Entscheidungsdatum
01.02.2023Index
90/01 StraßenverkehrsordnungNorm
StVO 1960 §11 Abs2Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien erkennt durch seine Richterin Mag. Tallafuss über die Beschwerde des Herrn A. B., Wien, …, vertreten durch Rechtsanwälte GmbH, Wien, gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien, Polizeikommissariat C., vom 20. Mai 2022, Zahl VStV/...3/2022, wegen Verwaltungsübertretungen nach 1.) § 20 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 – StVO 1960, 2.) § 11 Abs. 2 StVO 1960, 3.) § 11 Abs. 2 StVO 1960 und 4.) § 18 Abs. 1 StVO 1960, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 24. Jänner 2023,
zu Recht:
I. Gemäß § 50 Abs. 1 VwGVG wird die Beschwerde hinsichtlich des Spruchpunktes 1.) des angefochtenen Straferkenntnisses als unbegründet abgewiesen und das angefochtene Straferkenntnis bestätigt.
II. Gemäß § 50 Abs. 1 VwGVG wird die Beschwerde hinsichtlich des Spruchpunktes 2.) des angefochtenen Straferkenntnisses mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass im Spruch die Wortfolge „des Fahrstreifens“ durch die Wortfolge „auf den linken Fahrstreifen“ ersetzt wird.
III. Gemäß § 50 Abs. 1 VwGVG wird die Beschwerde hinsichtlich des Spruchpunktes 3.) des angefochtenen Straferkenntnisses mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass im Spruch die Wortfolge „des Fahrstreifens“ durch die Wortfolge „auf den rechten Fahrstreifen“ ersetzt wird.
IV. Gemäß § 50 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde hinsichtlich des Spruchpunktes 4.) des angefochtenen Straferkenntnisses Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG eingestellt.
V. Der Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens wird gemäß § 64 Abs. 2 VStG mit € 74,-- festgesetzt, das sind 10% der zu Spruchpunkt 1.) des angefochtenen Straferkenntnisses verhängten Geldstrafe und jeweils € 10,--der zu den Spruchpunkten 2.) und 3.) des angefochtenen Straferkenntnisses verhängten Geldstrafen.
VI. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat der Beschwerdeführer hinsichtlich des Spruchpunktes 4.) des angefochtenen Straferkenntnisses keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten. Hinsichtlich der Spruchpunkte 1.) bis 3.) des angefochtenen Straferkenntnisses hat der Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 und 2 VwGVG einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens in der Höhe von insgesamt € 138,40 das sind jeweils 20 % der verhängten Geldstrafen, zu leisten.
VII. Hinsichtlich der Spruchpunkte 2.) bis 4.) des angefochtenen Straferkenntnisses ist gegen dieses Erkenntnis eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof durch den Beschwerdeführer wegen Verletzung in Rechten gemäß § 25a Abs. 4 VwGG unzulässig. Im Übrigen ist gemäß § 25a Abs. 1 VwGG für alle Verfahrensparteien eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensgang
1. Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien, Polizeikommissariat C., vom 20. Mai 2022, Zahl VStV/...3/2022, wurde dem Beschwerdeführer Folgendes zur Last gelegt:
„1. Datum/Zeit: 04.01.2022, 09:26 Uhr
Ort: Wien, F. 262, Richtung Stadtauswärts
Betroffenes Fahrzeug: PKW, Kennzeichen: W-... (A)
Sie haben die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 64 km/h überschritten. Die in Betracht kommende Messtoleranz wurde bereits zu Ihren Gunsten abgezogen.
2. Datum/Zeit: 04.01.2022, 09:26 Uhr
Ort: Wien, F. 262, Richtung Stadtauswärts
Betroffenes Fahrzeug: PKW, Kennzeichen: W-... (A)
Sie haben den bevorstehenden Wechsel des Fahrstreifens nicht angezeigt, wodurch sich andere Straßenbenützer auf den bevorstehenden Vorgang nicht einstellen konnten.
3. Datum/Zeit: 04.01.2022, 09:26 Uhr
Ort: Wien, F. 262, Richtung Stadtauswärts
Betroffenes Fahrzeug: PKW, Kennzeichen: W-... (A)
Sie haben den bevorstehenden Wechsel des Fahrstreifens nicht angezeigt, wodurch sich andere Straßenbenützer auf den bevorstehenden Vorgang nicht einstellen konnten.
