TE Lvwg Erkenntnis 2022/12/14 LVwG-AV-320/001-2022

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Veröffentlicht am 14.12.2022
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Entscheidungsdatum

14.12.2022

Norm

KommStG §6a Abs1
BAO §80

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch den Richter Hofrat Mag. Hubmayr über die Beschwerde des Herrn A, vertreten durch C Rechtsanwälte GmbH in ***, vom 22. Dezember 2021 gegen den Bescheid des Stadtsenates der Stadt Wiener Neustadt vom 7. Dezember 2021, Zl. ***, mit welchem eine Berufung vom 6. Mai 2021 gegen den Haftungsbescheid des Magistrats der Stadt Wiener Neustadt vom 15. April 2021, Zl. ***, betreffend Haftung für offene Kommunalsteuer für die Jahre 2016 und 2017 und Nebengebühren der B GmbH in Höhe von € 3.585,68, abgewiesen wurde, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

1.   Der angefochtene Bescheid wird wie folgt abgeändert:
Herr A wird für die offene Kommunalsteuer der B GmbH für das Jahr 2016 in Höhe von € 2.260,22 haftbar gemacht. Der Haftungsbescheid wird hinsichtlich der offenen Kommunalsteuer für 2017 und hinsichtlich der Nebengebühren aufgehoben.

2.   Eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist nicht zulässig.

Rechtsgrundlagen:

§ 6a Abs. 1 Kommunalsteuergesetz - KommStG

§§ 224 Abs. 1, 279 Bundesabgabenordnung - BAO

§ 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

1. Sachverhalt:

1.1. Grundsätzliche Feststellungen:

Herr A (in der Folge Beschwerdeführer) war seit 2014 alleiniger Geschäftsführer der B GmbH. Über diese Gesellschaft wurde am 19. Juli 2017 vom Handelsgericht *** zur Zahl *** das Konkursverfahren eröffnet. Am 3. Oktober 2017 wurde ein Sanierungsplan angenommen, mit welchem eine Quote von 22 % für die Gläubiger festgelegt wurde. Mit Beschluss vom 19. Oktober 2017 wurde das Sanierungsverfahren wieder aufgehoben.

Die Kommunalsteuerpflicht der B GmbH für die Betriebsstätte in ***, ***, ist dem Grunde nach unbestritten und auch in der erklärten Höhe unstrittig. Zahlungen der selbstberechneten Kommunalsteuer erfolgten 2016 noch für die Monate Jänner, Februar und Mai, für die anderen Monate nicht. 2017 erfolgten für Jänner und Februar noch Zahlungen, danach nicht mehr.

Für diese Betriebsstätte wurden seitens der steuerlichen Vertretung der B GmbH für die Jahre 2016 bzw. bis 2017 (bis Konkurseröffnung) Kommunalsteuererklärungen eingebracht.

Seitens der Einbringungsbehörde wurden beim Handelsgericht *** im Insolvenzverfahren der B GmbH an noch ausstehenden Kommunalsteuerforderungen für 2016 € 2.897,72, für 2017 € 2.323,97 sowie Nebengebühren im Betrag von € 142,28, somit insgesamt ein Betrag von € 5.363,97 angemeldet.

Nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens wurde eine Quotenzahlung der B GmbH von € 1778,30 verbucht.

1.2. Abgabenbehördliches Verfahren:

Mit Haftungsbescheid des Magistrats der Stadt Wiener Neustadt vom 15. April 2021, Zahl: ***, wurde der Beschwerdeführer für die offene Kommunalsteuer der B GmbH für 2016 im Betrag von € 1.119,42, für 2017 im Betrag von € 2.323,98 sowie für Nebengebühren im Betrag von € 142,28 haftbar gemacht.

In der Begründung wurde dargelegt, dass der Beschwerdeführer die ihm als Geschäftsführer auferlegten Pflichten verletzt habe und daher für den Rückstand haftbar sei, da dieser bei der Gesellschaft nach dem Insolvenzverfahren uneinbringlich sei. Das zumindest fahrlässige Verhalten des Beschwerdeführers sei kausal für die Abgabenuneinbringlichkeit. Die Geltendmachung der Haftung entspreche auch den Ermessensrichtlinien der Zweckmäßigkeit und Billigkeit nach § 20 BAO.

Dagegen brachte der Beschwerdeführer durch seine ausgewiesene Rechtsvertretung mit Schriftsatz vom 6. Mai 2021 fristgerecht das Rechtsmittel der Berufung ein.

