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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer und die Hofräte Dr. Fasching und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Karger, LL.M. über die Revision des Magistrats der Stadt Wien gegen das am 17. März 2022 mündlich verkündete und am 3. Mai 2022 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien, Zl. VGW-107/050/14664/2021-15, betreffend Namensänderung (mitbeteiligte Partei: Mag. (FH) M H in W, vertreten durch Dr. Nikolaus Vogler, LL.M., Rechtsanwalt in 1040 Wien, Maderstraße 1/12), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Mit Bescheid der belangten Behörde, des Magistrats der Stadt Wien (des Amtsrevisionswerbers; in der Folge: Magistrat), vom 25. August 2021 wurde der Antrag des Mitbeteiligten auf Änderung seines Familiennamens in X [= gleichlautend mit dem Namen eines Landes] gemäß § 1 und § 3 Abs. 1 Z 2 Namensänderungsgesetz, BGBl. Nr. 195/1998 „i.d.g.F.“ (NÄG), abgewiesen.
2 Begründend führte der Magistrat im Wesentlichen aus, „Gebräuchlichkeit“ im Sinne des NÄG bedeute nicht, dass der Mitbeteiligte X als Familienname in Verwendung habe und als Herr X bekannt sei. Mit „Gebräuchlichkeit“ drücke der Gesetzgeber vielmehr aus, dass der Name von mehreren anderen Personen im Inland zu Recht geführt, dh. tatsächlich als Familienname in der Geburtsurkunde, der Heiratsurkunde bzw. im Reisepass so eingetragen sei. Wenn man mehrere Personen tatsächlich unter diesem Namen finde, könne von einer Gebräuchlichkeit des Namens gesprochen werden. Das Ermittlungsverfahren im gegenständlichen Fall habe ergeben, dass der Name X weder im Zentralen Melderegister des Bundesministeriums für Inneres noch in anderen der Behörde zur Verfügung stehenden Behelfen als gebräuchlicher Familienname aufscheine.
3 Der dagegen vom Mitbeteiligten erhobenen Beschwerde gab das Verwaltungsgericht Wien (VwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis statt und bewilligte die Änderung des Familiennamens von H auf X (I.). Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG wurde für zulässig erklärt (II.).
4 Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, der Mitbeteiligte habe seinen Antrag auf Änderung seines Familiennamens damit begründet, dass er seit acht Jahren national und international unter diesem Namen arbeite. Sein „angestammter“ Name sei vor allem im Ausland sehr schwer auszusprechen und zu merken. Da sein Künstlername M X immer präsenter werde, habe er nach reiflicher und langer Überlegung „entschieden, diesen Namen als offiziellen Namen anzuwenden.“
5 In seinen rechtlichen Erwägungen führte das Verwaltungsgericht - nach Wiedergabe der einschlägigen Rechtsvorschriften und von Rechtsprechung des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes - aus, dass im vorliegenden Fall eine Interessenabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse eines geregelten Personenstandswesens und den aus Artikel 8 Abs. 2 EMRK erfließenden Rechten des Mitbeteiligten vorzunehmen sei. Der Mitbeteiligte habe dargetan, dass er zum einen einen sehr starken Bezug zum Land X habe, stamme doch seine Mutter von dort. Er habe darauf verwiesen, dass ein Arbeiten auf internationaler Ebene zu seinem täglichen Leben als Künstler gehöre, er sich im gesamten Raum der Europäischen Union bewege und wegen bestimmter Eigenheiten des von ihm „zu ändern gewünschten“ Namens immer wieder auf Schwierigkeiten bzw. Diskriminierungen stoße. Dies sei - so das Verwaltungsgericht weiter - ebenso zu beachten wie der Umstand, dass auch andere Familiennamen, die sich von Namen von Ländern oder Nationen herleiteten, in Österreich gebräuchlich seien. Überdies habe der Mitbeteiligte den gewünschten Familiennamen nicht ohne Grund gewählt, sondern habe er damit ausdrücken wollen, dass er sich seiner Mutter und deren Geburtsland in besonderer Weise verbunden fühle. Unter Beachtung all dieser Umstände sowie unter Beachtung des Umstandes, dass der Name des Mitbeteiligten in keiner Weise ein Phantasiename, eine Eigenkreation oder auch nur in irgendeiner Weise anstößig zu nennen sei, sei der Beschwerde stattzugeben. Überdies sei besonders darauf hinzuweisen, dass der vom Mitbeteiligten gewählte Name auch im allgemeinen Sprachgebrauch üblich sei und keinen Anlass zu Missverständnissen geben könne.
