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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Dr. Köller als Richter sowie die Hofrätinnen Mag. Dr. Maurer-Kober und Mag. Schindler als Richterinnen, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Herrmann-Preschnofsky, über die Revision des N in W, vertreten durch die Schärmer + Partner Rechtsanwälte GmbH in 1230 Wien, Dr. Neumann-Gasse 7, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 15. Juli 2022, LVwG-S-920/001-2022, betreffend Übertretung des KFG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen vom 16. Februar 2022 wurde dem Revisionswerber zur Last gelegt, er habe es als gemäß § 9 VStG verantwortlicher Beauftragter der J. GmbH zu verantworten, dass ein näher bezeichnetes Probefahrtkennzeichen auf einen defekten Anhänger, dem zuvor von der Polizei die Kennzeichentafeln abgenommen und die Weiterfahrt untersagt worden sei, montiert worden sei, obwohl es sich nicht um eine Probefahrt gehandelt habe. Der Revisionswerber habe dadurch gegen § 45 Abs. 4 zweiter Satz KFG verstoßen, weshalb über ihn gemäß § 134 Abs. 1 KFG eine Geldstrafe in der Höhe von € 200,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 40 Stunden) verhängt wurde.
2 Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (Verwaltungsgericht) wies die dagegen erhobene Beschwerde mit dem angefochtenen Erkenntnis nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab, setzte den Kostenbeitrag zum Beschwerdeverfahren fest und erklärte die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichthof für nicht zulässig.
3 Das Verwaltungsgericht stellte zusammengefasst fest, im Zuge einer Fahrzeugkontrolle des vom Lenker D. gefahrenen LKW-Zugs sei eine technische Unterwegskontrolle (§ 58a KFG) vorgenommen worden. Seitens der Techniker der mobilen Prüfeinrichtung (Prüfzug) sei bei der Kontrolle der Bremsanlage festgestellt worden, dass Gefahr im Verzug vorliege und sich das verfahrensgegenständliche Fahrzeug - der näher bestimmte Anhänger - nicht in verkehrs- und betriebssicherem Zustand befinde. Im amtlichen Teilprüfungsgutachten sei festgestellt worden, dass auf der zweiten Achse aufgrund näher dargelegter Mängel keine Bremswirkung vorhanden gewesen sei. Wegen der festgestellten gefährlichen Mängel am Anhänger wurde dessen Kennzeichen vorläufig abgenommen und für ihn ein Betriebsverbot verhängt. Die Polizei habe den Lenker darüber informiert, dass die Weiterfahrt zur Fachwerkstätte untersagt sei und der Anhänger auf einen Tieflader geladen werden müsse. Daraufhin habe der Lenker den Revisionswerber verständigt, welcher den Mechaniker K. zum verfahrensgegenständlichen Fahrzeug geschickt habe, der versucht habe, die Bremsen einzustellen. Der Anhänger sei daraufhin nochmals am Prüfzug untersucht worden, jedoch sei noch immer ein Mangel vorgelegen, der zu der Einschätzung geführt habe, dass Gefahr im Verzug vorliege, weshalb die Weiterfahrt zur Fachwerkstätte seitens der Polizei untersagt worden sei. In der Folge habe der Revisionswerber dem Lenker ein Probefahrtkennzeichen für den Anhänger gebracht und ihn beauftragt, mit dem Anhänger in die nächste Fachwerkstätte zu fahren. Auf dem Weg dahin sei der Lenker abermals angehalten worden und es sei aufgrund des Teilprüfungsgutachtens, aus dem hervorgehe, dass die Weiterfahrt aufgrund von Gefahr in Verzug untersagt worden sei, das Probekennzeichen abgenommen worden. Der Anhänger sei dann mit einem Tieflader zur Fachwerkstätte gebracht worden.
Die J. GmbH sei Inhaberin einer Bewilligung zur Durchführung von Probefahrten; der Revisionswerber habe um Zeitpunkt u.a. die Verantwortung für die Einhaltung kraftfahrrechtlicher Vorschriften für die J. GmbH nach § 9 Abs. 2 VStG getragen.
4 Beweiswürdigend führte das Verwaltungsgericht aus, der Revisionswerber sowie der Fahrer und der (vom Revisionswerber geschickte) Mechaniker hätten übereinstimmend angegeben, dass der verfahrensgegenständliche Anhänger vom Mechaniker repariert worden sei. Der Techniker des Prüfzuges habe darlegen können, dass es durchaus üblich sei, bei Mängeln die Möglichkeit einzuräumen, diese an Ort und Stelle reparieren und dann nochmals überprüfen zu lassen. Wenn nach wie vor Gefahr in Verzug gegeben sei, werde im Falle einer zweiten Kontrolle jedoch kein weiteres Teiluntersuchungsprotokoll ausgestellt, da es am Ergebnis nichts ändere.