Der Beschwerdeführer habe keine abgabenrechtlichen Verpflichtungen verletzt, ein Verschulden an der nicht ordnungsgemäßen Abgabenentrichtung vor Konkurseröffnung könne ihm nicht angelastet werden. Beginnend mit 2016 seien der B GmbH mehrere Kunden in Konkurs verfallen, weshalb es zu Zahlungsausfällen gekommen sei. Dadurch seien der Gesellschaft Einnahmen von ca. € 28.000,- entgangen, durch Stornierung eines Auftrages seien weiter € 30.000,- ausgefallen. Zwischen Jänner 2016 und 2017 habe sich die Zahlungsfähigkeit der B GmbH aufgrund dieses unvorhersehbaren Wegfalls von Zahlungseingängen verschlechtert. Zu einer einseitigen Bevorzugung einzelner Gläubiger sei es nicht gekommen. Eine Benachteiligung der Stadt Wiener Neustadt sei auszuschließen. Der Beschwerdeführer habe daher für den offenen Betrag nicht einzustehen.

Beantragt wurde die Aufhebung des Haftungsbescheides.

Mit der nunmehr angefochtenen Berufungsentscheidung vom 7. Dezember 2021, Zl. ***, wies der Stadtsenat der Stadt Wiener Neustadt die Berufung ab und bestätigte den Haftungsbescheid des Magistrats vom 15. April 2021.

Die Voraussetzungen für die Geltendmachung der Haftung seien gegeben.

Durch das Konkursverfahren liege die vom Gesetzgeber als typischer Fall der erschwerten Einbringung angeführte Voraussetzung vor.

Als Geschäftsführer der B GmbH habe der Beschwerdeführer weder die Selbstberechnung noch die Bezahlung der Kommunalsteuer an die Stadt Wiener Neustadt veranlasst. Es sei Sache des Geschäftsführers darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die für die Gesellschaft anfallenden Abgaben rechtzeitig entrichtet wurden, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden dürfe. Der Berufungswerber als Geschäftsführer hatte jedenfalls dafür zu sorgen, die selbst zu bemessende und monatlich zu zahlende Kommunalsteuer der Gesellschaft zu den Fälligkeitszeitpunkten zu entrichten, was nicht lückenlos erfolgt sei. Für 9 Monate im Jahr 2016 sowie für Jänner bis Juni 2017 seien keine Selbstberechnungen erfolgt. Zudem seien auch die monatlich fälligen Steuerbeträge nicht entrichtet worden. Nachweis, dass der Berufungswerber nicht in der Lage gewesen sei für die rechtzeitige Selbstberechnung und Steuerentrichtung zu sorgen, seien trotz Aufforderung nicht vorgelegt worden. Die Vernachlässigung der Pflicht zur Selbstberechnung stelle eine vorwerfbare Pflichtverletzung dar.

Ein Kausalitätszusammenhang bestehe, da ohne die Pflichtverletzung der Abgabenausfall nicht eingetreten wäre. Es bestehe ein öffentlicher Auftrag, im Falle einer vorwerfbaren Pflichtverletzung, alle Mittel zur Einbringung vollstreckbarer Abgaben zu ergreifen.

1.3. Beschwerdevorbringen:

Mit Schreiben vom 22. Dezember 2021 erhob der Beschwerdeführer durch seine ausgewiesene Vertretung rechtzeitig Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich und begründeten diese im Wesentlichen wie die Berufungsschrift.

Beantragt wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie eine Aufhebung des Haftungsbescheides.

1.4. Ermittlungsverfahren und Beweiswürdigung:

Mit Schreiben vom 23. März 2022 legte die Stadt Wiener Neustadt dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich die Beschwerde und den bezughabenden Verwaltungsakt (samt Einladungskurrende und Sitzungsprotokoll der maßgeblichen Sitzung des Stadtsenates) vor.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in diesen Akt der Stadt Wiener Neustadt sowie durch Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 27. Oktober 2022.

Die Kommunalsteuer für 2016 und 2017 wurde jeweils durch Selbstbemessungserklärung festgesetzt. Die Nebengebühren (€ 142,28, davon € 28,26 Mahngebühr und € 113,82 Säumniszuschlag) wurden von der Abgabenbehörde nicht mit Bescheid festgesetzt.

