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62 ArbeitsmarktverwaltungNorm
B-VG Art11 Abs2Leitsatz
Verfassungswidrigkeit einer Wortfolge des AusländerbeschäftigungsG betreffend die Ausnahme vom Erfordernis einer Amtssignatur bei automationsunterstützt erstellten Erledigungen; keine Unerlässlichkeit der vom AVG abweichenden Regelung, nur Ausfertigungen in Form von Ausdrucken mit einer Amtssignatur zu versehen, mangels Vorliegens besonderer Umstände oder eines Regelungszusammenhangs mit den materiellen Vorschriften im AusländerbeschäftigungsGRechtssatz
Aufhebung der Wortfolge "Bescheide und" in §20 Abs4 AuslBG idF BGBl 72/2013. Fristsetzung: Inkrafttreten der Aufhebung mit Ablauf des 31.03.2024. Im Übrigen: Abweisung des Antrags des BVwG. Erstreckung der Anlassfallwirkung: Die aufgehobene Bestimmung ist in den am 09.03.2023 beim BVwG anhängigen Verfahren nicht mehr anzuwenden.
Die "Unerlässlichkeit" einer abweichenden Regelung iSd Art11 Abs2 B-VG in einem Materiengesetz kann sich aus "besonderen Umständen" oder aus dem Regelungszusammenhang mit den materiellen Vorschriften ergeben. Das AVG beruht auf der kompetenzrechtlichen Grundlage des Art11 Abs2 B-VG und die Bestimmungen des AVG stellen "einheitliche Vorschriften" iSd Art11 Abs2 B-VG dar. §20 Abs4 AuslBG weicht von den Vorschriften des AVG über schriftliche Ausfertigungen ab, wonach "Erledigungen", die "Ausfertigungen in Form von elektronischen Dokumenten" sind, "mit einer Amtssignatur versehen sein" müssen und (nur) "Ausfertigungen in Form von Ausdrucken von mit einer Amtssignatur versehenen elektronischen Dokumenten oder von Kopien solcher Ausdrucke [...] keine weiteren Voraussetzungen zu erfüllen" brauchen, wohingegen "[s]onstige Ausfertigungen [...] die Unterschrift des Genehmigenden zu enthalten" haben, wobei "an die Stelle dieser Unterschrift [...] die Beglaubigung der Kanzlei treten kann". Eine Auslegung des §20 Abs4 AuslBG dahingehend, dass dieser keinen von §18 Abs4 AVG abweichenden Inhalt aufweist, kommt für den VfGH nicht in Betracht.
Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass besondere Umstände oder der Regelungszusammenhang eine Abweichung von den Erfordernissen des §18 Abs4 AVG rechtfertigen würden. Auch für automationsunterstützt erstellte Erledigungen nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz ist ein ausreichendes Niveau der Identifizierbarkeit und Authentifizierbarkeit (Fälschungssicherheit) erforderlich und es bestehen keine Bedenken, dass es zu einem nicht bewältigbaren Verwaltungsaufwand kommen würde. Die angefochtene Bestimmung beinhaltet daher keine für die Erlassung von Bescheiden nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz unerlässliche und somit keine iSd Art11 Abs2 B-VG zur Regelung des Gegenstandes erforderliche abweichende Regelung (E v 09.03.2023, G295/2022 ua).
§20 Abs4 AuslBG enthält Vorschriften für die Form von Ausfertigungen von Bescheiden einerseits und Bescheinigungen andererseits. Dem Anlassverfahren vor dem BVwG liegt jedoch (nur) ein Bescheid zugrunde. Zur Herstellung eines Rechtszustandes, gegen den die im Antrag dargelegten Bedenken für das Anlassverfahren nicht bestehen, genügt es, lediglich die Wortfolge "Bescheide und" in §20 Abs4 AuslBG aufzuheben. Im Übrigen ist der Antrag daher abzuweisen.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Ausländerbeschäftigung, elektronischer Rechtsverkehr, elektronische Signatur, Bescheidbegriff, VfGH / Verwerfungsumfang, VfGH / Anlassverfahren, VfGH / Aufhebung Wirkung, VfGH / Fristsetzung, VfGH / Gerichtsantrag, Verwaltungsverfahren, Bescheid UnterschriftEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2023:G38.2023Zuletzt aktualisiert am
20.03.2023