Index
E3R E03102000Norm
B-VG Art133 Abs4Beachte
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Dr. Bachler und Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Gnilsen, über die Revision 1. der J H und 2. des T H, beide in S und beide vertreten durch die AnwaltGmbH Rinner Teuchtmann in 4040 Linz, Hauptstraße 33, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. März 2022, Zl. W104 2246303-1/5E, betreffend Gewährung von Direktzahlungen für das Antragsjahr 2019 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Vorstand für den Geschäftsbereich II der Agrarmarkt Austria), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die revisionswerbenden Parteien haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von insgesamt € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit dem Formular „Antrag auf Zuweisung von Zahlungsansprüchen aus der nationalen Reserve infolge höherer Gewalt oder außergewöhnlicher Umstände gemäß Art. 30 Abs. 7 lit. b und c VO (EU) 1307/2013“ beantragten die revisionswerbenden Parteien die Zuweisung von Zahlungsansprüchen aus der nationalen Reserve. In der Spalte „Art der höheren Gewalt oder des außergewöhnlichen Umstandes“ ergänzten die revisionswerbenden Parteien das Formular handschriftlich um den Grund „Versäumung Antragsfrist“ und führten aus, der Antrag auf Übertragung von Zahlungsansprüchen sei nicht eingebracht worden. Diesem Antrag lagen ein Pachtvertrag vom 4. April 2016 und das ausgefüllte Formular „Übertragung von Zahlungsansprüchen (ZA) 2016“, datiert mit 4. April 2016, bei, wonach im Antragsjahr 2016 11,97 Zahlungsansprüche mit Flächenweitergabe aus dem Grund „Pacht“ vom übergebenden Betrieb Heinrich M., BNr. 23624881, an den Betrieb der revisionswerbenden Parteien hätten übertragen werden sollen. Der Antrag langte am 21. Jänner 2019 bei der belangten Behörde ein.
2 Am 21. März 2019 stellten die revisionswerbenden Parteien elektronisch einen Mehrfachantrag Flächen (in der Folge: MFA Flächen) für das Antragsjahr 2019, beantragten die Gewährung von Direktzahlungen sowie die Zahlung für Junglandwirte und spezifizierten zu diesem Zweck in der Internet-Applikation INVEKOS-GIS eine Reihe von landwirtschaftlichen Nutzflächen.
3 Mit Bescheid vom 10. Jänner 2020 gewährte die belangte Behörde den revisionswerbenden Parteien für das Antragsjahr 2019 Direktzahlungen in der Höhe von € 4.524,45. Der Antrag auf Zuteilung von Zahlungsansprüchen aus der nationalen Reserve infolge höherer Gewalt oder außergewöhnlicher Umstände vom 21. Jänner 2019 wurde hingegen abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass „die Voraussetzungen nicht erfüllt sind“.
4 Gegen die Abweisung des Antrages auf Zuweisung von Zahlungsansprüchen aus der nationalen Reserve infolge höherer Gewalt oder außergewöhnlicher Umstände erhoben die revisionswerbenden Parteien Beschwerde an das Verwaltungsgericht.
5 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 2. März 2022 wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde als unbegründet ab (Spruchpunkt A) und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig (Spruchpunkt B).
6 Begründend hielt das Verwaltungsgericht fest, die revisionswerbenden Parteien hätten nicht vorgebracht, dass sie die Frist zur Übertragung von Zahlungsansprüchen infolge höherer Gewalt oder außergewöhnlicher Umstände versäumt hätten.
7 Die revisionswerbenden Parteien hätten jedoch - offenbar im Bewusstsein, dass eine Dispens von der Einhaltung der Antragsfrist für die Übertragung auf Grund der einschlägigen Rechtsvorschriften nicht möglich sei - mit dem Formular „Antrag auf Zuweisung von Zahlungsansprüchen aus der nationalen Reserve infolge höherer Gewalt oder außergewöhnlicher Umstände gemäß Art. 30 Abs. 7 lit. b und c VO (EU) 1307/2013“ die Zuweisung von Zahlungsansprüchen aus der nationalen Reserve beantragt.
8 Die revisionswerbenden Parteien argumentierten, sie befänden sich durch die Versäumung der Antragsfrist für die Übertragung der Zahlungsansprüche für die gepachteten Flächen im Antragsjahr 2016 in einer „spezifischen Situation“, da ihnen auf Grund des versäumten Antrages jährlich 11,97 Zahlungsansprüche fehlten, was einen groben finanziellen Schaden für ihren Betrieb darstellte.