Für das Jahr 2017 wurde die Kommunalsteuer anfänglich noch bezahlt, danach ist aber kein Guthaben mehr zur Verfügung gestanden und wurden sämtliche Zahlungen eingestellt. Mangels vorhandener Mittel wurden auch die Zahlungen der Gehälter an Finanzamt, Sozialversicherung, Lieferanten und sonstige Gläubiger eingestellt. Mangels vorhandener Mittel wurden danach überhaupt keine Zahlungen mehr geleistet. Die zur Verfügung stehenden Mittel der Gesellschaft reichten ab 2017 nicht mehr aus, um die offene Kommunalsteuer in voller Höhe an die Stadt Wiener Neustadt zu entrichten.

Für 2016 wurde die Kommunalsteuer mit € 7.246,14 erklärt. Entrichtet wurden € 1.555,08 für Jänner, Februar und Mai. Abzüglich eines Betrages von € 2.793,34 aus einer bescheidmäßig bewilligten Zahlungserleichterung verbleibt eine offene Forderung von € 2.897,72, welche im Insolvenzverfahren angemeldet wurde.

Für 2017 (bis zur Konkurseröffnung) wurde die Kommunalsteuer mit € 3.323,97 erklärt. Entrichtet wurden € 1.000,-. Für 2017 wurde ein offener Betrag von € 2.323,97 im Insolvenzverfahren angemeldet.

Ebenso wurden (die nicht festgesetzten) Nebengebühren im Betrag von € 142,28 im Insolvenzverfahren angemeldet.

Nach Aufhebung des Sanierungsverfahrens erfolgte noch eine Quotenzahlung an die Gemeinde im Betrag von € 1.778,30, welche von der Abgabenbehörde auf die älteste Forderung, somit ausschließlich das Jahr 2016 gebucht wurde.

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem unbedenklichen Akteninhalt, den Feststellungen der Abgabenbehörden soweit der Beschwerdeführer diesen nicht entgegengetreten ist, dem Beschwerdevorbringen sowie den Ausführungen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung.

2. Anzuwendende Rechtsvorschriften:

2.1. Bundesabgabenordnung - BAO:

§ 1. ( 1) Die Bestimmungen der BAO gelten in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben (mit Ausnahme der Verwaltungsabgaben des Bundes, der Länder und der Gemeinden) sowie der auf Grund unmittelbar wirksamer Rechtsvorschriften der Europäischen Union zu erhebenden öffentlichen Abgaben, in Angelegenheiten der Eingangs- und Ausgangsabgaben jedoch nur insoweit, als in den zollrechtlichen Vorschriften nicht anderes bestimmt ist, soweit diese Abgaben durch Abgabenbehörden des Bundes, der Länder oder der Gemeinden zu erheben sind.

§ 2a. Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten sinngemäß in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, soweit sie im Verfahren vor der belangten Abgabenbehörde gelten. In solchen Verfahren ist das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) nicht anzuwenden. …

§ 7. (1) Personen, die nach Abgabenvorschriften für eine Abgabe haften, werden durch Geltendmachung dieser Haftung (§ 224 Abs. 1) zu Gesamtschuldnern.

(2) Persönliche Haftungen (Abs. 1) erstrecken sich auch auf Nebenansprüche (§ 3 Abs. 1 und 2).

§ 9. (1) Die in den §§ 80 ff. bezeichneten Vertreter haften neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

§ 80. (1) Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haben alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, daß die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

§ 224. (1) Die in Abgabenvorschriften geregelten persönlichen Haftungen werden durch Erlassung von Haftungsbescheiden geltend gemacht. In diesen ist der Haftungspflichtige unter Hinweis auf die gesetzliche Vorschrift, die seine Haftungspflicht begründet, aufzufordern, die Abgabenschuld, für die er haftet, binnen einer Frist von einem Monat zu entrichten.

§ 279. (1) Außer in den Fällen des § 278 hat das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.

(2) Durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung dieses Bescheides befunden hat.

(3) Im Verfahren betreffend Bescheide, die Erkenntnisse (Abs. 1) abändern, aufheben oder ersetzen, sind die Abgabenbehörden an die für das Erkenntnis maßgebliche, dort dargelegte Rechtsanschauung gebunden. Dies gilt auch dann, wenn das Erkenntnis einen kürzeren Zeitraum als der spätere Bescheid umfasst.

2.2. Kommunalsteuergesetz 1993 - KommStG:

§ 6a. (1) Die in den §§ 80 ff der Bundesabgabenordnung bezeichneten Vertreter haften neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Kommunalsteuer insoweit, als diese Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Fall der Eröffnung des Insolvenzverfahrens. § 9 Abs. 2 Bundesabgabenordnung gilt sinngemäß.

