Index
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer als Richterin sowie die Hofräte Mag. Nedwed und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Amesberger, über die Revision des I A, vertreten durch MMag. Dr. Franz Stefan Pechmann, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Prinz-Eugen-Straße 70/2/1.1, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 6. Juli 2022, W293 2248822-1/9E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Syriens, stellte am 9. Mai 2021 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er im Wesentlichen damit begründete, dass sein Bruder aufgrund seiner Desertion als Offizier als Oppositioneller angesehen werde, weshalb sich das Regime am Revisionswerber rächen wolle. Zudem sei er als Anwalt tätig gewesen und habe Kritik am Vorgehen des Regimes geübt, weshalb ihm Verfolgung durch dieses als (vermeintlicher) Oppositioneller drohe.
2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies diesen Antrag mit Bescheid vom 19. Oktober 2021 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab (Spruchpunkt I.), erkannte dem Revisionswerber den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für die Dauer eines Jahres (Spruchpunkt III.).
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die gegen Spruchpunkt I. erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.
4 Begründend führte das BVwG aus, der Revisionswerber habe Syrien aufgrund der allgemeinen Sicherheits- und Versorgungslage verlassen. Dem Fluchtvorbringen, wonach dem Revisionswerber als Angehörigem seines als oppositionell angesehenen Bruders oder aufgrund seiner Tätigkeit als Anwalt asylrelevante Verfolgung drohe, sprach das BVwG mit näherer Begründung die Glaubhaftigkeit ab. Das BVwG stützte sich insbesondere darauf, dass der Revisionswerber eine Kritik am Regime nur vage und damit nicht glaubhaft dargelegt habe und eine Teilnahme an Versammlungen nicht habe nachweisen können. Darüber hinaus sei er als Anwalt nicht im Menschenrechtsbereich tätig gewesen, weshalb er nicht unter ein von UNHCR genanntes Risikoprofil falle. Bei einer Rückkehr sei der Revisionswerber keiner asylrelevanten Verfolgungsgefahr ausgesetzt.
5 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der ihre Behandlung mit Beschluss vom 29. November 2022, E 2224/2022-5, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
6 Die vorliegende außerordentliche Revision macht zu ihrer Zulässigkeit zusammengefasst geltend, das angefochtene Erkenntnis weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, weil die Beweiswürdigung des BVwG zum Fluchtvorbringen des Revisionswerbers unvertretbar sei. Dabei habe das BVwG aktenwidrig angenommen, dass der Revisionswerber in seinem Herkunftsland als Anwalt nicht im Bereich der Menschenrechte tätig gewesen sei, sowie die Aussage des Revisionswerbers, er habe den Dolmetscher bei der Einvernahme vor dem BFA nicht richtig verstanden, ohne Begründung als Schutzbehauptung gewertet. Überdies sei dem BVwG anzulasten, dass es bei seiner Prüfung weder auf die Herkunftsregion des Revisionswerbers, noch auf aktuelle Länderberichte Bedacht genommen habe.
7 Mit diesem Vorbringen wird eine Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.
8 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
9 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
10 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
11 Die Revision wendet sich zunächst gegen die Beweiswürdigung des BVwG und stützt sich insbesondere darauf, dass das BVwG entgegen den Aussagen des Revisionswerbers und aktenwidrig davon ausgegangen sei, dass er nicht als Anwalt im Bereich der Menschenrechte gearbeitet habe. Tatsächlich falle er unter ein UNHCR-Risikoprofil und drohe ihm bei seiner Rückkehr asylrelevante Verfolgung.
12 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser - als Rechtsinstanz - zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Der Verwaltungsgerichtshof ist nicht berechtigt, die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. VwGH 21.12.2022, Ra 2022/18/0318, mwN).
13 Eine Aktenwidrigkeit liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nur dann vor, wenn sich die Behörde bei der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts mit dem Akteninhalt hinsichtlich der dort festgehaltenen Tatsachen in Widerspruch gesetzt hat, wenn also der Akteninhalt unrichtig wiedergegeben wurde, nicht aber, wenn Feststellungen getroffen wurden, die aufgrund der Beweiswürdigung oder einer anders lautenden rechtlichen Beurteilung mit den Behauptungen einer Partei nicht übereinstimmen (vgl. erneut VwGH 21.12.2022, Ra 2022/18/0318, mwN).
14 Gegenständlich lässt die Revision in ihrer Kritik an der Beweiswürdigung außer Acht, dass sich das BVwG umfangreich mit den Aussagen des Revisionswerbers vor dem BFA sowie in der Verhandlung auseinandergesetzt hat. Ausgehend von den Aussagen des Revisionswerbers, wonach er sich als Anwalt mit Immobilien, Vertragsgestaltung, Verkehrsunfällen sowie Familienrecht beschäftigt habe, hat das BVwG nicht unschlüssig angenommen, der Revisionswerber sei nicht im Bereich Menschenrechte tätig gewesen.
15 Soweit die Revision eine Aktenwidrigkeit dieser Feststellung darin erblickt, dass der Revisionswerber im Verfahren auch vorgebracht habe, dass er im Rahmen eines Verbandes der freien Anwälte die Art und Weise, wie die Regierung die Menschen getötet habe, in Frage gestellt habe und sich damit gegen die Regierung geäußert habe, ist sie darauf zu verweisen, dass sich das BVwG auch mit den diesbezüglichen Aussagen des Revisionswerbers näher befasst hat. Dabei ist es nicht unvertretbar zu der Überzeugung gekommen, dass diese Aussagen vage und unsubstantiiert geblieben seien, weshalb es nicht glaubhaft sei, dass der Revisionswerber in asylrelevanter Form an Versammlungen teilgenommen oder Kritik geübt habe.
16 Wenn die Revision ferner rügt, das BVwG habe das Vorbringen des Revisionswerbers, er habe den Dolmetscher in der Einvernahme vor dem BFA nicht richtig verstanden, begründungslos als Schutzbehauptung gewertet, lässt sie unbeachtet, dass das BVwG dazu im angefochtenen Erkenntnis ausführte, dass der Revisionswerber die Niederschrift nach protokollierter Rückübersetzung unterschrieben und zusätzlich mit dem eigenhändig auf Arabisch geschriebenen Satz „Es wurde die Aussage rückübersetzt in der Sprache Arabisch und ich habe keine Einwände“ bestätigt habe. Darüber hinaus hat das BVwG darauf verwiesen, dass der Revisionswerber weder vor dem BFA noch in der Beschwerde Verständigungsprobleme mit dem Dolmetscher gerügt habe. Vor diesem Hintergrund vermag die Revision daher auch in diesem Punkt nicht aufzuzeigen, dass sich die Beweiswürdigung des BVwG als unvertretbar erweisen würde.
17 Sofern die Revision schließlich rügt, das BVwG habe sich weder mit der Herkunftsregion noch der aktuellen Berichtslage fallbezogen auseinandergesetzt, macht sie damit Verfahrensmängel geltend. Werden Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für die revisionswerbende Partei günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass - auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des behaupteten Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten (vgl. VwGH 10.11.2022, Ra 2022/18/0250, mwN). Eine solche Darlegung enthält die Revision in der Zulässigkeitsbegründung nicht. Der instabilen Sicherheitslage in Syrien wurde im Übrigen durch die Gewährung von subsidiärem Schutz ohnedies Rechnung getragen.
18 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 27. Februar 2023
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2023:RA2023180050.L00Im RIS seit
21.03.2023Zuletzt aktualisiert am
21.03.2023