5 In rechtlicher Hinsicht folgerte das Verwaltungsgericht aus der Tatsache, dass im Rahmen einer technischen Unterwegskontrolle ein gefährlicher Mangel festgestellt worden sei, der eine direkte und unmittelbare Gefahr für die Straßensicherheit dargestellt habe, und deshalb die Weiterfahrt untersagt worden sei, dass keine Probefahrt vorgelegen habe. Dies würde nämlich ansonsten zu dem sinnwidrigen Ergebnis führen, dass ein als nicht verkehrs- und betriebssicher festgestelltes Fahrzeug lediglich durch Anbringen des Probefahrtkennzeichens auf Straßen mit öffentlichem Verkehrs verwendet werden könnte, was wiederum zu einer direkten und unmittelbaren Gefahr für die Straßensicherheit führen würde.
Aus dem Vorbringen, wonach die Bremswirkung des verfahrensgegenständlichen Anhängers durch die Reparatur des Mechanikers K. der J. GmbH am Anhalteort wiederhergestellt worden sei, sei daher nichts zu gewinnen, weil auch die zweite Kontrolle am Prüfzug nicht dazu geführt habe, dass die Weiterbenützung des Fahrzeuges zum Erreichen der nächsten Werkstätte gestattet worden wäre. Es sei weiterhin ein schwerer Mangel und Gefahr im Verzug vorgelegen; die Kennzeichen seien von der Polizei nicht ausgehändigt und die Weiterfahrt nach wie vor untersagt worden.
Daher sei das Probefahrtkennzeichen bei anderen als Probefahrten verwendet worden, wodurch gegen § 45 Abs. 4 KFG verstoßen worden sei.
6 Dagegen wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 Zur Zulässigkeit der Revision führt der Revisionswerber Verfahrensmängel durch die Unterlassung der Einholung des beantragten Sachverständigengutachtens, die mangelnde Berücksichtigung von Zeugenaussagen und die mangelhafte Begründung, weshalb nach der erfolgten Reparatur noch immer ein Mangel mit Gefahr im Verzug bestanden haben soll, ins Treffen.
11 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass die Beurteilung, ob eine Beweisaufnahme, etwa ein Sachverständigengutachten bzw. zusätzliche Einvernahmen, im Einzelfall notwendig ist, dem Verwaltungsgericht obliegt. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG läge diesbezüglich nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Ergebnis geführt hätte (vgl. VwGH 7.9.2022, Ra 2022/02/0144, mwN).
12 Da für das Verwaltungsgericht ausgehend von den vorliegenden technischen Gutachten und nach Würdigung der Zeugenaussagen keine Zweifel daran bestanden, dass auch nach der durch den herbeigeholten Mechaniker K. durchgeführten Reparatur noch ein Mangel vorgelegen sei, der eine gefahrlose Weiterfahrt nicht ermöglicht habe, ist nicht ersichtlich, dass die Beurteilung des Verwaltungsgerichts grob fehlerhaft erfolgt wäre. Der Beurteilung des Verwaltungsgerichts, wonach unter den gegebenen Voraussetzungen die Verwendung des Probefahrtkennzeichens für ein Fahrzeug, dem aufgrund eines im Zuge einer technischen Überprüfung festgestellten gefährlichen Mangels fehlende Verkehrssicherheit attestiert und deshalb das Kennzeichen abgenommen und die Weiterfahrt polizeilich untersagt worden war, nicht gesetzeskonform war und keine Probefahrt im Sinne des § 45 Abs. 1 Z 3 KFG darstellte, kann daher nicht entgegengetreten werden.
13 Soweit der Revisionswerber die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts bekämpft, ist er darauf hinzuweisen, dass Fragen der Beweiswürdigung regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zukommt. Die Beweiswürdigung ist nur dahingehend der Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes unterworfen, ob der maßgebliche Sachverhalt ausreichend ermittelt wurde und ob die dabei angestellten Erwägungen schlüssig sind (vgl. VwGH 16.11.2022, Ra 2022/02/0206, mwN).
14 Das Verwaltungsgericht stützte seine Beweiswürdigung, wonach sich der Anhänger auch nach der Reparatur nicht in einem verkehrs- und betriebssicheren Zustand befunden habe, im Wesentlichen auf den Umstand, dass die abgenommenen Kennzeichentafeln auch nach der zweiten Kontrolle auf dem Prüfzug nicht wieder ausgefolgt und die Weiterfahrt zur nächsten Fachwerkstätte weiterhin untersagt worden sei, weil nach wie vor der zur Abnahme des Kennzeichens geführt habende, im Zuge der Prüfung im Rahmen der technischen Unterwegskontrolle beanstandete gefährliche Mangel vorgelegen sei. Dass diese Beweiswürdigung an einer vom Verwaltungsgerichthof aufzugreifenden Mangelhaftigkeit leidet, ist nicht ersichtlich. Auch aus dem vom Revisionswerber im Verfahren vorgelegten Gutachten gemäß § 57a Abs. 4 KFG, welches dann in der Fachwerkstätte erstellt wurde, und gemäß § 57a Abs. 4 KFG als öffentliche Urkunde gilt, ergibt sich, dass am Fahrzeug der bereits am Prüfzug beschriebene Mangel an der Bremsanlage festgestellt wurde, als „Gefahr im Verzug“ klassifiziert wurde und (letztlich) behoben wurde.
15 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 13. Februar 2023
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2023:RA2022020175.L00Im RIS seit
20.03.2023Zuletzt aktualisiert am
20.03.2023