(2) Soweit Personen auf die Erfüllung der Pflichten der Abgabepflichtigen und der in §§ 80 ff Bundesabgabenordnung bezeichneten Vertreter tatsächlich Einfluss nehmen, haben sie diesen Einfluss dahingehend auszuüben, dass diese Pflichten erfüllt werden.

(3) Die in Abs. 2 bezeichneten Personen haften für die Kommunalsteuer insoweit, als diese Abgabe infolge ihrer Einflussnahme nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

§ 11. (1) Die Steuerschuld entsteht mit Ablauf des Kalendermonates, in dem Lohnzahlungen gewährt, Gestellungsentgelte gezahlt (§ 2 lit. b) oder Aktivbezüge ersetzt (§ 2 lit. c) worden sind. Lohnzahlungen, die regelmäßig wiederkehrend bis zum 15. Tag eines Kalendermonats für den vorangegangenen Kalendermonat gewahrt werden, sind dem vorangegangenen Kalendermonat zuzurechnen.

(2) Die Kommunalsteuer ist vom Unternehmer für jeden Kalendermonat selbst zu berechnen und bis zum 15. des darauffolgenden Monates (Fälligkeitstag) an die Gemeinde zu entrichten. Werden laufende Bezüge für das Vorjahr nach dem 15. Jänner bis zum 15. Februar ausgezahlt, ist die Kommunalsteuer bis zum 15. Februar abzuführen.

(3) Ein im Rahmen der Selbstberechnung vom Steuerschuldner selbst berechneter und der Abgabenbehörde bekannt gegebener Kommunalsteuerbetrag ist vollstreckbar. …

2.3. Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG:

§ 25a. (1) Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

(…)

(5) Die Revision ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.

3. Rechtliche Würdigung:

Gemäß § 6 Abs. 1 KommStG haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffende Kommunalsteuer insoweit, als diese Abgabe infolge schuldhafter Verletzung der ihnen auferlegten abgabenrechtlichen oder sonstigen Pflichten nicht ohne Schwierigkeiten eingebracht werden kann, insbesondere im Fall der Konkurseröffnung.

Zur Vertretung der juristischen Person befugt ist im Falle der GmbH deren Geschäftsführer (vgl. § 18 Abs. 1 GmbHG).

Voraussetzung für die Geltendmachung dieser Vertreterhaftung ist zunächst das Bestehen einer offenen Kommunalsteuerforderung gegenüber der Gesellschaft und zumindest die Gefährdung der Einbringlichkeit dieser Forderung bzw. deren Uneinbringlichkeit.

Im gegenständlichen Fall besteht eine dem Grunde und der Höhe nach unbestrittene Forderung der Stadt Wiener Neustadt gegenüber der B GmbH hinsichtlich der Kommunalsteuer für 2016 von € 1.119,42 und für 2017 € 2.323,97.

Die Steuer wurde durch Steuererklärungen der B GmbH festgesetzt, jedoch an die Stadt Wiener Neustadt nicht zur Gänze entrichtet.

Auch die Voraussetzung der Gefährdung der Einbringlichkeit ist durch den Eintritt des im Gesetz ausdrücklich angeführten Falles der Konkurseröffnung jedenfalls erfüllt bzw. steht nach Abschluss des Insolvenzverfahrens für die die festgesetzte Quote übersteigenden offenen Steuerbeträge deren Uneinbringlichkeit fest.

Weitere Voraussetzung ist eine Pflichtverletzung des Vertreters sowie die Kausalität zwischen Pflichtverletzung und Uneinbringlichkeit.

Die GmbH ist verpflichtet, Abgabenschuldigkeiten, mit deren Abfuhr oder Einzahlung sie – aus welchem Grund auch immer - in Rückstand geraten ist, zu erfüllen, und zur Erfüllung dieser Verpflichtung ist der Geschäftsführer der GesmbH verhalten.

Zu den abgabenrechtlichen Pflichten des Vertreters gehört es, dafür zu sorgen, dass die Abgaben entrichtet werden (vgl. VwGH vom 18. Oktober 1995, Zlen. 91/13/0037, 0038).

Im Zeitraum Jänner 2016 bis Juni 2017 ist die Entrichtung der selbstberechneten Kommunalsteuer zumeist unterblieben.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Vertreterhaftung - die Bestimmung des § 6a KommStG entspricht der Rechtslage nach §§ 9, 80 BAO - hat der Vertreter darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten unmöglich gewesen ist, widrigenfalls die Abgabenbehörde eine schuldhafte Verletzung annehmen darf.

