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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §66 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 28. Dezember 1993, Zl. Fr 2696/93, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 28. Dezember 1993 gab die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (die belangte Behörde) der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 15. Oktober 1993, mit welchem gemäß § 17 Abs. 2 Z. 4 und Abs. 3 Fremdengesetz die Ausweisung verfügt worden war, keine Folge und bestätigte den angefochtenen Bescheid mit der Maßgabe, daß sich dieser nunmehr auf § 17 Abs. 2 Z. 6 Fremdengesetz stütze. In der Begründung des angefochtenen Bescheides ging die belangte Behörde davon aus, daß der Beschwerdeführer am 19. September 1993 nicht rechtmäßig in das Bundesgebiet eingereist und nicht im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung gewesen sei. Sein Antrag auf Gewährung von Asyl sei mit Bescheid vom 13. Oktober 1993 abgewiesen worden. Gemäß § 17 Abs. 2 Z. 4 Fremdengesetz könnten Fremde im Interesse der öffentlichen Ordnung mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn sie innerhalb eines Monates nach der Einreise den Besitz der Mittel zu ihrem Unterhalt nicht nachzuweisen vermögen. Da der belangten Behörde eine Verpflichtungserklärung der Caritas Wien vorliege, stütze sich der Bescheid nicht mehr auf die genannte Gesetzesstelle. Mit Zaire bestehe kein Sichtvermerksabkommen und der Beschwerdeführer sei daher zur sichtvermerksfreien Einreise in das Bundesgebiet nicht berechtigt. Er sei "sohin zumindest unter Mißachtung der Bestimmungen des 2. Teiles des Fremdengesetzes" in das Bundesgebiet gelangt und innerhalb eines Monates nach seiner Einreise betreten worden. Es seien sohin sämtliche Tatbestandsmerkmale der zitierten gesetzlichen Bestimmung (§ 17 Abs. 2 Z. 6 Fremdengesetz) erfüllt.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn "aufzuheben".
3. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Inhaltlich als Begründungsmangel bringt der Beschwerdeführer vor, Zweck des Ermittlungsverfahrens sei es gemäß § 37 AVG, den für die Erledigung einer Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt festzustellen. Die belangte Behörde habe jedoch entschieden, ohne den maßgeblichen Sachverhalt festzustellen. Es möge zwar durch die Vermischung von Tatsachenfeststellungen und rechtlicher Beurteilung impliziert sein, daß der Beschwerdeführer ohne Sichtvermerk eingereist sein soll. Weder der erstinstanzliche noch der zweitinstanzliche Bescheid enthielten allerdings entsprechende, ausdrückliche Feststellungen. Es wäre daher an der belangten Behörde gelegen, allenfalls festzustellen, daß der Beschwerdeführer ohne Sichtvermerk eingereist sei.
Entgegen diesem Vorbringen kann dem angefochtenen Bescheid die Feststellung entnommen werden, daß der Beschwerdeführer ohne erforderlichen Sichtvermerk in das Bundesgebiet eingereist sei. Dies ergibt sich eindeutig aus den Ausführungen in der Begründung des angefochtenen Bescheides, wonach mit Zaire kein Sichtvermerksabkommen bestehe und der Beschwerdeführer daher zur sichtvermerksfreien Einreise in das Bundesgebiet nicht berechtigt gewesen sei. "Er sei SOHIN zumindest unter Mißachtung der Bestimmungen des 2. Teiles des Fremdengesetzes in das Bundesgebiet gelangt." Aus diesen Ausführungen ist die Annahme der belangten Behörde abzuleiten, daß der Beschwerdeführer ohne den erforderlichen Sichtvermerk in das Bundesgebiet eingereist sei. Der behauptete Begründungsmangel haftet dem angefochtenen Bescheid somit nicht an.
2. Als Verletzung seines Rechtes auf Gehör meint der Beschwerdeführer, es hätte ihm Gelegenheit gegeben werden müssen, sich im Ermittlungsverfahren zu den Ergebnissen des Beweisverfahrens zu äußern. "Erst dann könnte erörtert werden, ob der Beschwerdeführer "nicht rechtmäßig" eingereist sei und ob allenfalls von einem Asylwerber der Erwerb eines Sichtvermerks im Verfolgungsstaat zumutbarerweise erwartet werden kann."
Mit diesen Ausführungen vermag der Beschwerdeführer die erforderliche Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht aufzuzeigen. Er unterläßt es aufzuzeigen, mit Hilfe welcher Beweisergebnisse die belangte Behörde zu welchen Tatsachen hätte gelangen können, die zu einem für den Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis bei der Beurteilung der Sache hätten führen können.
3. Soweit der Beschwerdeführer letztlich auf eine "überraschende Umstellung in der Begründung (nunmehr § 17 Abs. 2 Z. 6 Fremdengesetz)" verweist, ist ihm zu entgegnen, daß die Tatbestände des § 17 Abs. 1 und des Abs. 2 Z. 1 bis 6 Fremdengesetz (lediglich) die Gründe sind, die der Behörde für die Erlassung der fremdenpolizeilichen Maßnahme der Ausweisung zur Verfügung stehen. Somit ist "Sache" im Sinne des § 66 Abs. 4 erster Satz AVG die vor der Erstbehörde in Verhandlung gestandene, den Inhalt des Spruches ihres Bescheides bildende Erlassung der Ausweisung gegen den Fremden. Im Rahmen dieser Sache ist die Berufungsbehörde gemäß § 66 Abs. 4 zweiter Satz AVG nicht nur berechtigt, einen erstinstanzlichen Bescheid unter Heranziehung des § 17 Abs. 1 FrG anstatt des von der ersten Instanz angewendeten § 17 Abs. 2 leg. cit. abzuändern (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. September 1994, Zl. 94/18/0013), sondern auch (wie vorliegend) die Ausweisung anstatt auf § 17 Abs. 2 Z. 4 auf § 17 Abs. 2 Z. 6 leg. cit. zu stützen.
4. Aus diesen Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den - in dieser Höhe begehrten - Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 Abs. 1, 48 Abs. 2 VwGG.
Schlagworte
Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die SacheEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1995:1994180137.X00Im RIS seit
20.11.2000