4. Datum/Zeit: 04.01.2022, 09:26 Uhr
Ort: Wien, F. 262, Richtung Stadtauswärts
Betroffenes Fahrzeug: PKW, Kennzeichen: W-... (A)
Sie haben zu einem vor Ihnen am gleichen Fahrstreifen fahrenden Fahrzeug nicht einen solchen Abstand eingehalten, dass ein rechtzeitiges Anhalten möglich gewesen wäre, auch wenn das vordere Fahrzeug plötzlich abgebremst würde.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:
Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird (werden) über Sie folgende Strafe(n) verhängt:
Geldstrafe von
falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von
Freiheits-strafe von
Gemäß
1. € 540,00
4 Tage(n) 1 Stunde(n) 0 Minute(n)
§ 99 Abs. 2e StVO 1960, BGBl. Nr. 159/1969, zuletzt geändert durch BGBl I Nr. 154/2021
2. € 76,00
1 Tage(n) 11 Stunde(n) 0 Minute(n)
§ 99 Abs. 3 lit. a StVO
3. € 76,00
1 Tage(n) 11 Stunde(n) 0 Minute(n)
§ 99 Abs. 3 lit. a StVO
4. € 100,00
1 Tage(n) 22 Stunde(n) 0 Minute(n)
§ 99 Abs. 3 lit. a StVO
Weitere Verfügungen (zB Verfallsausspruch, Anrechnung von Vorhaft):
---
Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG zu zahlen:
€ 84,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10% der Strafe, jedoch mindestens € 10,00 für jedes Delikt (je ein Tag Freiheitsstrafe wird gleich € 100,00 angerechnet).
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher
€ 876,00“
Begründend wurde dazu zusammengefasst ausgeführt, dass sich das Straferkenntnis auf die Anzeige vom 4. Jänner 2022, welche aufgrund eigner dienstlicher Wahrnehmung erfolgt sei sowie auf das Ergebnis der Beweisaufnahme stütze. Die Geschwindigkeitsüberschreitung sei mittels eines geeichten Tachometers in einem zivilen Streifenkraftwagen festgestellt worden. Die Nachfahrt sei mit gleichbleibenden Abstand von der F. 248 bis 262, was einer Länge von 230 Meter entspreche, erfolgt. Bezüglich der Fahrstreifenwechsel und des zu geringen Abstandes seien die Angaben des Beschwerdeführers als Schutzbehauptung anzusehen. Der Beschwerdeführer habe angegeben, dass es faktisch nicht möglich sei, dass vor ihm Fahrzeuge von der G.-gasse, H.-gasse oder I.-brücke in die F. eingebogen seien, jedoch sei es möglich, von der J.-straße und der K.-brücke in die F. einzubiegen. Aufgrund der Anzeige eines Organs des öffentlichen Sicherheitsdienstes und des Ergebnisses des Ermittlungsverfahrens stehe fest, dass der Beschwerdeführer die im Spruch angeführten Verwaltungsübertretungen gesetzt habe. Er habe sich rechtswidrig und schuldhaft verhalten. Bei der Strafbemessung seien die teilweise einschlägigen verwaltungsstrafrechtlichen Vormerkungen als erschwerend zu berücksichtigen. Mildernde Umstände seien keine zu Tage gekommen. Mangels Bekanntgabe der allseitigen Verhältnisse, sei von einem durchschnittlichen Einkommen des Beschwerdeführers ausgegangen worden.
2. In der dagegen rechtzeitig erhobenen Beschwerde bestreitet der Beschwerdeführer die ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen begangen zu haben. Dazu bringt er im Wesentlichen vor, dass die Feststellungen der belangten Behörde aufgrund der technischen Beschaffenheit seines Fahrzeuges rechnerisch nicht korrekt sein können (die Länge der Nachfahrt müsse bedeutend kürzer gewesen sein als von der Behörde angenommen und der Abstand zwischen der Zivilstreife und dem Beschwerdeführer könne nicht konstant gewesen sein). Es sei ferner nicht nachvollziehbar, wie eine Geschwindigkeitsübertretung, die durch ein Videoüberwachungssystem festgestellt worden sein soll, als erwiesen angenommen werde, wenn ein diesbezügliches Video nicht existiere. Generell sei zu bezweifeln, dass die Geschwindigkeitsmessung entsprechend den Vorgaben im Eichschein des Geräts durchgeführt worden sei. Insgesamt sei somit nicht nachvollziehbar und widersprüchlich, wie die Geschwindigkeitsübertretung tatsächlich gemessen worden sei und welche Beweise dafür vorliegen würden. Die ihm zur Last gelegten Fahrstreifenwechsel seien aufgrund der örtlichen Gegebenheiten zudem weder nachvollziehbar noch grundsätzlich denkbar. Ebenso sei diesbezüglich der Tatort nicht hinreichend konkretisiert worden, zumal für beide Spurwechsel dieselbe Adresse als Tatort genannt worden sei. Schließlich habe es auch keine Unterschreitung des erforderlichen Abstandes gegeben, da sich im Bereich des Geschehens keine anderen Fahrzeuge befunden hätten. Hierzu würden überdies konkrete Feststellungen fehlen. Im Ergebnis sei das angefochtene Straferkenntnis daher aufzuheben und das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.