Eine schuldhafte Verletzung der Vertreterpflichten ist anzunehmen, wenn der Vertreter keine Gründe darlegen kann, auf Grund derer ihm die Erfüllung seiner Pflichten unmöglich gewesen ist; den Vertreter trifft dabei eine qualifizierte Behauptungs- und Konkretisierungspflicht (vgl. VwGH vom 30. September 2009, Zl. 2007/13/0048).

Gemäß § 11 Abs. 2 Kommunalsteuergesetz ist die Kommunalsteuer vom Unternehmer für jeden Kalendermonat selbst zu berechnen und bis zum 15. des auf die Lohnzahlung folgenden Monats (Fälligkeitstag) an die Gemeinde zu entrichten.

Im gegenständlichen Fall trat die Fälligkeit der offenen Beträge daher zwischen Jänner 2016 und Juni 2017 ein.

Vom Beschwerdeführer wurde in der Verhandlung angegeben, dass für das Jahr 2017 die Kommunalsteuer anfänglich noch bezahlt worden sei, danach sei aber kein Guthaben mehr zur Verfügung gestanden und seien die Zahlungen eingestellt worden. Mangels vorhandener Mittel seien auch die Zahlungen der Gehälter an Finanzamt, Sozialversicherung, Lieferanten und sonstige Gläubiger eingestellt worden. Mangels vorhandener Mittel seien danach überhaupt keine Zahlungen mehr geleistet worden, insbesondere sei die Stadt Wiener Neustadt nicht anders behandelt worden als andere Gläubiger.

Im Ermittlungsverfahren konnte somit festgestellt werden, dass die zur Verfügung stehenden Mittel der Gesellschaft ab 2017 nicht mehr ausreichten, um die offene Kommunalsteuer in voller Höhe an die Stadt Wiener Neustadt zu entrichten.

Schuldhafte Verletzungen abgabenrechtlicher Verpflichtungen berechtigen zur Haftungsinanspruchnahme. Eine bestimmte Schuldform ist nicht gefordert, auch leichte Fahrlässigkeit ist bereits ausreichend (vgl. VwGH vom 31. Oktober 2000, Zl. 95/15/0137). Es kommt nicht darauf an, ob dem Geschäftsführer zur Nichtentrichtung der im Haftungsbescheid vorgeschriebenen Abgaben eine - mutwillige – Abgabenhinterziehung oder "auffällige Sorglosigkeit" vorzuwerfen ist. Zur Haftungsinanspruchnahme genügt der Vorwurf bloßen - vom Geschäftsführer zu widerlegenden - Verschuldens, sohin auch leichte Fahrlässigkeit (vgl. VwGH vom 18. Oktober 1995, Zlen. 91/13/0037, 0038). Der Vertreter hat darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung abgabenrechtlicher Verpflichtungen (die Abgabenentrichtung durch die Gesellschaft) unmöglich war, widrigenfalls eine schuldhafte Pflichtverletzung anzunehmen ist (vgl. VwGH vom 13. April 2005, Zl. 2002/13/0183). Der Vertreter hat für die Möglichkeit seines pflichtgemäßen Verhaltens zu sorgen und vorzusorgen (vgl. VwGH vom 7. September 1990, Zl. 89/14/0132), es obliegt dem Vertreter die konkrete (schlüssige) Darstellung der Gründe, die der gebotenen zeitgerechten Abgabenentrichtung entgegenstanden (VwGH vom 4. April 1990, Zl. 89/13/0212), es trifft ihn eine qualifizierte Behauptungs- und Konkretisierungslast (VwGH vom 28. April 2004, Zl. 99/14/0120).

Gründe, die ein Verschulden für die objektiv vorliegende Pflichtverletzung (Nicht-entrichtung der Kommunalsteuer) ausschließen könnten, wurden im Verfahren nicht schlüssig dargestellt. Insbesondere wurde vom Beschwerdeführer selbst in der Verhandlung eingestanden, dass er nicht behaupten könne, keine Fehler gemacht zu haben bzw. kein Verschulden an der Nichtentrichtung der Kommunalsteuer zu tragen.

Die Haftungsinanspruchnahme setzt zudem eine Kausalität zwischen schuldhafter Pflichtverletzung und Abgabenausfall voraus.