9 Strittig sei daher im vorliegenden Fall, ob die revisionswerbenden Parteien Anspruch auf Zuweisung von Zahlungsansprüchen aus der nationalen Reserve infolge des Versäumens der Antragsfrist für die Übertragung von Zahlungsansprüchen im Antragsjahr 2016 hätten.
10 Mangels eines Vorbringens der revisionswerbenden Parteien, dass sie die Frist zur Übertragung von Zahlungsansprüchen infolge höherer Gewalt oder außergewöhnlicher Umstände versäumt hätten, komme daher eine Zuweisung von Zahlungsansprüchen aus der nationalen Reserve auf der Grundlage von Art. 30 Abs. 7 lit. c VO (EU) 1307/2013 iVm § 8b Abs. 3 Z 1 MOG 2007 schon deshalb unabhängig davon, dass sich diese Regelung nur auf die - hier nicht erfolgte - Erstzuweisung von Zahlungsansprüchen beziehe, nicht in Betracht.
11 Zu prüfen bleibe jedoch, ob den revisionswerbenden Parteien gemäß Art. 30 Abs. 7 lit. b VO (EU) 1307/2013 iVm § 8b Abs. 3 Z 3 MOG 2007 Zahlungsansprüche aus der nationalen Reserve zuzuweisen gewesen wären.
12 Die Ausdrücke „spezifische Nachteile“ im Sinn von Art. 30 Abs. 7 lit. b VO (EU) 1307/2013 bzw. „spezifische Situation“ gemäß § 8b Abs. 3 Z 3 MOG 2007 seien nach Art. 31 VO (EU) 639/2014 auszulegen, wonach dies nur Nachteile seien könnten, die dadurch entstünden, dass durch die Anwendung einer oder mehrerer Begrenzungen bei der Zuweisung von Zahlungsansprüchen gemäß Art. 24 Abs. 3 bis 7 VO (EU) Nr. 1307/2013 in einem Mitgliedstaat die Anzahl der einen Betriebsinhaber zugewiesenen Zahlungsansprüche unter einen festgelegten Prozentsatz seiner beihilfefähigen Hektarflächen falle.
13 Da es sich im Revisionsfall um keine derartige Situation handle, sei auch § 8b Abs. 3 Z 3 MOG 2007 hier nicht anwendbar.
14 Darüber hinaus schloss das Verwaltungsgericht aus den Gesetzesmaterialien zum Bundesgesetz, mit dem das MOG 2007 geändert wurde, BGBl. I Nr. 46/2018 (ErläutRV 143 BlgNR 26. GP), dass es sich bei der Frist, die gemäß § 8b Abs. 3 Z 3 MOG 2007 versäumt wurde, um die Frist für den Antrag auf Zuweisung von Zahlungsansprüchen aus der nationalen Reserve bzw. auf Erstzuweisung von Zahlungsansprüchen handle, nicht jedoch um allfällige andere Fristen wie die - revisionsgegenständliche - Frist für die Übertragung von Zahlungsansprüchen.
15 Die Unzulässigkeit der Revision begründete das Verwaltungsgericht damit, dass zwar für den konkreten Fall noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliege. Die Rechtslage erscheine jedoch so eindeutig, dass von einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht gesprochen werden könne.
16 Dagegen richtet sich die vorliegende Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
17 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die kostenpflichtige Zurück- bzw. Abweisung der Revision beantragt.
18 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
19 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
20 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
21 Nach § 34 Abs. 3 VwGG ist ein Beschluss nach Abs. 1 in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
22 Nach der ständigen hg. Rechtsprechung ist in den gemäß § 28 Abs. 3 VwGG bei einer außerordentlichen Revision gesondert vorzubringenden Gründen konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogen aufzuzeigen, welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung über die Revision zu lösen hätten. In den „gesonderten“ Gründen ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch nicht beantwortet hat. Die Beurteilung der Zulässigkeit der außerordentlichen Revision durch den Verwaltungsgerichtshof erfolgt ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulässigkeitsbegründung (vgl. VwGH 12.10.2022, Ra 2022/07/0167 bis 0181, mwN). Er ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. VwGH 23.9.2022, Ra 2019/07/0085, mwN).
23 In ihrer Zulässigkeitsbegründung führen die revisionswerbenden Parteien aus, es fehle jedenfalls eine Rechtsprechung, ob aufgrund der Versäumung einer Antragsfrist ein spezifischer Nachteil im Sinne von Art. 30 Abs. 7 lit. b VO (EU) 1307/2013 bzw. eine spezifische Situation gemäß § 8b Abs. 3 Z 3 MOG 2007 gegeben sei.