3. Die belangte Behörde sah von einer Beschwerdevorentscheidung ab und legte dem Verwaltungsgericht Wien die Beschwerde und den Akt des Verwaltungsverfahrens vor (hg. einlangend am 27. Juni 2022).
4. Das Verwaltungsgericht Wien führte am 24. Jänner 2023 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, zu der der Beschwerdeführer und seine Rechtsvertreter erschienen sind. Die belangte Behörde hat bereits im Vorfeld auf eine Teilnahme an der Verhandlung verzichtet und entsandte dementsprechend keinen Vertreter. In der Verhandlung wurde der Beschwerdeführer als Beschuldigter und die Zeugen RvI D. und RvI E. einvernommen.
II. Sachverhalt
1. Das Verwaltungsgericht Wien legt seiner Entscheidung folgende Feststellungen zugrunde:
1.1. Der Beschwerdeführer war am 4. Jänner 2022 um 9:26 Uhr mit seinem Fahrzeug, einem weißen L., Model X, Baujahr 2017, mit dem Kennzeichen W-... (A), in Wien, F., Richtung stadtauswärts unterwegs. Auf der Höhe F. ON 248 stand der Beschwerdeführer mit seinem Fahrzeug bei Rotlicht an einer Verkehrslichtsignalanlage in erster Reihe auf dem rechten Fahrstreifen. Neben ihm stand auf dem linken Fahrstreifen ein Motorradfahrer. Hinter dem Motorradfahrer stand eine Zivilstreife, ein M., in dem sich die Polizeibeamten RvI D. und RvI E. befanden. Die Zivilstreife war mit einem geeichten Tachometer (Geschwindigkeitsmessgerät, ...) ausgestattet. Da der Motorradfahrer bereits zuvor einige Verwaltungsübertretungen begangen hatte und er im Stand vor der Verkehrslichtsignalanlage bereits den Motor hochdrehte, gingen die Polizeibeamten davon aus, dass der Motorradfahrer bei Grünlicht stark beschleunigen und die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h überschreiten werde, weshalb sich die Zivilstreife darauf einstellte, den Motorradfahrer bei Grünlicht nachzufahren. Als die Verkehrslichtsignalanlage in weiterer Folge Grünlicht anzeigte, beschleunigten der Motorradfahrer und der Beschwerdeführer ihre Fahrzeuge stark und auch die Zivilstreife beschleunigte stark, um dem Motoradfahrer nachzufahren. Nachdem der Motorradfahrer in weiterer Folge vom Gas ging, der Beschwerdeführer jedoch nicht, beschlossen die Polizeibeamten den Beschwerdeführer zu folgen und wechselten auf den linken Fahrstreifen und fuhren dem Fahrzeug des Beschwerdeführers in weiterer Folge mit konstantem Abstand hinterher. Bei der F. ON 262 zeigte der geeichte Tachometer der Zivilstreife eine Geschwindigkeit von 120 km/h an. Nachdem der Beschwerdeführer auf der Höhe ON 262 auf den linken Fahrstreifen wechselte, ohne dies anzuzeigen und dann das Blaulicht der Zivilstreife hinter sich bemerkte, wechselte er wieder auf den rechten Fahrstreifen. Auch diesen Fahrstreifenwechsel zeigte der Beschwerdeführer nicht an. In weiterer Folge wurde der Beschwerdeführer auf der F. Höhe ON 280, Ecke N.-gasse, von der Zivilstreife angehalten.