Hat der Vertreter schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit ursächlich war (vgl. VwGH vom 18. März 2013, 2011/16/0187; vom 21. November 2013, 2013/16/0203).

Letztlich ist im gegenständlichen Fall offensichtlich, dass die Unterlassung der Abgabenentrichtung im Jahr 2016 ursächlich für die nunmehrige Uneinbringlichkeit war.

Mangels vorhandener Mittel wurden jedoch ab 2017 keinerlei Zahlungen an Gläubiger geleistet. Eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ist allein deswegen bereits auszuschließen. Die für das Jahr 2017 nicht entrichteten Abgabenbeträge wären demnach auch ohne die Pflichtverletzung des Beschwerdeführers uneinbringlich geworden. Mangels Kausalität besteht diesbezüglich keine Haftung.

Schließlich liegt auch bei Vorliegen aller Voraussetzungen die Inanspruchnahme zur Haftung im behördlichen Ermessen (vgl. VwGH vom 16. Oktober 2014, Ro2014/16/0066; vom 25. März 2010, 2009/16/0104, und die bei Ritz, BAO6, Tz 5 zu § 7 und Tz 4 zu § 20 angeführte Rechtsprechung).

Dieses Ermessen umfasst auch das Ausmaß der Heranziehung zur Haftung (zB. VwGH vom 25. März 2010, 2009/16/0104).

Ermessensentscheidungen sind innerhalb der Grenzen, die das Gesetz zieht, nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen (vgl. § 20 BAO). Es handelt sich bei der persönlichen Haftung des § 6a KommStG – wie auch die Beschwerde zutreffend ausführt – um eine verschuldensabhängige Schadenshaftung, womit der Haftende den durch sein Verschulden zustande gekommenen Abgabenausfall ausgleichen soll.

Unter Billigkeit versteht die Rechtsprechung die Angemessenheit in Bezug auf berechtigte Interessen der Partei. Mit dem Beschwerdevorbringen zeigt der Beschwerdeführer nicht auf, dass die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung das ihr eingeräumte Ermessen überschritten oder missbraucht hätte.

In der Geltendmachung der Haftung im Gesamtausmaß der offenen Kommunalsteuerforderung für 2016 ist keine zu einem Ermessensmissbrauch oder einer Ermessensüberschreitung führende Unzweckmäßigkeit zu sehen.

Für die für 2017 uneinbringliche Kommunalsteuer ist mangels Kausalität der Pflichtverletzung zur Uneinbringlichkeit die Geltendmachung der Haftung ausgeschlossen.

Für die verfahrensgegenständlichen Nebengebühren bestand mangels bescheidmäßiger Festsetzung zu keinem Zeitpunkt eine Zahlungsverpflichtung der B GmbH. Deren Nichtentrichtung kann demnach auch nicht dem Geschäftsführer angelastet werden. Die Geltendmachung einer Haftung (hier gemäß § 9 BAO) ist diesbezüglich ausgeschlossen.

Der Haftungsbetrag war daher um den Betrag der für 2017 offenen Kommunalsteuer und die Nebengebühren zu vermindern bzw. die Geltendmachung der Haftung auf das Jahr 2016 einzuschränken.

Für 2016 wurde eine offene Forderung von € 2.897,72 im Insolvenzverfahren angemeldet. Mit dem am 3. Oktober 2017 angenommenen Sanierungsplan wurde eine Quote von 22 % für die Gläubiger festgelegt. Diese Festlegung entspricht für die angemeldeten Forderungen einer bindenden Verrechnungsweisung iSd § 214 Abs. 4 BAO, sodass Quotenzahlungen an die Gemeinde abweichend von § 214 Abs. 1 BAO daher nicht zur Gänze auf die älteste Forderung, sondern anteilig – im Ausmaß der Quote – auf die angemeldeten Forderungen zu buchen sind. Auf den Forderungsbetrag für 2016 im Ausmaß von € 2.897,92 ist daher eine Quotenzahlung im Ausmaß von 22 %, daher ein Betrag von € 637,50 anzurechnen. Für 2016 verbleibt daher eine offene Kommunalsteuerforderung im Betrag von € 2.260,22.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

4. Zu Spruchpunkt 2 - Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die Revision gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Im Hinblick auf die obigen Ausführungen (siehe 3.) liegen jedoch keine Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor.

Schlagworte

Finanzrecht; Kommunalsteuer; Haftung; Insolvenz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2022:LVwG.AV.320.001.2022

Zuletzt aktualisiert am

20.03.2023
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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