2 Mit Schreiben vom 8. Juli 2021 teilte ihr die Landesgeschäftsstelle Wien des Arbeitsmarktservice (im Folgenden: AMS) mit, dass das Begehren nicht bewilligt werden könne, weil die zuständige Fachgewerkschaft den Antrag abgelehnt habe.
3 Gegen diese - nicht als Bescheid bezeichnete und auch sonst keine formalen Bescheidmerkmale aufweisende - Erledigung erhob die revisionswerbende Partei Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 iVm Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG an das Bundesverwaltungsgericht. In der Beschwerde wurde ausgeführt, dass die Gewährung von Subventionen zwar in der Regel in den Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung falle, es aber „nicht gänzlich auszuschließen“ sei, dass die Gewährung bzw. Nichtgewährung der Kurzarbeitsbeihilfe mit Bescheid erfolge. Sofern das Schreiben des AMS vom 8. Juli 2021 als Bescheid qualifiziert werde, fehle es ihm allerdings an den zwingenden Formvoraussetzungen und (sonstigen) zwingenden Bestandteilen eines Bescheides. Das AMS habe insbesondere gegen seine Begründungspflicht verstoßen. Im Ergebnis handle es sich bei der Erledigung vom 8. Juli 2021 um ein formloses Schreiben, dem keine Bescheidqualität innewohne. In der weiteren Beschwerdebegründung wurden dann dennoch zahlreiche materiellrechtliche und verfahrensrechtliche Mängel dieser Erledigung geltend gemacht. Abschließend wurde beantragt, dem Begehren auf Gewährung einer Kurzarbeitsbeihilfe stattzugeben, in eventu den angefochtenen Bescheid „ersatzlos [zu] beheben und das Verfahren zur Ergänzung und neuerlichen Entscheidung an die Behörde I. Instanz zurück[zu]verweisen“.
4 Mit Bescheid vom 19. August 2021 wies das AMS die Beschwerde gemäß §§ 7 Abs. 1 und 14 Abs. 1 VwGVG zurück, weil es sich bei der Erledigung vom 8. Juli 2021 um ein formloses Schreiben handle, dem keine Bescheidqualität innewohne.
5 Die revisionswerbende Partei stellte - entsprechend der Rechtsmittelbelehrung - einen Vorlageantrag, weil dem Beschwerdeantrag nicht stattgegeben worden sei.
6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht „in der Beschwerdesache [...] gegen das Schreiben vom 08.07.2021 [...] in Zusammenhalt mit dem Bescheid des Arbeitsmarktservice Wien vom 19.08.2021“ die Beschwerde als unbegründet ab.
7 Es führte aus, dass es sich bei der Erledigung vom 8. Juli 2021 um keinen Bescheid handle, weil das Schreiben nicht als Bescheid bezeichnet sei, vom „Begehren um Gewährung einer Kurzarbeitsbeihilfe“ spreche und darauf verwiesen werde, dass kein Rechtsanspruch bestehe; die briefförmigen Einleitungs- und Schlussfloskeln wiesen ebenfalls auf die mangelnde Bescheidqualität hin. Das Schreiben sei auch nicht in Spruch, Begründung und Rechtsmittelbelehrung gegliedert. Soweit die Revisionswerberin die Überprüfung der Ablehnung des Förderungsbegehrens beabsichtige, sei sie auf den Zivilrechtsweg zu verweisen.
8 Die Beschwerde sei daher als unbegründet abzuweisen gewesen.
9 Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei. Dies wurde damit begründet, dass keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Einordnung von die Gewährung von Kurzarbeitsbeihilfe gemäß § 37b AMSG ablehnenden Mitteilungen als Form des hoheitlichen oder privatwirtschaftlichen Wirkens des AMS vorhanden sei.
10 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
11 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
12 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision in dieser Hinsicht ist der Verwaltungsgerichtshof nach § 34 Abs. 1a VwGG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Auch in der ordentlichen Revision hat der Revisionswerber von sich aus die unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung maßgeblichen Gründe der Zulässigkeit der Revision aufzuzeigen, sofern er der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichts für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht oder er andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet. Das gilt auch dann, wenn sich die Revision zwar auf die Gründe, aus denen das Verwaltungsgericht die (ordentliche) Revision für zulässig erklärt hatte, beruft, diese aber fallbezogen keine Rolle (mehr) spielen oder zur Begründung der Zulässigkeit der konkret erhobenen Revision nicht ausreichen (vgl. etwa VwGH 11.5.2017, Ro 2016/21/0022, Rn. 8, mwN).