1.2. Die Strecke F. ON 248 bis ON 262 beträgt ca. 230 Meter. Die Strecke, die die Zivilstreife mit konstantem Abstand hinter dem Fahrzeug des Beschwerdeführers hinterherfuhr betrug zumindest 100 Meter.
1.3. Dass der Beschwerdeführer auf der F. Höhe ON 262 einem weiteren PKW knapp auffuhr und dabei den erforderlichen Sicherheitsabstand nicht einhielt, konnte vom Verwaltungsgericht Wien nicht festgestellt werden.
1.4. Der Beschwerdeführer weist mehrere verwaltungsstrafrechtliche Vormerkungen auf:
Geschäftszahl
Rechtsnorm
Geldstrafe
Ersatzfreiheits-strafe
Beginn Tilgung
VStV/...5/2021
€ 55,00
1 Tag, 1 Stunde
03.06.2021
VStV/...3/2020
§ 4 Abs. 1 lit. a StVO
€ 220,00
2 Tage, 12 Stunden
18.03.2021
VStV/...3/2020
§ 4 Abs. 1 lit. c StVO
€ 220,00
2 Tage, 12 Stunden
18.03.2021
VStV/...3/2020
€ 150,00
1 Tag, 12 Stunden
18.03.2021
VStV/...1/2019
€ 80,00
1 Tag, 13 Stunden
21.08.2019
VStV/...8/2019
€ 80,00
1 Tag, 13 Stunden
11.04.2019
1.5. Der Beschwerdeführer erzielt ein monatliche Nettoeinkommen von
€ 5.000,--. Er ist verheiratet und für ein Kind unterhaltspflichtig.
2. Diese Feststellungen ergeben sich aus folgender Beweiswürdigung:
2.1. Das Verwaltungsgericht Wien hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt, Würdigung des Beschwerdevorbringens, sowie Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, in welcher der Beschwerdeführer als Partei und die Zeugen RvI D. und RvI E. einvernommen wurden.
2.2. Dass sich der Beschwerdeführer mit seinem Fahrzeug zur Tatzeit an der genannten Tatörtlichkeit befunden hat, ergibt sich aus den Verwaltungsakten und wird vom Beschwerdeführer nicht in Abrede gestellt.
Die Feststellungen zum Fahrzeug des Beschwerdeführers ergeben sich aus der Anzeige (in der die technischen Daten des Fahrzeuges und die FIN-Nummer genannt sind; aus dieser ergibt sich das Baujahr des Fahrzeuges) und die Aussagen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung. Dass es sich bei der Zivilstreife um einen M. gehandelt hat, der mit einem geeichten Tachometer (Geschwindigkeitsmessgerät, ...) ausgestattet war, ergibt sich aus der Anzeige und dem im Verwaltungsakt einliegenden Eichschein (AS 63 des Behördenaktes).
Der unter Punkt II. 1.1. dargelegte Sachverhalt beruht auf den äußerst glaubwürdigen und übereinstimmenden Aussagen der einvernommenen Zeugen RvI D. und RvI E., die anlässlich ihrer persönlichen Einvernahme vor dem Verwaltungsgericht einen sehr gewissenhaften Eindruck hinterließen. Bei den einvernommenen Beamten handelt es sich um sehr erfahrene Beamte der Verkehrsabteilung (geschulte Organe der Straßenaufsicht), die – wie sie in der mündlichen Verhandlung darlegten – bereits seit vielen Jahren Geschwindigkeitsmessungen durchführen. Beide Zeugen konnten dem Verwaltungsgericht sehr glaubhaft und nachvollziehbar den Ablauf der Geschehnisse des 4. Jänner 2022 schildern und darlegen wie die Geschwindigkeitsmessung erfolgt ist. Ihre Aussagen waren klar, schlüssig und widerspruchsfrei. Beide Zeugen gaben übereinstimmend an, dass sie dem Beschwerdeführer bis zum Erreichen einer Geschwindigkeit von 120 km/h mit konstantem Abstand hinterhergefahren sind. Auch an die beiden Fahrstreifenwechsel des Beschwerdeführers konnte sich RvI D. noch erinnern. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs kann von einem geschulten Sicherheitswachebeamten erwartet werden, dass er über die in Ausübung seines Dienstes gemachten Wahrnehmungen (etwa Geschwindigkeitsübertretungen oder Übertretungen nach § 11 Abs. 1 StVO) richtige Angaben macht (vgl. VwGH 28. November 1990, 90/03/0172, VwGH 19. Dezember 1990, 90/03/0035 und VwGH 19. Dezember 1990, 90/03/0248, sowie zB VwGH 22. März 1991, 86/18/0141 und VwGH 23. März 1979, 2019/77, vgl. auch VwGH 6. September 2001, 98/03/0146). Im gesamten Verfahren sind auch keine Anhaltspunkte dafür hervorgekommen, dass die Zeugen ein Interesse oder einen Anlass gehabt hätte, den ihnen bis dahin unbekannten Beschwerdeführer wahrheitswidrig zu belasten. Hinzu kommt, dass die Zeugen auf Grund ihrer verfahrensrechtlichen Stellung der Wahrheitspflicht unterliegen und im Falle einer Falschaussage mit strafrechtlichen und dienstrechtlichen Konsequenzen zu rechnen haben. Das Verwaltungsgericht schenkt daher den in der Anzeige festgehaltenen Angaben und den Zeugenaussagen mehr Glauben als den damit in Widerspruch stehenden Angaben des Beschwerdeführers.
