TE Vwgh Erkenntnis 2023/2/23 Ra 2022/18/0234

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Veröffentlicht am 23.02.2023
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

VwGG §42 Abs2 Z1
VwGG §63 Abs1
  1. VwGG § 42 heute
  2. VwGG § 42 gültig ab 01.01.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013
  3. VwGG § 42 gültig von 01.07.2012 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 51/2012
  4. VwGG § 42 gültig von 01.07.2008 bis 30.06.2012 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 4/2008
  5. VwGG § 42 gültig von 01.01.1991 bis 30.06.2008 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 330/1990
  6. VwGG § 42 gültig von 05.01.1985 bis 31.12.1990

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Mag. Nedwed und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Amesberger, über die Revision des M A, in Wien, vertreten durch Mag. Katharina Kos, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Hohenstaufengasse 7, als bestellte Verfahrenshelferin, diese vertreten durch Mag. Sonja Scheed, Rechtsanwältin in 1220 Wien, Brachelligasse 16, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. Juli 2022, W195 2244022-1/20E, betreffend Verhängung einer Mutwillensstrafe in einer Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Zur Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom 22. Juni 2022, Ra 2021/19/0297, verwiesen, mit dem das im ersten Rechtsgang erlassene Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) vom 3. Juli 2021 betreffend Verhängung einer Mutwillensstrafe wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben wurde.

2        Der Verwaltungsgerichtshof führte darin begründend aus, dass das BVwG rechtswidrig von der Durchführung einer Verhandlung abgesehen hatte. Die Annahme des BVwG, der Revisionswerber habe offenbar mutwillig die Tätigkeit des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) in Anspruch genommen und dazu u.a. willkürlich einen erneuten Folgeantrag gestellt, hätte weitere Untersuchungen des BVwG im Rahmen seiner amtswegigen Ermittlungspflicht, insbesondere die nähere Befragung des Revisionswerbers dazu vorausgesetzt (vgl. dazu im Einzelnen Ra 2021/19/0297, Rn. 18 bis 20).

3        Mit dem im zweiten Rechtsgang ergangenen und nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 26. Juli 2022 wies das BVwG die Beschwerde des Revisionswerbers gegen die Verhängung der Mutwillensstrafe neuerlich ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision nicht zulässig sei. Eine mündliche Verhandlung führte das BVwG erneut nicht durch.

4        Das BVwG hielt - soweit hier maßgeblich - fest, von weiteren Erhebungen, insbesondere im Rahmen einer mündlichen Verhandlung habe abgesehen werden können, weil der Sachverhalt unstrittig sei. Der vom Revisionswerber gewonnene Eindruck habe sich durch nutzlose und zeitraubende Antragstellungen weiter verfestigt. Eine weitere Klärung des Sachverhaltes sei nicht zu erwarten, weil die vom Revisionswerber aufgeworfenen Fragen und Problemstellungen in mehreren Verhandlungen eine Erörterung gefunden hätten, auch seit Erhebung der gegenständlichen Bescheidbeschwerde.

5        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, das BVwG habe erneut zu Unrecht von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen und es unterlassen, den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes im hg. Erkenntnis Ra 2021/19/0297 entsprechenden Rechtszustand herzustellen.

6        Das BFA hat zu dieser Revision keine Revisionsbeantwortung erstattet.

7        Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

8        Die Revision ist zulässig und begründet.

9        Bei der Erlassung der Ersatzentscheidung gemäß § 63 Abs. 1 VwGG sind die Verwaltungsgerichte an die vom Verwaltungsgerichtshof in seinem aufhebenden Erkenntnis geäußerte Rechtsanschauung gebunden; eine Ausnahme bildet der Fall einer wesentlichen Änderung der Sach- und Rechtslage. Erfolgte die Aufhebung einer angefochtenen Entscheidung, weil es das Verwaltungsgericht unterlassen hat, die für die Beurteilung des Rechtsfalles wesentlichen Tatsachenfeststellungen zu treffen, so besteht die Herstellung des der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustandes darin, dass das Verwaltungsgericht jene Ergänzungen des Ermittlungsverfahrens durchführt und die Feststellungen trifft, die eine erschöpfende Beurteilung des maßgebenden Sachverhaltes ermöglichen (vgl. VwGH 21.5.2021, Ra 2020/19/0180, mwN).

10       Der Verwaltungsgerichtshof hat für die vorliegende Rechtssache im Erkenntnis vom 22. Juni 2022, Ra 2021/19/0297, bereits ausgesprochen, dass das BVwG im ersten Rechtsgang rechtswidrig ohne Vorliegen der Voraussetzungen für ein Absehen von der mündlichen Verhandlung von deren Durchführung abgesehen hat. Dass sich die damit im Zusammenhang stehende Sach- bzw. Rechtslage in Bezug auf das genannte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes geändert hätte, sodass diesbezüglich keine Bindungswirkung gemäß § 63 Abs. 1 VwGG bestünde (vgl. dazu erneut Ra 2020/19/0180), ergibt sich anhand der Ausführungen des BVwG im angefochtenen Erkenntnis nicht. Die unter anderem ins Treffen geführte Begründung zur Abstandnahme von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung, der Sachverhalt sei unstrittig und eine weitere Klärung des Sachverhaltes nicht zu erwarten, vermag keine solche Ausnahme darzutun, sich von der ihm auferlegten Pflicht zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu entfernen und ist nach Lage des Falles auch nicht ersichtlich. Dass die vom Revisionswerber „aufgeworfenen Fragen“ in mehreren Verhandlungen, auch „seit Erhebung der gegenständlichen Bescheidbeschwerde“ erörtert worden seien, lässt sich mit den vorgelegten Verfahrensakten nicht in Einklang bringen.

11       Aus dem bisher Gesagten ergibt sich, dass das BVwG der gemäß § 63 Abs. 1 VwGG bestehenden Pflicht, in der vorliegenden Rechtssache mit den ihm zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der im Vorerkenntnis Ra 2021/19/0297 geäußerten Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen, nicht nachgekommen ist (vgl. zu dieser Pflicht etwa VwGH 2.7.2021, Ra 2019/13/0088; 13.7.2021, Ra 2021/01/0061; 20.10.2021, Ra 2021/20/0252; jeweils mwN).

12       Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.

13       Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 23. Februar 2023

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2023:RA2022180234.L00

Im RIS seit

21.03.2023

Zuletzt aktualisiert am

21.03.2023
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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