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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer und die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Terlitza als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Karger LL.M., über die Revision der K Y, in H, vertreten durch Mag. Hüseyin Kilic, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Meinhardstraße 5, Top 2, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 30. November 2022, Zl. LVwG-2022/30/0692-5, betreffend Staatsbürgerschaft (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Tiroler Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis stellte das Landesverwaltungsgericht Tirol (Verwaltungsgericht) in der Sache gemäß § 42 Abs. 3 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) von Amts wegen fest, dass die Revisionswerberin die durch Verleihung nach § 11a StbG mit Wirkung vom 15. Juni 1998 erworbene österreichische Staatsbürgerschaft aufgrund des über eigenen Antrag erfolgten Erwerbs der türkischen Staatsangehörigkeit gemäß § 27 Abs. 1 StbG mit dem Tag des Beschlusses Nr. 2001/3301 des türkischen Ministerrates vom 8. November 2001 verloren hat (Spruchpunkt 1.), und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei (Spruchpunkt 2.).
2 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
3 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
4 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
5 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
6 Gemäß § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG hat die Revision (u.a.) die Bezeichnung der Rechte, in denen der Revisionswerber verletzt zu sein behauptet (Revisionspunkte), zu enthalten. Durch die vom Revisionswerber vorgenommene Bezeichnung der Revisionspunkte wird der Prozessgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens festgelegt und der Rahmen abgesteckt, an den der Verwaltungsgerichtshof bei Prüfung des angefochtenen Erkenntnisses gebunden ist. Danach hat der Verwaltungsgerichtshof nicht zu prüfen, ob irgendein subjektives Recht des Revisionswerbers verletzt wurde, sondern nur, ob jenes verletzt wurde, dessen Verletzung dieser behauptet. Der in § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG geforderten Angabe der Revisionspunkte kommt für den Prozessgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens insoweit entscheidende Bedeutung zu, als der Revisionswerber jenes subjektive Recht herauszuheben hat, dessen behauptete Verletzung die Legitimation zur Revisionserhebung erst begründet. Wird der Revisionspunk unmissverständlich ausgeführt, so ist er einer Auslegung aus dem Gesamtzusammenhang der Revision nicht zugänglich (vgl. etwa VwGH 18.10.2022, Ra 2022/01/0226, mwN).
7 Die Revision bezeichnet als Revisionspunkt unter dem Titel „Zur Zulässigkeit der außerordentlichen Revision“, die Revisionswerberin erachte sich „in nachstehend angeführten einfachgesetzlichen und verfassungsrechtlich geschützten Rechten, insbesondere in ihrem Recht auf Gleichbehandlung gemäß den im Verfassungsrang stehenden Vorschriften des Staatsgrundgesetzes, der Bundesverfassung, sowie der EMRK verletzt“. In den weiteren Ausführungen der Revision wird als Revisionspunkt alleine die „Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein faires Verfahren, respektive auf rechtliches Gehör gemäß Art. 6 EMRK“ bezeichnet.
8 Damit werden verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte bezeichnet, die vor dem Verfassungsgerichtshof (VfGH) geltend zu machen sind. Der Verwaltungsgerichtshof ist zur Prüfung einer behaupteten Verletzung eines verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts, das gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG als Prozessvoraussetzung für ein Beschwerdeverfahren vor dem VfGH umschrieben ist, nicht berufen (vgl. zu allem etwa VwGH 4.6.2021, Ra 2021/01/0178, mwN).
9 Im Übrigen liegt die von der Revision behauptete Abweichung von näher zitierter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur „positiven“ Willenserklärung (vgl. etwa VwGH 18.10.2022, Ra 2021/01/0252, mwN) und zur unionsrechtlich gebotenen Verhältnismäßigkeitsprüfung (vgl. etwa VwGH 12.12.2022, Ra 2020/01/0074, mwN) nicht vor.
10 Eine unvertretbare Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts im vorliegenden Einzelfall wird nicht dargetan (vgl. zur Prüfung der Beweiswürdigung in Fällen nach § 27 StbG nochmals VwGH 12.12.2022, Ra 2020/01/0074, mwN). Zu dem in diesem Zusammenhang in der Zulässigkeitsbegründung vorgetragenen Vorbringen, es existiere keine einheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs „zur Frage der Beantragung einer fremden Staatsbürgerschaft für eine volljährige, eigenberechtigte Person ohne Vorlage einer speziell darauf erteilten Vollmacht, obwohl deren Beachtlichkeit und Geltung zu bejahen ist“, genügt es darauf hinzuweisen, dass das Verwaltungsgericht beweiswürdigend davon ausgegangen ist, die neuerliche Beantragung der türkischen Staatsangehörigkeit sei durch den (damaligen) Ehemann der Revisionswerberin mit deren Wissen und Zustimmung erfolgt (vgl. zur mündlichen Erteilung einer Vollmacht VwGH 23.6.2016, Ra 2016/20/0093, mwN, vgl. zur Feststellung ausländischen Rechts etwa VwGH 12.3.2020, Ra 2019/01/0484, mwN).
11 Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 7. Februar 2023
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2023:RA2023010015.L00Im RIS seit
20.03.2023Zuletzt aktualisiert am
20.03.2023