13 Im vorliegenden Fall verweist die Revision auf die Zulässigkeitsbegründung des Bundesverwaltungsgerichts und führt ergänzend aus, dass der dort aufgezeigten Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung zukomme, weil ein angemessener Rechtsschutz gegen die Gewährung von Kurzarbeitsbeihilfe ablehnende Mitteilungen des AMS nur dann gewahrt sei, wenn diese Mitteilungen als Form hoheitlichen Wirkens des AMS qualifiziert würden und daher in Form eines Bescheides ergingen. Die Bedeutung dieser Qualifikation gehe weit über den Einzelfall hinaus, da ganz allgemein jenen Personen, denen die Gewährung von Kurzarbeitsbeihilfe durch Mitteilung des AMS versagt werde, eine Möglichkeit offenstehen müsse, die Entscheidung des AMS im Rechtsmittelweg überprüfen zu lassen. Welcher Rechtsmittelweg dies sei, hänge maßgeblich davon ab, ob die ablehnende Mitteilung als Form hoheitlichen oder privatwirtschaftlichen Wirkens des AMS zu behandeln sei.
14 Es lässt sich aber weder diesem Vorbringen noch der Zulässigkeitsbegründung des Bundesverwaltungsgerichts entnehmen, inwieweit die Entscheidung über die Revision von der als grundsätzlich erachteten Rechtsfrage abhängt. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Bescheidqualität der Erledigung vom 8. Juli 2021 nämlich schon auf Grund des Fehlens der Form- und Inhaltserfordernisse eines Bescheides verneint, ohne dass es darauf angekommen wäre, ob nach den anzuwendenden Rechtsvorschriften ein Bescheid im Rahmen der Hoheitsverwaltung zu erlassen gewesen wäre oder nicht. Dieser Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichts tritt die Revision nicht entgegen, sondern teilt ausdrücklich die Ansicht, dass dem Schreiben des AMS vom 8. Juli 2021 keine Bescheidqualität zukomme. Ausgehend davon war aber die Zurückweisung der Beschwerde gegen diese Erledigung mangels tauglichen Anfechtungsgegenstandes jedenfalls rechtmäßig.
15 Dass das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde abgewiesen hat, statt sie auf Grund des Vorlageantrags - in Bestätigung der Beschwerdevorentscheidung vom 19. August 2021 - zurückzuweisen, wird in der Revision nicht gerügt und könnte die revisionswerbende Partei auch nicht in Rechten verletzen (vgl. allgemein dazu, dass die Zurückweisung einer Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung nichts daran ändert, dass das Rechtsmittel, über welches das Verwaltungsgericht zu entscheiden hat, im Fall eines zulässigen Vorlageantrags nach § 15 VwGVG die Beschwerde bleibt, die das Verwaltungsgericht - sofern es die Beschwerde ebenfalls für unzulässig hält - zurückzuweisen hat, VwGH 5.9.2022, Ra 2021/03/0084, Rn. 11; das gilt auch dann, wenn die Beschwerde wegen fehlender Bescheidqualität der angefochtenen Erledigung zurückgewiesen wurde).
16 Die Revision erweist sich daher mangels Darlegung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung als nicht zulässig.
17 Darüber hinaus ist auch der Revisionspunkt verfehlt: Die revisionswerbende Partei konnte durch das angefochtene Erkenntnis nicht in ihrem „Recht auf Gewährung der beantragten Kurzarbeitsbeihilfe“, sondern nur in ihrem Recht auf Sachentscheidung verletzt werden. Gegenstand des angefochtenen Erkenntnisses war nämlich ausschließlich die Frage, ob die Beschwerde zurückzuweisen war, und nicht die Frage, ob die beantragte Beihilfe zu gewähren gewesen wäre.
18 Die Revision war somit - nach Durchführung des Vorverfahrens durch das Bundesverwaltungsgericht und Erstattung einer Revisionsbeantwortung durch das AMS - gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
19 Von der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.
20 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 17. Februar 2023
Schlagworte
Bescheidbegriff Mangelnder BescheidcharakterEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2023:RO2023080001.J00Im RIS seit
21.03.2023Zuletzt aktualisiert am
21.03.2023