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001 Verwaltungsrecht allgemeinNorm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma und die Hofräte Mag. Straßegger und Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision der V eG in S, vertreten durch die Posch, Schausberger & Lutz Rechtsanwälte GmbH in 4600 Wels, Eisenhowerstraße 40, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 12. November 2018, RV/5101485/2016, betreffend Grunderwerbsteuer (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Finanzamt Österreich, Dienststelle für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Revisionswerberin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Bescheid vom 10. November 2015 setzte das Finanzamt - aufgrund einer am 9. Oktober 2015 erstatteten Selbstanzeige - gegenüber der Revisionswerberin Grunderwerbsteuer fest. Aufgrund der Verschmelzung einer anderen Genossenschaft (A Genossenschaft) mit der Revisionswerberin (als übernehmende Genossenschaft) im Jahr 2014 sei es zu einer Vereinigung aller Anteile an einer AG mit Liegenschaftsbesitz (V-AB AG) in der Hand der Revisionswerberin gekommen.
2 In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde brachte die Revisionswerberin im Wesentlichen vor, sie habe schon im Jahr 2010 rund 98 % der Genossenschaftsanteile an der A Genossenschaft - die restlichen rund 2 % der Genossenschaftsanteile seien im Streubesitz verblieben - erworben. In Folge des Kaufes seien die jeweiligen - bis dahin selbstständig geführten - Bankbetriebe und die Liegenschaften der A Genossenschaft und der Revisionswerberin auf die neu gegründete V-AB AG, an der dann beide Genossenschaften beteiligt gewesen seien, übertragen worden. Für den Erwerb dieser Liegenschaften habe die V-AB AG Grunderwerbsteuer entrichtet. Aufgrund dieser Vorgänge sei davon auszugehen, dass die A Genossenschaft und die Revisionswerberin im Zeitpunkt ihrer Verschmelzung im Jahr 2014 im Verhältnis einer Organschaft zueinander gestanden seien (mit der Revisionswerberin als herrschendes Unternehmen), womit eine Anteilsvereinigung (gemäß § 1 Abs. 3 GrEStG) hinsichtlich der Anteile an der V-AB AG nicht mehr möglich gewesen sei. Jedenfalls hätte aber eine Anrechnung der bereits - anlässlich der Einbringung der Liegenschaften in die V-AB AG - entrichteten Grunderwerbsteuer gemäß § 1 Abs. 4 GrEStG erfolgen müssen.
3 Das Finanzamt wies diese Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung ab. Die Revisionswerberin stellte einen Vorlageantrag.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde der Revisionswerberin gemäß § 279 BAO als unbegründet ab und sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
5 Das Bundesfinanzgericht führte - auf das Wesentliche zusammengefasst - aus, mit Verschmelzungsvertrag vom 13. Juni 2014 sei - auf Grundlage des Genossenschaftsverschmelzungsgesetzes und unter Anwendung des Umgründungssteuergesetzes - unter Ausschluss der Liquidation und im Wege der Gesamtrechtsnachfolge die Verschmelzung der A Genossenschaft (als übertragende Genossenschaft, zu deren Vermögen allerdings keine Grundstücke gehörten) mit der Revisionswerberin (als übernehmende Genossenschaft) erfolgt. Im Zuge von im Jahr 2010 durchgeführten Umstrukturierungen seien die Betriebe und sämtliche Grundstücke der A Genossenschaft und der Revisionswerberin in die neu gegründete V-AB AG eingebracht worden. Die A Genossenschaft habe damals Stückaktien (an der V-AB AG) im Nominale von 2,215.300 € (entspricht einem Beteiligungsverhältnis von rund 44 %), die Revisionswerberin solche im Nominale von 2,784.700 € (entspricht einem Beteiligungsverhältnis von rund 56 %) erhalten. Anlässlich dieses Rechtsvorganges - des Erwerbes der Grundstücke durch die V-AB AG aufgrund der Einbringung - sei Grunderwerbsteuer entrichtet worden.
6 Die Selbstanzeige sei erstattet worden, weil es aufgrund der Verschmelzung der A Genossenschaft mit der Revisionswerberin zur Vereinigung aller Anteile an der V-AB AG in der Hand der Revisionswerberin gekommen sei. Da aufgrund der bereits zuvor bestehenden Beteiligung der Revisionswerberin an der A Genossenschaft im Ausmaß von 97,46 % durch die Verschmelzung - nach Ansicht der Revisionswerberin - keine Änderung im Herrschaftsverhältnis über die Aktien (an der V-AB AG) eingetreten sei, sei zunächst keine GrESt-Erklärung abgegeben worden.