Anzumerken ist zudem, dass der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung selbst angegeben hat, dass er bei Grünlicht stark beschleunigt hat, da er in weiterer Folge auf den linken Fahrstreifen wechseln wollte. Dies bedeutet aber auch, dass er schneller fahren musste als der Motorradfahrer der neben ihm fuhr. Die Aussage des Beschwerdeführers stimmt auch insofern mit den Aussagen der Polizeibeamten überein, als diese angaben, dass der Beschwerdeführer, als der Motorradfahrer vom Gas ging, weiter beschleunigte und danach auf den linken Fahrstreifen wechselte. Auch hat der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung – anders als noch in der Beschwerde – ausgeführt, dass er vom rechten auf den linken Fahrstreifen wechselte und nicht mehr wisse, ob er geblinkt habe oder nicht. Auch gab er an, danach wieder auf den rechten Fahrstreifen gefahren zu sein und in weiterer Folge in einer Seitengasse der F. von der Zivilstreife angehalten wurde.
Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, dass aufgrund der technischen Daten der beteiligten Fahrzeuge (Beschleunigung des L. Model X von 0 auf 100 km/h in 2,6 Sekunden [richtigerweise in 2,8 Sekunden, weil es sich bei dem Fahrzeug des Beschwerdeführers um ein Model X handelt] und Beschleunigung des M. von 0 auf 100 km/h in 4.9 Sekunden) und der Reaktionszeit der Zivilstreife beim Wegfahren von 5 Sekunden, die Länge der Nachfahrt bedeutend kürzer gewesen sein müsse als von der Behörde angenommen und die Nachfahrt nie konstant gewesen sein könne, ist darauf hinzuweisen, dass die beiden Zeugen den genauen Ablauf – wie bereits zuvor dargelegt – klar, schlüssig und widerspruchsfrei schildern konnten und deren Schilderung – entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers – auch nicht in Widerspruch mit den getroffenen Feststellungen (Nachfahrt mit konstantem Abstand) steht. So gab der Zeuge RvI D. in der mündlichen Verhandlung an, dass ihre Reaktionszeit lediglich eine Sekunde betragen hätte und dass alle Fahrzeuge in etwa gleich stark beschleunigt hätten; die maximale Beschleunigung des Fahrzeuges des Beschwerdeführers ist in diesem Zusammenhang somit nicht aussagekräftig bzw. ausschlaggebend. Auch haben die Zeugen RvI D. und RvI E. in der mündlichen Verhandlung ausgesagt, dass der Beschwerdeführer nicht komplett am Gas gestanden sei, da sie ihm ansonsten gar nicht nachgekommen wären. Beide Zeugen haben zudem glaubhaft dargelegt, dass sie dem Beschwerdeführer mit konstantem Abstand hinterhergefahren sind (RvI D.: „Sobald wir hinter dem L. waren, war der Abstand zum L. konstant“, RvI E.: „Der Abstand zwischen uns und dem L. war konstant, da wir ansonsten nicht die Geschwindigkeitsmessung hätten durchführen können. … Ich hätte die Messung nur dann gewertet, wenn der Abstand konstant gewesen ist.“). Wie bereits ausgeführt, kann von einem geschulten Sicherheitswachebeamten erwartet werden, dass er über die in Ausübung seines Dienstes gemachten Wahrnehmungen (hier: Nachfahrt mit konstantem Abstand) richtige Angaben macht (vgl. dazu die zuvor zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes).