6 Die ordentliche Revision wurde „im Hinblick auf die Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung zugelassen, ob aufgrund der Voraussetzung der Gebräuchlichkeit in § 3 Abs. 1 Z 2 dritter Fall NÄG das originäre Wählen eines Familiennamens jedenfalls ausgeschlossen sein muss.“
7 Dagegen richtet sich die vorliegende Amtsrevision des Magistrats, über die der Verwaltungsgerichtshof - nach dem vom Verwaltungsgericht durchgeführten Vorverfahren, in dem der Mitbeteiligte eine Revisionsbeantwortung erstattete - in einem gemäß § 12 Abs.1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
8 Ein Revisionswerber hat auch bei Erhebung einer ordentlichen Revision von sich aus die Zulässigkeit der Revision (gesondert) darzulegen, sofern er der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichtes für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht, oder er eine andere Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet. Die vom Verwaltungsgerichtshof vorzunehmende Kontrolle einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung stützt sich für außerordentliche und ordentliche Revisionen in gleicher Weise jeweils auf eine gesonderte Darlegung der Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Revision (vgl. etwa VwGH 9.11.2022, Ro 2022/10/0015, mwN).
9 Die Amtsrevision bringt zur Zulässigkeit u.a. vor, das Verwaltungsgericht sei von näher bezeichneter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Gebräuchlichkeit eines Familiennamens abgewichen.
10 Die Revision ist demnach zulässig und berechtigt.
11 Dem angefochtenen Erkenntnis liegt im Ergebnis die Auffassung zu Grunde, dass ein Antrag auf Änderung des Familiennamens schon dann zu bewilligen ist, wenn eine nach Art. 8 EMRK durchzuführende Interessenabwägung ergibt, dass die persönlichen Interessen des Antragstellers an der Bewilligung die öffentlichen Interessen an der Versagung der Namensänderung überwiegen, und zwar unabhängig davon, ob - mangels Gebräuchlichkeit des Namens - der Versagungsgrund nach § 3 Abs. 1 Z 2 NÄG vorliegt.
12 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 23. Mai 2022, Ra 2022/01/0113 - unter Hinweis auf seine bisherige Rechtsprechung und die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes - klargestellt, dass diese Auffassung unzutreffend ist. Auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen.
13 Die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Erkenntnisses hängt demnach davon ab, ob der vom Mitbeteiligten begehrte Familienname X im Inland „gebräuchlich“ ist; falls nicht, wäre die Bewilligung gemäß § 3 Abs. 1 Z 2 dritter Fall NÄG zu versagen.
14 Zu dieser Frage hat das Verwaltungsgericht, das im angefochtenen Erkenntnis die Auffassung vertreten hat, dass der vom Revisionswerber gewählte Name „auch im allgemeinen Sprachgebrauch üblich ist und keinen Anlass zu Missverständnissen geben kann“ - ausgehend von seiner unzutreffenden Rechtsauffassung - jedoch keine ausreichenden Feststellungen getroffen. Das Verwaltungsgericht hat es insbesondere verabsäumt, sich mit den diesbezüglichen, die „Gebräuchlichkeit“ des Familiennamens X verneinenden Argumenten im angefochtenen Bescheid auseinanderzusetzen.
15 Wegen des Fehlens der für die rechtliche Beurteilung notwendigen Feststellungen liegt somit auch im vorliegenden Fall ein sekundärer Feststellungsmangel vor, der das angefochtene Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.
16 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Wien, am 17. Februar 2023
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2023:RO2022010013.J00Im RIS seit
21.03.2023Zuletzt aktualisiert am
21.03.2023