7 In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesfinanzgericht aus, durch den Verschmelzungsvertrag (vom 13. Juni 2014) seien alle Aktien an der V-AB AG in der Hand der Revisionswerberin vereinigt worden, was einen gemäß § 1 Abs. 3 Z 2 GrEStG steuerpflichtigen Vorgang darstelle, weil zum Vermögen der V-AB AG inländische Grundstücke gehörten.
8 Wenn sich die Revisionswerberin darauf berufe, sie habe die wirtschaftliche Verfügungsmacht über die Grundstücke (der V-AB AG) aufgrund einer bestehenden Organschaft tatsächlich bereits wesentlich früher ausüben können, sodass eine Anteilsvereinigung aufgrund der späteren Verschmelzung nicht mehr möglich gewesen sei, sei ihr - unter Verweis auf verschiedene Literaturmeinungen - entgegenzuhalten, dass auch innerhalb eines Konzerns jeder Erwerb, der zur Vereinigung aller Anteile in der Hand eines einzelnen Konzernmitgliedes führe, für sich steuerpflichtig sei.
9 Eine Anrechnung gemäß § 1 Abs. 4 GrEStG komme im vorliegenden Fall schon aufgrund des Gesetzeswortlautes nicht in Betracht, weil die Anrechnung nur für die in § 1 Abs. 1 und Abs. 2 GrEStG bezeichneten Rechtsvorgänge vorgesehen sei, gegenständlich aber ein Rechtsvorgang gemäß § 1 Abs. 3 GrEStG der Besteuerung unterlege. Ohne Belang sei auch die Tatsache, dass bei der Einbringung der Grundstücke in die V-AB AG bereits von dieser Grunderwerbsteuer entrichtet worden sei.
10 Die Revisionswerberin erhob gegen dieses Erkenntnis zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 27. November 2019, E-5083/2018, abgelehnt und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.
11 Der Verwaltungsgerichtshof leitete das Vorverfahren ein (§ 36 VwGG); die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag auf Zuerkennung von Aufwandersatz.
12 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
13 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist gemäß § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
14 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
15 Die Revisionswerberin begründet die Zulässigkeit der Revision zunächst mit der fehlenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob durch die Fusion zweier in einem Organschaftsverhältnis stehender Genossenschaften, welche ihr Liegenschaftsvermögen bereits vorher in eine gemeinsame AG eingebracht haben, ein zweites Mal Grunderwerbsteuer ausgelöst werde, obwohl sich aufgrund dieser besonderen Konstellation durch die Fusion keinerlei Änderung in der bereits gegebenen rechtlichen und wirtschaftlichen Verfügungsmacht iSd GrEStG hinsichtlich dieser Liegenschaften ergebe.
16 Gemäß § 18 Abs. 2p GrEStG sind im Revisionsfall die Bestimmungen dieses Gesetzes in der Fassung vor dem StRefG 2015/2016, BGBl. I Nr. 118/2015, maßgebend.
17 Mit dem wiedergegebenen Vorbringen wird schon deswegen keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt, weil das Bundesfinanzgericht - entgegen dem Vorbringen der Revisionswerberin im bisherigen Verfahren - bei seiner Beurteilung nicht vom Vorliegen einer zwischen der Revisionswerberin und der A Genossenschaft bereits vor der Verschmelzung bestehenden „Organschaft“ - somit gemäß § 1 Abs. 3 Z 1 GrEStG (idF vor dem StRefG 2015/2016) von Unternehmen im Sinn des § 2 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes (herrschende und abhängige Unternehmen) - ausgegangen ist; die angefochtene Entscheidung enthält weder Feststellungen auf deren Grundlage - nach dem Gesamtbild der Verhältnisse - eine finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Eingliederung der A Genossenschaft in das Unternehmen der Revisionswerberin gemäß § 2 Abs. 2 Z 2 UStG 1994 beurteilt werden könnte, noch darauf bezogene rechtliche Ausführungen (zum Begriff der Organschaft vgl. Fellner, Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz15, § 1 Rz 294f, zur Rechtslage bis 31.12.2015). Das Bundesfinanzgericht hat lediglich unter Bezugnahme auf verschiedene Literaturmeinungen zum Ausdruck gebracht, dass es auch bei Vorliegen einer Organschaft die Rechtsansicht der Revisionswerberin hinsichtlich der grunderwerbsteuerlichen Auswirkungen der nachfolgenden Verschmelzung nicht teile. Eine Rechtswidrigkeit dieser Beurteilung des Bundesfinanzgerichtes - somit unter der Annahme, dass vor dem verschmelzungsbedingten Erwerb aller Anteile an der V-AB AG durch die Revisionswerberin nicht von einer organschaftlichen Verbindung zwischen der A Genossenschaft und der Revisionswerberin auszugehen gewesen sei - wird in der Zulässigkeitsbegründung aber nicht geltend gemacht.