Vor diesem Hintergrund war dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis dafür, dass der Abstand zwischen dem Einsatzfahrzeug und dem Fahrzeug des Beschwerdeführers in der in der Anzeige festgelegten Strecke nicht konstant gewesen sein könne und daher eine Geschwindigkeitsmessung mit Nachfahrt nicht möglich sei, nicht nachzukommen; dies auch vor dem Hintergrund, dass ein Gutachter keine konkreten Aussagen über den tatsächlichen Tathergang treffen könnte und dem Gutachten damit auch keine Entscheidungsrelevant zukommen kann.
2.3. Im angefochtenen Bescheid ging die belangte Behörde davon aus, dass die Strecke F. ON 248 bis ON 262 230 Meter beträgt. Dies stimmt mit der auf der Internetseite des Wienstadtplans (www.wien.gv.at) durchgeführten Messung (vgl. den Aktenvermerk des Verwaltungsgerichts Wien vom 23. Jänner 2023) überein; der Beschwerdeführer ist dieser Feststellung weder im Verwaltungsverfahren noch im Gerichtsverfahren entgegengetreten.
Dass die Strecke, die die Zivilstreife mit konstantem Abstand hinter dem Beschwerdeführer hinterherfuhr zumindest 100 Metern betrug, ergibt sich daraus, dass die Strecke F. ON 248 bis F. ON 262 230 Meter beträgt und der Zeuge RvI D. in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Wien ausgesagt hat, dass sie, sobald sie auf den linken Fahrstreifen gewechselt hätten, den Beschwerdeführer mit konstantem Abstand hinterhergefahren wären und dass der Wechsel auf den linken Fahrstreifen sehr knapp nach dem Wegfahren erfolgt sei und jedenfalls unter 100 Meter betragen habe.
2.4. Vom Verwaltungsgericht Wien konnte nicht mit der für das Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer einem weiteren PKW knapp aufgefahren ist und dabei den erforderlichen Sicherheitsabstand nicht eingehalten hat, da die beiden einvernommenen Zeugen in der mündlichen Verhandlung keinerlei Angaben mehr über die dem Beschwerdeführer angelastete Verwaltungsübertretung mehr machen konnten und auch in der Anzeige Angaben über den genauen Ablauf der Geschehnisse fehlen. Die einvernommenen Zeugen konnte weder angeben, wo sich ihr Fahrzeug bei der Wahrnehmung der angelasteten Verwaltungsübertretung befunden hat, noch wie sie die Unterschreitung des erforderlichen Sicherheitsabstandes festgestellt hätten; auch wie groß in etwa der Abstand zwischen dem Beschwerdeführer und dem anderen Fahrzeug gewesen sein soll, konnte somit – mangels näherer Angaben der einvernommenen Zeugen – nicht festgestellt werden.
2.5. Die Feststelllungen zu den verwaltungsstrafrechtlichen Vormerkungen des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem im Verwaltungsakt einliegenden Auszug der verwaltungsstrafrechtlichen Vormerkungen vom 21. Juni 2022.
2.6. Die Feststellungen zur Einkommens- und Familiensituation des Beschwerdeführers beruhen auf den Aussagen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung (vgl. VwGH 22. Dezember 2008, 2004/03/0029, mwN, wonach es auf die Einkommensverhältnisse im Zeitpunkt der Erlassung der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht Wien ankommt und die Strafbemessung entsprechende Erhebungen durch das Verwaltungsgericht voraussetzt, wobei allerdings in der Regel mit den Angaben des Beschuldigten das Auslangen zu finden sein wird).
III. Rechtliche Beurteilung
1. Anzuwendende Rechtsvorschriften:
1.1. Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung 1960 – StVO 1960, BGBl. Nr. 159/1960 (§ 11 Abs. 2 idF des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 204/1964, § 20 Abs. 2 idF des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 518/1994, § 99 Abs. 2e idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 154/2021 und § 99 Abs. 3 lit. a idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 93/2009) lauten auszugsweise wie folgt:
„§ 11. Änderung der Fahrtrichtung und Wechsel des Fahrstreifens.…
…
…
1.2. Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 – VStG, BGBl. Nr. 52/1991, idF des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 33/2013, lauten auszugsweise:
„Strafbemessung