24 Folgende zwei Fragen machten die gegenständliche Revision zulässig:
„Die Hauptfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist, ob aufgrund der Versäumung der Antragsfrist für die Übertragung von Zahlungsansprüchen ein Härtefall iS. höherer Gewalt oder außergewöhnlicher Umstände gegeben ist?
Stellt ein entstandener finanzieller Schaden infolge einer Versäumung der Antragsfrist für die Übertragung von Zahlungsansprüchen eine ‚spezifische Situation‘ im Sinn von § 8b Abs. 3 Z 3 MOG 2007 dar?“
25 Mit der ersten Frage, die sich auf § 8b Abs. 3 Z 1 MOG 2007 bezieht, wird schon deshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt, weil sich die Revision damit vom festgestellten Sachverhalt entfernt (vgl. etwa VwGH 3.1.2023, Ra 2020/01/0030, mwN).
26 Das Verwaltungsgericht hat in seinem angefochtenen Erkenntnis festgestellt, die revisionswerbenden Parteien hätten nicht vorgebracht, dass sie die Frist zur Übertragung von Zahlungsansprüchen infolge höherer Gewalt oder außergewöhnlicher Umstände versäumt hätten.
27 In der Revisionsbegründung der vorliegenden Revision werden Verfahrensmängel ins Treffen geführt. Dort wird bemängelt, dass die Tatsache, weshalb die Antragsfrist versäumt worden sei, vom Verwaltungsgericht nicht beachtet bzw. im festgestellten Sachverhalt „festgehalten“ werde. Die notwendige Beantragung zur Übertragung der Zahlungsansprüche sei vom Verpächter Heinrich M. verabsäumt worden, wodurch ein „nicht mehr reparabler Rechtsnachteil“ entstanden sei. Dies sei höherer Gewalt bzw. außergewöhnlichen Umständen gleichzuhalten.
28 Auf dieses Vorbringen war schon deshalb nicht einzugehen, weil die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof - wie oben dargestellt - ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulässigkeitsbegründung erfolgt (vgl. VwGH 16.7.2019, Ra 2019/07/0068).
Schließlich bekämpft die Revision die aus dem klaren Wortlaut der Norm abgeleitete Ansicht des Verwaltungsgerichts, diese sei nur auf die - hier nicht gegebene - Erstzuweisung von Zahlungsansprüchen anwendbar, nicht. Auch deshalb wird mit der erstgenannten Frage keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt.
29 Die in der Zulässigkeitsbegründung von den revisionswerbenden Parteien formulierte zweite Frage erweist sich aus folgenden Überlegungen als nicht relevant:
30 Das Verwaltungsgericht vertritt in seinem angefochtenen Erkenntnis die Rechtsansicht, dass es sich bei der revisionsgegenständlichen Frist für die Übertragung von Zahlungsansprüchen um keine solche handeln würde, die gemäß § 8b Abs. 3 Z 3 MOG 2007 versäumt werden könnte. Bevor nun die Frage, ob ein finanzieller Schaden infolge einer Fristversäumnis eine „spezifische Situation“ im Sinne von § 8b Abs. 3 Z 3 MOG 2007 darstellt, beantwortet werden kann, stellt sich die Frage, ob die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtes, wonach die revisionsgegenständliche Frist für die Übertragung von Zahlungsansprüchen vom Anwendungsbereich des § 8b Abs. 3 Z 3 MOG 2007 gar nicht erfasst sei, zutreffend ist. Erst wenn sich die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtes zu letzterer Frage als unzutreffend erwiese, erlangte die zweite Frage des Zulässigkeitsvorbringens Relevanz.
31 Zur streitentscheidenden Frage des sachlichen Anwendungsbereiches des § 8b Abs. 3 Z 3 MOG 2007 in Bezug auf die Antragsfristen findet sich in der gesamten Revision kein Vorbringen.
32 Sollte man die zweite Zulässigkeitsfrage indessen so auslegen, dass davon auch das Problem des sachlichen Anwendungsbereiches des § 8b Abs. 3 Z 3 MOG 2007 umfasst ist, wird damit eine grundsätzliche Rechtsfrage schon deswegen nicht aufgezeigt, weil darauf in den Revisionsgründen nicht mehr zurückgekommen wird (vgl. VwGH 25.5.2021, Ra 2021/20/0081, mwN).
33 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
34 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 13. Februar 2023
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2023:RA2022070038.L00Im RIS seit
20.03.2023Zuletzt aktualisiert am
20.03.2023