18 Die von der Revisionswerberin aufgeworfene Rechtsfrage stellt sich daher im Revisionsfall nicht. Zur Lösung abstrakter Rechtsfragen ist der Verwaltungsgerichtshof auf Grund von Revisionen aber nicht zuständig (vgl. VwGH 26.9.2022, Ra 2020/16/0087, mwN).
19 Zur Zulässigkeit der Revision wird weiters vorgebracht, es liege auch zur Frage keine Rechtsprechung vor, ob und in welchem Umfang die Anrechnungsbestimmung im GrEStG, die bei Mehrfacherwerben anzuwenden sei, auch im gegenständlichen Fall hätte angewendet werden müssen. Es stelle sich die Frage, ob nicht bereits aus § 1 Abs. 4 GrEStG idF vor dem StRefG 2015/16 (BGBl. I Nr. 118/2015) abzuleiten sei, dass in analoger Gesetzesanwendung eine Anrechnung von Vorerwerben innerhalb des § 1 Abs. 3 GrEStG zu erfolgen habe, da der Gesetzgeber derartige Vorerwerbe offenbar gar nicht für möglich erachtet habe, die zutage tretende Gesetzeslücke dann aber im Sinne einer Analogie durch das StRefG 2015/16 geschlossen habe.
20 Abgesehen davon, dass eine Rechtsfrage, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, im Allgemeinen (in Ermangelung eines substantiierten Vorbringens zur Erforderlichkeit einer Lückenfüllung durch Analogie oder einer teleologischen Reduktion) dann nicht vorliegt, wenn sich das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung auf einen eindeutigen Gesetzeswortlaut zu stützen vermag (vgl. etwa VwGH 18.10.2022, Ra 2022/09/0087, mwN), wird mit diesen allgemeinen Ausführungen, die keinen Bezug zum konkreten Sachverhalt herstellen, auch dem Erfordernis des § 28 Abs. 3 VwGG, wonach eine (außerordentliche) Revision gesondert die Gründe zu enthalten hat, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird, nicht Genüge getan (vgl. VwGH 10.10.2022, Ra 2020/16/0098).
21 Der Zulässigkeitsbegründung ist nämlich nicht entnehmbar, welche Vorerwerbe die Revisionswerberin gemäß § 1 Abs. 4 GrEStG - wenn auch im Wege der Analogie - bei der Besteuerung der verschmelzungsbedingten Anteilsvereinigung berücksichtigt wissen möchte. Selbst unter Berücksichtigung der in der Revisionsbegründung getätigten Ausführungen erscheint es unklar, ob die Revisionswerberin - wie in der Beschwerde vorgebracht - die Vorerwerbe durch die V-AB AG (aufgrund der Einbringung der Liegenschaften in diese) meint, oder von der Verwirklichung einer Anteilsvereinigung anlässlich des Erwerbs der Anteile an der A Genossenschaft ausgeht und in diesem Fall die Berücksichtigung dieses „Vorerwerbes“ begehrt.
22 In beiden Fällen wird allerdings mit dem abstrakten Vorbringen die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan. Sollte die Revisionswerberin auf eine Berücksichtigung der einbringungsbedingten Vorerwerbe durch die V-AB AG abzielen, verabsäumt sie darzulegen, aus welchem Grund diese Vorerwerbe entgegen dem klaren Gesetzeswortlaut des § 1 Abs. 4 GrEStG - in diesem Fall wäre ja ein Rechtsvorgang gemäß § 1 Abs. 1 GrEStG einem Rechtsvorgang gemäß § 1 Abs. 3 GrEStG vorausgegangen und nicht umgekehrt - bei der Besteuerung der verschmelzungsbedingten Anteilsvereinigung Berücksichtigung finden sollen. Der Hinweis der Revisionswerberin auf die mit dem StRefG 2015/2016 (BGBl. I Nr. 118/2015) eingeführte Bestimmung des § 1 Abs. 5 GrEStG - die im Wege einer Analogie bereits im Revisionsfall zu berücksichtigen sei - trägt in diesem Zusammenhang schon deswegen nichts zur Begründung bei, weil diese Bestimmung (in deren Stammfassung) nur aufeinanderfolgende Rechtsvorgänge nach § 1 Abs. 3 GrEStG regelt.
23 Sollte hingegen die - von der Revisionswerberin offenbar aufgrund der ihrer Ansicht nach entstandenen Organschaft angenommene - Anteilsvereinigung anlässlich des Erwerbs der Anteile an der A Genossenschaft gemeint sein, wird damit schon deshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt, weil das Bundesfinanzgericht in der angefochtenen Entscheidung - wie bereits ausgeführt - nicht vom Vorliegen einer Organschaft ausgegangen ist.
24 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
25 Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 16. Februar 2023
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2023:RA2020160015.L00Im RIS seit
20.03.2023Zuletzt aktualisiert am
20.03.2023